Die ßalhan fragen.Die Folgen des Krieges.Nach den amtlichen bulgarischen Berichten, die der Korrespondentder.Fr. Ztg." zusammenstellt, stellen sich die Verluste B u l»g a r i e n S folgendermaßen dar: In den zwei Kriegen mit derTürkei sind durch den Tod 313 Offiziere und 2S711 Soldatenverloren gegangen; verschollen sind 2 Offiziere und 3193 Soldaten; verwundet 915 Offiziere und 52 550 Soldaten. Diese Ziffernsind endgültig. Annähernd stimmen die folgenden Berlustziffern desKrieges mit den Verbündeten: 263 Offiziere wurden gelötet,und verschollen sind 39; von den Mannschaften sind 14 602 totund 4560 verschollen; 813 Offiziere und 50 303 Soldatenwurden verwundet. Die verhältnismäßig großen Ziffern derVerschollenen werden durch die mangelhafte Kontrolle er-klärt. Im ganzen also hat Bulgarien 52 716 Bürger imbesten Mannesalter verloren, die Invaliden nicht gerechnet,die aus der schauderhaften Zahl von 102853 Verwundungen ver-bleiben werden. Die Verluste an Wirtschastsvieh sind nicht ein-geschätzt worden.Die Kriegsauslagen werden in einer Aufstellung derStaatsschuldenverwaltung wie folgt berechnet: 1. RequifilionS-anweifungen 300 000 000 Fr.; 2. bewilligte und noch zu bewilligendeKredite 360 052 788 Fr.Man versichert, daß dieser Gesamtbetrag der Kriegsauslagen inder Höhe von 660 Millionen Frank nicht überschritten werden wird.Immerhin muß zu dieser Summe ein Betrog von 120 bis150 Millionen für das verbrauchte Kriegsmaterial hinzugeschlagenwerden, dessen Wert nach einer zu Anfang des Krieges auf-genommenen Inventur auf 220 Millionen Frank geschätzt worden ist.so daß sich der Geldaufwand für den Krieg auf rund 800 MillionenFrank stellt.Den größten Kriegsverlust Bulgariens stellt jedoch dasBeulestück dar, das sich Rumänien ohne die gerinste Anstrengunggeholt hat: 7525 Quadratkilometer bestes Ackerland— die Korn-kaminer Bulgariens— mit einem Wirlschaftswerte von annäherndeiner Milliarde und einer Einwohnerschaft von 236 000 Seelen,fast durchweg Bulgaren, während das neu erworbene StückMazedonien und Thrazien nicht mehr als drei bis fünftausendQuadratkilometer Kulturboden enthalten soll.Der Verlust an moralischem und politischem Prestige, den sichBulgarien durch den unglücklichen Krieg mit den Verbündeten zu-gezogen, ist natürlich unberechenbar. Alles in allem kann man sagen,daß sich das Land verblutet bat. um feine Verbündeten undNachbarn groß zu machen. Dies bringt folgende, im Generalstabausgearbeitete Statistik zur Anschauung:Bulgarien.Quadratkilometer Einwohner1. Vor dem Kriege........ 96 345 4 329 1082. Nach,,........ 112 077 4 700 150Serbien1. Vor dem Kriege........ 48 303 2 957 2072. Nach.......... 87 358 4 167 207® riech enland1. Vor dem Kriege........ 64 657 2 635 9522. Nach,,........ 121 268 4 251 952Montenegro1. Vor dem Kriege........ 9 080 275 0002. Nach„,........ 14 256 515 000Europäische Türkei1. Nach dem Londoner Frieden... 9 168 420 0002..„ Konstantinopeler Frieden. 16 201 725 000AlbanienNeu geschaffen......... 32 000 880 000Oeltermch.Christlichsozialer Wahlschwindel.Bei der Ersatzwahl für den Genoffen Schuhmeier haben dieSchwarzen fast 400 Stimmen mehr aufgebracht als 1911 und sie,die einst ganz Wien besaßen, jubeln heute, weil sie in eine(ziemlichungünstige) Stichwahl gekommen sind. Ihr Stimmengewinn,dem übrigens ein ebenso hoher der Antiklerikalen entspricht, er-klärt sich daraus, daß seither im Wahlbezirk 60 städtische Straßen-bahner angesiedelt wurden, die christlichsozial wählen müssen undaus der massenhaften Abgabe von christlichsozialen Stimmen aufWahllegitimationen, die dem Magistrat als unbestellbar von derPost zurückgegeben waren, weil die betreffenden Wähler entwederunauffindbar verzogen waren oder gar nicht existierten.Diesen Schwindel schützte die k. k. Polizei nach Kräften. Mansorgt bei jeder Wahl für die Bereitstellung einer genügenden Zahlderartiger Patentwähler und verhindert durch die tollsten Er-schwerungen des Nachprüfungsverfahrens ihre Streichung. DerZweck heiligt die Mittel.Seit 1907 haben die Christlichsozialen 392, ihre Gegner aber2422 Stimmen in diesem Bezirk gewonnen.Tie Stichwahl zwischen dem Genossen Eldersch und demChristlichsozialen Dr. Mataja ist am Dienstag.Galizisches Elend.Die langandauernde unmittelbare Gefahr ein? Krieges mitRußland und die allgemeine schwere Krise haben das chronischegalizische Elend zur furchtbaren Katastrophe gesteigert. Es ist ein-fach ein Zusammenbruch auf allen Linien und die sieben MillionenLandbewohner sehen sich dem Nichts gegenüber. Die Suswanderunghat dem Land auch noch die besser qualisizierten Arbeiter entzogen.Der Mini st erpräsident kündigte den polnischen sozial-demokratischen Abgeordneten eine große H i l f s-a k t i o n durch Bauarbeilen an. Von der Aussührung deS gewaltigenKörberschen Kanalprojekts von 1902 ist aber nach wie vor keine Rede.Die Agrarier leiden'S nicht._Dolland.Tas neue Ministerium und die Beamtenorganisationen.Ter liberale Verkehrsminister Dr. Lehr hat eine Maßnahmegetroffen, die zeigt, daß der sozialistische Wahlsieg vom vergangenenJuni nicht ohne Folgen bleibt. Er beauftragte den General»direktor des Post- und Telegraphenwcsens eine Konferenz der Ver-treter sämtlicher Organisationen der Postangestellten einzuberufen.in der über eine Regierungsvorlage zur Aufbesserung derLöhne beraten und weitere Wünsche des Personals entgegen-genommen werden sollten. Die Konferenz hat am Mittwoch unterdem Borsitz des Generaldirektors im Haag stattgefunden. Siewar beschickt von einer Reihe von oen örtlichen Postdirektoren aus-gesuchter Personen, die das Nichtorganisierte Personal vertretensollten. Zufälligerweise waren oiese Vertreter fast sämtlich auchorganisiert. Die Angestelltenvertreter einigten sich in ihrenWünschen, die dann von unserm Parteigenossen van Stapele, demVertreter der Gewerkschaftszentrale, an die alle Postbeamten-organisationen angeschlossen sind, in einer längeren Rede erläutertwurden. Der Generaldirektor teilte mit, daß er fortan eine st ä n-* ig e Vertretung aus der Organisation als Mitberatungs-st�le für Personalfragen einzurichten gedenke und auch erweiterteKonferenzen, wie die jetzt abgehaltene, weiter einberufen würde.Bedenkt man, wie da» Postpersonal und besonders seine Organi-sationen unter dem borigen klerikalen Kabinett immer drangsa-liert wurden, dann ist der Fortschritt unverkennbar.England.Ein Nachspiel zu einer Nachwahl.London, 9. Oktober.(Eig. 23er.) Die Generalversammlungder Bergarbeiterföderation Großbritanniens befaßte sich gesternnoch mit einer wichtigen Angelegenheit. Es handelte sich um dieErörterung der Nachwahl in Chesterfield, wo voretlichen Wochen der Beamte des Bergarbeiterverbandes von Derby-shire, K« n y o n, als„Arbeiterkandidat und Progressiver" einenSitz behauptete, den vor ihm der Bergarbeitervertreter Haslaminnehalte. Haslam war im Jahre 1910, als sich die Bergarbeiter-föderation der Arbeiterpartei anschloß, von dieser übernommenworden, die den Wahlkreis Chesterfield fortan als den ihrigenbetrachtete trotz der Tatsache, daß der Vertreter durch die An-strengungen der liberalen Wahlorganisation des Kreises insParlament gewählt worden war. Als sich auch Kenyon von denLiberalen als Progressiver aufstellen ließ und die Dienste einesliberalen Wahlagenien und die zahlreicher liberaler Redner an-nahm, weigerte sich die Arbeiterpartei, da seine Gewerkschaft durchdie Bergarbeiterföderation angeschlossen ist, seine Kandidatur an-zuerkennen. Allein die Tatsache, daß er sich nicht einfach alsArbeiterkandidat bezeichnete, genügte, um es der Arbeiterparteigemäß ihren Satzungen unmöglich zu machen, seine Kandidatur zuunterstützen. Dem Beschlutz der Arbeiterpartei schloß sich dannsofort das Exekutivkomitee der Bergarbeitersöderation an. DieserBeschlutz stand nun in Scarborough zur Diskussion. Die�General-Versammlung der Bergarbeiter beschloß mit allen gegen 4 Stimmen,den Beschluß des Exekutivkomitees aufrechtzuerhalten.Es kam zu einer Diskussion, die fast den ganzen Tag in Anspruchnahm und in der die Bergarbeiter Derbyshires von keiner SeiteUnterstützung fanden. Alle Kritiker wiesen darauf hin, daß eseine Ehrensache der Bergarbeiter sei, die Satzungen und Grund-sähe der Arbeiterpartei zu respektieren, da sich die Mehrheit derbritischen Bergarbeiter in der Urabstimmung für den Anschlußan die Partei entschieden habe. Die Vertreter Derbyshires stelltensich auf den Standpunkt, daß nicht die Arbeiterpartei von ihnen,sondern sie von der Arbeiterpartei schäbig behandelt worden seien.Sie verstehen offenbar die Lage noch nicht; sie stecken noch zu tiefin ihrem Liberalismus, um von der Notwendigkeit einer un-abhängigen Arbeitervertretung durchdrungen zu sein. Wundernehmen braucht einen das weiter nicht; gehören doch 90 Proz. derMitglieder des Bergarbeiterverbandes der Grafschaft der liberalenWahlorganisation an.Beachtenswert waren die Ausführungen des Präfidenten desBergarbeiterverbandes von Lancashire, dem großen Jndustrce-zentrum, wo die Arbeitermassen noch nicht die sozialpolitisch re-aktionären Parteiheiligen des Liberalismus vergessen haben undkonservativ wählen. Er meinte: Was sollen unsere konservativenBergarbeiter von uns denken, wenn wir die politische Unabhängig-keit der Arbeiterklasse predigen und dann nach der Wahl cnChesterfield die liberalen Blätter mit Plakaten herauskommen,die einen großen liberalen Sieg verkünden? Die Debatte warmehr als eine Besprechung der Situation in Chesterfield; sie wareine Abrechnung mit den Bergarbeitervertretern im allgemeinen,über deren Disziplinlosigkeit die Arbeiterpartei beständig zuklagen hat. Der Kern der Schwierigkeit liegt in dem Umstand, daßdie meisten der Bergarbeitervertreter im Parlament entwederliberal gesinnte Arbeiter vertreten, die politisch unter dem Einflußder kleinbürgerlichen religiösen Sekten stehen, oder auch danebennoch von der Gnade der liberalen Parteiorganisation abhängen.Die südwalisischen Bergarbeiter haben diesen gordischen Knotenin klassischer Weise gelöst. Ihr Vorsitzender B r a c e vertritt aucheinen Wahlkreis, der durch und durch liberal ist. Vrace wird nunbei der nächsten Wahl seinen Wahlkreis ausgeben� und in demArbeiterwahlkreis kandidieren, der jetzt von dem Sekretär seinerOrganisation vertreten wird.Aber was wird mit dem„Arbeitervertr'eter Und Progressiven"Kenyon geschehen? Zu dieser� Frage hat die Generalversamm-lung der Bergarbeiter ebenfalls«tellung genommen, indem sie miteiner Mehrheit von 15 Stimmen den Exekutivausschuß beauftragte,sich mit der Arbeiterpartei zur Regelung der Situation in Ver-bindung zu setzen. Ob das heißen soll, daß nunmehr der LiberaleKenhon zu einem Arbeiterparteiler umgestempelt werden mutz?So etwas erwarten wohl die Bergarbeiter Derbyshires. Ihr Haupt-redner drohte, daß die Föderation mit 33 000 Ausnahmeschemenaus Derbyshire bedacht werden würde, wenn man ihnen nichtGerechtigkeit widerfahren ließe. Diese Drohung bezieht sich aufeine Bestimmung des in diesem Jahre angenommenen Gewerk-schaftSgesetzeS, das das Recht der Gewerkschaften zur politischenAktion teilweise wieder herstellt. Nach dieser Bestimmung werdenGewerkschaftsmitglieder, die von der politischen Betätigung ihrerOrganisation nichts wissen wollen, von der Bezahlung des politi-schen Beitrags entbunden, wenn sie einen Schein unterschreiben.Auf den ersten Blick mag es scheinen, daß die Arbeiterpartei nurgewinnen könnte, wenn sie diese unwilligen Mitglieder verlöre.Aber nur allzu leicht könnte die angedrohte Massendemonstrationansteckend auf andere liberale Arbeiter wirken und die Konfusionnur vergrößern.China.Jüanschikais Programm.Peking, 10. Oktober. Die Amtseinführung des PräsidentenJüanschikai ging im Taihopalast vor sich. In seiner Antrittsredehob Jüanschikai hervor, daß er eine feste und stetige Politik führenwerde; das erste Prinzip der Regierung sei eine klar« Definitionund Bekanntmachung der Rechtsgrundsätze, Herstellung und Er-Haltung der öffentlichen Ordnung und danach Eingehen auf dieErfordernisse der Zeit und der Umstände; er trete für den Fort-schritt ein; extrem radikale Methoden begünstige er nicht, er seijedoch zu einer Politik schrittweiser Reformen entschlossen. Kapitalund Unterricht, besonders auf technischem Gebiete, seien für dieErschließung Chinas von Wichtigkeit. Beim Empfang des diplo-matischen Korps hielt der Doyen, der spanische Gesandte Pastor,eine Rede, in der er Jüanschikai die Glückwünsche der fremdenVertreter aussprach und der Ueberzeugung Ausdruck verlieh, daßdie auswärtigen Beziehungen Chinas unter der PräsidentschaftJüanschikais noch herzlicher werden würden.,?apan.Katsura.Tokio, 10. Oktober. Der bekannte japanische StaatsmannFürst Katsura ist heute im 67. Lebensjahr gestorben.Katsura wurde 1901 Ministerpräsident und schloß als solcherdas Bündnis mit England ab, das Japan im Kriege gegenjstußland den Rücken sicherte. Als Politiker war Katsura dasHaupt der Oligarchie, die unter dem Deckmantel der VerfassungJapan regierte.Mexiko.Die Schlacht bei Torrcon.London, 10. Oktober. Die„Times" meldet aus Mexikovom 8.'S. M. folgenoe Einzelheiten über die Schlacht beiTorreon: Eine Kolonne der BundeStruppen unter GeneralA l v a r e z ist durch kombinierte von Norden und Westen kom-mende Streitkräfte der Rebellen von 6000 Mann zwischen Torreonund Durango übcrwälligt und nach den Berichten so gut wie ver-n i ch t e t worden. Die starke Garnison von Torreon beschloß aufdie Nachricht von der Niederlage, diese wichtige strategische Stel-lung zu räumen, und sich auf die Ersatzlolonne unter Ge-neral Truch-Aubert, etwa 80 Meilen östlich, zurückzuziehen. ESherrscht allgemeine Besorgnis für die Stadt Torreon, wogroße ausländische Interessen konzentriert sind. Die Stadt Mexikoist vollständig ruhig.__Hus der Partei.Die Organisationen zum Parteitage.Auf dem Landesparteitag für das HerzogtumG o t h a gab am Sonntag der Delegierte vom Jenaer Parteitag,Genosse Z e n t g r a s, den Bericht. Redner wandte sich sowohl in derMassenstceikfrage, wie auch in der Frage der Fraktionsdifferenzenbei der Beratung der Deck.mgsvorlage, scharf gegen die Mehrheitund ihre Beschlüsse. Redner bedauerte die Ablehnung der Luxem-burgschen Resolution zur Massenstreikfrage und hofft,' daß mir derAussprache auf dem diesjährigen Parteirage die Debatte noch langenicht beendet sei. Redner sieht auch in der Berguickung der Fraktions-differenzen mit der Debatte über die grundlegenden Fragen dersozialdemokratischen Steuerpolitik einen schweren Fehler, der dieganze Steuerdebalte unfruchtbar gemacht habe. Geradezu unerhört seies aber gewesen, daß bei der Steucrfrage zwei auf dem gleichenBoden stehende, eine Resolution vertretende Referenten als Referentund Korreferent bestellt worden seien. Dadurch sei eine Per-gewaltigung des äußersten linken Flügels herbeigeführt worden, diesicher nicht dem Interesse der Partei und der Klärung der theoretr-schen Differenzen gedient habe.Mit der Erledigung der Arbeitslosenfrage durch denParteitag erklärte der Redner sich einverstanden, mußte aber, dervorgeschrittenen Zeit wegen, aus die Erörterung der minder wichtigenBeratungsgegenstände verzichten. Eine Resolution, die sich mit denAusführungen des Redner« und seiner Stellung auf dem Parteitageeinverstanden erklärte, wurde fast einstimmig angenommen.Die Essener Genoffen beschäftigten sich in zwei Versamm-lungen mit dem Parteitag. In der ersten am Mittwoch vergangenerWoche stattgefundenen erstatteten die beiden Delegierten Oelkampund Hammer ihren Bericht. Beide erklärten, daß ihnen in derMassenstreik- wie in der Steuerfrage die Resolutionen der Minder-heit zwar nickt in allen Punkten einwandfrei erschienen seien, daß sieaber dennoch für sie gestimmt haben, weil sie nicht anders hättenzum Ausdruck bringen können, daß sie mit der in der Vorstands-bezw. der Wurmschen Resolution� vertretenen Ansichten nicht einver-standen waren. Bei der Steuerdebatte habe die völligeWandlung Wurms die Minderheit noch mehr überrascht,als es schon durch das Bekanntwerden seiner Resolution ge-schehen sei. Mir der durch Annahme seiner Resolution fest-gelegten Taktik könnte die Partei gezwungen werden, für eineMilttärvorlage zu stimmen, um eine weitergehendere hintanzuhalten.In der Diskussion sprach Genosse L i m b e r tz in demselben Sinne,jedoch mit der Einschränkung, daß in der Sleuerfrage die Resolutionder Minderheit zu weit gegangen sei. Denn wenn es sich eventuelldarum handele, die Vermehrung der Volkslasten verhüten zu können,so dürfe die Fraltion das nicht unterlassen. Redner bedauert, daßdie Minderheit so wenig geschickt verfahren sei. Genosse Jauscheckbilligte die Beschlüsse des Parteitages rückhaltlos und warf gegen-über Genossen Oslkamp, der sich sehr skeptisch über den Wert desParlamentarismus ausgesprochen, die Frage auf, welchen Sinn esdann habe, für die Wahlrechtsreform alles aufs Spiel setzenzu wollen.In der am letzten Mittwoch fortgesetzten äußerst lebhastenDebatte, für die die Redezeit auf 10 Minuten beschränkt wordenwar, nahmen elf Genossen das Wort. Von diesen billigten denStandpunkt der ParteitagSmehrheit die Genossen Wolf, Hähnsen,Mörsberger, Ebert, Obermeyer und Schmidt; Wolf mit der Maß»gäbe, daß, da nun einmal die Massenstreiksrage wieder an-geschnitten worden sei, diese besonders und eingehenderhätte debattiert werden sollen. Eine gründliche Erörterungaller Schwierigkeiten und Voraussetzungen für einensolchen Kampf in D e u t s ch l a n d würde die Genossen lehren, welcheArbeit erst noch zu leisten sei, bevor an die Anwendung diesesMittels gedacht werden könne. Die Haltung der Minderheit unddamit die der Delegierten verteidigten die Genossen Paulus, Stein-Hauer, BerghauS und Niemann. Wegen vorgerückter Zeil wurde KnSchlußantrag angenommen. Nachdem die Genossen Ostkamp undHammer in ihrem Schlußwort ihre Ansichten nochmals dargelegt,wurde die Versammlung geschlossen. Beschlüsse wurden nicht gefaßt.Ein sozialistischer Staatsanwalt.Nach den Wahlen wurde bestimmt behauptet, daß GenosseWilliam C u n n e a bei den StaatSwahlen in einem Bezirke vonChicago tatsächlich die Relativmehrheit erhalten, jedoch von derWahlkommission„hinausgezählt" worden sei. Die Parteigenossenbrachten die große Summe, die zur Verfolgung eines solchen Fallesnotwendig ist, auf, und setzten die Einleitung eines Verfahrenswegen Wahlfälschung gegen zehn demokratische Beamte undPolitiker durch. Jetzt hat die Jury ihren Wahrspruch dahin ab-gegeben, daß die„Wahl" des Staatsanwalts Hoyne durch be-rrügeriiche Machenschaften zuungunsten des republikanischen und dessozialistischen Kandidaten zustande gekommen sei. Und der Vertreterder Anklage erklärte, daß tatsächlich Cunnea die Mehrheit erhaltenhabe.— So wird also, allen Machenschaften zum Trotz, die Sozial-demokratie auch in der riesig wachsenden Metropole de» Westens inden Behördenorganismus eindringen. An Reinigungsarbeilen indiesem ungeheuren Augiasställe wird eS ihr, wie vorliegendes Lei-spiel zeigt, nicht fehlen._Richtigstellung. In Nr. 262 deS.Vorwärts' brachten wk einenkurzen Bericht über eine Versammlung deS sozialdemokratischen Ber-eins in Bochum, in der zum Parteitag in Jena Stellung genommenwurde. Nack dem Berichte sollte ein Genosse Teuber gesagt haben,„daß der Massenstreik so lange Generalunsinn bedeute, als dre Unter-stützungsfrage nicht geregelt sei". Wie uns.aus Bochum mitgeteiltwird, heißt der Genosse, der diese Aeuherungen getan hat, nichtTeuber, sondern Preußer.Xctzte Nachrichten.Ein geplantes Attentat auf Jüanschikai.Peking, 10. Oktober.(W. T. B.) Der Chef der berittenenPolizei, C h e n, ist am Mittwoch verhaftet worden. BeiDurchsuchung seiner Wohnung wurden eine große Anzahl Wert-papiere gefunden. Chen gestand ein, daß die Rebellen des Südensihn bestochen hätten, heute einen Mordversuch auf Jüan-s ch i k a i zu unternehmen. Er war dadurch in Verdacht geraten,daß er versuchte, sich für die heutigen Feierlichkeiten einen Platzin der Nähe Jüanschikais zu sichern.Revolveratteutat eines Berschmähteu.Lüttich, 10. Oktober.(P. C.) Ein Bankbeamter namensM u I k i n lauerte vor einem Warenhaus seiner früheren Geliebten,einem Fräulein Ringlet, die ihr Verlöbnis mit ihm gelöst hatte, ausund schoß vier Revolverschüsse auf sie ab. Das iunge Mädchenwurde lebensgefährlich verletzt. Der Mörder entfloh.Als er sich jedoch verfolgt sah, wandte er sich gegen das Publikumund schoß mit einem zweiten Revolver auf seine Verfolger. EinPassant wurde getötet, vier andere verletzt. DerMörder entkam. Die polizeilichen Nachforschungen nach dem Ver-brecher waren bis in die Abendstunden erfolglos.Bankdirektor Lindner verhaftet.New S-rk, 10. Oktober.(W. T. B.) Paul RichardL i n d n e r, der frühere Generaldirektor der Land» und Industrie-dank A.-G. in Berlin, der nach Verübung von Unterschlagungen tuHöhe von 300 000 M., die er durch gefälschte Buchungen und Bi-lanzen verdeckt Hatte, Anfang dieses Jahre» aus Berlin geflüchtetwar, ist auf Veranlassung des deutschen Konsuls hier verhastetworden. Lindner, der am 22. Februar d. I. in New Fork einige-troffen war, soll kürzlich bei einer Enquete über landwirtschaftlicheKredite als Sachverständiger ausgesagt haben und dabei erkanntworden sein, so daß er verhaftet werden konnte.