miierliche Hohcheit jenes auch von bürgerlicher Seite so un Zählige Male verspotteten„Festefeierns" zeigen, dessen wir wahrhaftig schon übergenug haben. Und die angeklagte Karikatur tat das mit einer geradezu ausgesuchten Gutmütig. kcit und Harmlosigkeit! Der Herr Staatsanwalt freilich hat aus der harmlosen Karikatur die fürchterlichsten Beleidigungen des bayerischen Prinzregenten herausgelesen. Weil der Prinzregent auf dem Bilde eine der Situation entsprechende legere Stellung ein- nahm, folgerte der Herr Staatsanwalt, daß der Herr Prinz- regent als Opfer des Alkohols verächtlich gemacht werden sollte. Man muß schon Staatsanwalt sein, keine Spur von Humor besitzen und das Recht der politischen Satire voll- ständig verkennen, um eine so groteske Auffassung vertreten zn können. Aber freilich, trotzdem ein Sachverständiger für die politische Karikatur, der bekannte Schriftsteller Eduard Fuchs , sowohl dem Herrn Staatsanwalt als auch dem Gerichtshof ein eingehendes Privatissimum iiber das Wesen der Karikatur und über die sowohl ästhetisch als auch politisch erworbenen unveräußerlichen Rechte der politischen Karikatur gelesen hatte, schlug doch der Gerichtshof schließlich alle diese Belehrungen völlig in den Wind, indem er unbegreiflicher- weise auf ein Schuldig erkannte und den Verantwortlichen Redakteur unseres Bayreuther Brudcrorgans zu einem Monat Festung verurteilte. Bayern braucht auf diesen Triumph seiner Justiz wirklich nicht stolz zu sein. Diese banausische Aechtung der politischen Satire durch die bayerischen Geschworeneu ist um so unbegreiflicher, als tagtäglich in den Witzblättern Deutsch- lands nicht nur, sondern gerade auch in spezifisch bayerischen Witzblättern politische Karikaturen erscheinen, die an Drastik uild satirischer Schärfe das harmlose Kelheimer Bild weitaus in den Schatten stellen. Daß der in München erscheinende „Simplicissimus " beispielsweise ein so wohl begründetes Ansehen im In- und Auslande genießt, verdankt er gerade seiner schneidigen Satire. Aus nur zu guten Gründen hütet man sich aber, gegen dieses Blatt vorzugehen, selbst wenn das manchmal von schwarzberockten Tartüffes oder prozent-patriotischen Byzantinern verlangt wird. Gegen das sozialdemokratische Organ in Bayreuth vorzugehen, erschien offenbar erfolgverheißender. Die Verurteilung hat ja auch bewiesen, wessen hurrapatriotische Verblendung und byzantini- scher Uebereifer fähig sind. Aber wir hoffen trotzdem, daß dieser Prozeß gegen seine Urheber ausschlagen und ähnliche Prozesse für die Zukunft unmöglich machen wird. Trotz der Verurteilung des Angeklagten dürste es dem Staatsanwalt bald einleuchten, daß er der Sache der Monarchie und der„staatlichen Ordnung" nur einen Bärendienst geleistet hat, als er das Gericht gegen eine Polstische Satire mobil machte, die selbst in dem pedantischen und byzantinischen Preußen unter Anklage zu stellen auch der betriebsamste Staatsanwalt nicht den Mut hatte! Die Verhandlung. (Telcgraphischer Bericht.) Bayreuth , 2. Ottober 1913. Kurz nach den Kelheimer Festlichkeiten, bei denen eine Armee von Soldaten, Polizisten und hungrigen Gendarmen, die ein miserables Nachtlager hinter sich hatten, die wenigen patriottschen Zuschauer in höchst unpatriotischc Entrüstung ver- setzten, brachte unser Bayreuther Parteiblatt, die„Fränkische Volkstribüne", ein gutmüttges Bild, das die versammelten deutschen Fürsten ani Biertisch darstellt, während die kutten- tragenden Stützen der Hertlingschen Regierung Würste und Radi mit unnachahmlicher Anmut kredenzen. In der Mitte der Festtafel sah man des Prinzregenten Ludwig bekannte Gestalt, der auch die größten Verehrer des bayerischen Re- gcnten nicht gerade übermäßige Schneidigkeit nachsagen dürften. Prinz Ludwig war in gut Münchener Bräu-Pose ab- gebildet, den bebrillten Kopf auf die neben dem Maßkrug auf- gestützten Arnie gelegt und nachdenklich auf den Bierttsch her- niederblickend— kurz wie ein guter Münchener Bürger, der zn sein er ja auch erst letzthin wieder bei einer Denkmals- cnthüllung für seinen Vater erklärt hat, wie ein guter Münchencr Bürger eben morgens im Matheserbräu sitzt, das mit seinem besseren Bier und seinen besseren Weißwürsten das altangestammte königliche Hofbräuhaus zwar nicht von seinem„Platzl", wohl aber aus"den Herzen der nicht frisch zugereisten Münchener verdrängt hat. Die Staatsanwaltschaft in Bayreuth war über dieses Bild ttef empört, sie ließ das Blatt beschlagnahmen und erhob gegen den verantwortlichen Redakteur, Genossen P u ch t a, die An- klage wegen Majestätsbeleidigung, die heute vor den hiesigen Geschworenen zur Verhandlung kommt. Als Sachverständiger ist der bekannte Karikaturenmaler Eduard Fuchs -Berlin erschienen. Den Vorsitz in der Verhandlung führt Oberlandesgerichtsrat Christ, die Anklage vertritt Erster Staats- anwalt Seitz, den Angeklagten verteidigt der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Dr. S ü ß h e i m- Nürnberg. Zum Zuhörerraum herrscht großer Andrang, so daß vier Gendarmen und noch mehr Schutzleute die.Ordnung aufrecht zu erhalten" haben. Die Anklage lautet auf Regentenbeleidigung. Verteidigung und Staatsanwalt machen von dem Recht der Ab- lchnrmg von Geschworenen vollen Gebrauch. Zu Beginn der Ver- Handlung erllätt Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Süßheim: Ich will mich in diesem Stadium über die Raschheit dieses Verfahrens nicht verbreiten, die das gute Recht der Staatsanwaltschaft ist, aber auf der anderen Seite mutz dem Angeklagten das Recht ge- wahrt bleiben, alles für sich vorzubringen, was durch Zeugen und Sachverständige zu seinen Gunsten zur Stelle geschaffl werden kann. Eine ruhigere, sachlichere Erörterung in der kommenden Schwurgerichts- Periode schien mir ursprünglich auch deshalb notwendig, weil hier in Bayreuth von dem.Bahreuther Tagblatt' eine unerhörte P resthetze wegen dieser Sache getrieben worden ist, von der zu befürchten ist, daß sie nicht ganz ohne Einfluß geblieben ist. Aber ich habe doch das volle Vertrauen zu dem Oberfränkischen Schwurgericht, daß die Herren Geschworenen sich nicht beeinflussen lassen und unbefangen gemäß ihrem Eid entscheiden werden, was Recht und Gerechtigkeit ist. Es ist auch nicht unwesentlich, daß festgestellt würde, daß der Prinzregent mit der Strafverfolgung dieses Bildes nicht einverstanden ist. Bei der Kürze der Zeit war die Vorbereitung eines vollständigen Sachverständigenbeweises nicht möglich. Mein Vertagungs- antrag ist abgelehnt worden. Im allerletzten Augenblick aber ist es mir noch gelungen, den als erste Autorität auf dem Gebiete der Karikatur zu betrachtenden Kulturforscher und Karikaturen- sammler Eduard Fuchs aus Zehlendorf bei Berlin hier an Gerichts- stelle zu bringen, und ich bitte, ihn als Sachverständigen zu ver- nehmen. Es wird nun der Angeklagte Redakteur Puchta zur Anklage vernommen. Der Eröffnungsbeschluß beschuldigt ihn, in dem Bilde den Prinzregenten Ludwig als eine flegelhaft sich benehmende, nach Hallung und Aussehen tölpelhafte Person dargestellt zu haben. Der Prinzregent werde nach dem Eröffnungsbesckilutz als ein halbeingeschlafener Betrunkener dargestellt in einer Stellung, lvie man sie kaum in einer Winkelkneipe an- treffen würde.— Angeklagter Puchta(zu den Geschwornen): Ueber die Feier in Kelheim hat die Presse in sehr ver- schiedcner Weise berichtet. Ein Teil der Presse schwelgte in einem Meer von Wonne und Begeisterung; andere Blätter— nicht bloß sozialdemokratische— hatten manches an der Kelheimer Feier auszusetzen, sowohl an ihrer historischen Berechtigung, als auch an ihrer' Durchführung. Ich hatte in meinem Blatt kaum Notiz von der Feier genommen, aber einige Tage nachher ein Humor- volles Bild gebracht, das nur das steife Hoszeremoniell, wie es in Kelheim geherrscht hatte, in das Humorvolle, in das gemütlich Bayerische übertragen sollte. Aus dem Bilde spricht nichts weiter als Humor, aber niemals das ätzende Gift beleidigender Absicht. Man darf nicht eine einzelne Figur, die manche Leute als den Prinz- regenten erkennen wollen, herausreißen, sondern man muß die ganze Zeichnung im Zusammenhang betrachten, und da sieht man eine humoristische Darstellung: Girlanden von Würsten, Rettichen usw. Die einzelnen Personen sollen dabei keineswegs herabgesetzt werden. Ich glaubte, zur Veröffentlichung dieses Bildes berechtigt zu sein, denn wir haben ja Prestfreiheit auch für die Satire. Hätten wir dieses Recht nicht, so müßten die verschiedenen Witzblätter ihr Erscheinen einstellen und von den Nummern des.Simplicissimus" dürfte kaum die Hälfte der Beschlag- nähme entgehen. Keineswegs habe ich die Absicht böswilliger Ehr- Verletzung gehabt. Das kann auch aus dem Bilde nicht heraus- gelesen werden. Das Bild ist vorher in anderen Blättern erschienen, ohne daß der Staatsanwalt eingriff. Das.Bahreuther Tageblatt" hat seine Hetze gegen dieses Bild aus persönlicher Rachsucht gegen mich und aus geschäftlichen Konkurrenzgründen eingeleitet. Der Vorsitzende legt den Geschworenen das unter Anklage ge- stellte Bild vor. Es werden den Geschworenen auch mehrere Bilder des.SimplicisfimuS" über die Kelheimer Festlichkeiten vorgelegt, die von der Verteidigung dem Gericht überreicht werden, um zu be- weisen, daß der.SimplicisfimuS' mindestens ebenso scharfe Kari- katuren über den Prinzregenten gebracht habe. ES wird nun der Sachverständige Eduard Fuchs vereidigt. Er gibt ein längeres Exposö über das Wesen der politischen Karikatur unter Vorlegung zahlreicher politischer Karikaturen an die Ge- schworencn. Er führte aus: Sie alle wissen, daß das Leben und unsere Gefühle sich nicht in einer ewig gleichbleibenden Linie ent- wickeln, sondern sich in einer Kurve bewegen. Das trifft auch für das Leben der Gesamtheit zu. und zwar in allen geschichtlichen Epochen. Da die Geschichte ein stetiger Kampf ist. so ist der Humor auch immer schon als eine Waffe dieses Kampfes dort verwendet worden, wo die Geister aufcinanderplatzten, und das ist seit drei- bis vierhundert Jahren in den Zeitungen der Fall. Die Zeitungen bevorzugen die Karikatur, weil die bildliche Darstellung die überzeugendste und augenfälligste ist, die es gibt. Die Folge der Karikatur ist in fast allen Fällen eine Popularisierung der dargestellten Persönlichkeiten. Der Sachverständige demonstriert dann den Geschworenen eine Anzahl von Karikaturen, so insbesondere die schärfsten Karikaturen über die englischen Könige Georg HI. und Georg IV. sowie eine große Anzahl weiterer Karikaturen über Ludwig I. und Lola Montez . Diese Karikaturen waren zum Teil von den Ministern selbst veranlaßt, um die Herrscher zu einem besseren Lebenswandel zu bringen. Schließlich demonstriert er den Geschworenen Karikaturen über Friedrich Wilhelm IV. , über Wilhelm I. und auch iiber Wilhelm IL, um den Unterschied zwischen Karikatur und Verächtlich- m a ch u n g klarzustellen. Der Sachverständige bespricht dann die zunehmende Verbreitung der Karikaturen infolge des zunehmenden Gefühls des einzelnen, daß er nicht nur sich selbst, sondern auch für die Gesamt- heit zu sorgen und an ihren Kämpfen Anteil zu nehmen habe. Die führenden Persönlichkeiten in allen Ländern freuen sich darüber, daß sie karikiert werden. Der Humor versöhnt und gleicht aus. Uebrigens ist die Karikatur eine Waffe, die mit Rosen bekränzt ist. Man sagt sich einander lächelnd die Wahrheit und ist sich nicht weiter böse. Der Humor versöhnt. Schließlich verweist der Sachverständige darauf, daß der französische K a r i k a tu r e n s a m m l e r Grand Charteret an Kaiser Wilhelm U. in einem offenen Briefe sich gewandt hat, um das einer Karikaturensammlung über Wilhelm II. drohende Zensurverbot abzuwenden. Der Kaiser hat damals diese Sammlung zugelassen und auch seitdem den Karikaturenbildern über sich selbst nichts in den Weg golegt. Noch gestern habe ich in der Leipziger Straße in Berlin die deutsche Ausgabe der betreffenden Sammlung unter dem Titel.Er" gekauft, darin sind sehr scharfe Karikaturen. Schließ« lich hat.Grand Charteret" einmal sogar die Liberalität Wilhelms II. dem englischen König Eduard VII. als Muster vorgeführt. Zum Schluß weist der Sachverständige darauf hin, daß die unter Anklage stehende Karikatur niemals dem Prinzregenten den Vorwurf der Trunkenheit machen könne, denn es sei offenbar die Tasel der Fürsten vor dem eigentlichen Festakt be- zeichnet, wobei der Kaiser eine einleitende Rede halte. Die anderen Fürsten sitzen ganz leger wie be- freundete Menschen dabei. Das Bild gebe nur eine h u m o- ristische Formel für die Kelheimer Vorgänge und richte sich durchaus nicht persönlich gegen den Prinzregenten, der nur als einer der Anwesenden mit berücksichtigt sei. Darauf legte der Gerichtshof den Geschworenen folgende S ch u l d f r a g c n vor: 1. Ist der Angeklagte des Vergehens der Regentenbeleidigung schuldig, und zwar der bewußten Ehrverletzung mit Ueberlegung und aus Böswilligkeit begangen? 2. Sind mildernde Umstände vorhanden? Erster Staatsanwalt Seitz führt dann zur Begründung der Anklage aus: Am 20. August feierte in Kelheim der Priuzregent mit sämtlichen deutschen Fürsten ein erhebendes Fest in der Befreiungshalle, die Ludwig I. hat er- richten lassen zum Gedächtnis deS Befreiungskampfes von 1313, damit sich die Deutschen stets daran erinnern, was die Befreiungskämpfe notwendig gemacht haben und wodurch schließlich der Sieg errungen sei. Ueber diese Feier ist in den Zeitungen sehr viel geschrieben worden. Auch die Bayreuther „Fränkische Volkstribüne" hat einen Artikel gebracht, in dem über die deutschen Fürsten nicht in angenehmer Weise gesprochen wurde. Einige Zeit später erschien dieses Bild im „Vorwärts". Dem Angeklagten hat eS so gut gefallen, daß er so- fort nach Berlin darum schrieb. Es soll die Feier in Kelheim dar- stellen, aber dargestellt ist nicht das Volk, sondern die Fürsten . In der Mitte der Deutsche Kaiser, links von ihm ganz unverkennbar der König von Sachsen und der Großherzog von Hessen , rechts von ihm ist das Bild des Prinzregenten. Ich gebe dem Sachverständigen den guten Willen zu. Aber bedenken Sie, daß es seine Lebens- aufgäbe ist. Karikaturen zu sammeln und darüber zu schreiben. Er steht auf einem wissenschaftlichen Standpunkt, während die Zeichnung der.Vollstribüne" in die breiten Volksmassen hinauskam und gerade den gegenteiligen Eindruck hervorrufen mutzte, den der Sach- verständige annimmt. Wenn der„Vorwärts" in Berlin anstandslos verbreitet werden konnte, so hat das seinen guten Grund. Denn dort wäre die Verfolgung wegen Beleidigung des Prinzregenlen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Prinz« regenten möglich gewesen. Das tun aber die Staatsanwalt- schaften nicht, daß sie Strafanträge, die nicht von selbst gestellt werden, einholen. Und außerdem will man doch dem hohen Herrn nicht den Schmerz bereiten, ihm derartige herabwürdigende Bilder vorzulegen. Für mich aber hier in Bayreuth war es eine un- abweisbore Notwendigkeit, gegen etwas, was ich als strafbar erkannte, auch die strafrechtlichen Schritte zu tun. Meine Herren Geschworenen , wenn Sie der Meinung sind, daß es richtig ist, daß eine Zeitung im Volke draußen solche Bilder gegen die Monarchie ungestraft bringt, dann sprechen Sie den Angeklagten frei. Wenn Sie aber anderer Meinung sind, dann bejahen Sie die Schuldfrage und verneinen Sie die Frage nach mildernden Umständen. Verteidiger Landtagsabg. Dr. Süßhcim-Nürnberg: Am 18. Januar 1303 sagte ein Parlamentarier im Reichstage, man kann nur sagen, daß es ein Glück ist, daß in Bayern die für Preußen geltende MajestätsbeleidigungSmaxime nicht Geltung hat. Heute allerdings sehen wir das seltene Schauspiel, daß ein bayerischer Staatsbürger sich vor bayerischen Ge- schworenen wegen eine« angeblich majestätsbeleidigenden Bildes zu verantworten bat, das selbst dem schärfsten preußischen Staatsanwalt keine Ursache zum Einschreiten gegeben hat. Deshalb sollen Sie, meine Herren Geschworenen , den Stab über den Angeklagten brechen. Was will es gegenüber dem inhaltsreichen Gutachten des Sachver- ständigen heißen, wenn der Staatsanwalt, ohne jede Begründung und ohne das Material zu kennen, ihm den Ernst abspricht. Man muß blindlings auf eine Verurteilung hinstreben, wenn man alles übersieht, was diesen Fall zu einer Verurteilung absolut untauglich macht. Das Bild richtet sich nicht gegen eine einzelne Person, sondern gegen die von der Partei des Angeklagten scharf kritisierten Kelheimer Vorgänge. Nicht nur in der Sozialdemo- kratie, sondern auch darüber hinaus in weiten Kreisen des Volkes hat man an derKelheimer FeierscharfeKritik geübt und man fragte, was denn für eine Ursache zu dieser Feier bestand, etwa die Erinnerung an die nicht gehaltenen Versprechungen? Wenn man mit diesem Bild den Prinzregenten hätte treffen wollen, so hätte man doch ihn allein dargestellt oder ihn als den Ver« anstalter der Kelheimer Feier in den Vordergrund gestellt. Aber von all dem ist gar keine Rede. Und welche« Interesse sollte denn der preußische Zeichner dieses Bildes an einer Herabsetzung deS bayerischen Prinzregenten haben, der ihm ganz gleichgültig sein dürfte und den er wahrscheinlich gar nicht kennt? Es ist ein Aus- nahmefall, daß sich ein bayerisches Schwurgericht mit einem Majestätsbeleidigungsprozeß zu befassen hat. Sie alle werden keinen solchen Fall in Erinnerung haben. Die Staatsanwaltschaft möchte zwar manchmal schon, aber unsere bayerischen Schwurgerichle be- weisen in solchen Fällen so viel Volksgefühl und Mannes- mut, daß sie sich für derartige politische Zwecke nicht hergeben und derartige Verurteilungen noch immer abgelehnt haben. Der Geburtstag unserer Schwurgerichte fällt zusammen mit dem Geburtstag unserer Preß- und Versammlungsfreiheit, und die Schwurgerichte haben sich immer noch als gjn Hort der Preßsreiheit erwiesen. Schon Monate vorher ist im„Simplicissimus " auf die Kelheimer Feier hingewiesen worden, auch dort ist das Maß- krug- und Rettickmotiv verwendet worden. Natürlich will ich den Staatsanwalt nicht gegen den„SinrplicisssmuS" aufhetzen, aber es ist doch eigenartig, daß nirgendwo als in Bayreuth an diesem Bild Anstoß genommen wurde. Auch ich möchte darauf hinweisen, daß daS Bild den Moment vor der Feier darstellt, wo sich die Herren eben zum Imbiß hinsetzen. Denn die Weißwürste auf dem Tisch ersteuen sich ja noch ihres ungestörten Daseins. (Heiterkeit.) AIS eS sich im Reichstag um die Milderung deS MajestätsbelcidigungSparagraphen handelte, als sogar die rech t s« stehenden Parteien und ihre Presse die schärffie Kritik am Kaiser übten, da sagte ein Abgeordneter, die Zeit des Fürficnabsolntismus sei vorüber und da müßte sich der Kaiser eine Kritik gefallen lassen. Der daS ausgesprochen hat, war der Freiherr v. Hertling, der jetzt in Bayern Ministerpräsident ist. Wohin soll eS denn führen, wenn jetzt zum Beispiel irgend ein Staatsanwalt in einem deutschen Kleinstaat unter dem auf diesem Bilde dargestellten zehn Personen auch noch seinen Duodezfürsten erkennt und wieder einen Prozeß einleitet. Ich bitte die Geschworenen, das alles wohl zu überlegen und zu be- denken, daß der AngeNagte, als er das Bild erst veröffentlichte weil eS in Preußen nicht beschlagnahmt und nicht verboten wurde, im besten Glauben gehandelt hat. Der Redner untersucht zum Schluß nochmals die Frage des Vorhandenseins der vom Gesetz ge- forderten absichtlichen Ueberlegung und Böswilligkeit, die er v e r« neint. Er fordett die Geschworenen aus, trotz der in Bayreuth getriebenen Hetze der liberalen Presse sich nicht zu politischen Zwecken gebrauchen zu lassen und den AngeNagten freizu- p r e ch e n. Der Vorsitzende erteilt den Geschworenen eine eingehende Rechtsbelehrung, worauf nach zwanzigminutenlanger Beratung der Obmann der Geschworenen verkündet, daß die erste Frage mit mehr als 7 Stimmen bejaht worden ist, ebenso die zweite Frage auf mildernde Umstände. Der Staatsanwalt be« antragt darauf eine Gefängnisstrafe von vier Monaten zu verhängen. ES sei nicht angebracht, eine FestungSstrafe zu wählen, da die Schwere der Beleidigung nur mit Gefängnis gesühnt werden könne. Nach einer ziemlich langen Beratung verkündet der Vorfitzend« des Gerichtshofs, Oberlandesgerichtsrat Christ, das Urteil. Es lautet: Der Angeklagte Redakteur Puchta wird zu 1 Moa«t Festung und zu den Kosten des Verfahrens verurteilt. Außerdem wird die Unbrauchbarmachung der beschlagnahmten Exemplare und Platten der„Fränkischen Volkstribüne" ausgesprochen.
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