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poUtiTcbe OeberHcbt. Herr Paul Timan und der Kronprinz. DieLeipziger Neuesten Nachrichten" schreiben am Dienstag als Antwort auf die Erklärung in derNordd. Allg. Zeitung": Daß der Kronprinz dem Reichskanzler in dein Schreiben er- klärt hat, er bedaure es. wenn sein erster Brief so ausgelegt worden sei, als stelle er sich in Opposition zum Kaiser, mag zu- treffen, da diese Mitteilung natürlich aus dem NeichSkanzlerpalais stammen wird. Dast aber der Kronprinz sein Bedauern darüber ausgesprochen habe, dast sein Brief an den Reichskanzler über­haupt öffentlich erwähnt worden sei, ist wohl nicht gut möglich. AuS dem zweiten Schreiben des Kronprinzen an den Kanzler scheint sich zu ergeben, daß er dem weiteren Verlauf der braunschweigischen Thronfrage gegenüber ein« neutrale Hal- tung einnehmen will." Diese Angaben werden von derVossischen Zeitung" bestätigt. Das fortschrittliche Blatt besagt: Wie ivir erfahren, ist in der Tat der Brief des Kronprinzen an den Reichskanzler einem Vertreter des Blattes zum Zweck der Veröffentlichung zugegangen, nur daß der Kronprinz unliebsam überrascht ivar, daß sich dieLeipziger Neuesten Nach- richten" nicht aus eine Inhaltsangabe beschränkten, sondern einzelne Sätze im Wortlaut und in Anführungszeichen wieder- gaben." DieVosflsche Zeitung" wünscht schließlich, daß man den Krön- Prinzen aus Langfuhr wieder nach Berlin versetzen möge, damit er den alldeutschen und konservativen Ein- flössen entzogen werde. Die Antwort der deutschen Regierung an Churchill . DieKöln . Ztg." veröffentlicht folgendes offiziöse Tele- gramiii aus Berlin : Mr. Winston Churchill hat mit seiner erneuten Anregung eines FeierjahreS im Flottenbau bei der englischen und bei der deutschen Presse wenig Zustimmung gefunden: die ab- lehnenden Urteile sind in der Mehrzahl diesseits wie jenseits des Kanals. Die Kritik scheint mitunter die Grenzen einer sachlichen Abwehr zu überschreiten. Was man auch gegen die Durchführbarkeit des Churchillschcn Gedankens an- führen mag, an der guwn Absicht des englischen Marineministers und an der Ehrlichkeit seiner Darlegungen kann nicht gezweifelt werden. Mr. Churchill hat kein Wort gesagt, daS die freundschaftliche Eni- Wickelung der deutsch -eaglischen Beziehungen beeinträchtigen könnte. Die Anerkennung dieser Tatsache kann aber nicht hindern, in der Sache selbst offen auszusprechen, daß der Weg, auf dem Mr. Churchill eine Erleichterung der Flottenrüstungen sucht, für absehbare Zeit kaum zum Ziele führen dürfte." In diesem Telegramm werden zwar die Pöbcleien der Deutschen Tageszeitung", derPost" usw. zurückgewiesen, aber in der Sache bedeutet diese Antwort doch eine glatte Ablehnung des Vorschlags der englischen Regierung. Herr v. Bethmann Hollweg hat semerzeit im Reichstag bei Besprechung des Flottcnfcierjahres konkretere Vorschläge von England verlangt. Man sollte nun meinen, daß es der deutschen Regierung, wenn es ihr nur Ernst wäre, ein Leichtes sein müßte, solche konkretere Vorschläge zu erhalten, sobald sie nur Verhandlungen begönne. Und wenn ihr der Weg Churchills ungangbar erscheint, so hindert sie nichts. einen anderen vorzuschlagen. Aber die deutsche Regierung scheint vor jeder positiven Arbeit Scheu zu haben und sich) rein negierend verhalten zu wollen. Und das zeigt freilich voit schlechtem Willen.._ Wie viele Opfer«och? Tic 28 Toten des zerstörten Zeppelin-Luftkreuzers sind am Dienstag beerdigt worden. Es werden bei weitem nicht die letzten sein, wenn nicht bei dem Bau neuer Luftschiffe mit weit größerer Sorgfalt verfahren wird als bei dem letzten Zeppelin-Luftschiff L. 2". Es gibt viel Urteilsfähige, die der Meinung sind, daß die großen Lcnkballons überhaupt keinen Wert für militärische Zwecke habe», da sie ja doch durck, die Fluginaschincn allzu leicht zerstört werden könnten. Aber selbst wenn man nicht auf diesem Stand- Punkt steht, Iväre doch die erste Voraussetzung jedes militärischen Lenkluftschiffes die Beobachtung aller gebotenen Vorsichts- Leipziger flilerlei. So ist er denn verrauscht und verklungen, der große Leipziger Tag, mit seinen Potentaten, Patrioten und Polizeispitzeln, mit seinen Trinksprüchen und Stafettenlüufen, mit seiner Bierbankbegeisterung und seinem Plempengerassel und seinem heimlichen Drum und Dran in jenen Gäßchen, in denen die jungen Leute der inneren Misston zu ihrem Entsetzen vor ein paar Monden die teutschen Turner in Scharen verschwinden sahen. Alles ist programmäßig abgelaufen, wie es sich von der patriotischen Kinderstube Leipzig nicht anders er- warten ließ. Aber allerhand liebliche Blüten hat der Festrummel doch geirieben, von denen einige de» HerausgreifcnS wahrhaftig wert sind. Daß es nicht daS höchste der Gefühle sein muß. einen ge- schlagenen halben Tag in einer Menschenmenge eingekeilt zu stehn, haben manche Gemüter schon in der Vorahnung empfunden und darum hat ei» Leipziger Blatt seinen Lesern den wohlmeinenden Rat erteilt,.am Freitag früh so wenig Flüssigkeiten usw. wie mög- lich einzunehmen, da ja ei» Aufsuchen von Anstalten während 3 bis 10 Stunden durch die wahrscheinlich festgekeilte Menschenmasse hin- durch, entlang der Feststraße, als auch um den Feftplatz herum, nicht möglich ist, oder aber nur unter Verlust des vielleicht stundenlang mühselig behaupteten Standplatzes." Ei» guter Rat. ein weiser Rat I Denn sächsischer Kaffee und Leipziger Gase haben eine un« heimlich treibende Kraft, und eS wäre eine allen Patrioten mehr als peinliche Besudlung des schöne» Festes gewesen, wenn sich auf offenem Platz, in drangvoll fürchterlicher Enge, ein Teil der Gaffer jener Tätigkeit hingegeben hätte, die von der berühmten Brunnenfigur in Brüssel jahraus jahrein geübt wird. So ober wirkte der Rat und die Scharen der Patrioten hatten in dieser Hinsicht wenigstens Gelegenheit, jene eiserne Selbstbeherrschung zu zeigen, die ihre Ahnen 1813 auszeichnete. Aber die Geschäfthuberei blühte auf dem Felde. Da berichtet der in patriotischen Dingen gewiß sehr unverdächtige Berichterstatter der.Deutschen Tageszeitung": Anno 1813 mußte eine Warnung davor erlassen werden, daß die französischen Ouartiermeister beim Fouragieren nicht über« teuert werden sollten. Die alten Leipziger haben sich also ganz offenbar von der napoleonischen Herrlichkeit nicht überall imponieren" lassen. Ich vermute, ihre Enkel erzeigen sich der Vorväter bei dem Massenanstunn der Feiernden durchaus würdig! sie lassen sich nicht verblüffen, sondern sehen zu, was von den Lebenden zu holen ist. So etwa« an Andenkenhandel hat die Welt noch nicht gesehen. Taschen- »ücher mit eingedruckten, eingewebten, eingestickten Völkerschlacht- denkmälern, Unterröcke mit eingedruckten, eingewebten, eingestickten Bölkrrschlachtdenkmälern. Unterh Verzeihimg, daS darf man maßregeln. Diese Vorsichtsmaßregeln aber sind zweifellos nicht beobachtet worden. Wird doch von Personen, wie dem besonders berufenen Dr. Eck en er, behauptet, daß die Explosion auf das Vorhandensein von Knallgas zurückzuführen sei, das durch das Näher- rücken der Gondeln an den Ballonkörper zu einer b c- sonders schweren Gefahr geworden sei. Wie konnte man also die Gondeln so nahe an den von einer Knallgasatmosphäre umgebenen Körper des Zeppelin legen? Zeppelin selbst soll nach Dr. Eckener nur widerstrebend dieser Forderung der Marineverwaltung nachgegeben haben, während umgekehrt offiziöserscits behauptet wird, daß Zeppelin niemals genötigt sei, entgegen seiner Ansicht eine Aenderung vorzunehmen. Dann beweisen also beide Teile nicht die notwendige Einsicht. Wenn ferner behauptet wird, daß es möglich sei, durch einen Stickstoffgürtel das explosible Wafferstoffgas von der Luft ab- zuschließen und dadurch gegen Feuersgefahr zu immunisieren, so wäre es wirklich erstaunlich, wenn. man sich dieses Hilfsmittels noch nicht bedient hätte. Die häufige Vernichtung früherer Zeppeline durch Brandkatastrophen hätte doch die ungeheure Feuergefährlichkeit der Zeppelinschiffe zur Evidenz bewiesen haben sollen! Allerdings behauptet man, daß diese Sicherung der Lenk- luftschiffe eine allzu große Belastung bedeute und die Nutzlast allzu sehr vermindere. Sollte das wirklich der Fall sein, so wäre damit den Zeppelin- Luftschiffen, zum mindesten für den militärischen Dienst, das Urteil gesprochen. Luftkreuzer, die durch jedes Zündgeschoß herunter- geholt werden können oder die gar schon in Friedenszeitcn mit unheimlicher Regelmäßigkeit den Flammen zum Opfer fallen, sind wirklich wertlos. Die Vernichtung der beiden letzten Zeppeline innerhalb kaum sechs Wochen hat 44 Todesopfer gekostet. Woher will man über- Haupt ausgebildetes Personal nehmen, wenn die Geschichte so weiter geht? Arbeitsloseufürsorge i« Bayern . Die Abgeordnetenkammer begann am Dienstagnachmittag die Verhandlung über Arbeitslosenfürsorge und Arbeitslosenversicherung. Die liberale Interpellation begründete Abg. H ü b s ch. Er forderte 1. einen Antrag Vaherns im Bundesrat auf Einführung einer Reichs- Arbeitslosenversicherung; 2. sofortige Staatszuschüsse zu einer baycri- sche» Gemeindeversicherung: 8. die Ermächtigung der Gemeinden zur Einführung der Zwangsversicherung. Minister v. Soden beantwortete die Interpellation. Zunächst schien er sich ablehnend zu verhalten; er wiederholte alle Gründe, die die Arbeilgeberverbände gegen die Arbeitslosenversiche- rung anzuführen pflegen; zum Schluß aber erklärte er seine Bereitwilligkeit, einen StaatSzuschuß für freiwillige gemeind« liche Arbeitslosenversicherung zu gewähren. In dieser unter dem Druck der wirtschaftlichen Lage, des bekonnten Priuzregenten- erlasses und der höchst gespannten innerpolitischen Verhältniffe abgegebenen Erklärung liegt die erste prinzipielle Anerkennung der Arbeitslosenversicherung in einem deutschen Staate. Insofern ist dieser Erfolg der unermüdlichen sozialdemokratischen Agitation trotz aller voraussichtlichen Dürftigkeit der Mittel und trotz oller Vorbehalte und Einschränkungen des Ministers zu begrüßen; ein Erfolg, der seine volle Bedeutung erst dadurch erhält, daß noch in voriger Session daS Zentrum einen ähnlichen Antrag der Sozial- dernokraten auf Staatszuschüsse zur Eemeindev'ersicherung ab- gelehnt hat. Die Ausführungen des Ministers gingen im wesentlichen dahin An die Einführung einer reichsgesetzlichen Arbeitslosenversicherung, die verhältnismäßig die beste und zweckmäßigste Lösung des Problems scheine, könne in absehbarer Zeit nicht gedacht werden. Es ständen dem außergewöhnliche technische Schwierigkeiten entgegen. Außerdem habe erst vor kurzem die Reichsversicherungsordnung und da« Ber- sicherungSgesetz für Angestellte eine bedeutende Ausdehnung der Sozialversicherung und erhebliche Neubelastung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gebracht. Noch weniger werde es möglich sein, daß Bayern allein mit einer landesgefetzlichen Zwangsversicherung bor - geht. Bayern bildet kein selbständiges Wirtschaftsgebiet. Zudem befindet sich die bayerische Industrie an sich in wenig günstiger Lage, so daß«S nicht angängig erscheine, hier den Wettbewerb in der Industrie mit den anderen Bundesstaaten noch durch Auf- erlegung von Arbcitgebcrbeiträgcn für die Arbeitslosenversicherung nur sehen, nicht schreiben. Wer nicht wenigstens zweiVivat- bänder" auf seine Brust heftet, wird überhaupt nicht gesehen. Chausseeschotlersteine pflegt man nicht aufzu- heben. Eltons anderes ist es, wenn sie aus dem Granit des Völkerschlachtdenk maleS bestehen, dann losten sie drei Mark und sindoffiziell". Schokolade kauft man nur in Kugelform mit der AufschriftBombenfund vom Völker- schlachtfeld". Es gibt Völker schlachtzigarren, Völker- s ch l a ch t b r a t e n in den Speisewirtschaften, ich glaube sogar Völkerschlachtbananen". Aber das beste Stück wird mit denoffiziellen" F e st p o st k a r t e n ge- leistet. Da stehen die Händler in Reih und Glied, alle ivobldisziplinierte Soldaten einer im Unternehmer- s ö l d e stehenden Armee. Sie fragen den ersten, was seine Karten kosten.Dreißig Pfennige."Nanu?"Passen Sie ans, bei den anderen kosten sie mehr!' beschwichtigt der Händler ihr Entsetzen. Und richtig, beim zweiten kosten sie fünfzig Pfennige, beim dritten eine Mark und der vierte sagt Ihnen, er wolle Ihnen die Karten für zwei Mark lassen, in einer Stunde kosten sie einen Taler. Da lehren Sie schleunigst zum ersten zurück und kaufen die Karte, die als künstlerische und typographische Leistung durch das Wort offiziell" gekennzeichnet wird, für billige dreißig Pfennige. Auch die armen Antisemiten, die so ganz und gar auf den Hund sind, ivolllen einen Schnitt machen und vertrieben eine ihrer blöden Sudeleien, gezeichnet von Dr. Heinrich Pudor , als Fcstzeitung". Auch ein Zeichen der Zeit! Von den zahlreichen Inden ganz zu schweigen, die Gut und Blut einsetzten in dem großen Ringen de? Volkes um die Befreiung vom fremden Joch, hieß der Mann, der 1813 die preußischen Prinzessinnen zu einem Aufruf an die Frauen und zur Gründung desVaterländischen Frauenvereins" inspirierte es läßt sich nun einmal nicht ändern! LouiS Eppe» st ein und war der Sohn eines Schutzjuden aus Lublienitz in Schlesien . Hundert Jahre danach werden die Juden just von den Elementen angerülpst, die den Patrio- tiSmuS in Erbpacht zu habe» behaupten. Aber Patriotismus hin, Patriotismus her ein echter deutscher Mann lann keinen Franzen leiden, doch seine Taler nimmt er gern! Denn eS hat die Blätter des schwarz-weiß-roten Chauvinismus in ticffter Seele betrübt, daß die Firma Pathö Fröre? u. Co. in Paris daS alleinig« und offizielle Kmematographeu-Aufnahmerecht von Enthüllung und Einweihung des Völkecschlachtdcukmals er- werben durste. Welch eine Wendung durch des Profites Fügung I 1813 wird Napoleon von den Deutschen bei Leipzig geschlagen 1913 schlägt der Napoleon deS FilmS bei Leipzig die deutsche Kon- kurrenz I Sintemalen er mehr zu bieten wußte, und auch der deutsche Patrioteubund. selbst auf dem Höhepunkt des Völkerschlachtjubiläums- taumels, nimmt lieber hundert Mark aus französischer Hand als fünfzig aus deutscher . Geschäft ist Geschäft! zu erschweren. Dieselben Gründe sprächen aber auch gegen den vom bayerischen Städtetag ausgesprochenen Gedanken, durch Landes« gesetz die Städte zur zwangsweisen Einführung einer Arbeitslosen» Versicherung unter Heranziehung der Arbeitgeber zur Beitragsleistung zu ermächtigen. Der Minister empfahl, den Weg weiter zu der- folgen, den bereits sein Amtsvorgänger beschritten hat. Dieser hat die Errichtung gemeindlicher Anstalten zur Versicherung gegen Ar- beilSlosigkeit dadurch zu fördern gesucht, daß er ein Musterstatut sür eine derartige Anstalt ausarbeiten ließ. Obwohl diese Regelung den verschiedenen Einwendungen Rechnung trug, verhielten sich die Städte jedoch zunächst ablehnend, mit Ausnahme von Kaiserslautern . In neuerer Zeit haben sich aber auch München , Nürnberg und Ludwigs« Hafen zur Einführung einer gemeindlichen Arbeitslosenversicherung bereit erklärt. Dieser Umstand im Verein mit der hauptsächlich in München und Nürnberg hervorgetretenen außerordentlichen Arbeits- losigkeit vcranlaßte die Staatsregierung zur erneuten Prüfung der Frage, ob denjenigen Gemeinden, die eine den Anforderungen der Staatsregierung entsprechende Versicherungseinrichtung schaffen, staat« liche Zuschüsse in Aussicht gestellt werden sollen. Auf Grund des Ergebnisses der nunmehr abgeschlossenen Verhandlungen ist die Staatsregierung, trotz der Fortdauer der ungünstigen Finanzlage, bereit, die Gewährung staatlicher Zuschüsse zur gemeindlichen Arbeits- losenvcrsicherung in Aussicht zu nehmen und die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Mittel aus der allerdings sehr knapp bemessenen Budgetreserve zu beantragen._ Die Ersatzwahl im erste» Hamburger Reichstagswahl- kreis. Endgültiges amtliches Wahlergebnis: Bei der Reichstags« ersatzwahl im Wahlkreise Hamburg I am 17. Oktober wurden von 35 818 Wahlberechtigten 25 936 gültige Stimmen abgegeben. Davon erhielten Redakteur Otto Stolten -Hamburg <Soz.) 17 532, Rechts- anwalt Dr. Kail Peterscn-Hamburg sFortsch. Bp.) 4738, Hauplpastor Dr. Rodc-Hamburg(natl.) 2420, Landrichter Dr. A. Koch-Hamburg sk.) 384, Zollsekretär H. Arnoldt-Hamburg sDtsch.-Soz.) 225, Schrift- steller I. Chciszewski-Gnesen(Pole) 35 Stimmen, Zersplittert waren zwei Stimmen. Lieber gar keine Jahrhundertfeier? Als seinerzeit die sozialdemokratische Stadtverordneten- fraktion in Berlin es ablehnte, sich au der byzantinischen Feier zu beteiligen, die von der bürgerlichen Mehrheit arrangiert worden war, cntriistete sich das ganze Bürgertum über die Ruchlosigkeit der Sozialdemokratie. Nun aber hat dieDeutsche Tageszeitung" einer Stadtverwal- tung verübelt, daß sie sich überhaupt an einer städtischen Jahrhundertfeier beteiligte. Wie war das möglich? Nun, in Jena , wo die sozial- demokratische Stadtverordnetenfraktion die Mehrheit besitzt, hat man eine Jahrhundertfeier zum 18. Oktober veranstaltet, die sich von allem Byzantinismus freihielt und in der schlichten Ansprache des Gemeinderatsvorsitzenden bestand, der nicht nur der gefallenen Schlachtenopfer gedachte, sondern auch des gewaltigen Ringens des Volkes vor hundert' Jahren und in der Gegenwart. Daß der Redner dabei auch den Gedanken aussprach, in nicht zu ferner Zukunft werde ein Volkskämpfer wie Bebel ebenfalls zu denGroßen" ge- rechnet werden, hat das. Junkerorgau derartig empört, daß es den städtischen Behörden von Jena noch nachträglich den Rat gibt; Lieber gar keine Feier, als eine solche! Das Oertel-Blatt hat damit ein sehr nettes Zugeständnis gemacht. Das Angedenken der Freiheitskämpfer von 1818 ist ihm vollständig gleichgültig, wenn nicht zugleich die Ge- schichte im reaktionären Sinne gefälscht und aus der Feier der Freiheitskriege eine Verherrlichung des reaktionären Systems von heute gemacht wird. Wie konnte man sich da noch über die Arbeiterklasie ent­rüsten, wenn sie an der byzantinisch-feudalen Ausschlachtung der Fahrhundertfeier keinen Teil haben wollte! Eine glückliche Hand. Dr. Karl Helfferich . Direktor der Deuy'chen Bank, verfaßte be- kanntlich eine SchriftDeutschlands Volkswohlstand 1913", die aus- gesprochenerweise der Verherrlichung Wilhelms U. dienen soll.$er Aber es sind lange nicht die unsaubersten Geschäfte, die bei dem Leipziger Rummel in bar gemacht wurden. Anrüchig ist das Treiben unserer Alldeutschen und Kriegshetzer, die auch bei dieser Gelegenheit wieder den Fusel ihrer chauvinistischen Phrasen kredenzen und aus der Jubiläumsstimmung Kapital zu schlagen suchen fiir ihre dunklen Zwecke. Naiv ist dieFriedenSwarie", das Organ der inter - nationalen Pazifisten, das die Einweihung deS Leipziger Steinhaufens als eineernste Feier des Friedens" begrüßt, während Blätter wie dieHamburger Nachrichten" aus diesem Anlaß gegenden Abscheu vor dem Kriege und die laue Fricdcnsseligkcit" wettern:eS soll die starke deutsche Faust an den Schwertgriff fahren, allen Friedens- schwärmern zum Trotz". Doch widerlicher noch ist die Ausnutzung der Völkerschlachtfeier zur innerpolitischen Verhetzung, wie sie die Blätter der Reaktion swis pbrase gewerbsmäßig betreiben. Daß aus den Jubiläums- artikeln der sozialdemokratischen Preffe nur der rauhe Atem der geschichtlichen Wahrheit wehte, ist den pseudopatriotischen Phrasendreschern arg auf die Nerven gefallen. Da sie nichts von dem widerlegen können, was die Arbeiterpresse über 1813 vorgebracht hat, wagen sie es nicht, ihren Lesern auch nur bruchstückweise diese Artikel vorzusetzen. Statt dessen gefallen sie sich in einer Schimpf- kanonade gegen die Sozialdemokratie, mit der verglichen der be- rühmte Geschützdonner der Leipziger Schlacht ein Kinderspiel ist, und überstürzen sich in wilden Verleumdungen, denn es ist knüppeldicke Lüge, wenn etwa das Blatt der Bündlcr zetert:Die Herr- lichen Erinnerungen der großen Zeit werden in den Kot gezerrt, die besten Männer jener Tage in der niedrigsten Weise verleumdet." Wann und wo, Herr Dr. Oertel? Wo hat die sozialdemokratische Presse nicht mit rückhaltloser Anerkennung deS Heldenmutes gedacht, der 1813 das Volk vorwärts trieb? Wo hat die sozialdemokratische Preffe einen Stein, einen G n e i s e n a u, einen Scharnhorst. einen Blücher und das sind dochdie besten Männer jener Tage"!in der niedrigsten Weise verleumdet'? Noch einmal Wann und wo? Heraus mit der Sprache! Aber daS Bequemste ist eS, mit kühner Stirn drauflos zu verleumden, denn alles muß dem guten Zwecke dienen, und dieser Zweck wird unverhohlen ausgesprochen: Es müssen Bestimmungen geschaffen werden, die einer völligen Vergiftung und Verwirrung deS Volkes vorbeugen, die einen wirksamen Schutz bieten gegen die Verschmutzung und Schändung der Heiligtümer de» deutschen Volkes. Zu deutsch : Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokratie! Und das wäre allerdings der würdigste Ausklang der Jubiläums« seier: nach 1813 Demagogenhetze und Karlsbader Beschlüffe nach 1913 Sozialistenhetze und Ausnahmerecht! Nur daß leider dieses Ausnahmegesetz ein frommer Wunsch der Junker bleiben wird, denn wir schreiben eben 1S13 und nicht mehr 1813!