Nr. 247. 30. Jahrgang.
Arbeitslos.
Der Vertreter.
Skizze von Edela Rüst.
Frizz Fellner ließ sich sein Leben ehrlich sauer werden bei feinen 120 M. monatlichen Gehaltes. Er war strebsamer junger Mann im Handelshause Obersdorfu. Co., Kaffee- und TeeEngros, und der einsichtsvollere seiner beiden Chefs hatte ihn be. reits für eine Gehaltserhöhung von 30 M., von Ostern ab, ausersehen.
Frizz Fellner war dankbar für den guten Willen. Aber er fand im innersten seiner Seele, daß die Plage von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends, abzüglich einer Stunde Mittagspause, auch für 150 M. monatlich doch noch reichlich übergroß blieb. Und in seinem tiefsten Busen wälzten sich seit langem schon weitfliegende Pläne. Warum sollte er sich mit seinen vierundzwanzig Jahren nicht ein beschaulicheres Dasein schaffen, da er doch nun mal zur Beschaulichkeit neigte?!
Da war, nahe dem Potsdamer Platz , ein modern ausstaffierter Bigarrenladen, in dem er seinen bescheidenen Bedarf an Nikotin deckte. Dieses flottgehende Geschäft stand zum Verkauf, weil sein Inhaber sich nach Holland verheiraten wollte, um dort zugleich die gut eingeführte Fabrik seines leidenden Schwiegervaters zu übernehmen. Fritz Fellner konnte sich gar nichts Beschaulicheres vorstellen, als so Tag über auf seinem hübschen eigenen Grund und Boden herumzusißen, eine Zigaretten an der anderen zu entzünden, seine festen Kunden mit gepflegten Händen zu bedienen und immerzu bar Geld in den Kassakasten hineinklimpern zu hören. Man kam aus den angenehmsten Plauderbeziehungen nicht heraus, erfuhr jede Neuigkeit aus erster Hand und schloß abends das Lokal, um sich in benachbarten oder entfernteren Gefilden Berlin anzusehen und zu genießen, oder auch gelegentlich im eigenen gemütlichen Hinterstübchen mit fröhlichen Sangesbrüdern einen fidelen Stat zu dreschen.
Herrgott, wär' das' n Leben!
Zehntausend Mart hätten Frizz Fellner zum glücklichen Besitzer dieses Zigarrenladens gemacht. Doch mußten sie bar auf den Tisch des Hauses gelegt werden für den alle Brücken hinter sich abbrechenden Inhaber hatte nur glatte Abrechnung wert.
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Tag und Nacht sann Fellner über die Beschaffung jener 10 000 Mark nach. Da fiel in einer gesegneten Stunde beim Zeitungleſen sein Auge auf die Rubrik:„ Geldverkehr". Ja, da lag doch das Geld einfach seiner wartend bei Banken und Selbst gebern. „ Geld, von 1000 aufwärts, gibt sicheren Personen jeden Standes sofort, ohne Bürgschaft, zu 6 Proz., Ratenrückzahlung. x. 9. 8. Kreuzbergstr. 314."
„ Darlehen. Jedem, der in Verlegenheit, gibt Selbstgeber sofort; grundreell. 1 Million schon ausgezahlt. Wrekel, Kurze Str. 126 a II r."
Und so fort zwei lange Spalten. Ja, war er etwa nicht eine sichere Person mit seinem Bigarrenladen? War er etwa nicht in Verlegenheit um die 10 000 M.?
Am nächsten Tage bat er seinen Chef um Urlaub: um dem Begräbnis eines leider so plötzlich dahingegangenen Onkels bei
zuwohnen.
In der nächsten halben Stunde Klingelte er bei der Bank x. 9. 3., die im Hinterhause lag.
Ein dunkles Fräulein öffnete ihm und hieß ihn einen Augen
blic warten.
„ Wenn die armen Weiber nun auch nichts kriegen!" dachte er
Nun kam auch das Fräulein heraus und lud ihn ein, näher zu treten. Das Bureau sah schon etwas luguriöser aus: eine nicht bei sich. 3 mal 8 ist 24! Ihr Ruf konnte gewiß auch nicht besser mehr neue Schreibmaschine, zwei noch mehr neue Birken- Schreib- sein, und wer weiß, wie es mit Pfändung usw. steht?! Aber 3 mal tische, ein Schrank, ein Regal und diverse Stühle dieser 8 ist 24! Holzart.
Also, Sie wünschen natürlich ein Darlehen?" begann das Fräulein, nachdem sie Platz genommen hatten. " Ja, ich möchte 10 000 M. aufnehmen!" sagte Fellner ebenso bergnüglich.
Nun, das wird sich ja machen lassen. Det Herr, der ebert fortging, betam 15 000 ausgezahlt." " So!"
Die sind der Bank sicher
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diese 24 M.!"
Ihm wurde plötzlich sehr helle im Kopf. Jezt erst dachte er über das ganze Lokal und das fröhliche Fräulein nach." Humbug! Der reine Humbug! Wie könnte ich als gewiegter Kaufmann, der doch wissen mußte, was Geld bedeutete, nur auf solchen Schwindel hineinfallen!"
Am anderen Tage ging er aber doch zu Wrekel, Kurze Straße 126 a II r.
Dieselbe Bereitwilligkeit, nur seinerseits der Unterschied, daß „ Wir geben bis 100 000. Höher allerdings nicht ohne ganz er zu keiner Zahlung zu bewegen war, worauf das Geschäft seinen große Unterlagen." " Das läßt sich begreifen! Und bei 10 000? keine Bürgschaft?"
Sie berlangen
,, Bis 20 000 nicht! Wir sehen uns die Leute an! Wenn Sie noch nicht gepfändet und nicht verklagt sind und Ihr Ruf gut ist, geben wir Ihnen das Geld auf Schuldschein."
Ich glaube, daß mein Ruf soweit tadellos ist, bin weder gepfändet noch verklagt und bin Buchhalter bei Obersdorf u. Co., Kaffee- und Tee- Engros."
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" Oh...!" machte das junge Dämchen, um anzudeuten, daß eine Verbindung mit diesem Hause allein zu allem berechtigt. Also, da steht gar nichts im Wege." " Wahrhaftig...? Sehen Sie, mein Fräulein, einen Bürgen hätte ich schwer leisten können, da
"
„ Das kennen wir! Wer will denn heut noch für einen anderen bürgen? Und was haben wir vom Bürgen? Der kann uns ebenso durch die Lappen gehen, wie der Darlehenerheber selber." Ja, nicht wahr? Ich übernehme ein flottgehendes Zigarrengeschäft, das reichlich für die vierteljährliche Ratenrüdzahlung Bürgschaft Teistet."
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„ Aber das ist ja wunderschön! Da haben Sie ja eine ganz bedeutende Unterlage... das ist ja mehr, als wir verlangen." ,, Und wieviel müßte ich vierteljährlich abzahlen?" ,, Wie Sie wollen das bestimmen Sie da nehmen wir jede erdenkliche Rücksicht." „ Dann würden 300 M. genügen?"
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„ Aber vollkommen! Also, dann wollen wir die ersten Formalitäten erledigen.... Wir erheben zu Beginn 8 M. Schreib- und Auskunftsgebühr und 4 M. nach Abschluß des Geschäfts, um durch diese Teilung den Herrschaften auch diese Gebühr noch zu erleichtern. Darf ich Ihnen also zunächst eine Quittung über 8 M. ausschreiben?"
jähen Abschluß fand.
eben.
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Er fluchte in allen Tonarten, aber am Abend studierte er denn doch wieder den„ Geldverkehr". Die 10 000 drängten Ah, sieh da, da stand: ohne jegliche Auskunftsgebühr!" Das ließ man sich gefallen! Da zahlte man also nur, wenn man auch wirklich etwas bekam! Also, dahin!
Fern, fern im Osten lebte dieser wirklich reelle Mann- er war bis neun zu sprechen.
Er öffnete selbst: breit, groß, dick, mit einem Stiernaden und prallen dunklen Augen, in Hemdärmeln, aber sonst tadellos im Anzug, mit kostbarem Brillant am Finger. Ein Zimmer wie andere anständig möblierte Zimmer, eine alte Schreibmaschine, und ein langer Tisch als Schreibtisch hergerichtet vor dem Sofa, auf welchem der Vertreter einer großen Hamburger Bank selbst Plak nahm.
Er war die Jovialität in Person und kam ohne Umschweife zur Sache. Und als alles überaus günstig und kulant abgesprochen war, sagte der Vertreter der großen Hamburger Bank:" Auskunftsgebühr und Vorschuß bin ich nicht berechtigt, zu liquidieren, aber natürlich für Schreiberei und Zeitverlust muß ich Ihnen leider 5 M. abknöpfen."
aber
"
...
„ Aber in Ihrem Inserat sagen Sie doch ausdrücklich..." " Ja, nennen Sie das Auskunftsgebühr? 5 M..! Umsonst kann ich - Geschäft ist Geschäft! mich Ihnen nicht zur Verfügung stellen Wollen Sie zahlen?" Ohne die 5 M. bedauere ich. " Ich gebe Ihnen 30 M. wenn des Geschäft zustande kommt, Wollen Sie zahlen oder nicht? Meine Zeit ist kostbar!' „ Nein Fritz Fellner war eine Sekunde lang ernüchtert. Aber schließich will die 5 M. nicht zahlen. ich habe schon lich, bei der allseitigen Kulanz! Gott sei Dant, er hatte so viel meine Erfahrungen hinter mir! Wie gesagt 30 M, ertra nachbei sich. her für Sie, aber vorher nicht eine." Er zahlte und steckte die Quittung ein. Nun war alles bald" Dann bedauere ich! Ich mache keinen Federstrich, ehe Sie die in Ordnung. Er mußte einige Papiere mit den Darlehnsgesuch 5 M. hinterlegt haben! Da könnte ja jeder kommen! Wollen Sie unterschreiben, seine Personalien angeben und acht Tage Wartezeit zahlen....?!" bewilligen. Er würde dann pünktlich Bescheid erhalten. „ Nein!"
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Fellner ging jubilierend seines Weges und wartete acht Tage. Da kam der Bescheid, daß die Auskunft leider doch nicht so ganz nach Wunsch ausgefallen sei und die Bank aufrichtig bedaure, seine Wünsche nicht erfüllen zu können!
Der strebsame junge Mann von Obersdorf u. Co. war einer Ohnmacht nahe. Was könnte denn in aller Welt ungünstiges über ihn zutage gefördert sein? Er benutzte seine Mittagspause, um zur X. Y. 3.- Bant zu laufen. Das zierliche Fräulein sah heute erheblich ernster aus. Es lasse sich da wirklich nichts machen.. die Gründe der Ablehnung dürfe sie nicht verraten... sie sei zu allerstrengster Diskretion verpflichtet!
Dieser Warteraum war eine verwohnte alte Küche ohne jegliche Ausstattung außer der Wasserleitung, zwei schäbigen Stühlen und einem ebenso schäbigen Tischchen, auf dem ein altes illustriertes Blatt zur Unterhaltung und Belehrung lag. Nebenan hörte er Und die 8 M.?" wagte Fellner noch schüchtern. eine frische männliche Stimme und die Stimme des Fräuleins er horchte nicht und verstand auch nichts.
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Nach etwa zwanzig Minuten kam ein fesch aussehender junger Mann aus dem Nebenzimmer und verließ das Lokal anscheinend in bester Stimmung.
„ Aha!" dachte Frizz Fellner, auch einer, dem es geglüdt ist!"
„ Ich bitte Sie, damit decken wir nur kaum die Unkosten für die Auskunft! Genug, wenn wir Ihnen die restierenden 4 W. erlassen!" Wie vor den Kopf geschlagen, ging Fellner. In der Warteküche saßen noch drei ältere Frauen niederer Stände Gesichter, gebeugte Gestalten.
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versorgte
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Der Vertreter legte sich brüst in die Sofaecke zurück und Friz Fellner verließ ihn wutschnaubend. Draußen stand schon ein anderer junger Mann.„ Alles Schwindel ich warne Sie!" schrie ich dem Fremden zu. Der aber ließ sich nicht warnen und Klingelte Hoffnungsfreudig.
" Run" fragte etwa zwei Monate später der Zigarrenhändler ,, ivenn Sie sich jetzt noch entschließen wollen... ich habe einen festen Bewerber... in wenig Tagen wird die Sache perfekt!"
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" Nein, Danke! Später eröffne ich wohl ein hochfeines Zigarrengeschäft erwiderte der schon um vieles elegantere Fellner ,, aber vorläufig läßt eine glückliche Konstellation der Verhältnisse mich davon abstehen! Ich bin auf Jahre Vertreter einer Hamburger Bank geworden, und habe da an Spesen tägliche Einnahmen von 30-80 M., ohne jedes weitere Risiko als: eine alte Schreibmaschine auf meinem höchst feudal möblierten Zimmer!"