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m 30.3.1t« 3. Keilage des Jmrts" Kerlimr AlksblM. Zonuabend. 30. Septembtt!0l3. GexverksckaftUckes- Der Klrbeitsmarkt in der proviti2 Brandenburg . Der Verband märkischer Arbeitsnachweise verbreitet folgende Mitteilung: Der Arbeitsmarkt hat in Berlin und in der Provinz im August wiederum keine Besserung erfahren. Im Bau- gewerbe war die Lage nach wie vor recht ungünstig. Außer- ordentlich großem Angebote von Arbeitskräften stand eine sehr geringe Nachfrage gegenüber. Auf den mit dem Baugewerbe verwandten Gewerben lastete gleichfalls ein schwerer Druck. Bei Gips- und Zementarbeitern, Bildhauern irnd Stukka- teuren war die Aussicht auf Beschäftigung gering. Töpfer waren Ende des Berichtsmonats allein in Berlin zirka 550 arbeitslos, wobei in Betracht zu ziehen ist, daß über 100 bereits in der weiteren Provinz Arbeitsgelegenheit zu suchen sich bemüht haben. Ziegeleiarbeiter waren in sehr beschränk- tem Umfange unterzubringen. Wenn auch im Malergewerbe die Beschäftigung etwas reger war, besonders Lackierer wurden verlangt, so waren die lediglich während der Reise- zeit vorzunehmenden Ausbesserungsarbeiten ausschlag- gebend. Ob die gegen Ende des Monats eingesetzte geringe Besserung in der Holzindustrie fortdauern wird, ist zweifel- hast. Tie Zahl der Arbeitslosen in diesem Gewerbe betrug am Ende des Monats 3085. Selbst bei der berechtigten An- nähme, daß sich unter diesen eine Anzahl von Invaliden befinden, die bestenfalls nur auf gelegentliche Beschäftigung rechnen, enthüllt doch diese Aufstellung ein recht trübes Bild von der Arbeitsmarktlage in der Berliner Holzindustrie. Die Arbeiter der Baubranche, besonders Einsetzer und Parkett- bodenleger haben am stärksten unter dieser Depression zu leiden. In der weiteren Provinz und darüber hinaus ist zwar der Beschäftigungsgrad speziell in diesem Gewerbe auch sehr niedrig, doch immerhin noch besser als in Groß-Berlin. Aller Warnungen ungeachtet, gibt es aber immer noch viel zu viel Arbeiter, die glauben, nur nach Berlin kommen zu brauchen, um hier sofort dauernde und ausreichende Beschäfti- gung zu finden. In der Metallindustrie war die Beschäftigung befrie- digend. Maschinenfabriken und Kesselschmieden arbeiten, wie die Berichte aus Berlin . Küstrin und Guben ergeben, teilweise mit Ueberschichten. Auch in den Gießereien und Formereien war im allgemeinen die Beschäftigung befrie- digend. Nur in Brandenburg lastet der dort herrschende Streik schwer auf dem gesamten Metallgewerbe. Die Ein- stellung von Arbeitern in der Fahrradindustrie war recht gering. Auch aus Wittenberge wird, soweit vorwiegend die Nähmaschinenindustrie in Frage kommt, ein leichter Rück- gang gemeldet. Die Veltener Kachelofenindustrie liegt nach wie vor danieder. Ein leichter Rückgang setzt in der Gubener Hut- und Tuchfabrikation ein. während in Berlin bereits die Filzarbeiter unter der schlechten Konsunktur zu leiden haben. Die Niederlausitzer Tuchnrdustrie, besonders in Forst, Spreniberg, Kottbus , Sommerfeld, Sorau . Finsterwalde , arbeitet schon seit Wochen mit verkürzter Arbeitszeit. �In der Mkleidüngsindustrie' ivar' im Schühmachergewerbe auch im Berichtsmonat die Beschäftigung normal, die Industrie da- gegen klagt schon seit langem unter geringem Eingang von Bestellungen. Gleich ungünstig war der Beschäftigungsgrad in der Herren- und Damenschneider- wie Wäschebranche. Doch sind Anzeichen vorhanden, daß der September eine ge- wisse Belebung bringt. Normal beschäftigt war die optische Industrie in Rathenow . Gut, zum Teil sehr gut scheint der Geschäftsgang im Buchdruckgewerbe in Berlin und in der Provinz zu sein. Nur die Lithographen klagen besonders in Berlin über unzureichende Arbeitsgelegenheit. Der weiter anhaltende günstige Geschäftsgang in der Militärbranche bot auch für die Wagen- und Treibriemenbranche ausreichende Arbeitsgelegenheit, während sonst im Sattler- und Porte- feuillesgewerbe Einschränkungen des Betriebes fortdauern. Im Gastwirtsgewerbe herrscht seit Mitte des Bcrichtsmonats infolge Zustroms von Gastwirtsgehilsen aus den Saison- Plätzen Ueberfluß. Selbst an Aushilfsstellen war infolge der wenig günstigen Witterung Mangel. Auf dem weiblichen Arbeitsmarkt war. soweit die Dienst- botenvermittelung in Frage kommt, die Nachfrage bedeutend höher als im Vormonat: auch das Angebot stieg, doch nicht genügend, um auch nur annähernd die Nachfrage zu decken. Es fehlt nach wie vor besonders an geschulten Hausmädchen. Als ein Zeichen der Zeit kann es gedeutet werden, daß die Nachfrage nach minderjährigen Mädchen für leichte Hand- arbeit in der Industrie lebhaft, zum Teil so stark war, daß bei weitem nicht alle offenen Stellen besetzt werden konnten. Nur bei den Buchdruckereihilfsarbeitern ließ die Nachfrage nach weiblichen Personen außergewöhnlich nach. In der Landwirtschaft war entsprechend der Jahreszeit die Beschäftigung rege, das Angebot freilich, soweit brauch- bare Kräfte in Frage kommen, gering, aber doch immerhin lassen die Berichte der öffentlichen Arbeitsnachweise in der Provinz erkennen, daß der Landarbeitermangel infolge der wenig günstigen industriellen Konjunktur bis zum gewissen Grade nachgelassen hat. Trübe sind die Aussichten in der Gärtnerei. Der Berliner Arbeitsmarkt ist von Stellen- suchenden bereits so überschwemmt, daß seit längerer Zeit ein Teil der in Frage kommenden Organisationen denjeni- gen auswärtigen Mitgliedern, die nach der Hauptstadt kommen, den Anspruch auf jede Unterstützung bis auf weiteres versagen._ Berlin und Qmgegend. Unzufriedenheit beim Personal der städtischen Strastenbahnen. DaS Perfonal der Werkstätten und Bahnmeistereien der städtischen Straßenbahnen hatte sich dieser Tage außerordentlich zahl- reich in einer Versammlung zusammengefunden. Veranlassung zu dem vollzähligen Besuch bot die Tatsache, daß die durch den Arbeiterausschuß bereits am 8. Juli dieses Jahres verhandelten Anträge auf Beseitigung der im Juni eingeführten Lohn- Verschlechterungen bis jetzt von feiten des Verkehrsausschusses ohne Antwort geblieben sind. Die Verschlechterung der Lohn« Verhältnisse soll nach den Behauptungen des Betriebsleiters Dr. ing. Dietrich auf Veranlassen deS Magistrats(!) vorgenommen worden sein. Im Juni d. I. wurde nach jahrelangem Drängen die Einführung der neunstündigen Arbeitszeit durch den Magistrat angeordnet. Dem Arbeiterausschuß wurde seinerzeit er- klärt, daß mit dieser Verbesserung deS Arbeitsverhältnisses ein Aus­gleich geschaffen werden solle gegenüber den in anderen städtischen Betrieben bewilligten Lohnerhöhungen. Diese Erklärung bedingte, daß mit der Einführung der Arbeitszeitverkürzung zum mindesten das früher verdiente TageSeinkommen weiter garantiert blieb. Das ist aber nur für die Anfang slöh n e� geschehen. In den weiteren Lohnstufen fklrtr;" Niitbedingt..... durch eine Ver­schlechterung der Lohnsteigerupgszeiten, ganz erhebliche Kürzungen deS früher verdienten TagelohneS zu verzeichnen, ftür die Hand- werker ist hierdurch im Endlohn ein Minus von 7 2 P f. pro Tag zu konstatieren. Außerdem ist der seit Jahren gezahlte Löprozentige Zuschlag für Nachtarbeit ganz entzogen worden. Die Zuschlags- bezahlung für Sonntagsarbeit wurde obendrein ganz erheblich h erabgesetzt. Die Verschlechterungen des LohneinkommenS betragen im einzelnen pro Jahr bis zu 300 M. und darüber. Bei den Tarifverhandlungen im Rathaus haben� die Freisinnsvertreter erklärt, daß Tarifverträge in städtischen Betrieben sich erübrigen, weil Verschlechterungen der Arbeitsverhält- nisse nicht durchgeführt werden. Wie falsch diese Behauptung ist, beweisen die geschilderten Vorkommnisse. In den städtischen Be- trieben war es allerdings bisher nicht Praxis, bei Einführung von Arbeitszeitverkürzungen Verschlechterungen des Lohneinkommens durchzuiühren. Wir verweisen hierbei auf die GaSwerksverwaliung, Slraßenreinigung usw. Solche Allüren waren der Verwaltung des früher so sehr gelobten Musterbetriebes der Straßenbahn�vorbe- halten. Nach sehr erregter Debatte, bei der von den Beschäsligten ganz besonders auf die zum Teil ganz ungeheure wirtschaftliche Schädigung hingewiesen wurde, kam folgender Antrag einstimmig zur Annahme: «In Rücksicht auf die Tatsache, daß die durch den Arbeiter- ausschuß dein Verkehrsausschuß eingereichten Anträge seit über 1l) Wochen ohne Autwort geblieben sind, werden die Ortsver- waltungen des Gemeindearbeiter- und des Melallarbeiler-Berbandes beauftragt, mit dem Magistrat darüber in Verbandlungen einzu- treten, daß die im Juni d. I. eingeführten Verschlechterungen be- seitigt werden. Die Versammelten erklären, daß sie, wenn die Verhandlungen ein ungenügendes Resultat erzielen sollten, eventuell gewillt sind, die letzten Konsequenzen aus diesem Kampfe um die Beseitigung der aufgezwungenen Lohnverschlechterungen zu ziehen." Deuvkcbes Reich. Die jetzige Situation in den Werftorten. Der Ausstand der Werftarbeiter ist immer noch nicht völlig er- ledigt. Die Arbeiter haben allerdings den Streik längst aufgehoben. Am 4. September beschlossen die Bremer Holzarbeiter als letzte Gruppe die Arbeit zu denselben Bedingungen aufzunehmen, wie die anderen Arbeiter. Der" Unternehmerverband hat dann vom ü. Sep- tember ab die Sperre auigchoben, d. h. von diesem Tage an wurde mit der Einstellung der Arbeiter begonnen. Jetzt, in der dritten Woche nach der Aushebung der letzten örtlichen Streiks, stehen noch eine erhebliche Anzahl Arbeiter auf der Straße, die noch nicht wieder eingestellt worden sind. Die Wersten nehmen die Einstellung recht langsam vor. In den ersten fünf Tagen wurden überhaupt nur wenig Leute eingestellt, etwa nur 3 Proz. der Ausständigen, in einzelnen Orten allerdings ging die Einstellung gleich etwas flotter. In den folgenden Tagen wurde dann die Einstellung in größerer Zahl vor- genommen, sie ist aber in den letzten Tagen wieder eingeschränkt worden. Am 18. d. M. waren in Hamburg noch ca. 1100 Aus­ständige nicht wieder eingestellt, in Kiel 500, in Bremen 400, in Bremerhaven 300, in Flensburg 250 und in Vegesack 200. Es ist also in allen Werftorten noch eine recht erhebliche Anzahl Aus- ständiger vorhanden, die noch auf die Einstellung warten. Bisher wurden bei der Einstellung in den Arbeitsnachweisen die- jenigen von den sich Meldenden berücksichtigt, die ausständig waren. Damit ist nun in den letzten Tagen gebrochen worden; es wird jetzt ohne Wahl eingestellt, wer nach dem Nachweis kommt. Von einzelnen Orten ist sogar zu konstatieren, daß die Zugereisten be- vorzugt werden; die früheren Leute bleiben draußen. Einzelne Werften, so die in Kiel , haben erklärt, daß sie vorläufig weiter keine Leute gebrauchen, es sei zurzeit nicht genügend Arbeit vor- handen. Trotz dieser noch reichlich vorhandenen Arbeitskräfte versuchen die Wersten , Arbeiter aus dem Binnenlande nach den Werf'.orten heranzuziehen. Was die Werften damit bezwecken, ist ohne weiteres klar. Sie wollen sich eine Reservearmee schaffen, um dann die alten Arbeiter in Raison zu halten. Den Werften stehen aber in den be- treffenden Orten jetzt schon..Viel.mehr Leute, zur. Verfügung als. sie gebrauchen können, denn der Zuzug nach den Werftorten ist jetzt ganz außerordentlich stark. Verschiedene Werften lassen sich jetzt die Pflege der gelben Werkvereine besonders angelegen sein; sie machen große An- strengungen, um'die Werftarbeiter in die bekannten Werksvereine hineinzuzwingen. Auch die langsame Einstellung soll wohl diesem edlen Zwecke dienen. In dieser Zeit, in der die Zahl der Arbeiter in den Betrieben noch verhältnismäßig gering ist, ist die Agitation für die Gelben recht eifrig betrieben worden. Aus der ganzen Sach- Gleims Feuilleton. Die Pinsler des St. Veit. Man nimmt eine alte Chronik zur Hand und liest:.Es begab sich aber, daß in allen Landen ein selt- fames Tanzen anhob. Jünglinge und Mägdlein trollten über die Felder und rotteten sich im Wald und ihre Glieder flogen durch die Lust, als wären sie mit deni Schwerte abgeschlagen. Und ihre Köpfe wackelten, als wäre der höllische Brand in ihnen. Und selbige Krankheit währte einige Monde, hernach aber verlöschte sie und die Mägdlein und die Knaben hüteten wieder ihre Gänse und Ochsen und freiten einander". So ungefähr wird man in einer späteren Malgeschichte über die Pinfler des St. Veit lesen können. Gegen- wärlig aber tanzen sie gar tosend nach der Trommel des .Sturmes". Der Fall liegt verzweifelt. Man möchte nicht gern annehmen, daß die ganze Angelegenheit nichts anderes sei als eine Melkung der Toren; man kann leider auch nicht annehmen, daß es sich um eine Anödung des Publikums und eine Verhöhnung d-s Philisters handelt. Dazu riecht es zu sehr nach Schweiß. Diese Leute meinen es bitter ernst. Und was das schlimmste ist, sie sind nicht einmal verrückt. Wahnsinn kann uns ergreifen. Wahnsinn kann produktiv fein und Leben wirken. Die Pinfler des St. Veit sind nur unklare Köpfe, unfähige Akademiker, Nichtskönner und anmaßliche Theoretiker. DaS ganze snobistische Berlin kreiselte gestern bei der Eröffnung deS Herbstsalons durch die Sturm-Ausstellungsräume(Potsdamer Straße 75); diese Neuigkeitsjäger, ängstlich, nicht an der Spitze zu sein, stürzen sich todesmutig in die Orgie der Futuristen und Kubisten, der neuen Sataniker und Ttefbohrer. Der Snob der- dient es nicht besser. Wir anderen aber, die wir uns ehr- fürchtig neigen vor der gewaltigen Entwickelungslinie, die aus den ältesten Zeiten unserer Geschichtlichkeit herausführen bis zu Manet und Liebermann und weiter, wir können nur lächeln, wenn bunthäutige Tölpel, aller Vergangenheit spottend, den Neger im Frack und den Hottentotten im Oberhemd markieren. Gerade wer den Stillstand haßt und für.die ewige Freiheit der lebendigen Kunst sein Blut lassen möchte, der muß dieser Horde farbespritzender Brüll- äffen die Pfoten klopfen. Oder was soll man mit dem Herrn Gino Severins anderes tun, wenn er es fertig bekommt, eine Leinwand mit allerlei farbigen Hieroglyphen und abstrakten Zeichen zu bedecken und solche: Uebcrwinvung des Naturalismus betitelt: Plastischer Rhythmus des 14. Juli. Was soll man sagen, wenn dieser gleiche Herr daneben ein Porträt zeigt, aus dem zwar zwar kein menschlicher Kopf, wohl aber leibhaftiges Schnurrbarthaar(oder Hasenfell), ein leibhastiges Stück Samt und leibhaftige Ausschnitte aus bedrucktem Papier (Manifeste der Futuristen) aufgeklebt zu sehen sind. Niemand wird unS einreden können. daß ein Mensch. der solch einen Panoplikumscherz fertig bekommt, ein Streiter um das Heiligtum der Kunst und ein berechtigter Verächter aller geschichtlich orientierten Menschen sei. Oder Herr D e I a u n a y. Er zeigr unS die Sonne in vier verschiedenen Fassungen. Aber was er gibt, sind Schützenscheibenbilder, wie trunkene Dorfburschen sie fabrizieren. Man braucht nur die Titel all dieser tollwütigen Pinseleien zu lesen, um zu wissen, daß es sich hier wirklich nicht um Malerei. sondern um KaffeeHauSliteratur handelt: Aufsteigende plasttsche Konstruktion, der Rhythmus deS Bogens, berauschende Winde leben, plastische Uebersicht der Bewegung emer Frau. DaS Lächerlichste an dieser Komödie ist, daß neben solchen Farbenkrämpfen und Jdeenkopfständen der harmloseste Kitsch anzutreffen ist, urgemütliche Plakatmalerei aus München , ein wenig dekadent entrenkt und angemüdet, aber sonst ganz jüngferliche: Gabriele Münter , Marianne von Werefkin , Stanislaus Stückgold . Die Organisatoren dieser St. Veitspinselei sind eben wohl doch keine Asketen. Soviel für heute; demnächst wollen wir diese pinselnden St. Veitler noch einmal gründlich in der Retorte kochen. rbr. Der konfessionelle Schlüsseltarif. Im Südosten Berlins , so erzählt der Simplicissimus, gibt eS wenig Gartenanlagen und Promenaden. Dafür sind die Sttaßen um so länger, die Häuser um so höher, und der Lärm de« Verkehrs ist um so größer. Mitten in diesem Großstadtmeer, aber in einer abseits gelegenen, stillen Nebenstraße, besitzt die evangelische L........(che Kirchen­gemeinde einen Park mit köstlichem altem Baumbestande, eine fried- liche Insel, ein Juwel. Da die Gemeinde nicht nur für das seelische, sondern auch für das körperliche Wohl ihrer Mitglieder besorgt ist, stellt sie diesen Park zur Verfügung. Freilich: Grund und Boden ist dort teuer, und auch eine Kirchen- gemeinde braucht Geld. Deshalb erhält Zutritt zu dem verschlossenen Garten nur, wer sich einen Schlüssel mietet. Aber die Geschichte spielt in Berlin , und man ist dort tolerant. Deshalb gestattet die Besitzerin auch den Angehörigen anderer Kon- fessionen einen Anteil an diesen Vorzügen. Als Kirchengemeinde jedoch bestimmt sie den hierfür zu ent- richtenden Preis nicht allein aus der Erwägung, daß Nichtgemeinde- Mitglieder einen größeren Beitrag zu leisten haben, weil sie die Ge- meindelasten nicht mittragen, sondern sie schätzt ihn offenbar auch nach dem Verhältnis ab, in welchem diese ihrer Meinung nach zu Gott stehen. So kommt denn folgender Tarif zustande:.Es haben zu zahlen für die Benützung des Parks: Evangelische 4 M., Katholiken 6 M.. Juden 8 M." Mum. Konzert der Thiloschen Chöre(im großen Saal der Brauerei Friedrichshain ). ES gibt zweierlei Kunstveranstaltungen für die breiten Volksschichten, solche bürgerlicher Art, die auf.Unter- Haltung" hinauslaufen, und solche für daS arbeitende Volk, fei es nun. daß sie von Künstlern oder von Arbeitern selbst geboten werden. Diese zweite Gattung ist unS die wichtigste. Nicht Unterhaltung ist ihr Zweck, sondern Hinanführung zur Kunst, Erschließung des Geistes und Gemütes der Arbeiter. Aufnahmefähig sollen sie werden für alle Schönheit und Herrlichkeit echtester Poesie und Musik das ist die Devise, und die will streng und rein und ohne irgendwelche Nebenzwecke gewahrt sein.> Die Thiloschen Chöre hatten ein große« erwartungsvolles Publikum. Aber haben sie mit dem gebotenen Programm der Auf- gäbe, die zu lösen ist, einwandfrei rein gedient? Leider trug das Programm nicht wenige Spuren der Berechnung auf ein Durch- schnittspublikum, daS nach Unterhaltungskonzerten verlangt. Es ließ in seiner Zusammenstellung erkennen, daß es auf den Effekt berechnet war, und leider ließ es die Absicht einer künstlerischen Steigerung gar sehr vermissen. Wäre es nicht besser gewesen, der Ouvertüre zu Wagners fliegendem Holländer den Matrosenchor direkt anzugliedern, anstatt ihn später folgen zu lassen? Durfte Beethovens Leonoren- Ouvertüre Nr. 3 durch SarasateS virtuos für die Geige als Solo- instrument hergerichtete Zigeunerweisen totgeschlagen werden? Jenes wunderbare Werk, das als Ganzes selbst die Leonoren-Oper hinter sich läßt und neben der Eroica als das zweite Monumental- gebilde der großen JugendschaffenSepoche Beethovens dasteht, hätte den Hörern noch gerade durch einige Erklärungen näher gerückt werden müssen. Und dann: man überlege einmal, ob in ein künst- lerisches Programm von solchem Inhalt deS alten nüchternen Zelters Meister und Gesell hineinpaßt. Das mag als UnterhaltungSspaß gelten, aber in die Nachbarschaft des Großen paßt es auf keinen Fall. Für den instrumentalen Teil war das Philharmonische Orchester herangezogen. Das ist ein erfteuliches Ereignis. Dies Orchester ist so vollkommen, daß es sicher ganz ohne Leitung seine Aufgabe lösen würde. Damit soll natürlich dem emsig in die je- weiligen Parttturen vergrabenen Dirigenten keinerlei Abbruch getan sein. Er nimmt die Zeitmaße ein wenig hastig. Das zeigte sich besonders bei den Zigeunerweisen , wo das Spiel des Sologeigers (Konzertmeister von Szypanowsky) empfindlich beeinträchtigt wurde. Der schwere Matroscnchor konnte textlich� nicht bewältigt werden; das meiste davon ging verloren. Was die übrigen Chor­gesänge angeht, so mußte man, bei aller Anerkennung des Vortrags, doch eben auch manche Detonationen in Kauf nehmen. Endlich Frieds Erntelied, dieser dröhnend gewaltige, prophetische Sturmgesang! Aber es sollte ihm niemals an zulänglicher Besetzung der Bläser im Orchester fehlen. Demnächst werden die Thiloschen Chöre da« Lied unter deS Komponisten persönlicher Leitung singen. Da mögen sie zeigen, was sie können! Hätte man den Vortrag nicht besser bis dahin vertagt? Indes die Hörer nahmen daS Lied mit Begeisterung hin. Es siegt immer. de. Notizen. Theaterchronik. Otto Julius Bierbaums, von Ludwig Thuille in Musik gesetztes Singspiel. L o b e t a n z"; ist die nächste für die kommende Woche vorgesehene Neuheit des Deutschen Opernhauses in Charlottcnburg. Im Trtanon-Theater wird als nächste Neuheit.Seine Geliebte". Lustspiel in drei Akten von Armont, deutsch von Erich Motz, vorbereitet. Kunstchronik. Im Ausstellungssaale der Bibliothek deS königlichen Kunstgewerbemuseums sind bis Ende dieses Monats auS- gestellt: Kostüm- und Sittenbilder des 18. Jahr- Hunderts aus der Lipperheideschen Kostümbibliothek. Ein Lustspiel Friedrich Rückerts, betiteltDer Leipziger Jahrmarkt", bald nach 1813 geschrieben und damals wegen Zensurschwierigkciten nicht zum Druck gelangt, wird demnächst im Verlage von Berthold Sutter in München erstmals erscheinen. Es stammt also aus der Periode, in der Rückert Bemerkenswertes als satirischer Zeitdichter leistete. Die Zunahme de« AluminiumverdraucheS. Nach einer Mitteilung der Pariser Akademie der Wissenschaften ist die Weltproduklion an Aluminium, die 1894 1000 Tonnen betrug und noch 1900 8000 Tonnen erreichte, im Jahre 1911 auf 46 700 Tonnen gestiegen. 1885 kostete das Kilogramm Aluminium gegen 1000 M, 1886 rund 100 M., 1890 28 M., während heute daS Kilo bereits für 1,702 M. hergestellt werden kann. Ein I a t h o- D r a in a t i k e r. Der Pfarrer Fritz Philipps von der Wiesbadener Ringkirche hatte den. Fall Jatho zu einem Schauspiel verarbeitet, das am Wiesbadener Residenz-Theater in Szene gehen sollte. Aber das Konsistorium murrte und der Pfarrer zog sein Stück zurück. Solche Willigkeit paßt wie die Faust aufs Auge gerade zu einem. Stück mit solchem Thema. DaS Opus kann nicht viel wert gewesen sein.