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Br. 246 30. Jahrgang. 3. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt.

Gewerkschaftliches.

Sonntag, 21. September 1913.

Die Scharfmacher im Malergewerbe.ternehmerkreiſen immer so großfprecherisch auftretenden und Teppichnäher eine graue Kontrollfarte, auf welcher der Monat

Noch sind die Nachwehen des allgemeinen Kampfes im Malergewerbe, der von Anfang März bis Ende Mai währte, nicht beseitigt. In einer größeren Zahl Lohngebiete sind die örtlichen Verhandlungen noch nicht erledigt und eine Sigung des Haupttarifamts, die die Schwierigkeiten jedenfalls er­leichtert hätte, wußte der Unternehmerverband bisher zu

vereiteln.

Die Ortsverwaltung Berlin des Verbandes der Sattler und Portefeuiller.

Deutfches Reich.

L

und eine Reaktion im eigenen Lager erzeugt, die jetzt gegen uns geeinigt und den neuen Bertrag unterschrieben. Damit ist der diese gerade vom Standpunkt der Malermeister falsche Tarif. Streit auf der ganzen Linie beendet. Als Ausweis ihrer politik anfämpft. Das bereitet dem selbst in weiteren Un- Organisationszugehörigkeit führen die vorgenannten Linoleumleger September abgestempelt sein muß. Unternehmerverband des Malergerverbes außerordentliche organisatorische Schwierigkeiten, die einer völligen Krise ver­teufelt ähnlich sehen. Die organisierten Malermeister sind eben enttäuscht, weil die von dem Reichstarif ihnen früher gemachten Hoffnungen nicht in Erfüllung gegangen sind. Die Differenzen bei der Firma Delphin " Schubfabrik in Verschlimmert wird der Zustand mit dem Rheinland noch durch das zwiespältige Auftreten der Leitung des Unter- Strausberg fonnten in der ersten Streifwoche durch gegen­nehmerverbandes. Während dessen Vorsitzender immer noch seitige Verhandlungen beigelegt werden. Die Wiedereinstellung des Entlassenen wurde zugesagt und ein neuer Lohntarif mit etlichen Von größter Bedeutung für das Malergewerbe und nicht Haftungsbestimmungen gegen die angeblich nicht tariftreuen Verbesserungen für die Arbeiter vereinbart. Am Montag wird die ohne allgemeines Interesse ist es, daß der Gauverband Rhein - Gehilfen verlangt, daneben aber den beharrlichen Tarifbruch Arbeit wieder aufgenommen. land- Westfalen des Unternehmerverbandes mit über 10 Mil- eines ganzen Gaues des Unternehmerverbandes nach außen lionen Lohnfumme bisher den am 22. Mai von den beiden hin mißbilligt, um diesen tatsächlich für ihn blamablen Bu Zentralorganisationen angenommenen Schiedssprüchen und stand zu beseitigen, erklärte er wiederholt im gleichen Atem­dem Reichstarifvertrag noch nicht zugestimmt hat. Das ist auge, er lasse sich nicht zum Büttel der Gehilfen gegen das ein nun schon vier Monate andauernder Tarif- und Dis- tarifbrüchige Rheinland mißbrauchen und lehne es ab, anders ziplinbruch schlimmster Art. Inzwischen hat auch be- als durch gütliches Zureden Wandel anzustreben. Wie sollen reits eine Hauptversammlung des Unternehmerverbandes zu dann die abseits tanzenden Scharfmacher die gegen sie einge dem Fall Stellung genommen und den tarifbrüchigen Gau - leitete Aftion ernst nehmen? So ist denn das Ganze auch verband aufgefordert, seinen unhaltbaren Standpunkt zu ber- ein treffliches Beispiel für die Gewissenhaftigkeit, mit der laffen. Während dieser Verhandlungen fam es zwischen den sich die Bezirksorganisationen der Unternehmer bemühen, ihre führenden Leuten des Unternehmerverbandes zum offenen tariflichen Pflichten nach dem Grundsatz von Treu und Glau Konflikt, in dessen Verlauf die Rheinländer die Hauptver- ben zu erfüllen. Und diese Leute verlangen Garantie für die sammlung unter heftigem Protest und mit der Drohung ver- Einhaltung der Tarifverträge durch die Gewerkschaften. ließen, auch vor einem Ausschluß aus dem Verbande nicht ängstlich zu sein. Eine besonders nach dem Rheinland zur Beruhigung der höchst unwilligen Geister entsandte Deputa­tion mußte trotz aller Bemühungen unverrichteter Sache wieder abziehen.

Jezt ist nun offenkundig geworden was allerdings ein Geheimnis eigentlich schon längst nicht mehr war, daß hinter den rabiat gewordenen reinländisch­mestfälischen Malermeistern die großindustriellen Scharfmacher stehen; vielleicht sind diese sogar die direkten Anstifter der ganzen Differenz. Dem Verband der Maler ist nämlich folgendes geheime Zirkular zugeflogen: Elberfeld , den 27. August 1913. Verband von Arbeitgebern im bergischen Industriebezirk. Geschäftsstelle: Elberfeld , Blierstr. 44. Fernspr. 4755.

Vertraulich! An unsere Mitglieder!

Der Ausstand im Maler- und Anstreichergewerbe ist beendet. ( Vergleiche unser Rundschreiben vom 13. März d. J.) Auf Wunsch des Arbeitgeberverbandes für das Maler- und An­streichergewerbe bitten wir unsere Mitglieder, etwa für das Frühjahr vorgesehene Arbeiten schon vorher vornehmen zu lassen, da im Frühjahr mit einer neuen Bewegung gerechnet wird. Ferner bitten wir, die Arbeiten nur an solche Firmen zu ver­geben, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes für das Maler­und Anstreichergewerbe find. Auskunft erteilt dessen Geschäfts­

stelle: Barmen, Unterdörnerstr. 61. Tel. 407.

Hochachtungsvoll

Verband von Arbeitgebern im bergischen Industriebezirk. J. A.: Dr. Lindemann.

Danach wollen die Unternehmer also noch Hänger im Zarifbruch engros verharren und im tommenden Jahre entweder entweder wieder aggreffib borgehen, nachdem die bis in die jüngsten Tage angewendeten Zwangsmittel nicht vermochten, den Ge­hilfen einen schlechteren Tarif aufzuzwingen, oder sie er­warten dann von den Gehilfen nichts Gute 3. Schuld an dem unhaltbaren Bustande trägt der Ge­famtunternehmerverband selbst mit am meisten. Er hat durch seine Haft, mit der er vor vier Jahren einen Reichstarif forderte in der trügerischen Hoffnung, damit seine Reihen fester schließen zu können den Bogen zu straff gespannt

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Kleines feuilleton.

Das federvich.

Ja, da wackeln lange Ohren, mancher Schädel schwigt dabei, wer gefährlicher wohl sei: Radikale? Revisoren? Diesen sieht man jubilieren, weil die pp. Luremburch heuer wieder drunter durch wär' gewesen samt den Ihren. Diesen aber warnet jener, daß es um so schlimmer sei, denn die Revisionspartei

sei im Gegenteil nicht schöner. Sieb', da tommt schon einer wieder und beschwichtigt alle zwei, weil die ganze Sozerei unaufhaltsam ginge nieder. Doch ein vierter taucht die Feder ein, um zu beweisen, wie die Sozialdemokratie überhaupt wird immer röter. Auch die blassen Revisoren würden quafi purpurrot.

Ja, dem Staat droht Not und Tod, die Gesellschaft ist berloren!

Sieht man fo, in was für Schwuli­

täten diese Blase steckt,

wie die Tintenpfoten leckt

jeder schwarzblaugrüne Kuli,

wie sie sitzen, schwitzen, spüzen,

und wie Schlangenfriechevich,

einerlei wohin und wie, Gifte und Gestant versprizen

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dann fo fagt man sich: Ich dachte, daß bei allem blinden Zorn

jenes vierte Huhn ein Horn doch gefunden haben möchte.

Franz.

Berlin und Umgegend.

Zum Streik in der Pelzbranche.

Die Situation auf dem Kampffelde ist bis dahin unverändert geblieben. Nach wie vor stehen die streikenden Hausindustriellen famt den Arbeitern und Arbeiterinnen geschlossen zu ihren For­derungen. Dies zeigte am flarsten eine überfüllte gemeinsame Ver­jammlung aller Ausständigen, die am Freitagabend stattfand. egge erklärte unter dem tosenden Beifall der Anwesenden, daß die Streifenden den Arbeitgebern gerne ausreichende Zeit lassen, über den Tarif zu beraten. Regge versicherte, daß in der aller­nächsten Zeit der Ring der Arbeitgeber durchbrochen werden wird

trotz aller Konventionalstrafen. Mit scharfen Worten geißelte Redner auch das rigorose Vorgehen der Polizei, das direkt russisch anmute. Aber selbst die größte Schar von Schuhleuten werde nicht verhindern, daß die Streikposten ihre Pflicht erfüllen. Gründlich rechnete Regge mit dem anwesenden Redakteur des Unternehmer­Fachorgans ab und die stürmischen Zustimmungsäußerungen der Versammlung zeigten mit aller Deutlichkeit, daß die Hiebe gut jaßen.

Herr Redakteur Praß nahm in der Diskussion auch das Wort und suchte die Ausführungen des Referenten zu entkräften, konnte jedoch die Stimmung der Versammlung nicht beeinflussen. Der Achtstundentag sei eine Prinzipienfrage; hier entscheide einzig und allein die Macht. Die Unternehmen ständen ebenso entschlossen gegen die Forderungen der Arbeiter und Hausindustriellen, wie diese zu denselben. Die Differenzen feien nicht so, daß der Streit und der damit verbundene Lohnausfall sich lohne. Auch den Unter­nehmern käme im Kampfe manches zustatten, so z. B. die jetzige warme Witterung.

Die nachfolgenden Redner räumten mit den Behauptungen der Unternehmer gründlich auf.

Nach einem Schlußwort des Hausindustriellen Feldmann, der die Ausführungen des Herrn Praß mit viel Glüd einer Korrektur unterzog, nahm die Versammlung unter begeisterten Hochrufen ihr Ende.

Der Verband der Schneider und Schneiderinnen veranstaltet in den nächsten Tagen Branchen- Agitationsversammlungen und bittet die Partei- und Gewerkschaftsgenossen, ihre Angehörigen und Be­kannten auf diese Versammlungen aufmerksam zu machen.

Die Situation im Stettiner Hafen ist noch dieselbe. Es arbeiten einige Kräne mit höchstens 60 Be­ist noch dieselbe. Es arbeiten einige Kräne mit höchstens 60 Be­schäftigten. Der Magistrat hat sehr weitgehende polizeiliche Maß­nahmen getroffen. Eine Anzahl Sistierungen sind bereits zu ver= zeichnen. Ein Platz am Hafen ist zu einem Polizeilager umge­wandelt. Arbeiter, die gar nichts mit dem Streit zu tun haben, werden im befannten Polizeiton von der Straße verwiesen. Der Magistrat scheint noch in anderer Art zu versuchen, die genügende Bahl Arbeitswilliger zu erhalten. Die Hafenbetriebsdirektion ver sucht anscheinend aus den Reihen der Streifenden Verräter zu finden. Ob mit Erfolg, ist stark zu bezweifeln. Auch Arbeiter, die ihren Sommerurlaub haben, werden von den Dienststellen aufge­fordert, diesen zu unterbrechen, da alle verfügbaren Bediensteten bringend gebraucht würden. Sie sollten sich spätestens Freitag früh zum Dienst melden. Der Streit steht für die Arbeiter günstig; wenn die übrige Arbeiterschaft Solidarität übt, muß den städtischen Hafenarbeitern der Sieg werden.

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Die ,, üble Nachrede".

Der Gärtnereibefizer Walter in Köln - Bahenthal klagte vor dem Kölner Schöffengericht gegen den Vorsitzenden und den Kassierer der Ortsgruppe Köln des Allgemeinen Deutschen Gärtnervereins wegen Beleidigung, weil an einigen Straßeneden in der Nähe seines Betriebes Zettel folgenden Inhalts angeklebt waren:

Achtung! Gärtner!

Wegen Nichtanerkennung des mit der Gruppe Köln abge­schlossenen Tarifvertrages( Stundenlohn 46 Pf.) ist über die Firma Otto Walter, Gärtnerei zu Bayenthal , die Sperre verfügt. Jehige Löhne 25 M. pro Woche? nein, pro Monat. Lohn pro Stunde demnach 30 Pf. Jeder Gärtner meide den Betrieb!

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Die jetzige Verhandlung vor dem Schöffengericht bestätigte im allgemeinen die Richtigkeit dieses Anschlags. Der Gärtnereibesizer beschäftigte einen Mann, der drei Jahre gelernt hat, und zahlte ihm 25 M. pro Monat; er gab zu seiner Rechtfertigung an, daß der Mann nicht voll ausgebildet gewesen sei. Es wurde weiter fest­gestellt, daß Walter noch zwei weitere Leute mit 35 und 40 m. pro Monat entlohnte und er somit drei Leute unter den Tariffäßen beschäftigte. Trotzdem verurteilte das Gericht die Angeklagten zu ie 30 M. Geldstrafe und ordnete die Publikation des Urteils in der Allgemeinen Deutschen Gärtnerzeitung" an.

Der Vorwurf, so

heißt es in der Urteilsbegründung, daß Walter den Tarif nicht eingehalten habe, sei unberechtigt; es handle sich um einen Mann, der nicht Gehilfe gewesen sei, und es müsse gestattet sein, mit Per­sonen, die nicht unter den Tarif fallen, besondere Verein­barungen zu treffen!

Diese merkwürdige Auslegung des Tarifvertrages werden die Verurteilten durch Berufung anfechten.

Der Tariffampf im Karlsruher Fleischergewerbe ist in ein

Be- ensel und Stefan Gartner sich zu Unterhandlungen nicht neues Stadium gerückt. Nachdem die beiden Firmen Gebrüder enjel und Stefan Gartner sich zu Unterhandlungen nicht herbeilaffen, haben die Ausgesperrten unter Zustimmung der Kom mission des Gewerkschaftskartells beschlossen, eine eigene Schlachterei und Wursterei in der Form einer Gesellschaft m. b. H. zu gründen. Der Beschluß wurde einstimmig gefaßt und zugleich eine Kom­mission zur Vornahme der erforderlichen Vorarbeiten gewählt.

Die Ortsverwaltung.

Achtung, Linoleumleger und Teppichnäher! Auch der Zwischen­meister Karl Scholz, Stallschreiberstr. 55, hat sich nunmehr mit denten staatsgefährlich erschienen sein, denn das Polizeipräsidium| schunkeln an uns vorüber und lächeln zu den Genossinnen, die hat gestern einen Beamten entsandt, der Herrn Irrgang warnte, bei diesem Konzert, das von einem staatsgefährlichen Verein ver­anstaltet werde, mitzuwirken.

Glaubt die Polizei durch diesen Streich, der ihre Teilnahme am Kunstleben der Berliner Arbeiterschaft wieder einmal um ein Blatt leuchtenden Ruhmes vermehrt, das Bach- Konzert unmöglich ge­macht zu haben? Da hat sie sich geschnitten. Für Herrn Irrgang wurde sofort vollgültiger Ersatz gewonnen, so daß das Konzert mit unverändertem Programm heute nachmittag zur festgesetten Stunde stattfindet.

Wagner und Schmidt. Als der Schulmeister Wagner lehthin mit einer Selbstladepistole in jeder Hand durch die Straßen von Mühlhausen sauste und zusammenschoß, was ihm nur in den Weg lief, stand es für die Germania " und gesinnungsverwandte Blätter fest, daß dieser verrückte Schüße das" Opfer feiner Gottlosigkeit" geworden sei, denn nimmer fönne, so faselte das augenverdrehende Blatt salbungsvoll, ein frommer Mensch mit so grausen Verbrechen seine Seele belasten.

Nun, wenn es einen Gott in himmlischen Sphären gibt, so steht er ganz gewiß nicht im Bunde mit Pfaffen und Mudern, denn als ihm das Geplärr der Germania " und Konsorten zu dumm wurde, lieferte er flott den Gegenbeweis und spielte der Polizei von New York einen Mann namens Schmidt in die Hände, der weder ein Schulmeister noch gottlos ist, in einem Priester­seminar aufgezogen wurde und sogar die geistlichen Weihen empfangen hat und sich jetzt wegen einer erkledlichen, aber einer sehr erklecklichen Reihe von Verbrechen vor der Jury wird ver= antworten müssen.

Herr Schmidt, früher geistlicher Herr in der Diözese Mainz , war eine schöpferische Natur, kein Weltenschöpfer, sondern ein Schöpfer im kleinen: Banknoten hat er täuschend nachgemacht. Gott befahl es mir!" erflärt er schlicht beim Verhör.

Hochwürden Schmidt hat die kommunistischen Prinzipien des Urchristentums in seiner Art ausgelegt und Stirchengelder in die eigene Tasche gesteckt. Warum? Ich handelte im Auftrag Gottes!" Auch mit seinem Pfunde gewuchert hat Kaplan Schmidt und Grundstücksschwindeleien in einem selbst für die U. St. o. A. an­ertennenswerten Umfang betrieben. Ich folgte", sagt er und lächelt üle die irdischen Gedanken des Untersuchungsrichters, nur einer Weisung Gottes!"

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den Turm des Cul de Paris gravitätisch tragen. Die Herren Offi­ziere vom Jahre 1813 machen Händeschütteln mit den Kameraden, die so um siebzig herum bei Kranzler die Beine sonnten.

Die Jdee ist nicht übel, Geschichte, die bisher nur in verstaubten Büchern zu lesen war, wirklich und greifbar wieder lebendig werden zu lassen. Es eröffnen sich allerlei Ausblicke; man fönnte so Hannibal und Napoleon , die Jakobiner und die Märzstürmer be. schwören. In ostelbischen Landen wäre es sogar möglich, vorsint­flutliche Geschöpfe ohne Mühe und höchst lebendig auf die Bühne zu schicken; die verschiedensten Saurier ließen sich aus den Ritters gütern und Landratsämtern herausholen. Das gibt herrliche Beiten; man wird weder Geschichte noch Naturgeschichte zu lernen brauchen, alles wird einem, bequem und schmackhaft zubereitet, vor die Augen gesetzt werden.

Wir sind ein recht schaulustiges Geschlecht gevorden. Vor zehn Jahren, sicherlich aber vor zwanzig waren wir noch fast blind, und heute können unsere Augen sich kaum sättigen. Die Mechanik des Automobils, des Kinos, des Platats und der Lichtreklame hat uns verwandelt. Wir wollen immer nur sehen; Zeitschriften durch blättern wir nach ihren Bildern, das Theater beurteilen wir nach der Ausstattung und den Minister nach seinen Ladstiefeln. Die optische Wut geht durch die Lande. Der Intellekt und die Fähigkeit abstrakt zu denken werden demnächst im Museum aufgestellt werden. Und doch gibt es keinen gebildeten Menschen, dessen Sinne, dessen Augen nicht gebildet wären. Nur: gebildete Augen und blöde Schaugier sind zweierlei.

Theater.

rbr.

Residenz Theater: Im Ehekäfig", Schwank von Antony Mars und Maurice Desrallières. Auf dem Pariser Schwantmarkt scheint starte Flaue in Angebot zu herrschen. Das Fabrikat von Mars und Desrallières, welches das altrenommierte Importhaus für dieses Genre feinen Kunden zum Saisonbeginn offerierte, blieb hinter der Qualität der sonstigen Durchschnittsware wohl noch um einiges zurück. Ein Ragout von hundertmal ge­brauchten Tricks, dem sich kaum ein neuer, herzhaftes Lachen weckender Einfall beigefellt. Grimassen einer ungeschminkten billigen Frivolität, die über das Manto ausgelassener Laune und Erfindungs­fraft wegtäuschen sollen.

Der in dem Chefäßg hockende Gatie, der, um überhaupt einmal Und Wunderkuren machte Hochwürden auch. Freilich weckte ohne Begleitung seiner besseren Hälfte ans dem Haus zu tommen, er feines Jairus Töchterlein vom Tode, ganz im Gegenteil! er in einem von ihm selbst zu diesem Zwecke erfundenen Militärblatt ließ Frauen, die sich zum Reserveleutnant befördern und zu erdichteten Kontroll­edel sei der Mensch, hilfreich den Frauen! darum baten, solche Praktiken angedeihen, daß es mit dem Töchter- versammlungen einladen läßt, hat obendrein noch ausgerechnet eine praktizierende Aerztin als Frau. Die Eskapade dieses Herrn und Eine Kulturtat der preußischen Polizei. Das erste Konzert lein nichts wurde. Gott offenbarte es mir im Traum!" des Vereins für frauen und Mädchen der Arbeiter Seine Geliebte würgte er schließlich ab und sägte sie in Stücke, des ebenso sorgsam gehüteten Schwiegervaters führt in den Salon Plasse, das heute nachmittag 4 Uhr im Blüthnersaal stattfindet und begründet es mit dem frumben Kreuzfahrerruf:" Gott will es!" eines sehr eindeutigen, mit der ihrem Gemahle abgeschwindelten Jahresrente von 20 000 Fr. nie auskommenden Dämchens zu der und noch Eintrittstarten an der Kasse bereit hält, ist den Kom- Was sagt die Germania " dazu??? üblichen Hezjagd des Versteckspiels, für welches das Zimmer nach pofitionen Johann Sebastian Bach 3 gewidmet. Für dieses Die optische Wut. In der Ausstellungshalle am 300 gibt es berühmten Mustern mit Drehapparaten ust. sinnvoll ausgestattet ist. Konzert war der Hof- und Domorganist Musikdirektor Irrgang ge­Eine Neuerung bildet die Ohnmacht, die dem Schwiegervater dabei anfällt. Dadurch wird der besonders geschmackvolle Coup ermöglicht, Herr Irrgang sollte drei große Orgeltompofitionen des Meisters daß der alte Sünder von seiner eigenen, als Aerztin herbeigerufenen zum Vortrage bringen. Das muß aber dem Berliner Polizeipräsi­Tochter, die das sehr komisch findet, in der verfänglichen Situation

wonnen worden.

etwas Merkwürdiges zu sehen. Alte Modefupfer, wie wir sie stets gern durchblätterten, folorierte Zeichnungen von Gavarni und Hose­mann, find plöblich lebendig geworden und laufen leibhaftig herum. Damen mit bebänderten Schuten und wippenden Glockenröcken