Nun gab der Sekretär des GewerkschaftZbundes, GenosseHuggler- Bern längere mündliche Erläuterungen zum gedrucktenBericht des Gcwerkschaftsbundes»dessen gegenivörtigen Stand darstellend. Er stellte fest, daß es inder Schweiz tfirla 900 000 Lohnarbeiter und-Arbeiterinnen gibt,von denen aber nur etwa 800 000 organisationZfähig sind, also eiwa86 Proz. Gewerkschaftlich organisiert sind gegenwärtig zirka 92 000Arbeiter im Gewerkschastsbuud und gehören demselben ungefähr70 Proz. aller in der Schweiz überhaupt wirtschaftlich organisiertenArbeiter an. Angesichts der vielen besonderen Schwierigkeiten, diein der Schweiz der Ausbreitung der Gewerkschaftsbewegung ent-gegenstehen, wie z. B. die Vielsprachigkeit, darf gesagt werden,daß der Stand unserer Bewegung relativ nicht unbeftiedigend ist.Da? läßt sich auch feststellen im Vergleich mit den Zahlen frühererJahre. So zählte der Gewerkschaftsbund im Jahre 1890 erst 6000Mitglieder. Gestiegen sind auch die Beiträge der Mitglieder, dieLeistungen der Organisationen auf dem Gebiete des Unterstützungs-Wesens und die Fortschritte in der Verbesserung der Arbeits- undLohnverhältnisse. Graphische Tabellen, die an der Wand des Saalesangebracht sind, veranschaulichen in übersichtlicher Weise die Ent-Wickelung dieser Verhältnisse. Sehr eingehend beleuchtete Huggleran Hand der Haushaltungsstatistik die wirtschaftliche Lage derschweizerischen Arbeiterschaft. Sie ist besser geworden, gewiß, abersie ist zurückgeblieben hinter dem starken Wachstum des sogenanntenNationalreichtums. Die Kosten der Lebenshaltung eines Arbeitersin den Städten schwanken zwischen 1820 und 2430 Fr., die aber diegroße ZKehrzahl der Arbeiter nicht aufzubringen vermag. Minde»stens 75 Proz. der Arbeiter kommen nicht auf ein Jahreseinkommenvon 1500 bis 1800 Fr., sondern nur auf ein Jahreseinkommenvon 1200 bis 1400 Fr. Es ist also auch in der schweizerischen Ar-beiterschaft Not genug vorhanden, die bekämpft und beseitigt werdenmutz. Befriedigend sind auch unsere Arbeitszeitverhältnisse nichtund gilt eS, den Widerstand des organisierten Unternehmertumsgegen weitere Fortschritte durch Stärkung unserer Gewerkschaftenzu überwinden und ebenso die Arbeiterschutzgesetzgebung zu fördern.Seine Ausführungen faßte Huggler schließlich in eine AnzahlThesen zusammen.DieDiSkussio« über den BerichtdeS Sekretärs Huggler eröffnete die Arbeitertnnensekrctärin Ge-nossin H ü n i(Walter) mit Ausführungen über die Frauen-bewegung, insbesondere über die Tätigkeit des Arbeiterinnensekre»tariats und regte die Erhöhung des Kredits für diese Institutiondes Gewerkschaftsbundes an.Den Thesen HugglerS wurde sodann ohne weitere Diskussionzugestimmt.Anträge des Holzarbeiterverbairdes betreffend den U e b e r-tritt von Hilfsarbeitern und Handlangern beiArbeitswechsel in den jeweilen zuständigen Verband wurden demGewcrkschaftsausschusse zur weiteren Behandlung überwiesen.Ferner interpellierte der gleiche Verband das Bundrskomitcebetreffend die Herbeiführung einer einheitlichen Recht»sprechung der gewerblichen Schiedsgerichte inStreitigkeiten aus dem Lohn- und ArbeitSver-hältnis auf der Basis der Bestimmungen desschweizerischen Obligationenrcchts. Wie die ersterenAnträge begründete auch diese Interpellation der RedakteurReichmann von der.Schweiz. Holzarbeiter-Zeitung". DerInterpellant wie auch die nachfolgenden Diskussionsredner: Staude,Bock, Huggler, Rieder, Dürr- Bern, Z i n g g- Bern undGreulich befürworten übereinstimmend ein Borgehen des Ge-Werlschaftsbundes in dieser Richtung durch Sammlung von bezüg-lichen gewerbegerichtlicben Entscheidungen, sowie deren Veröffent-lichung in der Gewerkschaftspresse und Veranstaltung von Konfe-renzen von Arbeiterbeisitzern in den Gewerbegerichten. BezüglicheAnträge von Bock-Basel und Stau de-Zürich werden an-genommen.Ein Antrag des Buchbinderverbandes auf Untersagungder Veranstaltung von Tombolas zur Fundie-rung von Unter st ützungskasscn oder zu anderenZwecken unter Inanspruchnahme der Gewerkschaften, denAlbert» Zürich begründete, fand allseitige Zustimmung. AufAntrag Huggler werden Ausnahmen zugelassen, wenn es sich umZwecke zum Nutzen der Gesamtarbeitcrschaft handelt. Auf AntragS chra d e r S- Basel bedarf es in solchen Fällen der ZustimmungdeS BundeSkomitceS. Der Antrag Huggler wurde angenommen.Nun referierte Schneeberger- Bern über dieErhöhung der Beiträge, der Verbände an den Gewerkschaftsbund von 3 Cent, pro männ-UcheS und von 1VH Cent, pro weibliches Mitglied einschließlich derHeimarbeiter auf 5 bzw. 2'A Cent, pro Monat. Im Jahre 1912p?uen die ordentlichen Beiträge und Subventionen der Verbände29 4/8 ,yr. betragen; nach den höheren Beiträgen würden sie 36 944,, rank betragen und mit den Beiträgen der deutschen General-kommi>sion und der italienischen Gewerkschaftszentrale 43 380 Fr.�.afür würden bisherige Extraleistungen der Verbände in Wegfallkommen, also nach dieser Richtung wieder entlastet werden.Die angeschlossene Diskussion ist durchwegs zustimmend, nurdie Uurenarbeiter verlangen, daß in Zukunft die hauptsächlichstenPublikationen des GewcrkschaftSbundcS auch in französischerSprache herausgegeben werden, wa, beschlossen wurde. Hieraufwurde die Beitragserhöhung einstimmig angenommen.ES folgt das Referat deS Adjunkten Lorenz vom Schweizeri-schen Arbeitersekretariat über die kommende schweizerischeGewerbegesetzgcbung.Heute stehen neben den gesetzlich geschützten 335 009 Fabrikarbeiterzirka 200 000 gewerbliche Arbeiter, die noch ohne gesetzlichen Schutzsind. Wohl haben mehrere Kanwne besondere Arbeiterinnenschutz-ge setze, Gesetze zum Schutze des Wirtschaftspersonals und der Lehr-linge; aber sie werden vielfach nicht kontrolliert und wahrscheinlichauch nicht durchgeführt. Ein schweizerisches Gewerbegesetz könntediesen Personen Schutz gewähren, auch die Stellenvermittelungregeln und Kinderschutz schaffen. In Betracht kommen 130 000 Be-triebe gewerblicher, hausindustrieller, kaufmännischer usw. Art.Der Referent l'ndet es aus verschiedenen Gründen, namentlich imHinblick auf das Referendum, zweckmäßiger, für die verschiedenenGebiete Spezialgesetze zu schaffen. Im einzelnen ist zu fordernder gesetzliche Schutz der Arbeiter in den gewerblichen Betriebengegen die Unfallgefahren, auch die Unterstellung unter die Unfall-Versicherung; Schutz deS Personal» in der Fremdenindustrie: Eiche-rung des Lohnes der Bauarbeiter; eine umfassende Gewerbeinfpek-tion usw. Aufgabe der Gewerkschaften muß es nun sein, für ihrebesonderen Gewerbe Material zu sammeln und dem Gewerkschafts.bund zur Verfügung zu stellen. Dieser soll eventuell in bestimmtenGewerben»nqueten veranstalten oder auch durch das Industrie-departemenf unter Mitwirkung der Gewerkschaften veranlassen.Dieses konnte auch«ine Expertenkommission bestellen, wie es dasauch in Sachen der Revision des Fabrikgcsetzes getan. Der Gcwerk-schaftsbund soll eine besondere Kommission für diese Materie be-stellen, welche dann ihrerseits die Forderungen der Arbeiterschaftaufzustellen hat Schließlich empfahl der Referent die Annahmeeiner Anzahl Thesen, in denen er seine Ausführungen zu.fammenfaßt.In der Diskussion erinnerte R i m a t h e daran, daß auch vor-handene Kategorien von Arbeitern, z. B. die Dienstboten, desgesetzlichen Schutzes bedürfen. Den amtlichen Enqueten steht ersehr skeptisch gegenüber.Greulich wendete sich gegen den Vorschlag der' Spezialgesetz--UiT, bei der es 30 Jahre dauern würde, bis der geforderte Ar-beiterschutz erreicht würde. Er würde ein Gesetz mit Spezialver-ordnungen vorziehen, eine Praxis, die in der schweizerischen Gesetz-gebung nicht mehr neu ist. Die Spezialaesetzgcbung könnte auch dieArbeiterschaft entzweien, während ihre Einigkeit hochgehaltentottbcn vvch.In seinem Schlußwort hält Lorenz an seinen Standpunktder Spezialgesetzgebung als den zweckmäßigeren Weg fest. Erkönnte sich allerdings auch mit einem einheitlichen Gesetz mitSpezialVerordnungen einverstanden erklären, wenn bei deren Auf-stcllung die Arbeiter mitwirken können, bzw. paritätische Kommissio-nen für diese Aufgabe bestellt werden. Mit einem solchen Zusatz-antrag wird die Resolution Lorenz angenommen und damit dieSitzung geschloffen.__Parteitagder deutsche« Sozialdemokratie.(Schluß aus der 2. Beilage.)Bromme-Lübeck:Wir begrüßen eS, daß die Agrarfrage wieder auf dieTagesordnung kommen soll, aber ich bitte, von der Wahl der Studien-kommission hier auf dem Parteitag abzusehen. Die richtige Zu-sammensetzung aus Fachmännern, Theoretikern und Praktikern istschwierig. Die Aussicht, besoldete Mitarbeiter anzustellen, recht-fertigt es, daß die Zusammensetzung der Kommission vom Partei-vorstand und vom Ausschutz gründlich geprüft wird. Für dasFamilienblatt wäre ein Preis von 15 Pf. das höchste. Auch dafürkönnte etwas Gediegenes geschaffen werden. Um eine ähnlicheAufmachung, wie die der Berliner Illustrierten Zeitung kommenwir nicht herum; denn ein gewisses Sensationsbedürfnis besteht nuneinmal in den weiten Volksschichten. Ullstein hätte so hohe Abon-nentenzahlen nie erreicht, wenn wir mit einem solchen Blatt recht-zeitig auf dem Platz erschienen wären.Damit schließt die Debatte, die Schlußworte sollenmorgen gehalten werden.Von dem Genossen Haas e ist ein Danktelegramm für die ihmübermittelten Wünsche eingegangen. Vom Vorstand der Sozial»demokratischen Partei Hollands ist Genosse Ravesteyn erschienen.Ferner sind Begrüßungstelegramme eingegangen von der briti.schen sozialdemokratischen Partei, den organisiertenFrauen Halber st adts und zahlreiche Telegramme aus r u s s i-schen Parteizentren.Schluß 6 Uhr.»Es sind noch folgende Anträge eingelaufen.Im Antrage 94(Massenstreik) die Absätze 2 und 3 zuersetzen durch:Die Verschärfung der wirtschaftlichen und politischen Gegen-sätze in Deutschland nötigt das Proletariat zur Entfaltung immergrößerer Macht für die Verteidigung gegen heimtückische Anschlägeder herrschenden Klassen, für die Verbesserung seiner Wirtschaft-lichen Lage und die Erweiterung seiner politischen Rechte. ImKampf gegen die volitische Entrechtung ist das Proletariat immermehr gezwungen, die höchste Energie zu entfalten. Dieser Kampfgipfelt in dem Kampf um das allgemeine, gleiche und direkteWahlrecht zu allen Vertretungskörpern, dessen Eroberung eineVorbedingung für' den Befreiungskampf des Proletariats ist. Derjetzige Zustand der politischen Rechtlosigkeit des Proletariats, ins-besondere in Preußen, der seinen deutlichsten Ausdruck im Drei-klass-nwahlrecht findet, hemmt das Proletariat in allen seinenBestrebungen auf Verbesserung seiner Lebenshaltung. ES machtdie schlimmsten Feinde gewerkschaftlicher Betätigung und sozialenFortschritts zum Beherrscher der Gesetzgebung, nicht nur inPreußen, sondern im ganzen Reiche.Dieses schändliche Wahlrecht kann nur einem Wahlrechts-stürm der großen Massen weichen, wie ihn der Preußische Parteitagvom Jamiar 1910 in Aussicht genommen hat.Der Parteitag begrüßt das wiedererwachte Interesse weiterParteikreise an der Frage deS politischen Massenstreiks. Voraus-setzung für die erfolgreiche Durchführung eines politischen Massen-streiks ist die möglichst vollkommene Organisation des Proletariatsin politischer und wirtschaftlicher Beziehung und die Erfüllungdieser Organisationen mit revolutwnärer Kampfbegeisterung undOpferbereitschaft. Der Parteitag macht es deshalb den Parteigenossen zur Pflicht, unermüdlich für tot Ausbau der politischenund gewerkschaftlichen Organisation und für die Verbreitung derPartei- und Gewerkschaftspresse zu wirken. Der Massenstreik kannjedoch nicht auf Kommando von Partei und Gewerkschaftsinstanzenkünstlich herbeigeführt werden. Er kann sich nur als Steigerungeiner bereits im Fluß befindlichen Massenaktion aus der Verschär-fung der wirtschaftlichen und politischen Situation ergeben.Als Antwort auf die Uebergriffe der Reaktion wie als ersteVoraussetzung erfolgreicher Massenaktionen ist eine offensive, ent-schlossene und konsequente Taktik der Partei auf allen Gebietenerforderlich. Nur ein« solche Taktik, die den Schwerpunkt desKampfes bewußt in die Aktion der Massen verlegt, ist geeignet,in den Reihen der Organisierten die Kampsenergie und den Jdealis-mus wach zu halten, sowie die Unorganisierten in wichtigenAugenblicken mitzureißen und für die gewerkschaftliche und polt-ttsche Organisation dauernd zu gewinnen.Der Parteitag fordert die Parteigenossen und di« Partei-instanzen auf, alle Maßregeln zu ergreifen, damit da? deutscheProletariat bei den kommenden Kämpfen für alle Fälle gerüstetdasteht. Luxemburg. OSkar Cohn. Kleinspehn. I. Wellmann.P. Reißhaus. Zetkin. Wilh. Apel. Antrick. I. Voigt. Liebknecht.Hofrichter. Helene Schwcida. F. Geyer. Ledcbour. Fuchs.Ant. Pannckoek. Theodor Schwartz. Horn(S.). M. Schnabrich.A. Henke. Donalies. Westnteyer. Hoch. Krüger(Königsberg).Emmel. Ditttnann. Rob. Dißmann. Härtung. Joh. Knief.Rosenfeld. Peter. LintoAntrag 101. Der Parteitag wolle eine Kommission zumStudium der Agrarfrage einsetzen und sie ermächtigen, auch be-soldete Mitarbeiter zur Erledigung ihrer Aufgabe heranzuziehen.Gottschalk. DonalieS. Linde. Krüger(Königsberg). Jul. Gehl.Crispien. Schulz. Peter. Sellin. Dittmann. Westineyer.Speich. Engelhardt. Göft. Bihlmaier. Dißmann. L. Emmel.Otto Antrick. Rühle. Hoch.IZus der Partei.Da« LeichenbegiingniS Heinrich BaererS.Unter sehr starker Teilnahme der Arbeiterschaft von Harburgund Wilhelmsburg sowie aus den Landorlen hat am Sonn»abend das Leichenbegängnis unseres alten Parteiveteranen HeinrichB a e r e r in Harburg staltgefunden. ES war ein imposanter Zug,der sich vom„Wilstorcher Park" nach dem Friedhof bewegte. GenosseKarl Fr ahme, sowie die Genossen Hirschfeld und Seitzsprachen an der Bahre und am Grabe tiefempfundene Gedenkworte.Mit Heinrich Baerer ist wieder einer der ganz Alten dahin-gegangen. Er war einer der Mitbegründer der Partei.Hervorgegangen ans den allerärmlichsten Verhältnissen, ist HeinrichBaerer sein ganzes Leben lang ein echter Sohn der Armut gewesen.Jin Alter von 14 Jahren wird Baerer, da er elternlos war, nachAushändigung von 2 Talern Reisegeld von seiner Gemeinde Kirch-Hain in Hessen aufs Geratewohl hinaus in die Welt geschickt. SeinWeg führte ihn nach Harburg, wo er das Schuhmacherhandwerkerlernte. Da er fast ohne jede Schulbildung aufgewachsen war,lernte er erst als Schuhmachergeselle fließend lesen. Setne natürliche Begabung ließ ihn die größten Lücken seines Könnensausfüllen und so kam eS. daß er, als in Deutschland derBoden für eine selbständige Arbeiterbewegung vorhanden war, sichdieser anschloß. 1864 trat Baerer dem Allgemeinen DeutschenArbeiterverein bei und arbeitete mit Theodor Jork gemeinsaman dessen Ausbau. Als Dork zu den.Eisenachern" übergetretenwar und die Bewegung infolgedessen am Orte ganz daniederlag,war eS Baerer. der im Verein mit einigen Gleichgesinnten die Be-wegung hochhielt.«IS über Hamburg-Altona im Jahre 1880 derkleine Belagerungszustand verhängt und später auchHarburg davon betroffen lourde, fiel Baerer dem Schandgesetzzum Opfer. 1884 am Weihnachtsabende erhielt Baerer die Aus-Weisung. Er ging nach Hannover und war auch kurze Zeit in Buxte-Hude. Im Jahre 1887 wurde Baerer im Wahlkreise Harburg(17.hannoverscher) zum ersten Male als Kandidat aufgestellt. Er ver-einigte auf sich eine große Slimmenzahl, die sich bei den folgendenWahlen fortgesetzt steigerte.Infolge hohen Alters sah er bei der letzten Wahl von einerWiederannahme der Kandidatur, die er ein Vierteljahrhundert mitEhren bekleidet, ab.Mit Heinrich Baerer ist einer jener wahrhaft volkstümlichenAgitatoren für unsere Partei ins Grab gestiegen, die weniger durchtheorettsche Gelehrsamkeit als durch packende, dem Leben entnommeneVergleiche zu wirken verstehen. Heinrich Baerer hat ein Alter von73 Jahren erreicht, er wurde geboren am Neujahrstage 1841. Per-sönlich war Baerer ein herzensguter Mensch und genoß auch bei denGegnern hohe Achtung.Die Partei wird ihm ein ehrendes Andenken bewahre«.Soziales.Ein moderner barmherziger Samariter.Von der Ortskrankenkasse der Schneider, Schneiderinnen wirduns geschrieben:In seiner Berichtigung hält es der Vertreter de? Dr. med. Bern-hard Friedenheim für angebracht, Bezug auf eine Widerklage zunehmen, welche die Ortskrankenkasse der Schneider pp. zu Berlingegen seinen Mandanten angestrengt hatte. Seine Ausführungentreffen aber nicht die Sachlage und nötigen uns zu folgendenBemerkungen:Welcher Art die Feststellungen des von mehreren Krankenkassenangerufeilen ärztlichen Ehrengerichts waren, entzieht sich auchunserer Kenntnis. Auch uns wurde nur die Mitteilung, daß eineEntscheidung gegen Dr. Friedenheim ergangen und sich die Sachezurzeit in der Berufungsinstanz befindet. Sobald diese gesprochen.wird ja, da die Angelegenheit wiederholt die Oeffentlichkeit be-schäftigte, der notwendigen Aufklärung seitens Dr. F. nichts im Wegestehen.Der Vertreter deS Dr. F. teilt in seiner Berichtigung nur denAusgang einer Widerklage— die wir als Antwort auf eineKlage des Dr. F. eingeleitet hatten— mit, schweigt sich aber überdaS Urteil der Klage vollständig aus. Dadurch wird dieSache auf ein Nebengleis geschoben. Denn eS handelte sich inunserem Falle um etwas ganz anderes. Für seine Hilfeleistung beider Frau A. verlangte Dr. F.— nachdem wir ihn bereits nach denSätzen der Gebührenordnung mit 35 M. entschädigt hatten— nochein Resthonorar in Höhe von 21 M. Als ihm daS, weil es unSnicht genügend begründet war, verweigert wurde, ließ er durchseinen Vertreter beim hiesigen Magistrat auf den Namen der FrauA. eine Klage gegen die Kasse führen, von welcher daS Mitgliedkeine Ahnung hatte. Diese Klage fiel, nachdem der Magistraldurch Vernehinung der Frau A. festgestellt hatte, daß dieseweder von der Klage wußte, noch wissentlich eineBollmacht dazu gegeben hatte. Nunmehr erhob Dr. F.beim Amtsgericht wegen der 21 M. Klage, und dieses Gericht ent-schied— was er in der Berichtigung nicht erwähnt—. daß demKläger nur eine Forderung von Z M. gegen die Kasse zu-steht, wies ihn mit der Mehrforderung von 18 M abund verurteilte ihn, der Kosten zu tragen. DaS ist der Kern-Punkt der Sache. Ehrengericht und Amtsgericht haben stch damitgegen Dr. F. ausgesprochen. Wenn wir angesichts der bekannt ge-wordenen Manipulationen berechtigte Zweifel an der Dringlichkeitder Hilfsleistungen hegten und deShalo durch die Widerklage einegerichtliche Nachprüfung herbeiführen wollten, so kann daS vonDr. F. überhaupt nicht zur Rechtfertigung seiner Handlungen heran-gezogen werden._„Lohnender" Nebenverdienst.Welche» große Maß von Vorsicht den Annoncen gegenüber amPlatze ist, die lohnenden Nebenverdienst versprechen, und, wie über«aus zahlreich diejenigen sind, die trotz aller Warnungen immerwieder auf den Schwindel hereinfallen, lehrte eine Verhandlung vordem Gewerbegericht.Der frühere Kaufmann, jetzige Invalide Brücken klagte gegeneinen gewissen Walter Hoenig, früher Dresden, auf Zahlungvon insgesamt 166 Di. wegen kündigungSloser Entlassung, restierendenLohnes und einbehaltener Kaution.Der Kläger hatte sich auf eine der bekannten Annoncen hin ge-meldet. Hoenig verlangte eine Kaution zur Sicherstellung desMaterials in Höhe von 6 bis 40 M. Der Kläger Brücken stellte30 M. Er bekam nun auch Briefbogen mit aufgedruckter Firma—die jedoch gar nicht eristierte— zugesandt und trat zum Beklagtenin ein B e r t r a g S v e r h ä l t n i s. wonach monatliche Kündigungvereinbart und für die zu schreibenden an Privatleute zu sendendenBriefe pro Stück 20 Pf. zugesichert wurden. Zahlung deö verdientenLohnes sollte halbmonatlich erfolgen. Aber schon nach der erstenArbeitsleistung erhielt er weder Geld noch Antwort, schöpfte Verdachtund erstattete Anzeige. Jetzt stellte sich heraus, daß über 800 der-artige Fälle vorliegen. Hoenig wurde wegen Kautionsschwindelstrafrechtlich zu 9'/, Monaten Gefängnis verurteilt. Nach ErledigungdeS SIrafverfahreilS konnte die Klage vor dem Gewerbegericht seinenFortgang nehmen, mußte jedoch wegen Unzuständigkeitabgewiesen werden, denn Hoenig hatte im Strafprozeß zu-gegeben, daß eS ihm lediglich auf di« Erlangung derKautionssumme angekommen sei. Mithin lag kein gewerb-licheS ArbeitSverhällniS, sondern ein BetrugSfall vor und dafür istdas Gewerbegericht nicht zuständig.Bemerkenswert ist, daß sich unter den vielen Hundert Herein-gefallenen nicht nur solche befinden, die aus tieffter wirtschaftlicherNot zu der.lohnenden Nebenbeschäftigung" als einem letzten,rettenden Strohhalm griffen, sondern daß auch Beamte,Lehrer usw. dabei waren. Diese haben sich zwar nicht aus denöffentlichen Aufruf der Kriminalpolizei gemeldet, aber der Beklagtehat sie dann selbst noch angegeben. Jedenfalls ist e« eine Un-geheuerlichkeit, daß Leute, die sich in f e st e r Anstellung be-finden, sich nicht scheuen, die ungünstige Lage deS LrbeitsmarkteS zuverschlechtern.___Hetzte NachHcbten.Zur Unterstützung der japanischen Forderunge«.Tokio, 15. September.(W. T. B.) Zwei japanischeKreuzer sind von Saseho nach Nanking beordert worden.HuertaS Opfer für Amerika.New Aork, 15. September.(W. T. B.) Nach einer Meldungaus Mexiko Cith hat Präsident Huerta die Demission deSMinisters des Innern Urrutia angenommen, der derUrheber des sogenannten Ultimatuins an die Vereinigten Staatenwar zu der Zeit, wo Linds Mission angekündigt wurde.Explosion auf einem Bergungsdampfer.HelsingforS, 15. September,(W. T. B.) Während oer Ar-betten zur Hebung eines gesunkenen Schiffes ereignete sich aufdem Bergungsdampfer eine Explosion; der Dampfer sank,der Kapitän, ein Taucher und zwei Matrosensind ertrunken._Polizeikampf mit Räubern.Kiew, 15. September.(W. T. B.) Als eine Polizeiabteilungin der Vorstadt Podol drei Räuber zu verhaften versuchte, kam eszu einem Feuergefecht; ein Räuber wurde getötet, diebeiden anderen entkamen, einer davon verwundet. Ein Schutzmann ist schwer, einer leicht verwundet.