hervorgeht, nicht um eine Billigung, sondern um eine TrNSrungbegangener Vertragsverletzungen.Diese Richtigstellung wird natürlich die Scharstnacherprefie nichtveranlassen, ihre Lügen zu widerrufen. Es ist auch gar nicht derZweck dieser Zeilen, jene Presse zu einer Richtigstellung zu der-anlassen. Es lag uns nur daran, wieder einmal zu zeigen, mitwelchem Grad von Unverschämtheit die moderne Arbeiterbewegungverleumdet wird.fiii' die Freiheit des Handwerks!Eine öffentliche Versammlung der selbständigenHandwerker Groß-Berlins, oie Stellung nehmen solltezu der geplanten Neugestaltung der Gewerbeordnung,war zu Montag von den vereinigten Vorständen der freien Ver«einigungen aller Handwerker Groff-Berlins einberufen worden.Wie lebhaft in den Kreisen des Handwerks das Interesse für daszur Erörterung stehende Thema ist, zeigte der außerordentlich starkeBesuch der Versammlung, die den großen Saal der„Neuen Phil-Harmonie'(Köpenicker Straße) bis auf den letzten Platz füllte.Sogleich bei Beginn der Versammlung tarn es zu erregtenAuftritten und heftigen Zusammenstößen zwischenden Gegnern der Z w a n g S i n n u n g. die weitaus in der Mehr-heit waren, und den Freunden dieses Mittels zur Knebelung desHandwerks, die trotz all ihrem Lärm und Geschrei fich als kläglicheMinderheit erwiesen. Der Streit brach los, als der Einberufer derVersammlung, Schuhmachermeister Ege, die Wahl eines Bureausvornehmen lassen wollte, wobei gegenüber dem Vorschlageines Bureaus aus Anhängern der freien Vereinigungendie Freunde der Zwangsinnung zun, Versammlungsleiterden Handwerlskammer- Vorsitzenden Obermeister Ra Hardtempfahlen. Handwerkskaminer-Syndikus Dr. Heinzig entfesselteeinen Sturm des Widerspruchs durch sein Wort, daß HerrRahardt das gesamte Handwerk vertrete und unparteiischsei. Die Versammlung wurde wegen dos unaufhörlichen Lärmsauf zehn Mnuten vertagt, nachher aber erklärte der Einberufer,er brauche überhaupt kein Bureau wählen zu laffen, leiten werde erselber.Unter dem aufs neue anhebenden Lärm der Rahardt-Leute, dieoffenbar die Versammlung zu sprengen beabsichtigten, begann Uhr-machermeister Ritter sein Referat. Er war kaum über denersten Satz hinausgekommen, da steigerte da§ wütende Geschrei derJnnungsschwärrner fich zu einem tvahren Toben, so daß alle Versuche,die Ruhe wiederherzustellen, zunächst erfolglos blieben. DieSchreier wurden erst still, als Obermeister Rahardt die Redner-bühne betrat und auf seinen Wunsch das Wort„zur Geschäfts-ordnrmg' erhielt. Er bezweifelte, daß die Versammlung in Ruheund Ordnung verlausen werde, darum muff« er seine Freunde auf-fordern, mit ihm— den Saal zu verlassen. In das Bei«fallsklatschen, das ihm antwortete, mischten sich Zurufe der Ent-rüstung, aber auch Worte der Genugtuung darüber, daß man sodie Störer vou Ruhe und Ordnung los werde.Nachdem unter dem schallenden Gelächter der zahlreichen An-Hänger der freien Vereinigungen die meisten der Rahardt-Leute dasFeld geräumt hatten, konnte der Referent Ritter ungehindert seinReferat über die Wünsche des Handwerks zur Neu-gestaltung der Gewerbeordnung halten. Er beleuchteteden sogenannten.Handwerkrschutz', der das schwache Handwerknicht zu stärken vermocht und ihm nur noch neue Lasten aufgepackthabe. Dem Handwerk sei dabei auch die Z w a n g s i n n u n g be-schert worden, jene rückständige Organisationssorm, die fürso viele kleine Handwerker eine Quelle der Schika-nierungen und Drangsalierungen sei. Was werdeda au Bevormundung und Rechtlosmachunggeleistet, um„den Gemeingeist zu pflegen' und„die Standes-ehre aufrechtzuerhalten' l Da habe zum Beispiel eine Uhrmacher-inming in einem Zeitungsartikel eine Verletzung der Standesehregesehen, eine Photographeninnung wegen einer durch JnmmgSbeschlußverbotenen Bekanntgabe von Preisen hohe Geldstrafen festgesetzt undfür den Fall der Zahlungsunfähigkeit lächerlicherweise sogar Haft-strafen angedroht, eine Bäckerinnung die Verhandlungen mit derLohnkommifsio« der Bäckereiarbeiter abgelehnt und den Abschlußvon Einzelverträoen mit der Organisation der Arbeiter den Jnnungs-Mitgliedern bei Strafe verboten, und so loeiter. Referent gab einelange Blütenlese solcher und ähnlicher Borkornnmiste, von denenmanche, z. B. im Bäckereigewerbe die von Jnnungöbrüdern versuchteHefesperre gegen nicht gefügige Mitglieder, fich als schlimmstenTerrorismus darstellten. Er rechnete auch ab mit den Wort-fiihrern des Gewcrbekaminertages, die durch eine Erweiterung derFenster«nh rief nach seinen Pistolen. Bis diese zur Hand ge-bracht wurden, war indes der Bievwagen um die Ecke verschwunden. Die Nürnberger Bierführer aber erklärten fich mitihren, Kollegen solidarisch, verbaten sich solche Einschränkung ihrerpersönlichen Freiheit und wären am liebsten alle erst recht überden Weinmarkt gefahren. Ja, wer weiß, ob es nicht der BräuerS-knechte wegen„och zu ernstlichen Verdrießlichkeiten für den Ratgekommen wäve, hätte Wallen stein nicht seinen für vier Tage be-rechneten Aufenthalt abgekürzt und sich bereits am zweiten Tagevon Nürnberg fortgemacht.Notizen.— Vorträge. Otto Ernst wird in seinem Vortragszyklus„Nietzsche der falsche Prophet' im Choralionsaalam 1. Abend(27. Oktober) das Einzelthemo„Nietzsche, der Zweiflerund feine zweifelhaste Werttheorie" bebandeln.— Die von KarlScheffler und Bruno Casfirer veranstalteten Kunftvorträge eröffnetam 2g. Oktober Dr. Gustav Pauli in Lepkes Kunst Haus mit demThema„Die historische Mission des Impressionismus'.— Musikchrouik. Raoul Koezalskis zweiter Chopin-Abend findet Mittwoch, 8 Ahr abends im großen Saal der kgl. Hoch-schule stir Musik statt.— Was soll aus der Welt denn noch werden...Ein Anschlag dsö akademischen Senats an, Schwarzen Brett derUniversität Bonn macht die Studenten darauf aufmerksam, daß inZukunft bei der Entscheidung über Disziplinarfälle Trunkenheft nicht»»ehr als Milderungsgrund anerkannt wird.— Ja, wenn die Hüterder Sauftradftion nicht mal mildernde Umstände mehr bekommen,dann ade akademische Freiheit, dann aber auch ade teutscke Tüchtigkeit.— Handschriftliche Kleinodien. Der Handschriften-sannnlung der Berliner kgl. Bibliothek wurden außer zahl-reichen Briefen de« Philologen Moritz Haupt und Jean Pauls allean S. M. anläßlich setner Schweizerreise im Jahre 1g12 gerichtetenBegrüßungsschreiben von Schweizern zugeführt.— Hoffentlich wirddiese letztere bedeusame Bereicherung der Mitwelt nicht vorenthalten,sondern in einem Prachtbande publiziert.— Elefant und Erfinder. Einem Elefanten, der sich beieinem Attentat auf den Vizekönig von Indien resolut benahm,wurde eine lebenslängliche Penston von 2000 M. jährlich ausgesetzt.Der Erfindung TellierS verdankt es die Menschheit, daß heute einigehundert Kältevampfer Eier aus Australien. Pfirsische aus dem Lop-lande, Lachse au» Alaska, Hammelfleisch aus Argentinien und Neu-seeland nach Europa befördern. Tellier. der reich und arm den Tischgedeckt, durfte verhungern....— Die Schwankungen der Sonnenwärme. GenaueMefiungen der Sonnenwärme und ihrer Schwankungen find in denletzten Jahren mit größter Sorgfalt angestellt worden, weil fie vongrundlegender Bedeutung für die Beurteilung des Ganges derWitterung in längeren Zeiträumen werden können. Nach 700 Be-stimmungen, die in den letzten zehn Jahren in verschiedenen Welt-teilen und in verschiedenen Höhen ausgeführt worden find, habensich in bestimmten Zeiträumen Schwankungen der Sonnenwärmenach der Fleckentätigkeit eroeben. Unregelmäßige Schwankungen«rfolaen häufig schon M Zs, träumen von zehn Tagen und habenchee Ursache wahrscheinlich»« Vorgängen innerhalb der Sonne selbst.Jnnungsaukgaben und JnnungSrechte die Knebelung des Handwerksnoch vervollständigt sehen möchten..Pflichtinnung' wolle man daSDing jetzt lieber nennen, aber man solle eS nur ruhig weiter als.Zwangsinnung' bezeichnen und brandmarken. Leider sei dasWesen der Zwangsinnung und ihre Ge«fahr den meisten Kleinhandwerkern wenig be-kannt, sonst würde eS wohl nicht so oft zur Errichtung vonZwangs«,, nungen gekommen sein. So mancher Meister, der solchenPlänen gleichgültig gegenüberstehen zu dürfen meine, wisse nicht,daß hinterher auch er gezwungen wird, Mitglied zu sein. Ein Lichtgehe ihm erst auf, wenn er in der Mausefalle drinsitze.Zur Abwendung der schlimmsten Schädigungen machte Referenteine Anzahl Verbesserungsvorschläge, die bei der Neu-gestaltung der Gewerbeordnung zu berücksichtigen seien. Erforderte unter anderem, daß zum Schutz gegen Ueber-r u m p e I n u g e u bei Errichtung einer Zwangsinnung dievorherige Bekanntgabe des Antrages auch durch Fachblätterveröffentlicht werden müsse, die Errichtung nur nach Be-teiligung von mindestens zwei Dritteln der Gewerbetreibendenan der Abstimmung durch Mehrheitsbeschluß dieser zwei Drittelherbeigeführt werden dürfe, das Statut durch Mitarbeit der Jnnungs-Versammlung festzusetzen sei, und so weiter. Von besondererWichtigkeit sei, daߧ 100 q, der den Innungen untersagt,ihre Mitglieder in der Festsetzung von Preisenoder in der Annahme von Kunden zu be-schränken, bestehen bleibt. Rekerent forderte weiter, daß beider Kostenaufbringung für die Innungen der Beitrag gerechter-weise nach dem Reingewinn abgestuft werde. Die Auflösung derInnungen dürfe nicht erschwert werden, sondern sei zu erleichtern.Unter stürmischem Beifall der Zuhörer rief Referent schließlich aufzu einem Bund der freien Handwerkerorgani-s a t i o n e n, der für die Freiheit deS Handwerks kämpfen solle.ES folgte eine Diskussion, die sich weit bis nach Mitter-nacht ausdehnte. In ihr sprachen noch verschiedene Gegner derZwaiigsinnuiigen und erklärten sich einverstanden mit demReferat. Betont wurde unter anderem vom Friseur Lupert,daß eine Gleichstellung der freien Vereinigungen undGcwerbevereine mit den Innungen erstrebt werden muffe. GraveurG u t t rn a n n wies darauf hin, daß die.Handwerksrettung' aufihrer weiteren Bahn zur Vernichtung der Gewerbefreiheit und derFreizügigkeit führen werde. Von den paar JnnungSschwärmern, dieim Saal doch noch zurückgeblieben waren, ließ nur Tapezier Federsich hören. Er fordert von der Umgestaltung der Gewerbeordnungnoch mehr.Bewegungsfreiheit' für die Innungen. Zudiesem Zweck solle man den K lOOq— aufheben. Die größere.Bewegungsfreiheit' der Innungen läuft also auf eine noch schärfereKnebelung der Mitglieder hinaus. Diesem sonderbaren�Freiheitsmam,' blieben Redner der freien Vereinigungen, besondersSchuhmachermeister Müller und Bäckermeister P e t e r s o n, dieAntwort nicht schuldig.Gegen 1 Uhr wurde ein Antrag auf Debattenschluß angenommen.Die Versammlung beschloß dann nahezu einstimmig eine langeRes olution, die die gesetzgebenden Körperschaften ersucht, beiNeugestaltung der Gewerbeordnung zu verhüten, daß Zwangsorgani-sationen zu selbstsüchtigen Interessen ausgenutzt werden können. Sieenthält die vom Referenten aufgestellten Forderungen, verlangt vor allemdie Beibehaltung des§ 100 q, protestiert gegen Erschwerung derJnmrngSauflösungen, erwartet Ausdehnung des Wahlrechts zur Hand-werkerkanmrer auf alle Handwerker. Schließlich betont sie unterHinweis auf den wachsenden Ucbermut der Zwangsinnungen dieNotwendigkeit eines Bundes der freien Vereinigungen Groß-BerlinS.Gegner der Zwangsinnung und Freunde der Freiheit deS Hand«Werts mögen ihre Adresse mitteilen an Uhrmachermeifter Ritter,Lichtenberg, Kroffener Str. Sb.Soziales.Arbeitslosigkeit— Arbeitermangel.Da» Heer der Arbeitslosen schwillt«rn, immer mehr; die Zahlder Auswanderer wird größer. Es fehlt an Arbeitsgelegenheit.—Und aus den Reihen der Unternehmer, der landwirtschaftlichen undindustriellen, ertönen Klagerufe über Arbeitermangel. Selbstver-ständlich gilt die Sehnsucht dem bedürfnislosen, unwissenden undvor allem wehrlosen auSIändisrhen Arbeiter. Die Deutsche Arbeiter-zentrale berichtet über den Begehr importierter Ware Arbeitskraft:In Oberschlesien macht sich ein etwas stärkeres Angebot von Gruben-arbeitern geltend, ohne aber den Bedarf decken zu können.— Dierheinische Montanindustrie hatte dauernd genügende Arbeitskräftezur Verfügung.— Das Baugeschäft fragte trotz der geringen Be-schästigung zeitweise nach Arbeitern an, und auch Ziegeleien, Stein»bruchbetriebe, sowie Tiefbauunternehmen waren noch beschäftigt...Nur für Spinaereien konnte di« Nachfrage nach holländischen Ar-beitern nicht immer gedeckt werden... Der Zuzug von Wander-arbeitern an der oft- und westpreußischen Grenze reichte bei weitemnicht dazu aus, allen Wünschen Rechnung zu tragen.— Die Nachfrage nach galizischen Arbeitern konnte nur zum Teil Befriedigungfinden.— Bei den italienischen Arbeitern war der Zuzug nicht be-deutend.— Die holländischen Arbeiter zeigten wenig Neigung zurAbwanderung, doch war im großen und ganzen ein befriedigenderAusgleich zwischen Angebot und Nachfrage möglich.—Der Bericht liefert eine prächtige Illustration der kapitalistischenMrtschaftSordnung im allgemeinen, des berühmten Schutzes nationaler Arbeit im besonderen. Er enthüllt auch die bemerkenswerteDatsache, daß die Zentrale in umfassender Weise die Industrie mitausländischen Arbeitern versorgt. Anscheinend besteht eine dauerndeVerbindung, die sicher auch dem Zweck der Streikbrechervermittelungdient. Bei der Tätigkeit der Zentrale handelt eS sich nicht umdie Beschaffung mangelnder Arbeitskräfte, sondern um eine Hilfe-leistung bei den Bestrebungen, die Löhn« zu drücken. Daß es z. B.im Baugewerbe irgendwo au Arbeitern gemangelt haben könnte,ist nach der Verfassung des Arbeitsmarktes im Baugewerbe auSge-schloffen. Die nationalen Unternehmer benutzen die schlechte Kon-junktur als Mittel des Lohndrucks; um ihn zu verschärfen, holtman noch ausländische Arbeiter heran und die Deutsche Arbeiter-zentrale leistet dabei Handlangerdienste. Die Vorgänge passenvorzüglich zu dem TalmipatrwtismuS, der fich nun überall lärmendzur Schau stellt.Christlicher Mißbrauch von Kraukeukaffengeldcrn.In welch slrupelloier Weise christlicbe 5trankenlassenverwaltungenKassengelder verschwenden, zeigt folgendes Beispiel: In Heilsberg(Ostpreußen) fand kürzlich die Vertretelwahl zur ÄreiSkrankenkasseatt. Man war sehr erstaunt, als zur Wahl au« der Stadt Gutt-adt, die zu diesem KrerS gehört, 800 christliche Arbeiter anrückten,um ihr Wahlrecht auszuüben. Die Leute hatten einen halben Taggeopfert, 2 20 M, Bahngeld ausgegeben, und allgemein wunderteman sich über dieses Interesse an der Wahl und insbesondere überdie.Opferwilligkeit' der christlichen Arbeiter. Es stellle sich aberheran«, daß dre OrtSkrankenkass in Gutt st adt. die zum1. Januar eingeht, beschlossen habe, aus Krankenkassen-mittel» den Wählern von Buttstädt das Fahrgeld im ve-trage van 2,20 Mark und 3 Mark Entschädigung zu gewähre«.Diese günstige Gelegenheit hatten sich natürlich die Gutlftadter Ar-beiter nicht entgehen lassen, und deshalb waren sie in großer Zahlzur Wahl gefahren, so daß die Kasse die erhebliche Summe von1500 Mark für diesen Zweck misgegeden hat. Nach der ReichSver-sicherungSordnimg darf eine Krankenkasse für solche Dinge kein Geldverwenden. Die löOO M. sind in völlig ungesetzlicher Weise ver«pulvert worden. Man hätte in Guttstadt eine Wahlstelle einrichtenkönnen. Dann hätten hier die Wähler ihr Wahlrecht ausüben können.Aber jetzt liegt ein ganz unerhörter Mißbrauch vor, über den dieEhristlicheu und Nationale« in Schreikrämpfe verfalle« wären, wenner in einer Krankenkasse passiert wäre, die von freigewerkschaftlichorganisierten Arbeitern verwaltet wird. Aber sowohl Guttstadt wieHeilsberg sind christliche Domänen.Gerichts-Deining.Die Breslauer Sittlichkeitsaffäre vor Gericht.Die Begründung des bereits gestern von uns mitgeteiltenUrteils in dem Breslauer Skandalprozeß war eine höchst seltsame.Es erklärte nämlich der Vorsitzende, LandgerichtsdirektorMundry:„Wir stehen am Schlüsse des Dramas, das unter demNamen.Breslauer Sittenskandal' in höchst unerfreulicher Weisebekannt geworden ist. Eine Sittenfäulnis, so meldeten mancheBlätter, habe sich kundgetan, das war allerdings wenig schmeichel-hast für das alte Breslau. Im ersten Teil des Prozesses haben sichsexuelle Verfehlungen schwerer Art ergeben, aber doch kann voneinem sexuellen Panama keine Rede sein. Eshandelt sich hier um zwei Mädchen, die trotz ihrer Jugend bereitsals gewerbsmäßige Dirnen ihr unsauberes Handwerk trieben, aberes waren keine unschuldigen Kinder, sondern sittlich durch unddurch verdorbene Mädchen, die auf den Männerfang aus-gingen. Tief beschämend ist diese Sachlage. Aberjeder welterfahrene Mann weiß, daß solche Dinge in jeder Groß.stadt vorkommen. Im Interesse der Breslauer Bürgerschaft, sofuhr der Vorsitzende fort, halte ich es für notwendig zu erklären:beide Mädchen waren demoralisiert; nicht sie sind die Opfergewesen, sondern die M ä n n e r, die nicht genügend sittliche Kraftbesaßen, um der Versuchung zu widerstehen. Die Mädchen habenauf leichte Weise sich das Geld verschafft und vernascht. Aberganz verloren sind auch diese Mädchen noch nicht. Eine gewisseGutmütigkeit, die den Dirnen oft eigen ist, war auch bei diesenjugendlichen Personen zu erkennen. Daß die Angeklagten mit derAusrede kommen, nicht gewußt zu haben, daß die Mädchen nochnicht über 14 Jahre alt waren, ist nur zu erklärlich. In denFallen, wo diese Frage nicht ganz geklärt werden konnte, hat eineVerurteilung selbstverständlich nicht erfolgen können; hter lagdolus eventualis vor, aber in den meisten Fällen war ein Zweifelhieran nicht anzunehmen. Die Abstufung im Strafmaß ergibt sichaus der Anzahl der Fälle, die jedem einzelnen der Angeklagtenzur Last fallen.'*»*. Eine eigenartige Auffassung: Die Männer, nicht dieKmder seien die Opfer gewesen. Danach hätten wohl gar dieKinder und nicht die Männer verurteilt werden sollen? DasGesetz steht glücklicherweise noch nicht auf dem Tiefstandpunkt,der in der Anschauung liegt, erwachsene Männer, die mitKindern unter 14 Jahren Unzucht treiben, seien die Opfersexueller Unmoral, nicht die mißbrauchten Kinder. Nichtnur unsere Weltanschauung, sondern die des weitaus größtenTeils der Bevölkerung ist der Ansicht: das Kind ist zuschützen, das Kind ist das wertvollste Gut, das wir zu hegenund zu schützen haben. Auch ein bereits verführtes oder, wiedas Urteil meint,„durch und durch verdorbenes' Kind ist zuschützen. Und nicht seiner Person allein wegen, sondern auchder Gefahr wegen, die aus den Handlungen der skrupellosenMißbraucher der Kinder anderen Kindern und der allge-meinen Kultur droht. 36 Leute sollen mit den zwei Kinderngeschlechtlich verkehrt haben; von ihnen gelangten zunächstzehn zur Aburteilung. Landgerichtsrat Mundrymeinte aber: von einem sexuellen Panama könne keine Redesein. Was ist denn nach seiner Auffassung noch alles erforder-lich, um festzustellen, ein sexuelles Panama liege vor? Ge-nügt es noch nicht, daß allein drei Dutzend Personen mit zweiKindern untn 14 Jahren nachweislich verkehrt haben? Solldie ganze Stadt mit ihnen verkehren müssen oder sollenalle Kinder unter 14 Jahren mißbraucht sein müssen, umvon einem sexuellen Panama reden zu dürfen? Die Welt-anschauung des Landgerichtsrats Mundry ist nicht nur inder Frage des Kinderschutzes mit Entschiedenheit zu be-kämpfen. Er ist der aus Prozessen gegen Sozialdemokratensattsam bekannte Richter. Wir erinnern nur an jenen Aus-spruch: Beamte, die sozialdemokratischenRedaktionen Mitteilungen machen. sindSchweinehunde. Wer auf diesem mehr durchTemperament als durch Richtigkeit und Tiefe fich aus-zeichnenden Standpunkt steht, mag freilich nicht erkennenkönnen: Erwachsene, die gegen Kinder unter14 Jahren sexueller Verfehlungen sichschuldig machen, sind Schweinehunde.Traurig, daß der strafrechtliche Schutz der Kinder aufsexuellem Gebiet Richten, anvertraut ist, die auf der durchdie Urteilsbegründung betätigten Weltanschauung stehen.Eine Abschreckung für gemeingefährliche Wüstlinge ist dieAuffassung wahrlich nicht: die Lüstlinge, nicht die Kinder, diesie mißbrauchen, siikd die Opfer. Und kein Zufall, daß dieseeigenartige Moralauffassung eine Kammer beherrscht, diewegen ihres als ungerecht empfundenen Vorgehens gegen dieSozialdemokratie bekannt geworden ist. Ist doch die Sozial-demokratie die Partei, die den tugendsatten Pharisäismnsund die Schäden unserer Gesellschaftsordnung bekämpft.denen an, letzten Ende das sexuelle Panama in Breslau ent-sprossen ist._Ein unerkennbarer Kriminalpolizist.Das Amtsgericht Berlin-Mitte verhandelte gestern gegen einenMechaniker Jammer wegen eines Strafmandats, das ihm von einemKriminalwachtmeister Dittmar besorgt worden war. Jammer sollteam 20. August, abends um 10 Uhr. sich an einem Auflauf beteiligthaben, der vor dem Hause Fehrbelliner Straße 6 infolge einerWirtShauSszene entstanden war. und er sollte dann derAufforderung deS Beamten. weiterzugehen. nicht Folgegeleistet haben. Der Angeklagte behauptete, daß ervielmehr, zufällig hier vorbeikommend, in einiger Entfernung vordem Auflauf stehen geblieben sei, um nicht in ihn hineinzugeraten.Wegen der Ansammlung von Passanten habe der Schankwirt die aufder Straße verweilenden Frauen und nachher auch ihn in häßlicherWeise beschimpft. Der Kriminalbeamte habe sich in der Tür deSLokal« neben dem Wirt gezeigt, wie wenn er ein Gast wäre, undsei nach seinem ganzen Benehmen nicht al« Beamter zu erkennengewesen. Als er später, durch den Wirt veranlaßt. Jammerwegbringen wollte und dieser ihn nach seiner Legitimation fragte,habe er aus der Hosentasche ein Schlüsselbund herausgeholt undeine daran hängende Blechmarke vorgewiesen, deren Schrift nicht zulesen war. Schließlich habe Jammer den angeblichen Beamten, dener nicht für einen solchen hielt, selber aufgefordert, zur Polizeiwachemitzukommen, der Beamte aber habe dann ihn fistiert. Kriminal-Wachtmeister Dittmar gab vor Gericht zu, daß die Erkennungsmartedamals am Schlüsselbund hing und auch jetzt noch konnte er dem Richterseine Marke nur zusammen mit dem Schlüsselbund vorweisen, an demsie wie eine Schlüsselmarke baumelte. Man erfuhr auch, daß die da-malige Marke inzwischen durch eine neue ersetzt worden war, weil jenenicht mehr recht leserlich war. Dittmar versicherte, daß er nicht aufeinen von dem Schankwirt geäußerten Wunsch, sondern aus eigenemAntrieb gegen Jammer eingeschritten sei. Dieser sei selbst dannnoch nicht weitergegangen, al« im Publik»« di»«enßenmg fiel: