ungeheuerlichsten Dinge erzählt! Wir werden in den. nächsten Tagen eingehender über die R es e r v e- B r i g a d e m a n ö v e r berichten. Für heute mag genügen, daß uns vier Todesfälle bestätigt worden sind! Hunderte von Erkrankten sind noch nicht entlassen worde n." Wir erwarten, daß auch das Kriegsministerium die„Kriegsmäßigkeit" nicht soweit treibt, die Folgen dieser Brigadeübung mit dem Schleier des Dienstgeheimnisses zu umkleiden. Aus dem Bundesrat. In der gestrigen Sitzung des Bundesrats wurde die Wahl der Bundesstaaten in die Ausschüsse III bis XI vollzogen. Den zuständigen Ausschüssen wurden überwiesen der Antrag Bayerns , Württembergs, Badens und Elsaß -Lothringens , betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Aenderung dcS Zollvereinigungs- vertrags vom 3. Juli 1367, der Entwurf eines Gesetzes über die Wiederaufnahme eines Disziplinarverfahrens, der Entwurf von Bestimmungen über die Herstellung von Zigarren usw. in der Heimarbeit, der Entwurf von Äusführungsbestimmungen zu § 107/1 des Branntweinsteuergesetzes, der Entwurf von Aus- führungsbestimmungen über die Gewährung von Beihilfen an Kriegsteilnehmer und der Entwurf von Vorschriften zur Abände- rung der Vorschriften über den Befähigungsnachweis und die Prüfung der Maschinisten auf Seedampfschiffen. Zugestimmt wurde der Aenderung der Zuckersteuer-Ausführungsbestimmungen, dem Antrage, betreffend Ausführungsbestimmungen zum Reichsstempel- gesetz vom 3. Juli 1913 und der Vorlage, betreffend die Amtsdauer der gegenwärtigen nichtständigen Mitglieder des Reichsverfiche» rungsamts aus oem Stande der Arbeitgeber und der Versicherten. Meinungsänderung auf Wunsch. Kommenden Sonnabend und Sonntag versammelt sich die nationalliberale Reichstagsfraktion in Wiesbaden . An- geblich handelt es sich nur um eine völlig zwanglose Zu- sammenkunft. Daß dieses Beisammensein jedoch keineswegs so gleichgültiger Natur ist, erhellt aus der folgenden Be- merkung des„Hannoverschen Kurier": .Auf der zwanglosen Herbsttagung der nationalliberalen Reichstagsabgeordneten, die sich an diesem Sonnabend und Sonnlag zusammenfinden, soll bekanntlich auch die Frage eines besseren Schutzes der Arbeitswilligen er- örtert werde n." Die Erörterung einer Frage von dieser Tragweite kann man nicht gut als eine gleichgültige Sache betrachten. Ms der Zuchthausgesetzantrag der Konservativen im Reichstage zur Abstimmung kam, stimmten Ii) Nationalliberale dafür. Die Folge dieser Abstimmung war, daß die Nationalliberalen vor den Vertretern der Schwerindustrie in der allerheftigsten Weise angegriffen wurden. Wie es scheint, hat diese Kritik dazu beigetragen, die Nationalliberalen zu bekehren und den Wünschen der Scharfmacher Rechnung zu tragen. Es ist ziemlich wahrscheinlich, daß manche der würdigen Vertreter des Nationalliberalismus im Reichstage, um sich die Gunst und die Subventionen der scharfmacherischen Großindustriellen zu erhalten, eine kleine Meinungsänderung vollziehen werden. Ter temperamentvolle Erzbischof. Herr v. Hartmann, der neue Erzbischof von Köln , hat bei seinem Amtsantritt den lebenslustigen Rheinländerinncn mahnend zugerufen, nichr in gewischten Chören zu singen. Der nächste Kölner Karneval wird zeigen, wie weit diese Warnung des Kirchen- fürsten Erfolg hat. Jetzt hat der Erzbischof auch in Essen eine flammende Ansprache für die Wahrung der Frauenwürde gehalten. Nach den Berichten der Zentrumspresse lautet sie: „lind nun noch ein Wort, und dieses Wort richte ich an alle, die hier zugegen sind: Haltet hoch die Frauenwürde! Haltet hoch die Frauenwürde, die heutigen Tags in den Kot getreten wird von einer liederlichen Presse, von einer irregeleiteten Kunst, in den Kot ge- trete n bon den Aposteln des Unglaubens. Die Kunst soll heute alles rechtfertigen. Man sagt, die süßliche Art und Weise, wie man früher gemalt habe, könne man nicht mehr mitmachen. Die erhabensten Ideale sind dargestellt in der christlichen Kunst, und statt dieser erhabensten Ideale, die die Malerei auf die Leinwand gezaubert hat, bringt man jetzt aus die Leinwand die allergemciuste und niederträchtigste Sinnlichkeit. Die Frau wird entwürdigt durch die Kunst, durch die schlechte Presse, sie wird auch entwürdigt vielfach durch die schamlose Kleidung, die sich breitmacht. Würde man es wagen, die Produkte der Kunst, die heute feil- geboten werden, die Kleidung, die sich heute breitmacht, vor den Augen der Gottesmutter auszubreiten?" Der Erzbischof wird gut. tun, seine Ansprache über die schäm- lose Kleidung zu wiederholen, wenn er gelegentlich einen Besuch bei Hofe macht. Die Kunstgeschichte scheint er weniger zu kennen, als die moderne Mode, sonst müßte er wissen, daß niemals das Weib in tieferer Sinnenfreude aus die Leinwand gezaubert wurde, als in der mittelalterlichen Blütezeit des Katholizismus. Ein Rundgang im Vatikan könnte Se. Eminenz darüber belehren. Eine neue Partei hat sich in Baden gebildet. Die reichsparteilichen Vereine in Karl«- ruhe und Freiburg haben sich zu einer„Badischen Reichspartei" zu- sammenge, chlosscn. In-inigen Landtagswahlbezirken, so u. a. auch in Karlsruhe hat die neue Partei sogar Kandidaten für die Land- tagSwabl aufgestellt. Wieviel Mitglieder die neue Partei schon hat, wird nicht verraten. Vielleicht einige Bäckerdutzend? Sicherheitsmaßnahmen für den Ueberseeverkehr. Nach der schrecklichen„Titanic"-Katastrophc wurde überall die Frage erörtert, ob die Sicherheit auf den Passagierschiffen über- Haupt den zu stellenden Ansprüchen genüge. Das mußte verneint werden, und es erstand die Aufgabe, durch gesetzliche Vorschriften diese Sicherheit zu erzwingen. Wie Wolffs Telegr. Bureau mit- teilt, fand gestern im Reichsamt des Innern die abschließende Kon- ferenz zur Beratung der Sicherheitsmaßnahmen für die über- sceischc Personenbeförderung statt, an der neben den.Kommissaren der beteiligten Reichsämtcr und preußischen Ministerien sowie der nachgeordneten Reichsbchörden.Vertreter der Bundesregierungen und der bereits an den Konferenzen vom 6. Mai und 28. Oktober 1912 beteiligt gewesenen Körperschaften und Vereine teilnahmen. Wie im Eingange der Verhandlung mitgeteilt wurde, hat die großbritannische Regierung inzwischen die Einladungen zu der internationalen Konferenz in London , für deren Beginn der 12. November 1913 in Aussicht genommen ist, mit folgendem Programm ergehen lassen: 1. Di« Grundsätze über die Gegenseitige Anerkennung der Zertifikate und der Vorschriften über die Sicherheit auf der See. 2. Die Grundsätze über die Schotten und wassendichten Abteilungen sowie die Grundsätze über die Kon- struktion von Schiffen bezüglich des Schiffskörpers, der Ausrüstung «d der Maschinen. 3. Die Grundsätze über die an Bord zu führen- J den Rettungseinrichtungen, Bootsthpen usw. und Anordnungen über s die Ueberwachung, Verftauung, Niederlassen und Handhaben der Boote und anderer Rettungseinrichtungen. 4. Die Grundsätze über die Kontrolle der Schiffahrt und des Sicherheitsdienstes einschließlich der drahtlosen Telegraphie, Signale, Hilfeleistung in Seenot, Eis- und Wrackmeldungen, Dampferrouten usw. Mit Rücksicht auf das nunmehr vorliegende Programm und im Hinblick auf die in der Zwischenzeit erfolgte Stellungnahme fremder Staaten zu den auf der Konferenz zu erörternden Fragen erschien es erwünscht, die an den Vorkonferenzen vom 6. Mai und 28. Oktober 1912 beteiligt gewesenen BeHorden und Körperschaften nochmals gutachtlich zu hören zu dem Zweck, um sich nunmehr endgültig über die Stellung- nähme der deutschen Delegierten auf der Londoner Konferenz schlüssig zu machen. Sämtliche auf der internationalen Konferenz zu erörternden Fragen wurden nochmals einer eingehenden Be- sprechung unterzogen und über alle Punkte der umfangreichen Tagesordnung ein Einverständnis der Versammlung erzielt. Senatorengehälter und Arbeitslosenfürsorge. Die Hamburger Bürgerschaft hatte am Mittwoch auf ihrer Tagesordnung einen sozialdemokratischen Antrag, worin Bürger- schast und Senat ersucht werden, Maßregeln gegen die Arbeits- losigkeit zu treffen. Zur Beratung dieses Antrages kam eS nicht, weil vorher ein Antrag der rechtsstehenden Parteien eingebracht war, die Honorare der rechtsgelehrten Senatoren von 2S009 auf 30 000 M. und die der kaufmännischen Senatoren von 12 000 auf IS 000 M. zu erhöhen. Die Debatte über diesen Antrag füllte den größten Teil der Sitzung aus, so daß für die Arbeitslosen keine Zeit mehr blieb. Eigenartig war die Begründung für die Er- höhung der Senatsgehälter. Der Antragsteller Dr. A l b r e ch t berief sich auf die verminderte Kaufkraft des Geldes und die er- höhten Ansprüche in der Lebenshaltung, ließ aber auch durch- blicken, daß diese Gehaltserhöhung den Senat darüber hinweg- trösten würde, wenn die Bürgerschaft in dieser oder jener Frage (Universitätsvorlage?) seinen Wünschen nicht folgen würde. Die sozialdemokratische Fraktion ließ durch Genossen Stalten ihren ablehnenden Standpunkt vertreten. Genossen Stalten ent- fesselte verständnisvolle Heiterkeit im ganzen Hause, als er aus- führte, der Hamburger Senat (der 18 Mitglieder zählt) sei zu vielköpfig, um nur aus wirklich hervorragenden Männern zu be- stehen. Es seien zu viel Durchschnittskräfte dazwischen, für die sich eine solche Honorarerhöhung nicht rechtfertigen ließe. Man möge den Senat zunächst einmal reorganisieren, die Zahl seiner Mit- glieder herabsetzen und die Verwaltung vereinfachen, die heute so schwerfällig sei, daß ihr gegenüber sogar die preußische noch als Muster dienen könne. Dann macht« Stalten weiter darauf auf- merksam, daß beinahe der Antrag den Eindruck mache, als wolle man nach dem Beispiel einiger süddeutscher Staaten den regieren- den Herren das Opfer des Wehrbeitrags zurückvergüten. Die Sozialdemokraten lehnten den Antrag rundweg ab. Auch die Vereinigten Liberale,: verhielten sich ablehnend. Ihr Fraktionsredner Dr. Petersen, Sioltens Gegenkandidat bei der ReichStagsersatzwahl im ersten Wahlkreis, schloß sich in vielen Punkten der Kritik Stoltens an. Solange die unteren Beamten tatsächlich Not leiden müßten, werde seine Partei sich nicht daran beteiligen, dem Sengt Geschenke darzubringen. Anders verfuhr die Linke, die Fraktion des„mittleren" Bürgertums. Ihre Redner bettelten um die Unterstützung der Mittelstandswünsche durch den Senat und waren dafür bereit, die Gehaltserhöhung zu bswilligen. Diese wurde dann auch mit Zweidrittelmehrheit— gegen Sozialdemokraten und Liberale angenommen. Der A r b c i t s l o s e n a n t r a g soll am 13. Oktober zur Be- ratung kommen. Er fordert beschleunigt« Inangriffnahme staat - licher Arbeiten, Bereitstellung eines Unterstützungsfonds für Ar- beitslose, Speisung bedürftiger Schulkinder, reichsgesetzliche Rege- lung der Arbeitslosenversicherung. Von verschiedenen bürgerlichen Fraktionen sind dazu noch Ergänzungsanträge gestellt. Tie mecklenburgische Berfassungspofse. Ein neuer Akt der endlosen Posse beginnt. Wie die„Landes- zeitung" mitteilt, ist von den beiden Grotzherzogen von Mecklenburg die Wiedereröffnung der Verhandlungen des außerordentlichen Land- tages auf Montag, den 20. Oktober, festgesetzt worden. Die Ver- Handlungen finden wieder in Schwerin statt und betreffen die bekannten Verfassungsvorlagen vom Frühjahr dieses Jahres. Eine Ostafrika -Neife. In Daressaalam findet im nächsten Jahre eine Deutsch -ost- afrikanische Landesausstellung statt, zu deren Besuch das Komitee die Mitglieder des Reichstages eingeladen bat. Die beteiligten Dampferlinien haben die Herabsetzung der Fahrpreise für die Aus- stellungsbesucher und die Entsendung von Extradampfern in AuS- ficht gestellt, wodurch sich, wie das Komitee versichert, die Kosten der Reise verhältnismäßig billig stellen würden. Den Besuchern soll gleichzeitig die Möglichkeit geboten werden, durch die Benutzung der Tanganikabahn das Innere des Landes kennen zu lernen. Oertemieb. RüstungSfolge». Der soeben erschienene Bericht der Gewerbeinspektoren erklärt, daß gewissen Industrien, wie die Heimarbeit der Textil- und Spitzenindustrie im Norden, fast jede Erwerbs- Möglichkeit verloren haben und daß nur jene Unterneh- mungen verschont blieben, welche vom Militärärar zur Lieferung der Heereserfordernisse herangezogen wurden. Von überall werden kolossale Betriebsreduzierungen und Arbeiterent- lassungen— noch aus der Zeit der allgemeinen Hochkonjunk- tur!— berichtet. Als eine andere Folge der Rüstungsära ist ein Erlaß der böhmischen Landesregierung anzusehen, der die Bezirkshauptmann- schaffen zu verschärfter Ueberwachung der Arbeiterorganisationen auffordert, da sich ein st a r k e r Antimilitarismus in den zahlreichen Desertionen äußere. Man vergißt dann den praktischen Antimilitarismus der Regierung, die Familienväter monatelang an der Balkangrenze den Parademarsch üben läßt und die im Begriff ist, das erst vor kurzem auf 212 000 Mann erhöhte Rekrutenkontingent um 40 000 Mann und den Mannschaftsstand der Marine auf 27 000 Mann zu er- höhen. Zmenka . Eine neue Lockspitzelkampagne. Indianapolis , 2. Oktober. Der Schatzmeister der Metallarbeiter, Harry O o n e s, ist unter der Be- schuldigung der Verschwörung verhaftet worden. Es heißt, daß er in die Angelegenheit des in New Jork ver- hafteten Davis verwickelt ist. Die Verhaftung erfolgte aus Veranlassung eines Privatdetektivs, der Oones be- schuldigt, mit 80 anderen Metallarbeitern Dynamit be- fördert zu haben, um das Anwesen der American Bridge Company in die Lust zu sprengen. Der Staatsanwalt hat eine Liste über 12 Dynamitattentate und ähnliche Verbrechen aufgestellt, welche durch die Geständnisse Davis' ausgedeckt sein sollen. Diese Enthüllungen sollen viele ge- heimnisvollc Verbrechen gegen das Eigentum, die in den letzten Jahren vorgekommen sind, aufklären. Soziales. Fünfter Preußischer Fortbildungsschultag. In der Zeit vom 1. bis 3. Oktober tagte in Altona der Fünfte Preußische Fortbildungsschultag. Er ist von etwa 500 Schuldirek- toren, Lehrern, Bürgermeistern und anderen Verwaltungsbeamten besucht. Am Donnerstag beschäftigte sich der Kongreß mit dem wichtigen Thema: Die Fortbildungsschule für ungelernte Arbeiter. Oberbürgermeister Dominikus(Berlin-Schöneberg) hob als Referent hervor, daß in Preußen etwa 300 000 ungelernte jugend- liche Arbeiter utld Arbeiterinnen vorhanden sind, für deren Fort- bildung nur in geringem Matze gesorgt ist. Unter 400 000 Schülern der Fortbildungsschule sind nur 84 000 ungelernte Arbeiter. Von 57 großen Städten init mehr als 60 000 Einwohnern haben 16 den Foxtbildungsschulunterricht für Ungelernte noch nicht eingeführt, darunter sogar Städte, wie Dortmund , Hannover , Halle, München- Gladbach und Potsdam . Die Fortbildung und Erziehung gerade dieser Ungelernten sei besonders notwendig, da sie nicht unter der Aufsicht ciues Lehrmeisters stehen, schon frühzeitig Geld verdienen müssen und deshalb auch Geld unbedachterweise ausgeben können und als Kinder der Aermsten moralischen Anfechtungen besonders stark unterworfen seien. Es sei allerdings sehr schwierig, die Fort- bildungsschule so zu gestalten, daß sie sich für diese Zwecke richtig eigne, weil die Beziehungen zu einem bestimmten Berufe fehlen und die Arbeiter in ihren Arbeitsstellen außerordentlich wechseln. Dennoch sei es dringend notwendig, einen bestimmten Lehrplan auf- zustellen, der sich entweder nach den verschiedenen Branchen oder, wenn dies nicht möglich, nach der verschiedenen_ Begabuna der Schüler zu richten habe. Großes Gewicht sei auf die Auswahl des Lehrermaterials zu legen, Apostelnaturen brauche man da. Es empfehle sich, auch Männer aus der Praxis mit hinzuzuziehen, Ge- Werberichter, Versicherungsanitmänner usw. Der Turnunterricht müsse für alle Fortbildungsschülcr obligatorisch eingeführt werden. In 85 Gemeinden sei das schon geschehen. Auch Schulärzte sollten bei den Fortbildungsschulen eingeführt werden. Jetzt, wo offiziell die Jugendpflege mit der Fortbildungsschule verbunden worden sei, bestehe wohl die Gefahr, daß sich BureaukratiSmus und Schablonen- arbeit breitmache. Dem Müsse entschieden entgegengewirkt werden. Staat, Gemeinden, Lehrerschaft und Unternehmertum sollten ge- meinsam zur Erreichung des FortbildUngSschulzwangeS für unge- lernte Arbeiter wirken.(Beifall.)... In der Debatte klagte Direktor Fechner-Berlin darüber, daß immer noch viele ungelernte Arbeiter Schwierigkeiten auf den Ar- beitsstcllen haben, wenn sie die Fortbildungsschule besuchen sollen. An kleineren Orten, die hauptsächlich eine Industrie haben, sei es leicht, einen Lehrplan auch für Ungelernte aufzustellen, da gewöhn- lich alle Schüler derselben Branche angehören. Schwieriger sei es in den Großstädten, wo die Arbeiter von Betrieb zu Betrieb, von Branche zu«Branche gehen. Die Jugendpflege müßten Leute i» die Hand nehmen, die auch soziales Empfinden hübeil.— Direktor Gantcnbcrg-Duisburg schildert die überaus schwierigen Verhält- nisse im Jndustriebezirk, wo man es mit einer bunt zusammen- gewürfelten, wenig seßhaften Bevölkerung zu tun hat. Die Unter- nehmcr hätten für die Fortbildung der ungelernten Arbeiter fast gar kein Interesse. Deshalb müsse besonders unter den Unter- uehmern und auch unter den Arbeiterorganisationen für den Ge- danken Propaganda gemacht tperden.— Oberbürgermeister Cuno- Sagcn betonte, daß große Schwierigkeiten gegeben seien, weil der Bergbau der Gewerbeordnung nicht unterworfen sei. Solange sich die Bergherren widersetzen, sei es kaum möglich, die andere"In- dustrie in jenem Bereich für die Fortbildungsschule zu gewinnen. Viele Gemeinden hätten den Schritt zur Schulpflicht wieder zurück- machen müssen, weil dadurch die Industrien am Orte geschädigt worden seien. Es empfehle sich deshalb ein gemeinsames Vorgehen innerhalb eines ganzen Bezirkes. Man solle sich den Interessen der Industrie eng anschließen und die Schulzeit der wechselnden Kon- junktur usw. möglichst anpassen. Es empfehle sich auch, die Schul- räume in die Fabriken hinein zu legen.— Geheimrat Dr. von See- seid vom Handelsministerium wies auf den§ 120 der Gewerbeord- nung hin, durch den die Gemeinden von der höheren Verwaltung?- behörde zur Einführung des Fortbildungsschulzwanges gezwungen werden können. Davon sei zwar noch kein Gebrauch gemacht wor- den, der Paragraph habe aber schon Gutes gewirkt. Die Kurse zur Ausbildung nebenamtlich beschäftigter Lehrer hätten sich bewahrt. Es wurden darauf folgende Thesen angenommen: 1. Die jugeiidlichen ungelernten Arbeiter sind von der gesamten gleichaltrigen Jugend des Volkes am meisten gefährdet; sie bedürfen daher der größten Aufmerksamkeit der öffentliche» Verwaltungen und der privaten Fürsorge. 2. Für die jugendlichen ungelernten Arbeiter ist die Pflicht- fortbildungsschule eine unbedingte Notwendigkeit. 3. Der Unterricht für die ungelernten Arbeiter ist mangels der für die übrigen Schüler der Pflichtfortbildungsschule vorhandenen engen Beziehungen zu einem bestimmten Berufe besonders schwie- rig; es sind deshalb für diesen Unterricht die Lehrer besonders sorgfältig auszuwählen. 4. Entsprechend der besonderen Gefährdung deS ungelernten Arbeiters ist die Stärkung der sittlichen Tüchtigkeit des ungelernten Arbeiters eine spezielle Aufgabe des Unterrichts. 5. Für die ungelernten Arbeiter ist die Llnglioderung einer in- tensiven und liebevollen Jugendpflege an den Pflichtuntcrricht der Fortbildungsschule von ganz besonderer Bedeutung. Die gut gemeinten Thesen nützen recht wenig, solange nicht der Fortbildungsschulunterricht obligatorisch eingeführt ist. Er kann heute nach Z 120 G.O. durch die Gemeinden(Gemeindestatut) obli- gatorisch gemacht werden. Aber die Gemeinden stehen zum großen Teil unter schädlichem Einfluß einiger Agrarier und Groß- industrieller, denen nicht an Fortbildung der jugendlichen Arbeiter, sondern an deren Ausbeutung gelegen ist. Vergeblich versuchten die Sozialdemokraten dem Belieben der Gemeinden die Einrichtung des Unterrichts zu entziehen. Gerade das preußische Handels- Ministerium widerstrebte, Schulter an Schulter mit den Vertretern der agrarischen und großindustriellen Interessen aus der national- liberalen, Zentrums- und konservativen Partei, diesem Vorschlag und hielten dadurch der Jugend das Recht auf Erziehung vor. Hetzte Nadirfchten* Die Zolltarifreform im Repräsentantenhause. Washington , 3. Oktober. (W. T. B.) DaS Repräsentantenhaus hat heute dem Bericht dos Konferenzkomitees über die Tarifbill zugestimmt. Nachdem der Speaker es unterschrieben hatte, ist daS Schriftstück dem Senat zugestellt lvorden, von welchem es an den Präsidenten iveitergegangen ist, dieser will es heute abend um 9 Uhr unterschreiben. Der neue Tarif tritt morgen in Kraft, doch werden die Abgaben augenblicklich' nach den alten Sätzen festgesetzt, um die Einfuhr nicht zu verzögern. Die erforderlichen Bctichti- gungen werden später vorgenommen. Eine Strafexpedition. Melbourne , 3. Oktober. (W. T. B.) Nach Meldungen aus Neuguinea hat eine Patrouille acht Anführer der Eingeborenen, die den Mineralogen Werner, einen Teutsch-Amcrikaner, ermordet und aufgefressen hüben, verhaftet. Die Patrouille hat, da sie bei der Verhaftung der Papuas auf Widerstand stieß, vier Eiugeboreap erschossen und mehrer« verwundet.
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