«t 2ä3 3# � i Keilte des LmMts" Derliller WidslilM.««?..««»» im. Serickts- Deining. »Die ruhende Nymphe" vor Gericht. Die Bolksbühncnbuchhandlung, deren Laden sich im Hause bei Neuen Voltstheaters, Köpenicker Straße 68, befindet, ist seiner- zeit auf Veranlassung der Neuen Freien Bollöbühne ins Leben gerufen Morden, um durch Verbreitung guter Literatur und gediegener Kunstwerke die Volksbühnenbestrebungen zu unterstützen. Derartige Bestrebungen werden natürlich von allen Muckern und Dunkelmännern tödlich gehaßt, zumal Das meiste von dem, was normalempfindende Menschen als schönste und edelste Kunst an- sprechen, von Leuten mit verschrobenem Sittlichkeitsempfinden als höchst verwerflich und verderblich angesehen wird. Irgendein un- bekannter Sittlichkeitsfatzke hat denn auch das Schaufenster der Volksbühnenbuchhandlung daraufhin fortgesetzt kontrolliert, ob da nichts zu finden sei, woran muckerische„Sittlichkeit" Anstoß nehmen könne. Eines Tages entdeckte er endlich ein Bild, welches eine unbekleidete weibliche Figur zeigte. Flugs machte er die Polizei auf seine Entdeckung aufmerksam. Die Polizei zeigte volles Ver- ständnis für die Schmerzen des anonymen Denunzianten. Sie schickte den Schutzmann Licbenow in den Laden der Volksbühnen- buchhandlung, damit er das angeblich unsittliche Bild käuflich er- werbe. Was der Schutzmann erstand, das toar eine im Verlage der„Jugend" in München erschienene Reproduktion eines Ge- mäldeö von Anselm Feuerbach :„Ruhende Nymphe". Da Schutz- mann Liebenow gerade dabei war, Material für einen Sittlich- keitsfcldzug zu sammeln, so tat er noch ein übriges und kaufte auch eine im Laden ausliegende Postkarte, die auch eine auf blumiger Wiese lagernde nackte Frauengestalt zeigte. Der biedere Anselm Feuerbach als Maler unzüchtiger Bilder! — Wer die Kunstgeschichte auch nur ganz oberflächlich kennt, wird bei diesem Gedanken den Kopf schütteln. Nun wurde Heinrich Wilcker, der Inhaber der Volksbühnen- buchhandlung, angeklagt, sich durch Ausstellung unzüchtiger Bilder gegen Z 184 des Strafgesetzbuches vergangen zu haben. In mehrstündiger Verhandlung beschäftigte sich gestern die 12. Strafkammer des Landgerichts I mit der Prüfung des angeb- lichen Sittlichkeitsvergehens der Volksbühnenbuchhandlung. Die Verteidigung, die in den Händen des Rechtsanwalts Lesser lag, hatte Zeugen und Sachverständige geladen, um zu beweisen, daß hier weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht die Ver- breitung unzüchtiger Bilder vorliege. Der Vorsitzende der Neuen Freien Volksbühne, Berlagsbuch- Händler Springer, sagte, daß nach dem Charakter der Volksbühnen- buchhandlung und ihres Inhabers bei der Auswahl der zum Ver- kauf kommenden Bilder keine anderen als rein künstlerische Prin- zipien obwalten könnten. Würde die Buchhandlung jemals von diesen Prinzipien abweichen, dann würde die Leitung der Neuen Freien Volksbühne sofort eingreifen. Dazu habe sie aber noch nicht die geringste Veranlassung gehabt. Das hier in Rede stehende Bild könne bei keinem Menschen, der nicht schon sittlich verdorben sei, andere als künstlerische Empfindungen hervorrufen. In demselben Sinne äußerte sich auch der Zeuge und Sach- verständige, Kunstschriftsteller Dr. Deri, der Assistent des Museums- direktorS Bode war und seit mehreren Jahren dem künstlerischen Ausschuß der Neuen Freien Volksbühne angehört. Er erklärte, es sei ganz ausgeschlossen, daß daS Feuerbachsche Bild unzüchtig wirken könne, aucy nicht, wenn es im Schaufenster ausgestellt werde. Der bekannte Maler, Professor Lovis Corinth erklärte: Das vorliegende Bild ist einer der besten Akte, die Feucrbach gemalt hat. Der Ausdruck der ruhenden Nymphe ist keusch, ja sogar herb. Die vollkommene Ruhe des Körpers, namentlich sie Haltung des Kopfes läßt erkennen, daß Feuerbach yichts Sinnliches hat darstellen wollen. Das Bild ist durchaus uusinnlich, ich finde es wunderbar. Auch die vorliegende Reproduktion ist sehr gut und künstlerisch. Der Staatsanwalt ließ die Anklage wegen der Postkarte aus formalen Gründen fallen. Die Ausstellung von Feuerbachs ruhen- der Nymphe aber erklärt: er trotz der sachverständigen Gutachten für strafbar. Könnte man den Gesetzgeber fragen, dann würde er sagen, daß die Ausstellung dieses Biloes im Schaufenster nicht geduldet werden könne. Söhne aus guter Familie mögen bei solchem Bild sich nichts denken. Aber die Großstadtjugend be- trachtet es mit anderen Augen. Das muß verhindert werden. Es muß möglich sein, daß ein Vater mit 14° bis 16jährigen Töchtern, ohne ihnen die Augen zu verbinden, durch die Straßen Berlins gehen kann. Zu einer Geldstrafe von 16 M. sollte nach dem Antrage des Staatsanwalts der Angeklagte verurteilt werden. Rechtsanwalt Lesser kennzeichnete die Ausführungen des Staatsanwalts über die Absichten, die der Gesetzgeber mit dem § 184 verfolgte, mit den Worten: Als Poesie gut, aber durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht begründet. Erst in neuerer Zeit machen sich die Bestrebungen geltend, das, was durch die abgelehnte Verschärfung des Gesetzes erreicht werden sollte, durch Auslegung des bestehenden Gesetzes zu erreichen. Der Gesetz- geber hat nicht gesagt, alles was nackt ist, ist unsittlich. Gegen das Feuerbachsche Bild ist nichts weiter vorgebracht, als daß es eine Nacktheit darstellt. Das natürliche Empfinden erblickt darin nichts Unsittliches. Erst eine Degeneration des natürlichen Emp- finbens hat es mit sich gebracht, daß solche künstlerischen Dar- stellungen von gewissen Leuten als unsittlich angesehen werden. Das Volk hat nicht eine so schmutzige Phantasie, daß es durch die künstlerische Darstellung des Nackten sinnlich erregt würde. Das Volk will edle Kunst und hat sich deshalb die Volksbühnen geschaffen. Alle, die berufsmäßig mit dem Volke zu tun haben, wissen, daß es in seinem Empfinden sittlich ist und nicht durch eine Judikatur, wie sie hier in dem§ 184 gegeben werden soll, beglückt zu werden brauche. Aus objektiven und subjektiven Gründen mutz der Angeklagte freigesprochen werden. Der Staatsanwalt beantragte nun, falls das Gericht zu einer Freisprechung kommen sollte, die Verhandlung zu vertagen und den Kinofilmzensor drS Polizeipräsidiums, Professor Brunner, als Sachverständigen zu laden. Nach längerer Beratung gab das Gericht diesem Antrage des Staatsanwalts statt. Zu dem neuen Termin sollen die heute vernommenen Zeugen und Sachverständigen geladen, sowie Pro- fessor Brunner, der begutachten soll, ob der Angeklagte sich bewußt sein müsse, daß die Darstellung nackter menschlicher Körper ge- eignet sei, auf die heranwachsende Jugend unsittlich zu wirken. Wenn Professor Brunner nicht irrlichterierender Gedanken- leser ist, dann wird er die Aufgabe, die ihm daS Gericht stellen will, schwerlich bejahen können. Die Krupp-Affäre wird in ihrem zweiten Teile nun im nächsten Monat die Straf- kammer beschäftigen. Das Hauptverfahren ist eröffnet worden gegen den frühereu Vorsteher des Berliner Bureaus Brandt und dem Ver- nehmen nach auch gegen Herrn Eccius. Termin zur Hauptver- Handlung ist vor der 2. Strafkammer unter Vorsitz des Landgerichts- Direktors Karsten auf den 23. Oktober und folgende Tage angesetzt. Die Verteidigung führen Rechtsanwalt Dr. Löwcnstein und Justiz- rat Dr. v. Gordon._ Ist der Turnverekn„Fichte" ein politischer Berein? Mit dieser Frage hatte sich vor kurzem bereits das Obervcr- waltungsgericht zu beschäftigen, da der Turnverein„Fichte" gegen die Verfügung des Berliner Polizeipräsidenten, wonach der Verein dem Z 3 des Reichsvereinsgesetzes unterstellt wurde, den Klageweg beschritten hatte. DaS Oberverwaltungsgericht kam jedoch nicht zu einer Entscheidung, weil der Verein die Klage vor der Urteilsver- kündung zurückzog. Nunmehr richtete der Polizeipräsident erneut an den Verein die Aufforderung, sich dem§ 3 des Reichsvereinsgesetzes zu unterstellen und Statut und Vorstandsverzeichnis ein- zureicken. Gegen diese Aufforderung klagte der Verein vor dem Bezirksausschuß der Stadt Berlin , der sich vorgestern mit dieser Frage zu beschäftigen hatte. Der Turnverein„Fichte" wurde durch Rechtsanwalt Dr. Cohn vertreten. In eingehenden Dar- legungen zerpflückte der Verteidiger das..Beweismaterial" des Polizeipräsidenten. In Preußen sei mit Unrecht der Arbeiter- turnerbund für politisch erklärt. Demgegenüber habe die sächsische Regierung, die doch in scharfer Bekämpfung der Arbeiterschaft wirklich nichts zu wünschen übrig lasse, ebenso wie die Leipziger Polizeibehörde, die die Leitung des Arbeiterturnerbundes fort- laufend unter Kontrolle habe, mit Recht erklärt, eine politische Be- tätigung des Arbciterturnerbundes liege nicht vor. Ueber diese Gutachten setze sich Preußen und einige andere Staaten einfach hinweg. Das Material des Berliner Polizeipräsidiums entbehre jeder Beweiskraft. Rote Schärpen bei turnerischen Vorführungen könnten doch nicht ohne weiteres als sozialdemokratische De- monstration bezeichnet werden. Bekanntlich benutzen auch die deutschen Turner sehr oft rote Schärpen, weil rot in Verbindung mit der weißen Turnkleidung die Turnerfarbe rot-weitz ergibt. Dann sei angeführt, der Verein benutze den„Vorwärts" für seine Bekanntmachungen. Daraus folge nicht das geringste, zumal an- dere Zeitungen diese Bekanntmachungen nicht aufnehmen würden. Ferner werde den Arbeiterturnvereinen zum Vorwurf gemacht, daß sie in sozialdemokratischen Lokalen ihre Zusammenkünfte ab- halten. Wo sollen die Arbeiterturnvereine hin, wenn ihnen durch Behörden und Privatpersonen ein Lokal nach dem anderen abge- trieben werde? Und ist das eine„politische Betätigung"?_ Ebenso unhaltbar sei es, daß man die politische Ueberzeugung der einzelnen Mitglieder als Beweis dafür ansehen wolle, daß der Verein sozial- demokratisch sei. Auch bei einem Richterkollegium könne sehr leicht der Fall eintreten, daß alle Richter eine bestimmte politische Ansicht haben. Würde es nicht geradezu der gesunden Vernunft wider- sprechen, wenn man von diesen Richtern dann behaupten wolle, sie bildeten einen politischen Verein? Nicht aus der Tätigkeit der einzelnen Mitglieder dürfe auf den Charakter des Vereins ge- schlössen werden; man müsse vielmehr dem Verein als solchen eine politische Tätigkeit nachweisen. Eine solche sei aber schon durch das Statut ausgeschlossen; es fehle jeder Beweis. Der Bezirksausschuß verkündete als Urteil: Die Klage deS Turnvereins„Fichte" auf Aufhebung der Verfügung des Ber - liner Polizeipräsidenten wird zurückgewiesen. Der Turnverein „Fichte" gehöre dem Arbeiterturnerbunde an, der ein politischer Verein sei und müsse daher demselben in der Tendenz gleich- gestellt werden. Der Bezirksausschutz habe die Ueberzeugung, daß der Verein sich politisch betätigt habe. Demzufolge mußte auf Ab- Weisung der Klage erkannt werden. Das Urteil ist selbstverständlich nicht endgültig, sondern kann angefochten werden. Dieses Urteil ist ein neuer Beweis dafür, daß die herrschenden Klassen fest entschlossen sind, den Kampf um die Jugend— denn darum handelt es sich in der Hauptsache— mit Zähigkeit weiterzuführen. Dabei spielt es auch gar keine Rolle, daß die bürger- liche Jugendbewegung versteckt oder offen den Kampf gegen die Sozialdemokratie predigt. Und das wiewohl es in der Verfassung heißt:„Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich." Fahrlässige Tötung durch Elektrizität. Vom Landgericht Essen a. N. ist am 3. März der Installateur Otto Fülling zu drei Wochen Gefängnis verurteilt worden. Er be- treibt ohne theoretische Ausbildung seit zehn Jahren ein Jnstalla- tionsgeschäft und hatte in seinem Wohnorte die Anschlüsse verschie- dener Betriebe an das Elektrizitätsnetz bewirkt. In einer Bäckerei wurde die Anbringung eines Nullä-Ausspannungsschalters verlangt und der Angeklagte brachte einen solchen am Motor an. Er unter- ließ es aber, trotzdem der Strom eine Spannung von 356 Volt hatte, eine Schutzkappe anzubringen. Als der Abnehmebeamte das Fehlen der Kappe rügte, sagte der Angeklagte, die Leute würden sie selbst anbringen. Als am Nachmittag des 26. Oktober 1912 zwei Bäckergesellen auf dem Mehlspeicher der erwähnten Bäckerei waren, machte sich der eine an dem Kegel des Schalters zu schaffen. Plötz- lich schrie er auf und fiel tot nieder. Der Starkstrom hatte ihn ge- tötet. Dem Angeklagten ist die Schuld an diesem Unfall beigemessen worden. Seine Revision wurde am Freitag vom Reichsgericht ver- warfen. Hexerei und Zauberei. Ein geradezu unglaubliches Beispiel von Aberglauben lieferte eine Gerichtsverhandlung, der Strafkammer in Prenzlau , wo eine Frau Weingarten aus Schöpfurth bei Eberswalde wegen Beleidi- gung und Verleumdung in der Berufungsinstanz zu 75 M. Geld- strafe verurteilt wurde. Der Untergrund der Klage war Zauberei und Hexerei, der sich die Angeschuldigte befleißigt hatte. Die Pferd« eines Kohlen- Händlers in Eberswalde hatten die Frcßlust verloren. Dieser gigg nun nicht zum Tierarzt, sondern zu Frau Weingarten, die in dem Gerüche einer weisen Frau steht und die durch Zauberei die Pferde zum Fressen bringen sollte. Sie kam, sah die Pferde, strich sie, und — die Pferde fraßen wieder. Nach der Art weiser Frauen forderte sie kein Geld, vielmehr. gab es der hexengläubige Kohlenhändler unaufgefordert und fuhr ihr auch unentgeltlich Kohlen an. In einem anderen Falle bildete sich ein« Frau ein, unterleibsleidend zu sein, sie Mhrte ihre Appetitlosigkeit darauf zurück. Die weise Frau verordnete ihr ein weißes Pulver, und der Frau war ge- Holsen. Besonders erleichtert mag sie sich gefühlt hohen, als sie 11 M. für die Konsultation abgeliefert hatte. In beiden Fällen be- gnügte sich die weise Frau aber nicht mit dem Erfolg, sondern sie gab den Rat, daß sich die Hilfesuchenden vor der Berührung mit bestimmten Personen hüten müßten, da sonst der Erfolg in Frage gestellt sei. Diese erfuhren davon und klagten wegen Beleidigung und Verleumdung. Das Gericht sah den geringen Bildungsgrad der Beklagten als strafmildernd an. Preisausschreiben-Erledigung! Wir geben hierdurch den Einsendern auf unser Preisausschreiben vom Januar 1913 bekannt, daß die Bedingung 4 „Gesetzliche Schutzfähigkeit" die Erledigung des Preisausschreibens wider Erwarten um einige Monate verzögert hat und schließlich sämtlichen von den Preisrichtern gewählten Namen der pafenfamfll che Worfschatz nicht erteilt worden ist. Die Ablehnung erfolgte mit Gründen, die bis auf einen Fall jeden weiteren Widerspruch ausschließen. Dieser einzige noch zur Entscheidung stehende Fall betrifit den Namen 99 PICHELBRAU welcher somit als Preisträger nur noch in Frage kommt. Da aber die diesbezügliche Entscheidung des Patentamtes sich noch längereZeit hinziehen wird, haben wir uns bereits jetzt entschlossen, die in unserem Ausschreiben ausgesetzte Gesamtsumme von 44 auf die 29 Einsender des Wortes„PICHELBRÄU" HP gleichmäßig zur Verteilung zubringen. BERLIN , den 28. September 1913. Deutsche Bierbrauerei Aktiengesellschaft
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