Einzelbild herunterladen
 
ldministration sucht um jeden Preis die Hauptforderung der streikende», die Befreiung der verhafteten Delegierten zu umgehen ind provoziert dadurch die weitere Ausbreitimg des Streiks auch uf die anderen Berufe. Am 6. streikten bereits, nach amtlichen An- aben, 15 000 Arbeiter in 50 Fabrikbetrieben, darunter in 2 Druckereien. Eine weitere Ausdehnung des Streiks ist sehr wahr 'cheinUch._ Siebenter österreichischer Gewerk- ichafls-IKongreß. (Vierter Tag.) Telegraphischer Bericht. Wien  , 9. Lktober. Heute wurde die Debatte über Parlament und Arbeiterschuh rortgeseht. Die Erörterung gestaltete sich sehr eingehend. Es nahmen an ihr Vertreter fast aller Branchen und der verschiedensten Gebiete des Reiches teil und sie erhoben mannigfache schwere ! lagen darüber, daß das Parlament und die Regierung nicht nur oie Erweiterung des Arbeiterschutzes hemmen und verhindern, son- 'wrn daß auch die Behörden kaum etwas tun, um den bereits be- Gehenden Arbeiterschutz durchzuführen, ja daß die krassesten Ver- etzungen des Gesetzes nicht geahndet werden, obgleich sie vor den lugen der Behörden geschehen. Der bereits mitgeteilten umfang- eichen Resolution, die der Referent Abg. H a n u s ch vorgelegt .wt, wurde noch eine Reihe von Beschlüssen hinzugefügt. Es wur- �cn Anträge angenommen auf Einleitung einer Agitation zur Er- ichtnng weiterer Gewerbegerichte, die bisher nur in wenigen Orten oestehen, auf Beseitigung der Äorrigenden(Fürsorgezöglings)arbeit auf Bauten und auf Regelung der Arbeitsverhältnisse im Friseur- gewerbe. Als Punkt 19 wurde der Resolution die von der bürger- .�chen Mehrheit des Abgeordnetenhauses erst letzthin abgelehnte, obgleich von unserem unvergeßlichen Bebel schon Ende der sechziger Jahre im Norddeutschen Reichstag durchgesetzte Forderung nach Beseitigung des Arbeitsbuches angefügt. Alle Sonderausweise für die Arbeiterschaft sollen beseitigt werden und als alleiniger Aus- weis über die Verlvendung Zeugnisse dienen. Auf Antrag der Ge- verkschaften Triests wurde die Regierung aufgefordert, die Ge- verbeinspektion auszubauen und ein eigenes Jnspektorat für die seeleute und Hafenarbeiter zu errichten. Endlich wurde noch das ticrbot der Kindererwerbsarbeit in Handel, Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft für das ganze schulpflichtige Alter verlangt. Hierauf wurde eine Protestresolution gegen die von der Regierung lorgeschlagene Gehaltsgrenze für die Krankenversicherung und ein oeiterer Protest gegen den Plan der Regierung angenommen, o. am 1. Oktober 1914 der Achtstundentag für das Vorschub- und Zugpersonal der Eisenbahnen aufgehoben werden soll, für welches Personal die achtstündige Arbeitszeit bereits seit 1903 besteht. Außer- dem wurde die Reichsratsfraktion aufgefordert, mit allem Nachdruck für die Gesetzwerdung der Sozialversicherung zu wirken. Schließ- lich wurde die Gewerkschastskommission beauftragt, eine Zentral. stelle für Arbeiterschutz zu errichten, die alles Material über die in- und ausländische Sozialpolitik, den Arbeiterschutz und das Ar- beiterrecht sammeln, publizistisch behandeln und alle Maßnahmen treffen soll, die geeignet sind, de» Arbeiterschutz wirksam zu fördern. Zur Beschaffung der Mittel für diese Zentralstelle soll die GeWerk- schaftskommission mit den Gewerkschaften selbst in Verbindung treten. Ueber den nächsten Punkt der Tagesordnung: Zoll- und Handelsverträge. referierte hierauf Reichsrats- und Landtagsabgeordneter Dr. Karl Renner  - Wien  . An der Wirtschaftsgeschichte der, letzten Jahr- zchnlp und mit einem reichen statistischen Material wies er nach, welch enorme Schädigung die gesamte österreichische Industrie, die wirtschaftliche EntWickelung des Landes, alle an ihrem Fortschreiten interessierten Völkerschichten, alle Konsumenten und insbesondere die Arbeiterklasse durch die Hochschutzzollpolitik erfahren haben. Der Gewerkschaftskongreß als die oberste Vertretung der wirtschaftlichen Forderungen und Interessen des organisierten denkenden Proleta- riats sei berufen, der Arbeiterschaft das Stichwort zu geben für den schweren Kampf, in den sie nun einzutrewu hat, wenn 1917, bei der Erneuerung der Zoll- und Handelsverträge, mit dem von den Agrariern und Kartcllwucherern empfohlenen verderblichen System gebrochen und eine Wirtschaftspolitik eingeschlagen werden soll, die geeignet ist, die lange zurückgehaltene wirtschaftliche Ent- Wickelung Oesterreichs   sich endlich entfalten zu lassen und den brei  - tcn Massen der Arbeiter, Kleinbürger, Staatsdicner und kleinen Beamten ein menschenwürdigeres Dasein zu ermöglichen.(Stür- mischer Beifall.) Genosse Dr. Renner unterbreitet dem Kongreß eine aus- führliche Resolution, in der zunächst festgestellt wird, daß die Kriegs- gefahr und die sofort nach dem Friedensschluß eingetretene Wirt- schaftskrise.nach der vorausgegangenen vieljährigen Teuerung durch Unterernährung, Arbeitslosigkeit, Aufzehrung aller Spargroschen und Auswanderung hochqualifizierter Arbeiter eine wahre Ver- heerung der Volkskraft und des Volksvermögens bewirkt haben. Die letzten Ursachen dieser Krise sind die durch den Zolltarif von 1902 hervorgerufene Steigerung aller Lebensmittelpreise, die durch ihn begünstigte Kartellierung der schweren Industrien, die seit- herige frivole Handelsvertragspolitik, �die Oesterreich die Balkaz� länder entfremdet und insbesondere Serbien   mit zum Kriege ge- drängt hat, und vor allem unsere auswärtige Politik, die ohne Nötigung und ohne den Schatten eines Erfolges Oesterreich   vom ganzen Balkan   wirtschaftlich ausgeschaltet und dort nichts erzielt hat als die Verachtung unseres Namens und die Aechtung unserer Arbeitsprodukte! Die Vertretung der Industriellen hat sich ange- sichts dieser unverantwortlichen Zerstörung von Milliarden öfter- reichischen Volksvermögens bei einer schwächlichen Verurteilung ohne jede praktische Konsequenz beruhigt, der Kongreß aber fordert das Parlament auf, die Tchuldtragenden zur Verantwortung zu ziehen. Die bisherige verfehlte Wirtschafts- und Handelspolitik von 1906 darf nicht fortgesetzt werden, lieber alle Gegensätze hinweg appelliert der Kongreß an die Unternehmer, nicht so sehr an ihr politisches Verständnis und ihre soziale Einsicht, sondern bloß an ihr kauf- männisches und industrielles Interesse. Die Lebensmittelzöllc verteuern die Lebenskosten der Arbeiter und zwingen ihnen Lohnkämpfe auf. Rohstofszölle und die durch die Kartelle restlos ausgenützten Trutzzölle der schweren Industrie verteuern den verarbeitenden Industrien die Materialien und er- höhen ihre Produktionskosten. Die hohen Lebensmittelpreise zehren allein das Einkommen der Massen auf und lassen ihnen nichts übrig für Jndustrieprodukte, sie untergraben also den in- neren Markt der Industrie. Die hohen Produktionskosten er- zwingen hohe Produktionspreise und machen die Industrie auf dem Weltmarkt konkurrenzunfähig. Vergehens suchen die Erzeuger von Halb- und Ganzfabrikaten diese Nachteile durch Kompen- fationSzölle auszugleichen. Unser Zollsystem unterbindet die industrielle EntWickelung, sie hindert uns, neue Märkte zu erschließen, während unsere Handels- Vertrags- und insbesondere unsere Veterinärpolitik uns die alten Märkte versperrt. Die Unternehmerschaft aber unterläßt jede Abwehr und gibt sich eine untaugliche, halb zünftlerische, halb agrarische politische Vertretung(denDeutschen Nationalverband"), welche den Aufgaben moderner Wirtschaftspolitik verständnislos gegenübersteht und daS Parlament des allgemeinen Stimmrechts durch kleinliche Quertreibereien zur Karikatur einer Volksver- tretung macht. Tie Befürchtung ist berechtigt, daß das industrielle Bürgertum auch vor 1917 wieder versagen und den ihm gebühren- den Einfluß auf die Staatspolitik nicht zur Geltung bringen wird. obwohl die industriellen Klassen heute den Staat erhalten, die Arbeiter durch die indirekten, die Unternehmer durch die direkten Steuern. Es ist daS Los der österreichischen Arbeiterklasse, erst alle Voraussetzungen deS bürgerlichen Staates erkämpfen zu müssen, denn Oesterreichs   Industrielle opfern die wirtschaftliche Zukunft der Habgier der Feudalagrarier. Die österreichische Arbeiterklasse fühlt die volle Verant- wortung für tue EntWickelung zum Industriestaat, ohne die Land und Volk verarmen und der Staat finanziell und kulturell ver- elenden müssen, sie erwartet jedoch, daß auch alle anderen' indu- striellen Schichten von nun an bis 1917 ihre Pflicht tun, damit dem Industriestaat zum Siege verholfen werde. Im Namen der österreichischen Arbeiterklassen fordert der Ge- werksckmftskongreß die sozialdemokratischen Abgeordneten auf, mit aller Macht zum Entscheidungskampf des Jahres 1917 zu rüsten und unter Wahrung des prinzipiellen, vom Kongreß gebilligten Standpunktes der Verkehr»- und Handelsfreiheit zwischen allen Staaten der Welt, jede Maßregel zu unterstützen und jedes Mittel zu ergreifen, wodurch der allgemeine Abbau des Hochschutzzoll- systems eingeleitet und beschleunigt, insbesondere aber die Zölle auf Lebensmittel, die Rohstoff- und Kartellzölle beseitigt und die Politik freier Handelsverträge zum Durchbruch gebracht werden können. Morgen wird über das Nennersche Referat und diese Rcso- lution debattiert werden. Ter Kongreß geht morgen zu Ende. Her kituslmorchroaek In Kiew  . Nach endlosen Verschleppungen hat jetzt in Kiew   der Prozeß gegen den jüdischen Arbeiter B e i l i s wegen des angeblich an einem Christenknaben begangenen RitualmordeZ begonnen. Kein Einzel schicksal wird hier entschieden, das Geschick eines ganzen Volkes wird hier auf das Spiel gesetzt, das unter der Barbarei der russischen Zustände schon ohnedies am schwersten zu leiden hat. Aus dem dunkelsten Mittelalter ist der Irrwahn der Nitualmord beschuldigungen herangeholt worden, um den Fanatismus irre» geleiteter Pöbelmassen noch mehr gegen die Juden aufzustacheln und eine neue Aera der Pogrome in Rußland   einzuleiten. Seit I'/z Jahren tobt der Kampf um diesen Prozeß, auf den die Echt- russen lind ihre hohen Gönner am Hofe und in der Regierung die allergrößten Hoffnungen gesetzt haben. Die fanatischsten, rückstän- digstcn Elemente des Zarenreiches scharen sich um die Anklage, die nicht nur gegen den Arbeiter VciliS, sondern gegen das qanze jüdische Volk erhoben wird. Sie scheuen vor keiner Fälschung, vor keinem Gewaltakt, vor keiner Infamie zurück, um den Beilis-Prozeß in den Ausgangspunkt einer reaktionären Volksbewegung zu ver- wandeln, und die planmäßig aufgestachelten Leidenschaften der dunklen Massen in daS Bett religiösen Fanatismus und nationalen HasseS zu leiten. AuS kühler politischer Berechnung ist dieser bei- spiellose Prozeß inszeniert worden, um dem zarischen Rußland noch einmal Gelegenheit zu geben, die blutige Aera von Kischinew zu wiederholen. Eine kurze Wiedergabe der Vorgänge, die zu dem BeiliS-Prozeß geführt haben, genügt, um die Richtigkeit dieser Behauptungen zu bestätigen. Am 25. März 1911, zwei Wochen vor dem jüdischen Passahfest, verschwand in Kiew   der 12jährige Knabe JuschtschinSki. Eine Woche später wurde sein Leichnam am Rande der Stadt ge- sunden. Schon während der Beerdigung wurden auf dem Friedhofe echtrussische Flugblätter verbreitet, in denen die Juden des Mordes an dem Knaben beschuldigt und die Massen zu einem Judenpogrom aufgefordert wurden. Die Ritualmordanklage, die noch vor Vollendung der ge- richtlichen Obduktion erhoben' wurde, wurde von den echt- russischen Organisationen in Kiew   hartnäckig aufrechterhalten. Der jetzigeFührer" der Nationalisten in der ReichSduma, A. S a w e u k o. setzte sich mit den Führern der Pogromistcn in Petersburg   in Verbindung, deren Organe nun eine wüste Agitation im ganzen Reiche entfalteten. Der berüchtigte Führer der äußersten Rechten, SamySlowsky, der jetzt als Z i v i l k l ä g e r im BeiliS-Prozeß auftritt, brachte im April 1911 eine Interpellation über denRitualmord" an den Knaben JuschtschinSki in der Duma ei». Seine Kollegen Purischkewitsch   und Markow forderten bei der Begründung der Interpellation unverhüllt zu Judenpogromen auf. Der Justizminister kam den Wünschen der Pogromisten bereit- willigst entgegen und versprach die sorgfältigsten Maßnahmen zur Aufdeckung des Sachverhalts. Die Duma jedoch lehnte die echtrussische Interpellation alS unbegründet ab. Die Pogromorganisationen aber verstärkten hierauf ihre Agitation. Hunderttausende von Flugschriften mit der Aufforderung zum Pogrom. zum Teil von dem Dumaabgeordneten Purischkewitsch   verfaßt, werden unter den Augen der Administration im ganzen Reiche verbreitet. Inzwischen gerät aber die Kiewer  Polizei auf die Spur der Mörder und verhaftet als der Tat ver- dächtig den Stiefvater des Ermordeten, Prichodko, den 16jährigen Bruder desselben Nikolaus Prichodko, den Onkel des Ermordeten, Neshinsky, seinen anderen Onkel T s ch i r i k o w und die in der Nachbarschaft lebende Wera Tschebirjakowa. Die Untersuchung ist allem Anscheine nach auf dem richtigen Wege. DaS Ritualmordmärchen stürzt unter den objektiven Indizienbeweisen, die sich in einer ganz anderen Richtung bewegen, zusammen, als plötzlich auf Betreiben der einflußreichen Pogro- miftenführer in Petersburg   die Verhyfteten freigelassen und der Chef der Kiewer   Deteltivpolizei, KrassowSky, seines Amtes enthoben wird. Am 4. August 1911 wird endlich der heißersehnte Jude ge- funden. gegen den die Ritualmordanklage erhoben wird. An diesemTage wird der Arbeiter B e i l i S verhastet, dessen einzige Schuld darin besteht, daß er in der Nachbarschaft des Tatortes des Verbrechens wohnt. Von diesem Augenblick an gilt BeiliS, trotz dem Mangel jeglicher Beweise, als der Mörder, der die Tat zu rituellen Zwecken begangen habe. Die Führer der Echtrussen. namentlich der oben genannte SamySlowsky treten nun noch zielbewußter mit ihrer Pogromagitation auf. Die Prokuratur und die UntersuchungS- richter gehen Hand in Hand mit den Echtrussen vor. denen sie daS Material der Untersuchung ausliefern, noch bevor eS dem Angeklagten unterbreitet worden ist. Im Mai 1912 reicht der Journalist B r a s u l- B r u s ch k o w S k h bei der Gendarmeriepolizei eine Erklärung ein, in der er auf Grund der von ihm unternommenen Untersuchung auf daS allerbestimmteste behauptet, der Mord an dem Knaben JuschtschinSki sei von einer Diebesbande begangen worden, die sich des Knaben, der zu viel von ihr wußte, entledigen wollte. Auf Grund dieser Erklärung, die sich auf eine Reihe von Zeugenaussagen stützte, wurde eine neue Untersuchung eingeleitet. Indessen wurden auch diese Angaben alsunwesentlich" abgelehnt, und der Chef der Deteltivpolizei KrassowSky. der den Journa- listen bei seinen Recherchen unterstützt hatte, wurde zudem noch unter Anklage gestellt und zu Gefängnishaft ver- urteilt. Neben diesen Bemühungen, die Spuren der wirklichen Mörder zu verwischen, liefen die Bemühungen, dem Mord einen aus- gesprochenen rituellen Charakter zu verleihen. Der Untersuchung«- richter für besonders wichtige Angelegenheiten, Fenenko, ein stüherer Freund und VertrauenSmann'der Echtrussen, lehnte es nach genauer Kenntnis der Umstände entschieden ab, t�n Mord an dem Knabejt JuschtschinSki als Ritualmord zu bezeichnen. Auch er wurde daraufhin, wie der frühere Chef der Detektivpolizei KrassowSky über Bord geworfen, denn die herrschende Pogromisten- Partei bedurfte eines Ritualprozesses, und wenn ein solcher nicht vorhanden war, so mußte er eben mit allen Mitteln inszeniert werden. Von rein juristischem Standpunkte bietet der Prozeß ein so un- geheuerlichcs Bild, daß nian sich fragen muß, wie so etwas im 20. Jahrhundert selbst im zarischen Rußland   möglich sei. Weder ist die Schuld des unglücklichen Beilis auch nur im geringsten erwiesen, noch steht der Tatbestand des Ritualmordes überhaupt fest. Das eine wie das andere beruht auf den schändlichsten Fälschungen, auf einer Mache, die ihresgleichen nicht hat. Vor dem Gerichtshof in Kiew   stehen sich nun in erbittertem Zweikampfe zwei Welten gegenüber. Die eine, die Welt der mit allen Machtmitteln des Staates ausgerüsteten Pogromisten und Dunkelmänner, die den Irrwahn des Ritualmordes absichtlich herauf- beschwören; die andere die Welt aller vorwärtsstrebenden Ele- mente Rußlands  , die Vertreter aller Rechtlosen und Unterdrückten im Zarenreiche, die den Kampf mit ungleichen Waffen ausgenommen haben, um die Barbarei, die Unkultur des zarischen Rußlands   vor den Augen der ganzen zivilisierten Welt an den Schandpfahl zu nageln. ** * Kiew  , 9. Oktober. Der Beginn deS Beilis-Prozesies wird von der Presse der echlrussischen Leute zu den unerhörtesten Judenhetzen benutzt. In der schmutzigsten und erbärmlichsten Weise wird in diesen Blättern da» Volk zu Gewalttaten gegen die Juden aufgehetzt. Eine« dieser Blätter, derD o p p e I k ö p f i g e Adler", wird in den Straßen Kiews   gratis verteilt. Die in dem Schandblatte erhobene Aufforderung, Pogrome gegen die Juden zu veran st alten, hat bereits teilweisen Erfolg gehabt. In der letzten Nacht wurden in einem Stadtteile Kiews Inden durch Angehörige des echlrussischen Verbandes ange- griffen. Bei der Schlägerei wurden einige Juden verwundet. Kiew  , 9. Oktober. Nach der Verlesung der Anklageschrift im Beilis-Prozeß stellte der Präsident die Frage an den An- geklagten, ob er sich schuldig bekenne. BeiliS antwortete darauf: Nein, ich bin ehemaliger Soldat, arbeitete ehrlich mein ganzes Leben lang und dachte nur an meine Familie, meine Frau und meine Kinder; man verhaftete mich und hält mich schon 25 Monate im Gefängnis; warum, weiß ich nicht. Jugendbewegung. Katholiken für den Alkoholgcnuß. Daß der Alkoholgenuß für Körper und Geist schädlich ist, weiß nachgerade jedermann, der sich für diese Frage interessiert. Ins- besondere schädigt der Alkohol die Funktionen des Gehirns, ist sonnt ein Feind der geistigen Ausklärmig. Und nicht zuletzt aus diesem Grunde bekämpft die proletarische Jugendbewegung so entschieden den Alkoholgenuß durch Jugendliche. Anders jene Leute, wie die Pfarrer der christlichen Kirche, denen es hauptsächlich darum zu tun ist, das Volk in ibrem Bannkreise festzuhalten. Je dümmer das Volk, um so leichter ist es zu be- herrschen. In dem Bestreben, das Volk in der Dummheit zu er- halten, ist der Alkohol ein guier Helfer. Seine schädigende Wirkung auf den menschlichen Organismus lvagt heutigentags allerdings auch kein Priester zu bestreiten, um sich nicht dem Hohngelächier der Zeitgenossen preiszugeben. Darum halten sie es mit der bekannten Trinker- und SednapSbrennermär: mäßig genossen sei der Alkoholgenuß ungefährlich und ein Erholungsmittel. In der Präsides-Korrespondenz(Heft 9/10 d. J-). Zeitschrift für daS katholische soziale Bereinswesen, herausgegeben von der Zentralstelle des Volks- Vereins für das katholische Deutschland   findet sich als Stoff zu einem Vortrage für Jugendvereine eine Abhandlung über die Er- holung, worin unier der RubrikNatürliche Erholungsmittel" auch der Alkohol genannt wird: Starker Kaffee oder Tee. der in den Großstädten gelegentlich getrunkene Absinth, dann Tabak im Uebermaß genommen, überhaupt alle Reizmittel, wie sie auch heißen mögen, können wohl gelegentlich den Anschein erwecken, als ob sie zur Erholung dienlich wären, in Wahrheit sind sie es aber alle nicht. Damit soll nun nicht gesagt sein, daß �jcder Alkohol- und Taiakgcnuß zu verurteilen sei, im Gegenteil, ein in beschaulicher Ruhe nach deS Tages Last gerauchtes Pfeifchen, oder ein auf dem Ausflug oder in froher Gesellschaft getrunkenes Glas Bier oder Wein kann sogar direkt alS Erholung gelten. Schädlich ist nur immer jedes Uebermaß und jeder Genuß zur Unzeit." WaS für geistesarme Tröpfe müssen die katholnchen Jugend- erzieher sein, wenn sie deS Bieres und Weines alS Erholungsmittel auf einer Wanderung durch die Natur bedürfen. Nirgends wirkt der Alkoholgenuß störender und lästiger als auf einem AuSfluge in di« freie Natur, weshalb er auch von unserer wandernden Jugend stark verpönt ist. Die katholischen Jugendpfleger fragen aber mcht nach den Inter­essen und der Gesundheit der Jugend. Als Mittel zur Verdummung und Festhaltung der Jugend ist ihnen der Alkohol gut genug. Daß sie ihn der Jugend empfehlen, obwohl ihnen seine schädigende Wir- kung auf die körperliche Entwickelung des Menschen bekannt ist, zeigt, wie skrupellos sie zu Werke gehen. Rm Industrie und ftendd. Zur Zolltarifreform. Ein Teil der Zollherabsetzungen im neuen amerikanischen   Tarif wird für die Einfuhrländer, die keinen Handelsvertrag mit Amerika  haben, durch die Bestimmung wieder ausgehoben, daß von der Ein- fuhr aus diesen Ländern auf nichtamerikanischen Schiffen ein fünf- prozentiger Zuschlagszoll erhoben werden soll. Außer Deutschland   und Frankreich   haben auch andere davon betroffene Mächte gegen diese Zollvergünstigung von 5 Proz. zugunsten amerikanischer Schiffe protestiert. So hat Deutschland   mitgeteilt, daß eS gegen jede Bestimmung deS neuen TarifgesctzeS Ein- Wendungen erheben würde, durch welche die Anwendung des fünf- prozentigen Differentialzolls auf die Einfuhr auS Preußen, den hanseatischen Staaten und Mecklenburg-Schwerin beschränkt werden soll unter Ausschluß des übrigen Teutschland. DaS amerikanische  Schatzamt hat daher angeordnet, daß diese Bestimmung der Tarifbill aufgehoben werden soll, bis da« Justizamt eine Entscheidung über die Auslegung dieses Paragraphen gefällt hat. Der Solicitor ,m Staatsdepartement Folk weiter suchte nach einer Unterredung mit dem Präsidenten Wilson Underwood und Simmon« auf, um zu ver- suchen, die anstößige Klausel zum Zolltarif rückgängrgmachen oder abändern zu lassen.__ Der Ruf nach dem Syndikat. Zur Zeit der Hochkonjunktur wurde fm JZ«*912 die Km- tmgentierung der ö-Produtte(stabeoen. Walzdraht. Bleche. Röhren. Guß. und Schmiedestücke) vom T�utichen StahlwerkSver- band aufgegeben und nur die der..Produlte(Halbzeug, E,,en. bahnmaterial, Formcisen) beibehalten. Jetzt mit dem Umschlag der Konjunktur zum Schlechteren und den Prels-rmaßigung«' au, dem Eisenmnrkt wächst das Bedürfnis der Eisenindustrie nach Bindung der Produktion, um die Preise zu halten, yur d>e Stahlindustrie ist die gegenwärtig« Lage um so unangenehmer, als die weltlichen Großbetriebe in Lothringen   und Luxemburg   gerade große Betriebs. erweiterungen vollendet haben. Es mehren sich daher die Stimmen nach Kontingentierung auch der ö-Prqdutte. So heißt eS in dem Geschäftsbericht der Laurahütte, des größten ichlesischen Bergwerk«. lonzernS: