London, 28. September.(Meldung des Reuterschen Bureaus.)Der Lordadvokat von Schottland Alexander Ure hielt gestern inUphall, nahe Edinburgh, eine Rede, in der er vorschlug, daß dieprovisorische Regierung von den Banken ebenso behandelt werdewie eine südamerikanisch« Republik, denn dann würde diese Regie.rung in wenigen Wochen unter ihrem eigenen Gewicht zusammen-brechen. Wenn die Konservativen die Herrschaft der BelfasterExtremen abschütteln wollten, so würde die Regierung bereit sein,mit ihnen über die Frage einer stärkeren VertretungUlster» im irischen Parlament zu verhandeln.Die Regierung würde dann auch den Vorschlägen, daß Ulster i nAngelegenheiten des Unterrichts und der Reli-gion volle Selbständigkeit erhalte, ein geneigtesOhr leihen. Er freue sich, Anzeichen zu sehen, von denen er hoffe,daß sie im Laufe der nächsten Woche zu einer Konferenz und einemfreundschaftlichen Kompromiß führen würden.Aar Verfassnngsreform in Dänemark.Das Folkething nahm am Sonnabend den Gesehentwurf überdie Aenderung der Verfassung in dritter Lesung mit allen gegendie 6 Stimmen der Konservativen ohne Debatte an, nachdem auchder Ministerprästdent die Annahme de» Entwurfs empfohlen hatte.Das Oberhaus wird sich in dieser Woche mit dem Gesetzentwurfbeschäftigen.Auslieferung der Kriegsgefangenen zwischen Türkeiund Bulgarien.Konstantinopel, 23. September. Nach dem zwischen der Türkeiund Bulgarien zustandegekommenen Uebereinkommen werden dieKriegsgefangenen binnen Monatsfrist'freigelassen werden. Wieverlautet, bestimmt das Protokoll, daß Bulgarien für den Unterhaltder Kriegsgefangenen keine Entschädigung erhalten wird,da die Kosten durch den Ertrag aus der Kapitalisierung einesTeiles der Vakufgüter ausgeglichen werden. Man weiß noch nicht,auf welche Weis« die Prwatinteressenten der Vakufs entschädigtwerden.Sie nicdcrbarnimcr Genossen und derIParteitag.In der am Sonntag abgehaltenen Generalversammlung desSozialdemokratischen Wahlvereins für den Kreis Niederbarnim er-stattete Schwarzburger Bericht über den Verlauf des Partei-tages. Zur Frage des Massenstreiks bemerkte er, daß die Tele-gierten des Kreises für die Resolution Luxemburg gestimmt haben,um dadurch der Stellung der Niederbarnimer Genossen Ausdruckzu geben. Der Redner bedauert, daß die Genossin Luxemburgzur Frage des Massenstreiks auf dem Parteitage nicht s o Stellunggenommen habe, wie sie es in der Niederbarnimer Generalver-sammlung getan habe. Anstatt allgemeine Ausführungen zumachen, hätte sie den Standpunkt der Niederbarninier Resolutionvertreten sollen. Es sei nur darüber diskutiert worden, zu welcherZeit etwa der Massenstreik ausgeführt werden könne. Doch daraufkomme es nicht an. Die Hauptsache sei, daß die Frage in der Ar-beitcrschaft diskutiert werde, damit das Proletariat bereit sei, dieseWaffe zu gebrauchen, sobald es notwendig ist. Außer der Errin-gung des Wahlrechts in Preußen gebe es noch manche andereFrage, welche die Anwendung des Massenstreiks notwendig machenkönne. Die Ausführungen des Genossen Bauer hätten erkennenlassen, daß die Gewerkschaften nur eine platonische Liebeserklärungbätten, aber von seiner praktischen Durchführung wohl nichts wissenwollen. Das sei zu bedauern. Bei der Besprechung des Fraktions-Berichtes bemerkte der Redner: Es sei unter keinen Umständen zuvilligen, daß bei der Abstimmung über den Proportionalwahlrechts-antrag ein Teil der Fraktionsmitglieder fehlten und der Antragdeshalb abgelehnt wurde. Hinsichtlich der Steuerftage hält es derRedner für selbstverständlich, daß wir indirekte Steuern ablehnen,wenn sie durch direkte ersetzt werden können. Es sei mit Recht vonder„Mannheimer Volksstimme" gesagt worden, die Konsequenz derResolution Wurm führe dahin, daß sie auch zur Rechtfertigung derBudgetbewilligung in den Landtagen herangezogen werden könne.— Der Beschluß zur Maifeier bringe nicht die notwendige Klärung.Wenn man immer an der Maifeier herumdoktort, dann wäre esschon besser, mit der Arbeitsruhe ein Ende zu machen und die"eier auf einen Sonntag zu verlegen.— Eine unerquickliche Ange-l�genheit sei der Fall Radek. Die Entscheidung des Partei-lages sei zum großen Teil zurückzuführen auf eine Animositätegen die Person Rädels, die Radek durch sein Auftreten aus derjuhörergalerie des Parteitages bestärkt habe. Zur Sache selbstmeint der Redner, der von einer ausländischen Äruderpartei be-schlossene Ausschluß müsse auch für uns maßgebend sein.— Eigen-docbcnfilrn.,.. Tieweil de? Menschen Fürrecht Lachen ist.Rabelais.Als vor Wochen Ex-Kameraden von Butzemacher Unter denLinden traf, sagte er:„Komme gerade von Breslau. Hauptmann-Festspiel angesehen. Scheußlicher Bockmist. Aber Breslau rechtangenehme Statt. Kenner von grünem Gemüse kommen auf ihreRechnung. Rate zu Versuch." Ich:„Wie, bitte, Kamerad?" AberButzemacher war schon, mit Augen zwinkernd, weiter.„Vorwärts"weigerte mir damals dringend benötigten Vorschuß, mußte mir alsoReise nach Breslau verkneifen. Muß aber ehrlich sagen, bin heutelerzlich froh drum, wer weiß, Staatsanwalt interessierte sich sonstauch für konservativen August. Im Grunde genommen, ekelhaftebeschichte, nicht nur für die Ringeschlidderten. Jubiläums-stimmung, Hurra hoch in Permanenz, 1813, und noch einmal 1813und zum dritten Male 1813, Trinksprüche von kernfestem Bürger-tum, und nun mit einemmal kernfestes Bürgertum in zahllosen.Exemplaren zuchthausreif erklärt. Waren gerade die besten Ver-treter kernfesten Bürgertums, die sich in Jubiläumsstadt undFubiläumsjahr feste mit kleinen Mädchens unter 11 amüsiert haben,Handwerksmeister, Kaufleute, Zahnärzte— alles was so in Krieger-vereinen vorneweg ist, stramm konservatives Wählermatcrial,Patrioten mit einem Wort! Unter sotanen Umständen hätte Poli-zei wirklich mal beide Augen zudrücken und an Beteiligte Warnungunterderhand ergehen lassen können, statt plump zuzupacken. Jetztvaben wir den Kladderadatsch. Paar Dutzend Vertreter kernfestenBürgertums sitzen im Kittchen, paar Dutzend sind ä ternpo ausgeflitzt und ein rundes Dutzend hat von der irdischen an die himm-tische Gerechtigkeit appelliert. Ging in Breslau zu wie auf Bal-tan. An jeder Ecke fielen Schüsse. Wenn Polizei nachsah, immerneues Opfer der Amüsieraffäre mit kleinen Mädchen(an sichübrigens harmlose und unschuldige Sache!).Nur ein Trost im Unglück! Verfolge natürlich, anstatt Quatschvon verschiedenen Kongressen über Arbcitersachen, Arbeiterfürsorgeund Arbeiterschweiß zu lesen, eifrig jeden Bericht über Wachstumder Breslauer Sache. Fiel mir effektiv Mühlstein vom Herzen,als in„Breslauer Zeitung" las:„Der Selbstmord des Badeanstaltsbesitzers Strauß bei seinerVerhaftung auf dem hiesigen Polizeipräsidium verdichtet« die schonschwebenden Gerüchte über schwere Sittlichkeitsver-gehen an noch schulpflichtigen Mädchen bessererStände. Man redete von dem Bestehen eines ganzen Klubs undtümlich habe es berührt, daß Genosse W e lS eine Kandidatur zumParteivorstande angenommen habe, obgleich die Berliner Delegationsich für die Genoffen Brühl und Wengels als Beisitzer erklärt habe.Diese Handlungsweise des Genossen Wels sei nicht fair. Von derrechten Seite der Partei habe sich Wels aufstellen lassen. DieBerliner Genossen würden ihm hoffentlich trotz seines großenMundes die Wahrheit sagen. Brühl sei bei der Vorstandswahl des-halb unterlegen, weil er den radikalen Standpunkt vertreten habe.H a e n i s ch, der als erster Diskussionsredner das Wort er-hielt, sprach sein Bedauern darüber aus, daß jemand wegen seinerradikalen Haltung bestraft werde, wie es durch die Richtwiederwahldes Genossen Brühl geschehen sei. Ebenso lebhaft bedauert derRedner den Parteitagsbeschlutz im Falle Radek. Er wolle nicht fürdie Person Radeks eine Lanze einlegen, sondern er wende sich nurdagegen, daß man Radek den Weg eines geordneten Gerichtsver-fahrens abgeschnitten habe. Obgleich es sich hier um eine Rechts-frage von erheblicher Bedeutung handele, habe der„Vorwärts" inseiner Registrierung der Preßstimmen nicht die Parteiblätter an-geführt, die sich zum Falle Radek äußerten. Hervorragende Partei-genossen und Juristen halten den Standpunkt für unhaltbar dender Parteivorstand in der Sonntagsnummcr des„Vorwärts" zumFall Radek einnimmt.Stadthagen führte aus, die Ergebnisse des Parteitagesseien keineswegs erhebend. Eine Glanzleistung sei nur das Re-ferat und die Diskussion über die Arbcitslosenfürsocge. In allenanderen Fragen habe der Parteitag nichts befriedigendes geleistet.In der Massenstreikfrage habe nicht einmal die NiederbarnimerResolution begründet werden können. Gegen diese Resolution seiohne Anlaß der Vorwurf erhoben worden, sie bringe� die Propagie-rung' des Syndikalismus, des syndikalistischen Klassenstreiks zumAusdruck. Auch bei der Stcuerfrage sei dem Genossen Geyer mitUnrecht der Vorwurf gemacht worden, daß er den syndikalistischenStandpunkt vertrete. Man habe in die Niederbarnimer Resolutionetwas hineingelegt, was gar nicht darinsteht und den Angegriffenensei nicht Gelegenheit gegeben worden, sich zu verteidigen. SolcheEinseitigkeit konnte nicht gute Früchte tragen. Wenn in derNiederbarnimer Resolution vom Massenstreik mit allen Konsequen-zen die Rede sei, so sei das nicht so zu verstehen, wie es vonmehreren Parteitagsrednern ausgelegt wurde. Mit den Konse-quenzen sei nur gemeint: Jeder Genosse müsse sich klar darübersein, daß bei einem Massenstreik alles für ihn auf dem Spielesteht und daß er zu den größten Opfern bereit sein muß.— Essei ein Unding, wenn man sagen wolle, wegen dieser oder jenerAngelegenheit treten wir in den Massenstreik. Es komme nurdarauf an, daß die Taktik der Partei eine kühne und entschlossenesein muß, damit der Massenstreik zu gegebener Zeit angewandiwerden kann. Dabei werde es sich wohl nicht in erster Linie umdas preußische Wahlrecht handeln, sondern um andereFragen, loie das Koalitionsrecht, die Teuerung oderandere wichtige Angelegenheiten.— Richtig sei es, wenn die„Mann-heimer Voltsstimme" meint, die Konsequenz der zur Steuerftageangenommenen Resolution Wurm führe zur Rechtfertigung derBudgetbcwilligung. Aber— sagte der Redner— ich hoffe, daß eszu dieser Konsequenz nicht konimt, da die Resolution auch eineandere Auslegung zuläßt.— Schließlich äußerte sich der Rednernoch zur Vorstandswahl. Er sei über die Wahl des GenossenWels in den Parteivorstand deshalb nicht ungehalten, weil es einGlück sei, daß Wels dadurch als Vorsitzender der Preßkommissionnicht mehr in Frage komme. Wels sei als Vertrauensmann derrechten Seite in den Partei vorstand gewählt worden. Dadurchsagte der Redner— ist bewiesen, was ich schon öfter sagte: Welssteht auf der rechten Seite oder mindestens im Sumpf.Lorenz stimmt der Ansicht des Genossen Haenisch über denFall Radek nicht zu. Mit dieser Angelegenheit habe endlich radnlarasa gemacht werden müssen.— Ter Maifeierbeschluß seibedauerlich. Wenn wir die Maifeier nickt durchführen können,sollten wir sie lieber fallen lassen.— In der Frage des Massen-streis habe Rosa Luxemburg nicht den von ihr in Niederbarnimeingenommenen Standpunkt vertreten, sondern nur den Partei-vorstand angegriffen. Der Massenstreik— das ist die Meinungdes Redners— wird kommen aus dem Bedürfnis derMasse und aus der Situation heraus, aber ohnehochtönende Phrasen. Er werde uns aufgedrängt werden. In derSteuerftage billigt der Redner die Haltung der Parteitagsmehrheit.Brühl wandte sich scharf gegen die auf dem Parteitage zumAusdruck gekommene Auffassung, als ob die Resolution Luxemburgsyndikalistischen Bestrebungen das Wort rede. Nicht wir denkenan Blutvergießen beim Massenstreik, aber wir wissen doch, daß esbei jedem Streik durch das Eingreifen von gegnerischer Seite zuBlutvergießen kommen kann. Man denke nur an ManSfeld. Essei wohl möglich, daß die Gewerkschaften, vielleicht um daSK o a l i t i o n S r e ch t zu sichern, die ersten sein müßten, die vonder Waffe des Massenstreiks Gebrauch machen. Dann könnten sieder Partei dankbar sein, daß sie die Arbeiter mit der Handhabungdieser Waffe vertraut gemacht habe. Man sagt, die Rechte derPartei sei durch den Parteitag zu Boden geworfen. Das trifftnicht zu. Wir haben es nicht gemacht wie die 66 des NürnbergerParteitages, welche erklärten, daß sie sich dem Beschlutz nicht fügen.Wir werden auch ferner unsere Schuldigkeit tun.von Klubräumen auf der Augustastraße, in denen es zu wahrenOrgien gekommen sein sollte. Auch das Ableben einiger anderenPersönlichkeiten(eines Maurermeisters und'eines Hoteliers) derletzten Zeit wurde mit dieser unsittlichen Affäre in Verbindunggebracht und als gewaltsam erfolgt angesehen. Indessen hat sicheine systematische Verführung junger Madchen»dergar Frauen besserer Stände in keiner Hinsicht bewahr-h e i t e t."Gottlob! Mädchen und Frauen besserer Stände bei peinlicherSache also nicht beteiligt! Kommen zwar auch dolle Chosen vor,aber bleibt alles unter uns katholischen Pfarrerstöchtern. Nichtsausplaudern! Kavalier genießt und schweigt! In Breslau, wodas Amüsement mehr öffentliche Angelegenheit war, kommen nurJähren von Proleten in Frage. Begreife da nicht, was Geschreisoll. Aufgabe der Gesetzgebung und Rechtsprechung ist in ersterLinie ganz selbstverständlich, zu sorgen, daß den besseren Ständenkein Schaden geschieht. Hier nichts davon! Und Mädels von Prole-ten, so weit hübsch und gut gewachsen, werden doch auf Friedrich-straße enden. Also nur ganz nützlich, wenn schon im heranwachsen-den Alter Unterweisung in Kunst erhalten, die olle Griechen aufLiebesakademie auf Lesbos gelehrt haben. Gewissermaßen Prinzipder Jugendwehr ins Weibliche und Erotische übertragen. Aber nunSchwamm drüber. Schluß mit Breslau. Und mag der und jenersagen, was er will: Hauptmann-Festspiel war doch der größereSkandal!In Malchin auch böse Sache! Verdammt böse Sache! Irgend-ein angestellter Kuli unserer Partei ist vor Gericht ringesegelt wegenBeleidigung eines fortschrittlichen Fritzen. Schadet nichts! Aberleider bei dieser Gelegenheit auch festgestellt worden, daß konser-vativer Malermeister, Vorstandsmitglied eines konservativen Ver-eins, nach sozialdemokratischer Stichwahlhilse für KonservativenLeimruten ausgeworfen hat. Und Gericht nahm als festgestellt an,daß Buhlschaft um die-fj-f Roten in Einverständnis und Auftragvon konservativer Parteileitung erfolgt sei. Und Esel von Kulistellt sich auch noch hin und erklärt naiv, jede Partei suche in derStichwahl bei anderen Parteien Hilfe, wo sie sie finden könne. Ver-dämmt und zugenäht! Dieser Esel mutz sofort aufs Pflaster ge-feuert werden. Heydebrand wird schön toben, auch alle Ver-tuschungsversuche Oertels helfen nichts! Klipp und klar istunser Reinfall festgestellt: Wir haben bei Sozen um Stichwahl-Hilfe so demütig angehalten, wie beim lieben Gott um schönesWetter. Da beitzt keine Maus'nen�Faden von ab! Wären dummeKerle, wenn wir's nicht täten. Von Prinzipien allein wird derKohl nicht fett. Und es geht uns so wie so mies genug! Macht sichSchwenk bezeichnet es als Fehler, daß die Angelegenheitder Parteivorstandswahl nur in der Konferenz der Berliner Dele-gierten und nicht durch die Organisation behandelt worden sei.Lehmann, der Vorsitzende des Wahlvereins, dem mehrfachzum Vorwurf gemacht worden war, daß er gegen die ResolutionLuxemburg gestimmt hat, rechtfertigte seine Haltung mit demHinweis, daß er auch im Kreise gegen die Resolution Luxem-bürg gestimmt habe und nach Beschlüssen des Kreises gebundeneMandate nicht existieren.— Es sei nicht wahr, daß auf dem Partei-tage der Revisionismus gesiegt habe. Man könne nicht einmal voneinem Siege der mittleren Linie reden.Otto Braun, Parteivorstandsmitglied, führte aus, daß erdie pessimistische Auffassung über den Parteitag nicht teile, er seider Meinung, daß man mit den Ergebnissen des Parteitages sehrzufrieden sein könne. Der Redner verteidigt die Massenstreikreso-lution des Parteivorstandes und betont, daß sie sich von der Reso-lution Luxemburg nur dadurch unterscheide, daß diese schärfereRedewendungen gebraucht. Wenn die Resolution von NiederbarnimMassenaktionen ohne Rücksicht auf die Konsequenzen fordert, so seidas der syndikalistische Standpunkt. Nachdem dieser Passus ausder Resolution Luxemburg entfernt ist, unterscheidet sie sich inhalt-lich nicht mehr von der Resolution oes Parteivorstandes. Wenndoch einer sogen möchte, was für Massenaktionen gemeint sind.Aber keiner habe sich darüber geäußert. Diejenigen, die über dieBajonette verfügen, möchten, daß der Massenstreik recht bald insWerk gesetzt werde, denn noch halten sie sich für stark genug, ihnniederzuschalgen. Diesem Verlangen würden wir entgegenkommen,wenn wir ohne Rücksicht auf die Konsequenzen den Massenstreik be-ginnen. Das wollen wir nicht, sondern wir werden den Massen-streik so vorbereiten, daß wir, wenn es notwendig ist, mit Wuchtlosschlagen zu können.— Die Resolution Wurm bewegt sich nichtin der Richtung der Budgetbewilligung. Im Falle Radek ist derGrundsatz zur Anwendung gekommen, daß jemand, der von einerausländischen Bruderpartei ausgeschlossen ist, von uns nicht aufge-nommen werden darf. In diesem Falle hat der Parteitag nichtjuristische Unklarheit, sondern organisatorische Klarheit geschaffen.Nachdem noch mehrere Redner die Aussprache fortgesponnenhatten, ohne noch neue Gesichtspunkte zu berühren, wurde die Dis-kussion geschlossen. Von der Annahme einer Resolution sah man ab.Ferner befaßte sich die Versanimlung mit organisatorischenAngelegenheiten. Ein Antrag des Vorstandes und der Kreiskon-ferenz, der eine längere Debatte hervorrief, wurde schließlich mitgroßer Mehrheit angenommen. Er lautet:„Die Kosten der Landagitation übernimmt die Kreiskasse. ZurDeckung der hierdurch für die Kreiskasse entstehenden Mehraus-gaben haben die Bezirke in Zukunft 76 Proz. der WahlvereinSbei-träge an die Kreiskasse abzuführen."Aus Anlaß einer auf der vorigen Generalversammlung auf.geworfenen, den Bezirken überwiesenen Frage wurde beschlossen,daß über die endgültige Aufnahme von Mitgliedern nicht die Wahl-Vereins- und Bezirksleitungen, sondern der Kreisvorstandbzw. die Kreiskonferenz und die Generalversammlung zu ent-scheiden haben.Hus 6roß- Berlin.Figaro, Herr Staatsanwalt.Ich bin gestern im Deutschen Opernhaus gewesen; man gabden„Figaro". Es waren viele junge Mädchen da, auch Kinder vondreizehn und zwölf Jahren. Das finde ich unverantwortlich. Wasist eS doch mit dem„Figaro": ein Wüstling spitzt auf das �susprimae noctis; ein Jncest wird erst im letzten Augenblick ver-hindert; ein außerehelicher Papa übt sich als Zutrciber; ein Minder-jähriger windet sich in Pubertätsseufzern. Das ist es, und zu soetwas läßt man seine harmlosen Töchter gehen. Wie: hätte derDirektor sich nicht sagen müssen, daß solche Häufung erotischerUntaten auf daS große Publikum und besonders auf Kinder un-züchtig wirken müsse. Herr Staatsanwalt, gibt es da für Sie nicht?zu tun? Sie schütteln ihren(übrigens sehr gut sitzenden) Talarund schelten mich einen perversen Menschen, dessen natürliche?Empfinden degeneriert sein müsse, und der für die Kunst ewigverloren sei. Herr Staatsanwalt(ihr Friseur ist ein Meister),Herr Staatsbeschützer, vorgestern hätte ich von solchen Schweinereiennoch nichts bemerkt; ich hätte naiv und innig Mozarts tönendesRokoko mir durch die Sinne klingelieren lassen und wäre einseliger Tänzer geistiger Figuren gewesen. Seitdem ich aber Ihremoralischen Geitzclhiebe gegen den träumenden Leib der Feuerbach-schen Nymphe habe klatschen hören, seitdem sind mir die Augen ge-öffnet, und ich sehe ihn nun, den Schmutz, ich sehe da? Säuische.Ich weiß es jetzt, daß der„Figaro" diese? verbuhlten Mozart ver-boten werden mutz. Und noch eins: die Bibel muß konfisziertwerden; ich erinnere mich jetzt(seit vorgestern), daß wir alsJungenS unS eiftig die unzüchtigen Stellen aufschlugen, Noah,sehr schön und ist stets wirksames Zugmittel für etwas verklebteKöpfe, wenn wir grünes Banner der Landwirtschaft gegen rotenFetzen schwenken und Sie sollen mal Oldenburg-Januschausehen, wenn er im Zirkus Busch die vaterlandslose Rotte von beut-schen Bauernstiefeln in Grund und Boden trampeln läßt— Schlagerersten Ranges, gegen den Staatssekretär B r h a n im Variete garnichts ist. Aber warum soll man im Dunkeln, hinter den Kulissen,nicht ein bißchen mit derselben Rotte techtelmechteln, wenn Kerledumm genug sind, uns Mandat zuzuschanzen. Nur rauskommendarf es nicht. Nicht Unter Linden grüßen. Nicht vor Gericht an-nageln lassen. Sonst ist ganze Reputation zum Teufel, und vielist ohnehin nicht mehr zu verlieren!Roter Parteitag in Jena war blödsinnig langweilige Sache.Kein Schmitz drin, kein Pfeffer und Salz, kein Paprika! Statt sichsaftige Jnvektiven an Kopf zu werfen, haben Jenossen so gesittetverhandelt wie nationalliberale Geheimräte. War, mutz eö ge-stehen, lieber„Vorwärts", große Enttäuschung! Hatte auch vonRosa Luxemburg mehr erwartet. Kouraschiertes Frauen-zimmer— Respekt! Aber auch sie scheint Lust verloren zu haben,Massen vor Maschinengewehre zu führen. Schade! Wäre passendsteLösung der sozialen Frage, zehn Maschinengewehre machen� alleKongresse über Arbeitslosenversicherung und dies und das über-flüssig, und Vetter Botho von der Garde-Feldartillerie seufzt immer,wenn er mich trifft, nach Gelegenheit, mal feste hineinzubullern indie roten Hallunken. Nun wird's in absehbarer Zeit wohl nichtswerden damit! Wie gesagt, schade drum! So hat� mir eigentlichnur Jenosse imponiert, der von Inszenierung des Mieterstreiksschwärmte. Mutz sagen: ganz prächtige, ganz famose Idee! Istmir nicht ganz neu und keinesfalls ganz sozialdemokratisch. Dennder ergebcnst Unterzeichnete ist selbst von Theorie zur Praxis über-gegangen und zielbewußt und entschlossen in Mieterstreik einge-treten: habe schon seit drei Monaten keine Miete mehr bezahlt!Wird aber auf die Dauer unhaltbarer Zustand. Bitte deshalb um„Vorschuß", aber nicht zu knapp!Der konservative Aug» st.Bitte übrigens um Auskunft, liebe Redaktion! Lese überall,auch in beliebter fortschrittlicher Presse. Nachrichten über Hochzeitder Königs von Portugal und finde in illustrierten Zeit-schriften Bilder de? Königs von Portugal mit seiner Neu-vermählten. Habe daraufhin pflichtschuldigst ergebenen Glückwunschan Seine Majestät nach Lissabon geschickt(mit Bitte um kleinesDarlehn), kam aber zurück:„Adressat hier unbekannt. Postverwal-tung der R e p u b l i k Portugal." Wie verhält sich das?