Nr. 3.
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Vorwärts
11. Jahrg.
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Redation: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Tie Gewerkschafts
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bewegung
Freitag, den 5. Januar 1894.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Adler und Ellenbogen nicht in Gegensatz zur gewerkschaft- nun gewerkschaftlich oder politisch organisirt, sie würde sich lichen Bewegung stellen, denn sie müßte wissen, daß diese sicherlich derartigen Illusionen nicht hingeben. Liegt doch die sich stets derselben mit Vorträgen und literarischen Bei Betonung des Klassenstandpunktes im Zuge der Zeit, werden trägen zur Verfügung gestellt hatten. Kurz gesagt, es sind doch unsere Arbeiter durch die Entwicklung des Kapitalisim wesentlichen in Deutschland wie in Desterreich dieselben mus immer mehr zur Verzweiflung und nicht zur Vergegen ie Sozialdemokratie auszuspielen, das ist der neueste Kräfte, welche in der gewerkschaftlichen und politischen söhnung getrieben. Niemals war demnach die Auffassung, Kunstiff der antisozialistischen Presse. Vor kurzem waren Arbeiterbewegung thätig sind. Freilich die Berathungs- daß die Gewerkschaften zum allmäligen Aufgeben des„ klassenes di Grenzboten", gestern war es der Hamburger gegenstände und damit der Ton der Debatten ist mäßigen Proletarier- Standpunktes" neigen könnten, unrichKorroondent" und heute ist es die„ Kreuz- Zeitung ", welche bei beiden nicht der gleiche. Dies ist aber selbstverständ- tiger als heute. die goerkschaftlich organisirten Arbeiter gegen die politisch lich, gerade das Gegentheil wäre auffällig. Ebenso wenig Daß freilich dieser Wunsch bei der Bourgeoisie herrscht, orga sirten auszuspielen sucht. In den letzten Tagen wurde wie die Kreuz- Zeitung " den gleichen Ton anschlägt, wenn finden wir vollkommen begreiflich, aber thöricht ist es, der Arlauf des ersten österreichischen Gewerkschaftskongresses fie die Gegner der Getreidezölle auseinderfetzt oder sich aus diesem egoistischen Wunsch Hoffnungen für die zum nlaß dieser Quertreibereien genommen. mit einer ihr nicht passenden literarischen Erscheinung Bourgeoisie abzuleiten. Dem oberflächlichen Beurtheiler befaßt, ebenso wenig werden die Arbeiter das gleiche unserer Arbeiterverhältnisse kann freilich die GewerkschaftsG3 herrschte auf dem ersten österreichischen Gewerkschafts- Register aufziehen, wenn wenn sie den Kapitalismus und bewegung als der harmlosere, tonservativere, zu Komforreffe diejenige Richtung vor, welche in ernster Weise und Militarismus bekämpfen oder wenn sie über die beste Form promissen eher bereite Theil der Arbeiterbewegung erscheinen, mizurüddrängung des reinpolitisch- agitatorischen Momentes eir Hebung der materiellen Lage der Arbeiter anstrebt. der Reise- Unterſtügung und über das Vertrauensmänner- denn die politische Arbeiterbewegung ist naturgemäß revolutionär, das heißt, sie strebt die vollständige UmDam wurden auch politische Fragen verhältnißmäßig System in Fabriten debattiren. wég berührt und die Vermengung des wirthschaftlichen Bestände wirklich ein Gegensatz zwischen den gewerk gestaltung unserer Wirthschaftsordnung an, sie kann auf mi dem politischen Kampfe perhorreszirt. Als die Frage schaftlich und politisch organisirten Arbeitern Desterreichs, dem Boden der heutigen Wirthschaftsordnung nicht de Generalstreifes im Zusammenhange mit der des all so würde doch der Antrag des nach der Kreuz- Zeitung " befriedigt werden, denn ihr Sieg fällt mit dem geeinen Wahlrechts zur Erörterung gelangte, da wurde eine fo ehrgeizigen und mandatslüfternen Dr. Adler die Ent- Untergange des heutigen Systems zusammen. Anders joje Kombination entschieden verurtheilt. Wenn schon ein scheidung über den Generalstreit dem im Februar tagenden liegt die Sache bei der gewerkschaftlichen ArbeiterGeralstreit inszenirt werde, dann müsse er für die Erlangung sozialdemokratischen Parteitage zu überlassen, nicht debattelos bewegung. Alle ihre Forderungen sind Forderungen an die de Achtstundentages , nicht dazu veranstaltet werden, daß für Gegenwart, sie können heute erfüllt werden, weil die Gewerkei paar ehrgeizige Führer Parlamentssige erobert werden. angenommen worden sein. war unausgesprochen und zum Theil auch aus- Welche, freilich ganz vergeblichen Hoffnungen die Leute schaften eben ihrem Wesen entsprechend nur heute Erfüllder„ Kreuz- Zeitung " an die Gewerkschaftsbewegung knüpfen, bares fordern. Aber weit gefehlt wäre es, daraus den geht aus den folgenden Absätzen des konservativen Organs Schluß zu ziehen, daß die Bewilligung der Forderungen hervor: der Gewerkschaften die Arbeiterklasse zahm, fromm und aufrieden machen würde. Wer dies behauptet, fennt nicht den Geist der gewerkschaftlich organisirten Arbeiter. Sie streben ganz das Gleiche an, wie die politisch organisirten Proletarier, sie sind fast stets auch politisch organisirt, wie die Mehrzahl unserer Genossen auch gewerkschaftlich organisirt ist. Weiß man denn in der Kreuz- Zeitung " nicht, daß die meisten Aber noch eine andere nicht zu unterschätzende Bedeutung sozialdemokratischen Reichstags- Abgeordneten auch an der hat die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiter Spitze gewerkschaftlicher Organisationen stehen? Es hat massen für die großen, sozialen Kämpfe, denen wir entgegen sich niemals weder in Deutschland noch in Desterreich um gehen, ja, in denen wir uns mitten drin befinden, Sie führt, die Frage gehandelt gewerkschaftliche oder politische Arso paradox dies auf den ersten Augenblick erscheinen mag, zu beiterbewegung, sondern es hat nur geheißen gewerkschafteinem allmäligen Aufgeben des„ tlassenmäßigen liche und politische Arbeiterbewegung. Wer die Protokolle Proletarier" Standpunktes. Bei einer ent- unserer Parteitage von Halle, Erfurt und Köln ohne Vorsprechenden Ausdehnung derselben wird und muß sie nament urtheil studirt hat, wird dies wissen. lich in den Kreisen der mittleren und kleineren Produktion zu Ja aber, erwidern da wohl die siebenmal Gescheidten einer Annäherung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen, da vielfach eine Interessen gleichheit beider im von der Kreuz- Zeitung ", die gewerkschaftlich und politisch Wirthschaftskampfe sich herausstellen wird. Dadurch wird aber organisirten Arbeiter erheben doch verschiedene Forderungen. ein mäßigen der Einfluß auf die Arbeiter sich geltend Nein, auch dies ist nicht wahr, denn als Individuen formachen und andererseits die Inangriffnahme einer ernsten dern sie das Gleiche, das gewerkschaftlich und politisch ihnen und durchgreifenden Sozialreform gegenüber der Herrschaft Erwünschte, als Organisationen theilen sie sich nur in die und den Exzessen namentlich des mobilen Großkapitals mächtig Kampfesarbeit. Das ganze Geheimniß dieser zwei parallel gefördert werden." laufenden Bewegungen ist gelöst mit dem Worte: Theis lung der Arbeit!
ditlich betont die auf dem Gewerkschaftstongreffe herrschende Shmung; und es unterschied sich diese Versammlung vitheilhaft von anderen sozialdemokratischen Parteitagen sch dadurch, daß zumeist gereifte, von sittlichem Ernste geirene Männer und wirkliche Arbeiter und nicht einige profconsmäßige Agitatoren mit einem alles terrorisirenden Haufen juer und eraltirter Burschen den Ausschlag gaben. Auch voder bei sozialdemokratischen Parteitagen sonst fast jedesmal bebten Großsprecherei und Uebertreibung des Parteieinflusses wodiesmal nichts zu spüren."
ie erstaunliche Entdeckung, daß ein Gewerkschaftsfongß politische Fragen höchstens streifen, niemals aber als elbstzweck behandeln kann, hätten die tiefsinnigen Renn der internen Verhältnisse der Sozialdemokratie nicht außealb der Reichsgrenzen zu machen gebraucht, finden dech n Deutschland alljährlich Dußende von Arbeitertongren statt, die politische Fragen nicht behandeln. Wenireilich die Kreuz- Zeitung " meint, daß es andere Leuteid, welche auf den Gewerkschaftskongressen erscheinen und lche die politische Hauptarbeit für die Arbeiterflaffe errichten, so wird fie von ihren Ge währännern getäuscht. Der von der„ KreuzBeitur so gerühmte Höger war Kandidat der sozialdemotischen Partei bei den letzten österreichischen Reichsrathsplen, ebenso wie die Legien, v. Elm, Kloß 2c., die ohne e Schuld von der Bourgeoispresse als brave Arbeiterfrer empfohlenen Männer, Kandidaten bei den letzten Reichswahlen waren. Würde die„ Kreuz- Zeitung " gut bericht sein, so würde sie auch die österreichischen Genossen
Feuilleton.
Nachdruckboten.]
Helene.
[ Alle Rechte vorbehalten.
[ 8
Ron in zwei Bänden von Minna Rautsky. Ezab eine Zeit, wo ich von einem Bunde träumte, bei denur die Schönheit und Reinheit des Weibes den Ausschl geben sollten."
hört! aber diese Zeit ist glücklicherweise für Dich vorbei." Harann sah ihn an, wie aus einem Traum er wachend halb? Ich dächte, sie wäre erst jetzt da und es täme mbarauf an, die Rechte zu finden."
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" Dwillst sie finden?" rief Morre, ſichtlich geärgert, id dann mit bitterem Sarkasmus: Mein Lieber, Reinheit ist Dir bei unseren Mägdelein nur so langerbürgt, so lange sie sich im Stadium der Raulquappe nden, und da ist noch nichts mit ihnen anzufangen."
Haraun lachte über den giftigen Ausfall. Rauappe ist übrigens gut," sagte er, das ist so ein flint lustiges Ding, das selbst noch nicht weiß, ob es ein Fisdder ein Amphibium ist. Weißt Du, so eine kleine Raulqua würde mir als Frau nicht übel gefallen. Aus der fönrich machen, was ich wollte, die formte ich mir ganz naBelieben."
Mo sprang auf und faßte den Freund rauh an den Schulter
" Mich, bist Du wahn, unke ih glaube, Du wärst im stande, e solche Dummheit wirklich zu begehen."
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Sie( die Gewerkschaftsbewegung) gewährt aber auch allen anderen Staats- und Gesellschaftsfaktoren viel eher die Möglichkeit zu einer ehrlichen Auseinandersetzung mit den Arbeitermassen, als die rein politische Richtung, deren Haupttendenz auf den Umsturz alles Bestehenden gerichtet ist und von irgend welcher Transaktion auf grund der heutigen Staatsund Gesellschaftsordnung nichts wissen will.
Wüßte die Kreuz- Zeitung " etwas von der Entwicklung der englischen Arbeiterbewegung, von dem Geiste, der unter den österreichischen und deutschen Arbeitern herrscht, seien sie
Hartmann lachte fröhlich auf, wie einer, der weiß, daß er sich alles erlauben durfte, sobald er nur wollte. Keine Angst, Bruderherz, ich werde sie nicht begehen." " Nein, er wird sie nicht begehen," sagte Morre zu sich, als er bald darauf das Kasino verließ, denn ich tenne eine, die ihn daran hindern wird.".
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" Ich bleibe ein, höchstens zwei Jahre fort," sagte Morre am nächsten Morgen zu seiner Schwester und seinem Schwager, dem Bankier Gebhart, als er von ihnen Abschied nahm. Und als er schon im Koupee saß und der Zug den Bahnhof verließ, wintte er noch einmal gegen München zurück: Adieu, kleine Kaulquappe, ich gebe Dir Zeit, Dich zum Amphibium zu entwickeln- oder zum Reptil- dann werde ich wissen, wie ich Dich zu fassen habe."
V.
Es war ein wundervoller Aprilnachmittag, warm und sonnig, und in den großen Alleen des englischen Gartens fuhren die offenen Wagen, elegante Equipagen und schwerfällige Miethskarossen in einer fast geschlossenen Reihe bis zum chinesischen Thurm dicht hintereinander her.
Die übrigen Partien des Parkes hingegen blieben vereinsamt und das junge Mädchen, das leichten Schrittes von den Glashäusern daher kam, hatte keine Ahnung, daß es bei der nächsten Wendung in das Getümmel eines Wagentorsos gelangen werde.
Es war Lene, die mit beiden Händen, einen großen weiß blühenden Azaleenstock hielt, bemüht, ihn so weit als möglich von ihrem Leibe hinwegzuhalten, damit keine Blüthe geknickt werde. Ihr graues Filzhütchen hatte sich ein wenig nach rückwärts geschoben, und der Frühlingswind, der ihr entgegenwehte, zerzauste das darunter hervorquellende Haar und trieb es, da sie es nicht zurückstreichen konnte, immer tiefer in die Stirne herein.
So ist also die Hoffnung von dem mäßigenden Einflusse der Gewerkschaftsbewegung auf Sand gebaut. Aber
Das sah gar kokett und reizend aus, sie wußte es nicht. Sie dachte nur an die prachtvolle Azalee, mit der sie morgen, am Geburtstage des Vaters, den Frühstückstisch zieren wollte.
Es war ein Verwandter von ihnen, der hier im Hofgarten bedienstet war und alljährlich durften die Kinder hierher kommen, um für diese Gelegenheit eine Blumenspende in Empfang zu nehmen.
Etwas so Schönes aber hatten sie noch niemals bekommen und in ihrer Freude darüber hatten sie dem Gärtnerjungen, der ihr den Stock sorglich in Papier hüllte, ein Zwanzigpfennigstück in die Hand gedrückt. Sie hätte ihm mehr gegeben, wenn fie's gehabt hätte.
Die Mutter hatte ihr das Geld mitgegeben, damit sie die Trambahu zur Heimfahrt benutzen fönne, aber das hätte sie doch nicht gethan. Ihre Azalee breitete sich viel zu üppig aus; sie hätte schön ausgesehen, wenn sie sich damit unter die Leute in einen Tramwagen gepfercht hätte.
Sie lächelte über diesen Gedanken, sie war kräftig genug, um ihre Blume selbst nach Hause zu tragen.
Rascher begann sie auszuschreiten und da sie den Sonnenschirm, den sie an einem Bande am Handgelenk trug, nicht aufzuspannen vermochte, ließ sie sich die warme Aprilsonne in das Gesicht scheinen, das frisch und frei in die
Welt blickte.
Sie fühlte sich heute wieder einmal so froh und sicher. Der Vater hatte ihr in der Zeitung die Notiz gezeigt, daß Baron Morre München verlassen habe, um seinen Posten bei der Gesandtschaft in Kairo anzutreten.
Thretwegen hätte er nicht gar so weit zu gehen gebraucht, aber es war doch sehr gut, denn von dort kam er wenigstens nicht so bald wieder zurück.
Als sie aber jetzt in die Hauptallee einbog, stand fie
CO