Die Junkerve'irtfckaft in Cnglanä. (Von unserem englischen Korrespondenten.) Die Rede des englischen Schatzkanzlers hat wieder die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit auf die Zustände gelenkt, die in dem hochzivilisierten England noch auf dem Lande herrschen. In mancher Beziehung sind diese Zustände einzig in ihrer Art, in anderen Beziehungen aber erinnern sie stark an die Junkerherrschaft in den übrigen Staaten Europas . Seit vielen Generationen sind die Bauern, die das Land ihr eigen nannten, fast ganz von der Bildfläche verschwunden. Großgrundbesitzer, von denen manche ganze Fürstentümer ihr eigen nennen, beherrschen das Land und verpachten den Grund und Boden an Unternehmer, soweit sie ihn nicht in eine Wildnis verwandeln, um ihre Leidenschaft für die Jagd oder die der reichgewordenen Jndustriemagnaten und Börsenspeku- lanten zu befriedigen. Sie beherrschen das Land wie die Könige, und ihrer Herrschast wird durch die anmaßenden Pfaffen der Staatskirche der Gottesgnadenstempel aufge- drückt. Zunächst lastet ihr Druck natürlich auf den Pächter n, deren Existenz ganz von der Laune des Junkers abhängig ist. Macht sich ein Pächter zum Beispiel daran, den Boden zu verbessern oder andere Vorkehrungen zu treffen, um den Ertrag seines Pachtguts zu steigern, gleich ist der Junker da und verlangt wie seine räuberischen Vorfahren seinen Tribut in Gestalt einer höheren Pacht. Zahlt sie der Pächter nicht, so kann er sich packen. Der Junker behält sich das Jagdrecht auf dem verpachteten Boden vor, und sein Wild kommt und frißt dem hilflosen Pächter die Ernte weg. Besonders beliebt ist in England die Fasanenjagd zum großen Leidwesen der Pächter; denn der Fasan ist ein aristokratischer Vogel, der sich mit Vorliebe die teuersten Gewächse aussucht. Auch der Fuchs, der für die Fuchsjagden geschont werden muß, ist ein Lecker- rnaul, der wohl weiß, wo die fettesten Hühner zu finden sind, für deren Verlust der Pächter nur selten eine angemessene Entschädigung erhält. Von all dem anderen Wild und Unge- ziefer, das der Pächter mit Rücksicht auf das Vergnügen des Junkers nicht anrühren darf, wollen wir schweigen. Sehr oft genügt es, daß dem Junker die politischen oder religiösen Ueberzeugungen seines Pächters nicht gefallen, um diesem die Kündigung ins Haus zu bringen. Aber der Druck, unter dem der Pächter leidet, ist gar nichts im Vergleich zu der Sklaverei, der der Land- a r b e i t e r durch Junker, Pfaffen und Pächter unterworfen ist. Nicht umsonst hat England die gewaltige Auswanderung, die mit der Zeit zum Verbluten des Landes führen muß, wenn die Existenzbedingungen für die Masse des Landprole- tariats nicht erträglich gemacht werden. Im Jahre 1911 wanderten nicht weniger als 262 999 Engländer aus; noch mehr Leute kehrten im vergangenen Jahre dem Vaterlairde den Rücken und gingen nach Amerika oder den Kolonien. Niedrige Löhne, eine lange Arbeitszeit, entsetzliche Woh- nungsverhältnisse und eine bis ins kleinste gehende Bevor- mundung in politischen und religiösen Dingen treiben die Leute aus deni teuren Vaterlaude, dessen Bewohner, wie die patriotische Hynine sagt, niemals Sklaven sein werden. An der Spitze dieses Zuchthausstaates steht der Junker oder sein Agent, deni der Pfaffe der Staatskirche zur Seite steht, der das Austeilen der Almosen überwacht, mit deren Hilfe inan das Volk eben vor dem Verhungern schützt. Der getreue Hausknecht des Pfaffen ist der Volksschullehrer und das ehr- same Amt des Denunzianten bekleidet der Krämer, der die hohen Herrschaften von dem Treiben im Torfe unterrichtet hält. Dabei haftet an dem ganzen System eine primitive Stupidität, die auch nur das Junkertum in unseren Tagen aufrecht erhalten kann. Der Genosse Vulliamy schrieb über diese Frage unlängst in der„Socialist Review", wo er als guter Kenner der ländlichen Verhältnisse in England seine eigenen Erfahrungen schilderte. Es heißt dort unter an- derem: „Und was sollen wir von der geistigen Beschaffenheit der Herren der Kirche und des Landes denken? Sie ist schimpflich genug. Der Durchschnittsjunker ist seinem ungebildeten Vasallen nicht so weit voraus. Er kann nicht viel weiter sehen, wie seine Sportflinte trägt, und der Pfarrer kann nicht viel höher sehen als bis zum vergoldeten Hahn auf seinem Kirchturm. Seine Unwissenheit in bezug auf Volkswirtschaft und Soziologie ist haar- sträubend. Er mag ein„guter Schütze" sein(das, glaube ich, gilt als Milderungsgrund), aber er ist ein verdammt schlechter Denker. Ein Londoner Volksschüler könnte ihn in einer Debatte auf den Pott setzen. Sport, Nahrung und Grundrente sind die drei wesentlichen Faktoren für ihn: sie bilden die Summe und die Substanz seines edlen Lebens." In den Kreisen der herrschenden Klasse Englands sagt man, wenn ein Junge zu allem zu dumm ist: Der muß ent- weder Offizier oder Pastor werden. Wie nun aus diesem mittelalterlichen Dunkel heraus- kommen? Das war die Frage, die der Schatzkanzler Lloyd George in seiner Rede am 11. Oktober beantworten sollte, aber nicht beantwortet hat. Die Antwort, sagen die liberalen Blätter, ist in dem Bericht zu suchen, den der von dem Schatz- kanzler eingesetzte Untersuchungsausschuß vor einigen Tagen herausgegeben hat. Doch dieser Ausschuß ist nicht offiziell anerkannt; seine Vorschläge binden die Regierung in keiner Weise. Ter Bericht schlägt zum Schutze der Pächter namentlich die Einsetzung von Landgerichtshöfen vor, die dem Pächter Sicherheit der Pacht und angemessene Pachtpreise ver° schaffen und den Bodenpreis festsetzen sollen, wenn die öffent- liehen Behörden Land erwerben wollen. Durch die Erleichte- rung des Landerwerbs wollen die Liberalen ihre bisherige Landpolitik wieder beleben, die darin bestand, daß öffentliche Behörden Boden kauften, auf deni Kleinpächter angesiedelt wurden. Diese Politik ist aber bisher von den lokalen Be- Hörden vereitelt worden, die unter der Fuchtel der Junker und Pächter stehen. Man will also die Rechte der Landmono- polisten ettvas einschränken. Für die Landarbeiter schlägt der Bericht die Ein- führung des gesetzlich gewährleisteten, von einem Lohnamt zu bestinmienden M i n d e st l o h n s vor. Dem Pächter soll das Recht eingeräumt werden, von dem Landgcrichtshof die Revision seiner Pacht zu verlangen, wenn er nachweisen kann, daß ihm die Lohnerhöhung neue Lasten aufgebürdet hat. Sehr richtig bemerkt der Bericht, daß die elenden Wohnungs- Verhältnisse auf dem Lande in den niedrigen Löhnen ihre Wurzel haben. In einer deni Bericht angefügten Denkschrift spricht sich Baron de Forest für die V e r st a a t l i ch u n g des Grund und Bodens aus. Zweifellos ist das die einzige dauernde Lösung der Landfrage, die durch die Flickerei der Liberalen nur verzögert wird. Von unmittelbar praktischem Werte wäre die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes. Denn das würde den Landarbeitern die nötige Kraft und das nötige Selbstvertrauen geben, um sich zu organisieren und vereint mit dem Jndustrieproletariat die ganze kapitalistische und feudale Last abzuschütteln. Schon eimnol haben die englischen Landarbeiter einen kräftigen Versuch gemacht, sich zu- sammenzuschließen. Es war in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als die„National Agricultural La- bourers' Union " einen Mitgliederstand von 199 999 erreichte. Aber nach dem Jahre 1872 ging sie unter der grimmigen Verfolgung der Junker und Pächter immer mehr zurück und löste sich dann auf. Lohnämter würden die zersprengten Scharen zweifellos wieder zusammenführen, wie denn auch die Lohnämter in den Berufen, wo sie heute besteheu, die ge- werkschaftlichen Organisationen mächtig gefördert oder gar erst geschaffen haben. Mbr fürften! Eins ist, Fürsten , was mich wundert bei dem Iubiläumstand: Waren einst nicht rund vierhundert eurer Art im deutschen Land? Wo denn, frag' ich, meine Lieben, wo denn ist die Nachgeburt dieser sämtlichen geblieben, als ihr nun nach Leipzig fuhrt? Ach, wie viele Extra-Achsen stellte dann die Eisenbahn! And ganz Leipzig und halb Sachsen fülltet ihr alleine dann! Ganz nur unter euresgleichen war't ihr, wie der Sand am Nil, seht ihr wohl, in diesem Zeichen kriegte dieses Fest erst Still Oder meint ihr, hochgeboren, Fürsten , die man schmiß hinaus, hätten gar nichts da verloren bei dem Zubiläumsschmaus? Nun, die Fürsten sind verschwunden ohne Spur von dazumal. Dafür haben sich gefunden Fürstenknechte ohne Zahl. franz. Die Dirke. Von Paul Zech . Eine halbe Stunde weit von der großen Stadt, deren Türme, Gasometer und Riesenschornsteine aus dem gelbgrauen Nebel wie Köpfe langsam Ertrinkender sich emporquälen, liegt die Gewerk- schaft„Frischauf". Mitten im Grün flacher Weideflächen und brauner Ackerquadrate. Aufrecht und starr wie eine starkbefestigte Insel. Sie ist wie alle diese klobigen Tempel Vulkans, ehern und fast unnahbar. Braune, mächtige Eisenbohlen stehen Hand in Hand zum Zaun gekettet. Und an den vier Enden erheben sich schmiedeeiserne Tore mit spitzen Zacken auf den Häuptern wie martialische Landsknechte. Aus der Umzäunung ragen drohend die Fördergerüste empor: Phantastische Wurfmaschinen mit großen, flinkkreisenden Rädern; darüber Seile gleiten, die die Geschosse auf und niederheben. Die ringförmige Straße ist wie ein Graben vertieft. Schienenstränge gleißen darin wie dünne, halbverfiegte Wasserrillen. Die Last- wagen schaukeln wie Boote vorüber. Alte, vorsintflutliche Kasten. Jenseits der Straße ragen die Halden. DaS sind die Forts. Regelrechte Gebirge mit ausgewaschenen Höhlen, verwitterten Kanten und schroffen Kämmen. Sie sind keine dreißig Meter hoch. Aber mit finsteren Mienen bewachen sie die Gewerkschaft wie riesige Fleischerhunde. Weißer Geifer quillt aus den aufgesperrten Rachen. Dann und wann verschlingen sie ein paar Kinder, die, klein wie Vögel mit spitzen Schnäbeln, auf ihren Häuptern herumstelzen und aus dem struppigen Gesträhn kleine Kohlenstückchen in Säcke sammeln. Unten, nach der Kolonie zu, wo die Häuser wie blanke Zahn- reihen blitzen, hat man einen neuen Berg aufgeschichtet. Unbarmherzig, über saftige Grasflächen und Strauchwerk, rollte das schwarze Verhängnis und fraß alles stückweise weg mit qual- mender, zischender Begierde. Nur eine Birke war stehen geblieben. Obwohl ihr das schwarze Gift in Mannshöhe schon den weißen Leib umklammert hatte. Es war kein dürrer Ast an ihr. Sie war zart und hob das grün gesträhnte Haar trotzig in den Wind empor. Mit Abscheu sah sie auf die mageren Gartenklexe der Kolonie, die gar nicht anrennen wollten gegen die weit umsichgreifende Umklammerung des Gebirges. Sie schaute gelangweilt auf die schmutzigen Höfe, wo frischgesäubertc Leibwäsche sich aus den Leinen spreizte, um das Weiß ihres jungfräulichen Gewandes nachzuahmen. Und sie zuckte nur auf, als ein verirrter Vogel Schutz in ihrem grünen Blätterschoß suchte, Schutz vor den gelben Aus- dünstungen der Kokereien und dem Gestöber der Rauchwolken, die unaufhörlich den Feuerschlünden entquollen. Sie sträubte da? Gefieder wie eine Gluckhenne und nickte be- seligt ein, als der aller Gefahr entronnene Sänger, den draußen niemand mehr anhören wollte, sein Lied zu Ende flötete. Das war ein Lied von der anderen Welt, wo ein kristallener Himmel sich zur Kuppel wölbte, weiße, gleißende Sonne die Felder segnete und phantastische Schatten weglang hin- und herwärts jagten. Die Seele der Birke weitete sich. KindheitScrinnerungen zogen vorüber. Ewig blauer Himmel und immergrüne Wiesen mit zotti- gen Schafen und silbernen Bächen. Und der Vogel sang stärker. Immer leidenschaftlicher rollten die Töne. Ueberschlugen sich. Und endeten schließlich in einer weichen Wiegenmusik. Die Birke schloß die Augen. Ihre smaragdenen Behänge kuschelten sich zusammen und die Dämmerung breitete die schwere Schlafdecke darüber. Der Vogel aber, da ihn niemand mehr hören wollte, flog klagend weiter. Ein böser Traum erschütterte das Herz der Birke. Wie mit wachen Augen sah sie das Kommen wildfremder Dinge und konnte sich nicht wehren. Der Alp lastete mit Zentner- gewichten und'schlug alle Anstrengungen des Wachwerdenwollens in Fesseln. Droben auf der Halde aber rauschten die Flammen- kessel. Signalposaunen bliesen. Transmissionen kreischten und wildbärtige Sturmkolonnen rüsteten sich zum Angriff auf die arme, Vom Jahrmarkt des Lebens« Der Staatsanwalt der Zuhunft. In dem Staatsanwalt, der die„kleine Müller'n", angeklagt wegen Ermordung ihres Geliebten, verteidigte, pardon! den Ge- schworenen zur Schuldigsprechung empfahl, haben wir den Staats- anwalt der Zukunft zu begrüßen, den Staatsanwalt, wie er sein soll, der alle mildernden Umstände bei einem Verbrechen sorgfältig hervorhebt, sich ganz in das Seelenleben des Angeklagten versenkt und ihm in seinen Darlegungen stets volle Gerechtigkeit wider- fahren läßt. Der Herr Staatsanwalt— Dr. G y s a e ist sein Name— hat dieser Tage gegen einen sozialdemokratischen Re- dakteur zu plädieren, der der Majestätsbeleidigung angeklagt ist. Er wird das folgendermaßen tun: „Meine Herren, es kann nach den ganzen Umständen gar keine Rede davon sein, den Angeklagten etwa hart zu bestrafen— das will ich gleich von vornherein betonen. Denn er ist ein tüchtiges und geachtetes Mitglied der Sozialdemokratie, das heißt einer Partei, die als republikanisch gerichtsnotorisch ist. Wenn nun ein Republikaner, dem an sich schon König und Königtum nichts be- deuten, sich einmal unziemlich gegen ein gekröntes Haupt aus- läßt— darin werden Sie mir beistimmen, meine Herren—, so kann das bei weitem nicht so schwer in die Wagschale fallen, als wenn etwa ein konservativer Agrarier, ein Mann mit patentierter Königstreue, sich gegen die Majestät vergeht. Aber auch die Per- sönlichkeit des Angeklagten muß die Strafbarkeit der Handlung, die an sich gewiß vorhanden ist, in milderes Licht tauchen. Ter Angeklagte ist einmal ein Ehrenmann, für dessen Honorigkeit ich die Hand ins Feuer lege. Wenn man aber außerdem erwägt, daß der Angeklagte aus dem Arbeiterstande hervorgegangen ist, daß er früher Ziegel aus Neubauten geschleppt hat und sich durch zähen Fleiß und eiserner Energie, unterstützt von einer hervorragenden Intelligenz, zu einer angesehenen Stellung herausgearbeitet hat, die eine ganz besondere Bildung und Urteilskrast voraussetzt, dann sage ich: Hut ab vor dem Angeklagten! Es tut mir fast körper- lich weh, daß er sich soweit vergessen konnte, den erlauchten Fürsten von Gerolstein ein„degeneriertes Individuum" zu nennen, dessen „Affenbosheit" nur durch seine„Rindsdummheit" ausgewogen werde. Ich gebe zu, der Angeklagte hätte sich ein wenig parla- mentarischer ausdrücken können, aber in Ansehung dessen, daß der betreffende Fürst durch Worte und Werte der Kritik eine breite Angriffsfläche bietet, und in Ansehung dessen, daß der Angeklagte seinen Artikel in der Hetze der Arbeit, ohne ruhige Nachprüfung, niederschreiben mußte, erscheinen die Ausdrücke minder schlimm. Ich würde unter diesen Umständen keinen Anstand nehmen, gegen den Angeklagten das Strafminimum zu beantragen, aber mein Gewissen gebietet mir, noch darunter zu gehen: so beantrage ich eine Festungshaftstrafe von drei Tagen, und da die Partei alle Kosten zu decken pflegt und eine Auferlegung der Prozeßkosten den Angeklagten gar nicht treffen würde, Auferlegung der Kosten auf die Staatskasse." Xömgsmacker und fürrtenftürzer. Die Weltgeschichte wiederholt sich nicht. Was einmal ein ge- waltigcs Drama bedeutete, wirkt bei der Wiederholung als Farce. Als vor reichlich 100 Jahren der Korse durch Deutschlands Gaue seinen Sicgeszug hielt, beseitigte er im Vorbeigehen hier ein Fürstenthrönchen und etablierte da für irgenoeinen Verwandten ein Königreich. Aber was Napoleon recht war, ist darum dem Freiherr n von Hertling und dem deutschen Krön- Prinzen noch lange nicht billig. Der eine setzt alle Kraft ein. seinen Prinzregenten zum rechtmäßigen König von Bayern zu machen, der andere protestiert gegen die Fürstwerdung des Cumbcr- länders, solange er nicht auf sein durch Gottes Gnade ihm zu- stehendes Anrecht auf den hannoverschen Thron feierlich entsagt. Bei beiden ein gefährliches Begiimen. Wo bleibt der Glaube an das Gottesgnadentum, der doch schließlich die einzige Garantie für das erbliche Königtum ist. Wenn so offenkundig dem Welten- frierende Birke. Dampfmaschinen fuhren auf wie Kanonen. Männer mit furchtbar entstellten Gesichtern hoben lodernde Blöcke auf kleine Kippwagen. Dumpf rollte der Niedersturz. Und dann dröhnten die Lavablöcke mit höllischem Gepolter den Abhang hin- unter. Weiße Tampfwolken jauchzten hinterdrein. Donnernd schlug die ehern glühende Masse unten auf. Ein Funkenregen spritzte bis in die Kolonie. Die Birke stand in einem blutroten Nebel. Sie erbebte bis in die feinsten Faserwurzeln. Und konnte sich doch nicht rühren. Immer neue Geschosse flogen hinab. Die Splitter schwirrten wie ein Gewitterregen. Sturzbäche schwollen zu Tal. Die Birke stand bis zu oen Armen in der brodelnden Flut. Und immer unermeßlicher rauschte das Funkenmeer. Ter rote Nebel wurde dicht wie eine Wolke. Minutenlang war die Birke darin verschwunden. Und als sich die letzten Schwaden verzogen hatten, wehte nur das zerzauste Haar des Baumes herauf. Stamm und Arme krümmten sich, unten in dem qualmenden Schlackenmorast und starben langsam ab. Lange nachdem der Feind vor den Pfeilen der Morgenschauer geflüchtet war, erwachte die Birke mit fieberndem Kopf. Ihr Herz ging in langsamen Schlägen, und in den Schläfen hämmerte der Brand. Erst gegen den Nachmittag zu, als die Sonne ihr das Haar wieder geglättet hatte, und ein frischer Wind, der vom Fluß her- aufkam, kühlen Tau mitbrachte, begann das oöse Fieber zu weichen. Die Birke sah mit kranken Augen in die Kolonie hinunter. Da polterten die schwarzen Wagen überm Pflaster, als wäre nichts geschehen. Halberwachsene Mädchen spazierten langsam mit oen Kindern: zottelige, ungewaschene Brüder und Schwestern in allen Altersstufen. Der Obersteiger trug seine Würde behäbig in die Fliederlochn:, wo der Kaffeetisch gedeckt stand. Die Frau KuScinsky stritt sich mit der Frau des Maschinisten Klöwer um einen neuen Hut. den sie beide nicht bosaßen. Hinter dem Kaninchcnstall lag der Invalide Wladislaw und war wieder einmal selig betrunken. Die mageren Schweine grunzten, und vS Hühner warfen o-v Staub auf den Höfen wirr durcheinander. Tie Birke versuchte zu lächeln über soviel Lebensbunlettei, das nutzlos in oen Tag hineinlebte.. Aber die Brust. O, wenn nur die Brust nicht so geichmcrzt hätte. Das Wetter war bedeckt und der Wind, es war ein anderer, hob alle die entsetzlichen Gerüche von dem Zcchcnhof und der- sprengte sie wie durch eine Brause. � n. Die Birke reckte, so gut es eben ging, den Kops. � Aber das verirrte Vögelchen von gestern war einfach nicht mehr da. Vielleicht hockte es schon irgendwo in cmem Käfig. Denn die jungen Burschen, die unten im Schacht die Pferde miß- handelten, fingen mit Leimruten alles weg, was auch nur einen kleinen Ton in der Kehle stecken hatte. In langen Reihen hingen die Vogelzwinger vor den kleinen Häusern. Grammophone animierten die Drosseln, Stare und Hänflinge zum Konzert.
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