Fürforgeftellentag für Cungenüranke. Der internationalen Konferenz zur Bekämpfung per Lungen- tuberkulöse, �die heute in Berlin ihren Anfang nimmt, ging gestern der zweite Fürsorgestellentag für Lungenkranke voraus. Zu dem- selben hatten sich etwa 300 Männer und Frauen, die in der Be- kämpfung der Tuberkulose tätig sind, im Sitzungssaale des Abge- ordnetenhauseS unter Vorsitz des Wirkl. Geh.-Lbermedizinalrat Professor Gaffky eingefunden. Hofrat Dr. Ferdinand Mah-München sprach über die O r- ganifation der Fürsorge stellen für Lungen- kranke und ihre Stellung zu den anderen für die Tuberkulose- bekämpfung in Betracht kommenden Wohlfahrtseinrichtungen. Der Redner gab zunächst einen ausführlichen Ueberblick über die Eni- stchung der Fürsorgestellen und hob hierbei den Einfluß hervor, welchen die Einrichtungen der Dispensaires im Auslande, nament- lich in Frankreich , auf die deutschen Fürsorgestellen ausgeübt haben. In Grotz-Berlin hat sich vor etwa zehn Jahren das Zentralkomitee für Fürsorgestellen in Grotz-Berlin ge- bildet, um eine Zersplitterung der Kräfte zu vermeiden. Es sind namentlich die Arbeiten des Geheimrats Pütter von der Ber - liner Charite für dieses Zentralkomitee wie überhaupt für das ganze Fürsorgestellenwesen richtunggebend gewesen. Der Schutz der Kinder gegen Infektion erscheint als eine der Hauptaufgaben der Bekämpfung der Tuberkulose überhaupt, denn in der Infektion f>.n KindeSalter haben wir die wichtigste, allerdings nicht die ein- zr�e Krankheitsursache zu erkennen. Auch Erwachsene können sich frwch an Tuberkulose infizieren, sei ei, daß fig zu den wenigen ne.itören, die als Kinder nicht infiziert waren, sei es, daß die Jnanunität, die sie als Kinder erworben haben, erloschen und neuen Angriffen nicht mehr gewachsen ist. Aeutzerst wichtig für die Proplwlaxe ist die Verhütung der Masseninfektion und der stati scheu AutoinfeZtron bei Kindern sowie die Verhinderung der An steckungsgefahr für Erwachsene. Die Frage, wer der Träger der Fürsorgestellen fein soll, wäre verfehlt, es kann sich nur um die Frage handeln, wer alles Träger sein kann, denn der Gewinn liegt in der Vielseitigkeit. Es ist höchst erfreulich, wenn Behörden und Städte, wie z. B. Schöneberg, Charlottenburg , Köln , Ham- bürg u. a. geradezu Unübertreffliches leisten, wozu ihnen ja auch die reichen Mittel ihrer Gesundheitsämter zur Verfügung stehen. Aber auch die Tätigkeit von Vereinen hat ihre großen Vorzüge; sie haben Vorzügliches geleistet und tun es noch immer, fei es, daß sie als Provimzialvereine, fei es, datz sie als Ortsvereine auftreten oder, wie in Schöneberg , solange als Pioniere wirken, bis die Stadtgemeinden da? von ihnen ins Leben gerufene Werk über- nehmen und weiter führen. Gewiß, die städtischen Für. s o r g e st e l l e n haben ihre unvergleichlichen Vorteile, aber eS läßt sich nicht leugnen, daß auf manchem Gebiet der Fürsorge- tätigkeit, so z. B. bei Gewährung von Wohnungsmieten, von Betten usw., die leichtere Beweglichkeit von Vereinen gegenüber dem bureaukratischen Schema polizeilicher Verwaltungen mit ihren Formalitäten und Schreibereien vorzuziehen ist. Von 35S privaten Fürforgestellen in Deutschland sind 19S von Vereinen, 80 von Ausschüssen, 132 von Vereinigungen oder Stiftungen errichtet, welche auch noch andere Ziele verfolgen. Die Ortsvereine vom Roten Kreuz, und zwar fast durchweg die Frauenvereine vom Roten Kreuz haben 32 Fürsorgestellen errichtet, die zum Teil ganz hervorragend eingerichtet sind, wie z. B. die in Magdeburg . 33 Proz. aller deutschen Fürsorgestellen, nämlich 417, sind durch Behörden oder öffentliche Organe errichtet. Für die Fürsorge tätigkeit fei die Frau mit ihrem Zartgefühl, ihrem raschen Er. kennen und offenen Blick viel besser geeignet als der Mann, so daß sich durchaus die Anstellung weiblicher Fürsorge- sch western und Pflegerinnen empfehle. Die Fürsorgestellen sollen möglichst im Zentrum und ebenerdig gelegen sein, und die Lokale dafür sollen womöglich für keine anderen Zwecke benutzt werden; wenn dies aber doch unvermeidlich sein sollte, dann müssen sie vor jeder anderen Verwendung entsprechend gereinigt und des- infiziert werden. Wenn eine Fürsorgestelle in der Wohnung eines Arztes sein muß, dann soll sie getrennt von den übrigen Räumen sein. Heizbare Warte« und Üntersuchungsräume sowie nach Möglichkeit auch ein besonderer Raum für Schwestern sind wünschenswert. Es ist praktisch, daß die Schwester im gleichen Haufe wohnt.— Zum Schluß fordert der Referent unter Hinweis darauf, daß Robert Koch die Für sorge st eilen als 'das wichtigste Kampfesmittel gegen die Tuberku- lose bezeichnet hat, einen Zusammenschluß dieser Fürsorgestellen und bemerkt, daß nur dann die Fürsorgestellen wirklich das Zentrum der Tuberkulosebekämpfung darstellen, wenn sie allen Anforderungen genügen, um jeden einzelnen Seuchenherd zu entdecken und dje Kranken rechtzeitig isolieren zu können. Es sei nicht abzuleugnen, daß viele der bestehenden Fürsorgestellen nicht allen Anforderungen genügen und daß so manche, die nur Geld oder Milch den Kranken gewähren, nicht mehr sind als ge- wohnliche Wohltätlgkeitseinrichtuugen, aber nicht zur Bekämpfung der Tuberkulose beitragen. Durch solche minderwertige Fürsorge wollen auch NichtMitgliedern die Möglichkeit geben, unser Theater zu besuvden.'Sollte es sich herausstellen, daß wir nicht genügend Plätze im Neubau am Biilowplatz haben werden, so soll ein zweites Theater gebaut werden. Das sieht allerdings wie eine Konkurrenz zu den Schillerbühnen aus. Indes gibt es in Berlin so viele Leute, die zu annehmbaren Preisen gute Kunst haben wollen, daß wohl eine Beeinträchtigung dieser Institute nicht erfolgen wird, wenn auch das Repertoire und sogar die Preise ähnliche sein werden. Was ersteres betrifft, so wollen wir vor allem daS klassische Drama pflegen, waS an den bisher unserem Berein zur Verfügung stehenden Bübnen nicht möglich war. Danach wird auch die Zusammenstellung deS Ensembles erfolgen. Aber auch Uraufführungen moderner Autoren sind in Aussicht genommen. Literarische MatineeS sollen eingerichtet werden/ — Theaterchronik. Im Theater am Nollendorfplatz ge- langt am nächsten Sonnabend, nachmittags 3 Uhr, zu kleinen Preisen Schillers»Maria Stuart ' zur Aufführung. — Ein Fichtegemälde in der Universität. Professor Artur Kampf erhielt den Auftrag, in der neuen Universitätsaula. der alten Kgl. Bibliothek, ein großes Wandgemälde auszuführen. Es soll FichteS Reden an die deutsche Nation zum Gegenstand haben, die er in der alten Akademie im Winter 1807/08 hielt. — Ein Komponist, der sich loskauft. Der Kom- ponist Jean Gilbert war mit seinem Manager sMacher) W. Mendel in Differenzen geraten. Die Folge: ein Prozeß und ein Bombardement von Erklärungen. Die Herrschaften haben sich nun. nachdem sie gegenseitig gehörig ausgeladen, geeinigt. Der Komponist muß an den Manager eine Viertelmillion Marl zahlen. Der Prozeß ergab nette Einblicke in die kapitalistische Agenten- und Vermitllerwirtschaft. Der Mendel hatte seinerzeit 28 800 M. auf- gewendet, um den Komponisten auf zeitlebens zur Abgabe von 25 ja 50 Prozent seiner Einkünfte zu verpflichten. Er soll inzwischen schon 300 000 M. von seinem Opfer gezogen haben.— Die Ver- sklavung der Künstler(der schaffenden wie der darstellenden) durch die Geldparasiten wird leider trotz solcher Erfahrungen von Tag zu Tag ärger. — Das Fiasko der Prinzessin-Operette. Die Uraufführung der Tosellischen Operette, die„Bizarre Prinzeß' im römischen Theatre Nationale bedeutete einen völligen Mißerfolg. Während der erste Akt ruhig angehört wurde, ertönte bereits beim zweiten lautes Zischen und der dritte konnte nur mit Mühe unter dem lebhaften Protest des Publikums zu Ende gespielt werden. Die Handlung der Operette ist dürftig und die Musik entbehrt jeder Originalität. Am Schluß der Vorstellung riefen Neugierige nach der Verfasserin und dem Komponisten, die, als sie sich zeigten, mit ironischem Beifall begrüßt wurden. stellen könne die ganze Einrichtung in Mißkredit gebracht werden nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den Aerzten. Wenn die Tuberkulosebekämpfung auch viel Geld braucht, so müssen doch auch die richtigen Persönlichkeiten und die entsprechende Organi- sation vorhanden sein, um die richtige Verwendung der Gelder zu ermöglichen. Die Fürsorgestellen sollen keine Wohltätigkeitsanstalten sein sondern gemeinnützige Wohlfahrtsanstalten und sie müssen daher mit allen anderen gemeinnützigen WohlfahrtSanstalten in Ver- vindung stehen.— Wir wollen, schloß der Redner, uns nicht damit brüsten, möglichst viele Fürsorgestellen zu haben, sondern wir wollen möglichst gute haben. Darum dürfen wir nicht rasten, um das zu erreichen, was Robert Koch als daS beste KampfeSmittel gegen die Tuberkulose bezeichnet hat. In der Diskussion gab der Begründer der Dispensaires Professor Ealmette-Paris, in sranzöstscher Sprache einen kurzen Ueberblick über die Entwickelung der Dispensaires und bemerkte, daß ihre Ausgestaltung ein soziales und Wirtschaft- liches Werk von hoher Bedeutung sei.— Aus der Diskussion seien besonders die Darlegungen des Geheimrais P ü t t« r, des Per- waltungsdirektors der Berliner Charite, hervorgehoben. Er wies auf die Tätigkeit des Zentralkomitees d-r Aus kunfts- und Fürsorge stellen in Berlin hin, das im Jahre 1312 annähernd 30 000 Lungenkranke, 1300 Alkoholkranke und 400 Krebsverdächtige in seiner Fürsorge hatte, die sich auch auf den Mittelstand erstreckte. Tie Fürsorge für Alkoholiker dürfte im Jahre 1312 in Berlin der städftschen Armenkasse etwa 60 000 M. erspart haben. Einige 100 Personen wurden durch rechtzeitige Untersuchung und Erkennung ihrer Krankheit vor dem Tod an Krebs bewahrt, weil sie zur rechtzeitigen Operation gebracht wurden. Die Landesversicherungsanstalt Berlin , die eigene Fürsorgestellen unterhält, hat infolge gewisser Differenzen die Subvention an daS Zentralkomitee einge- stellt, während die Stadt Berlin zu den Betriebsmitteln 1313 50 000 3)1. beisteuerte. Im Jahre 1312 wurden über 11 000 Kinder ärztlich untersucht und ihre häuslichen Verhältnisse kontrolliert. Der Redner tritt entschieden dafür ein, den Fürsorgestellen nicht nur den Kampf gegen die Lungenschwindsucht, sondern auch gegen die anderen Volkskrankheiten zu übertragen. Heute tritt im Abgeordnetenhause die 11. internationale Tuberkulosekouferenz zusammen, die bis zum 25. Oktober dauern wird._ Kommunale Klaßlbewegung. Für den 9. Kommunalwahlbezirk fand am Dienstag eine Versammlung im Luisenstadtkajiiw statt. Referent war der Stadtverordnete Paul Böhm. In der Dis- kussion sprachen die Stadtverordneten Gottfried Schulz und Wilhelm Mann. So hatten die Versammelten Gelegenheit, von drei Vertretern der Arbeiterschaft eine eingehende, mit zahl- reichen Tatsachen belegte Schilderung der Tätigkeit der sozialdemo- kratischen Stadtverordnetenfraktion zu hören. Ein interessantes Bild war es, was sich den Zuhörern entrollte. Sie sahen, wie unsere Genossen im Rathause seit zwei Jahrzehnten bemüht sind, die bürgerliche Mehrheit vorwärts zu treiben und zur Erfüllung sozialer Aufgaben der Gemeinde zu bewegen, was denn auch nach harten Kämpfen mit der rückständigen Mehrheit bis zu einem ge- wissen Grade gelungen ist. ES läßt sich nicht verkennen, daß mit unseren Genossen ein neuer Geist in die Stadtvertretung einge- zogen ist, der sich aber infolge deS hartnäckigen Widerstandes der bürgerlichen Mehrheit nur langsam, aber mit stets wachsendem Erfolge durchsetzt. Dem Drängen der Massen, die hinter unseren Vertretern stehen, muß man schließlich, wenn auch widerstrebend. Rechnung tragen. Deshalb ist es jetzt die Aufgabe der sozialdemo kratischen Wähler, ihre Vertreter mit einer imposanten Stimmen zahl wiederzuwählen, nicht im Bewußtsein der Sicherheit des Sieges im 3. Bezirk lässig zu sein, sondern so zu arbeiten, als gelte eS, den Bezirk neu zu erobern. In der Versammlung für den 16. und 22. Kommunalwahlbezirk bei Boeker, Weberstratzc, referierte zunächst Genosse B a! n e r. Er beleuchtete die sozialen Einrichtungen der Stadt, vornehmlich die Fürsorge für Kranke in Krankenhäusern und Heilanstalten und wendete sich schließlich dem Schulwesen zu, indem er betonte, wie- viel gerade auf diesem Gebiet« noch zu tun übrig bleibt. Dann kam Genosse Wengels zum Wort und zeigte an Hand eines reichen Zahlenmaterials, wie außerordentlich benachteiligt die minderbemittelten Wähler durch das geltende Wahlsystem sind, das noch durch das Hausbesitzerprivileg besonders reaktionär wirke. Eine Diskussion knüpfte sich nicht an die Referate. Die IleubSIIner Genossen und der Parteitag. Die Neuköllner Genoffen führten am Dienstag die Debatte über den Parteitag in Jena zu Ende. Den Diskussionsreigen er- öffnete Genosse Barth. Er ist der Meinung, datz die Arbeits- losenfrage so wie sie auf dem Parteitag erledigt wurde, auch auf jedem sozialen Kongreß verhandelt worden wäre. Nicht haben wir etwa? von oben zu»warten, sondern wir müssen fordern und rück- stchtslos anklagen. So muß der Klassenkampf in dieser Frage be- sonders in den Bordergrund gerückt werden. Die Parteipresse >ürfe bei Selbstmorden ans Arbeitslosigkeit usw. nicht schreiben: Durch Not in den Tod, sondern: Die kapitalistische Gesellschaft hat wieder einen Mord auf dem Gewissen. Keine Zeit sei besser dazu angetan die Massen aufzurütteln, als gerade die der Krisen. In dieser ist es angebracht, den Massenstreik mit Erfolg zu diskutieren. Das Ergebnis des Parteitages verdiene kein Hosiannah. Retzerau: Solange er zurückdenken könne, habe noch kein Parteitag eine solche Zerfahrenheit gezeitigt wie der vergangen«. Bebel hätte wahrscheinlich anders gewirtschaftet. Wenn eine Rebe die Partei diskreditiert habe, so war eS nicht die der Genossin Luxemburg , sondern die des Genossen Bauer. Zur Kampfes- erziehuirg habe die Partei nicht Genügendes getan. Bis vor einiger Zeit sagte man: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen, und damit sind wir gut gefahren; warum nun der Umschwung dieser erprobten Anschauung 7 Daß durch den Massenstreik recht bald Erfolge erzielt werden, ist zu wünschen. Podany: Es klang aus den Berichten über den Parteitag heraus, daß die Riesenmaschine der Partei nicht mehr recht funktio- niert. Bei den vielen Volksvertretern müsse in der Arbeitslosen- wage etwas herausspringen. Von den Delegierten hatten wohl die meisten die Fühlung mit der Masse verloren. Der Entschluß in der Polenfrage zeitige versteckte Germanisation. Obgleich er und viele andere immer gegen diesen Beschluß kämpfen werden, dürfen wir uns keinesfalls gegenseitig zerfleischen, sondern wir müssen uns brüderlich fördern. Franke: Betonen möchte ist, datz in der Frage der Arbeits- losenfürsorge etwas Großes geleistet worden ist. Bauer mußte ch in der Massenstreikangelegenheit bewußt sein, was er tat. whrlässig war es von ihm, eine derartige Stegreifrede zu halten. Die Masse muß mit ihren Waffen vertraut sein, um bei einem Raub des Koalitionsrechtes gewappnet zu sein; aus diesem Grunde mutz die Massenstreikfrage auch mehr innerhalb der Gewerkschas- ten ventiliert werden. Mit dem Maifeierbeschluß haben die Neu- köllner bis dato trübe Erfahrungen gemacht. Da der Delegierte Scholz die Stimmung der Diandatgeber kannte, sei es bedauer- lich, daß er auf dem Parteitage sein Votum nicht in ihrem Sinne abgab. Radtke: Es hat wohl noch kein Parteitag die volle Zu- ftimmung aller empfangen; denn je größer die Partei wird, desto 1 mehr wachsen ihre Aufgaben. Ein politischer Massenstreik muß mit Arbeitenden gemacht werden; wenn man noch dazu bedenkt, daß uns gegnerisch organisierte Arbeiter als Feinde gegenüber stehen. In der Steuerfragc mutz berücksichtigt werden, daß feststehende Steuern nicht der Arbeiterschaft aufgehalst werden. Der Maifeierbeschluß erscheint ihm schärfer, als der vorangehende. In langer, zäher Pionierarbeit und nicht mit Worten erziehen wir Kämpfer; aus diesem Grunde ist der Ausbau der Organisationen eine erste Vor- bedingung zum Massenstreik. Faaß: Wenn durch Schuld der Fraktion dem Volke eine indirekte Steuer aufgebürdet worden wäre, wir würden aus der Agitation schön nach Hause geschickt. Die Fraktionshaltung war zu billigen. Es stimmt nicht, daß nur der Masse Entfremdete als Parteitagsdelegiertc ihr Amt ausführten; über die Hälfte waren im Beruf Tätige. Nicht darüber streiten wir, ob wir den Willen, sondern darüber, ob wir stark genug sind, einem ungleich stärkeren Gegner ein Paroli zu bieten. Das ist die Kernfrage. Die Ber- herrlichung der Unorganisierten tut dem Gewerkschaftsgedanken großen Abbruch, Grund zum Pessimismus haben wir auf keinen Fall. Schon viel wäre dem Proletariat wieder entrissen, wenn es nicht schon über ansehnliche Streitkräfte verfügen würde. Lehmann: Den Mitgliedern der P. P. S. sei es vorerst um Nationalsragen zu tun. Wenn gesagt wird, durch die Dis- kussion des Massenstreiks zeigten wir den Gegnern unsere Schwächen, so stimmt das nicht; denn unsere Widersacher wissen ganz genau, wieweit das Klassenbewußtsein bei uns entwickelt ist. Mit einem gewissen Recht sagen die Gewerkschaften in der Massen- streiksrage: Spielet nicht mit Feuer! Wird es einmal so weit sein, dann stehen auch die Gewerkschaftler ihren Mann. Eine Unsitte ist es, bei Meinungsverschiedenheiten immer„Richtungen' zu konstruieren. Scholz: Es ist gesagt worden, alles wird zu lau und zu lasch angefaßt; za, wo sind denn dann die kritisierenden Genossen, wenn es heißt, ein Amt anzunehmen. Da drücken sich die meisten von der Arbeit Bei einem Massenstreik mutz die Produktion lahm gelegt werben. Kann man es bei der heutigen Arbeitslosigkeit wagen, die Arbeiter aus den Betrieben herauszuholen? Nein! Schon auf der Kreisgeneralversammlung habe Redner seinen Standpunkt zur Steuerfrage präzisiert. Dieser decke sich vollständig mit dem schon seit langen Jahren von der Reichstagsfraktion ver- folgtem. Seine Haltung bei der Abstimmung war also bekannt. Nachdem noch K o t t e als letzter Redner die Ergebnisse des Parteitages kritisiert hatte, nahm P ä tz e l das Schlußwort. Er faßte sich nach Widerlegung der verschiedensten Diskussionsredner dahin zusammen, daß der Parteitag weder Lob noch Tadel ver- diene. Er habe eben wie alle vorangehenden einfach seine Auf- gäbe im Interesse der Gesamtpartei gelöst. Sodann teilte der Vorsitzende mit, daß der frühere Stadt- verordnete Wille, da er bei der Landtagswahl einem Gegner seine Stimme gab, aus dem Neuköllner Wahlverein ausgeschlossen ist. Diese Angelegenheit ist nach Groß-Berlin weitergegeben worden._ Soziales* Tarifvertrag und§ 153 der Gewerbeordnung. Das sächsische Oberlandesgericht fällte dieser Tage ein wich» tiges, mit der neueren Rechtsprechung deS Reichsgerichts überein- stimmendes Urteil über die Nichtanwendbarkeit der Strafbestim» mungen des Z 153 der Gewerbeordnung auf Tarifverträge. Bei dem Neubau des Tietzschen Warenhauses in Chemnitz war zwischen der Zahlstelle des Zimmererverbandes und dem Arbeit- geberverband für das Baugewerbe ein Tarif abgeschlossen worden. Danach war die Arbeitszeit auf 7lh Stunden für die Winter» monate festgesetzt. Ueberstunden sollten nur in dringlichen Fällen mit Zustimmung der Baudelegierten erfolgen, da eS viele Arbeits- lose gab. Die beiden Verbandsmitglieder Lesch und Simon verstießen hartnäckig gegen diese Bestimmungen, indem sie zur Er- langung eines größeren Verdienstes regelmäßig zehn Stunden arbeiteten. Zwei Baudelegierte ermahnten die beiden Ueber- stundenmacher an ihre solidarischen Pflichten und als diese in ihrer Ueberarbeit ungeachtet dessen fortfuhren, erklärten sie ihnen:„Ihr müßt aufhören; die anderen haben beschlossen, nicht mehr mit Euch zu arbeiten. Geht in das Bureau der Zahlstelle, dort wird Euch andere Arbeit nachgewiesen." Wegen dieser Aeutzerung wurden beide vom Schöffengericht zu zwei Tagen Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah darin eine Drohung im Sinne des 8 153 der Gewerbeordnung. Die von den Angeklagten eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Jetzt hat der Strafsenat des OberlandcSgerichtes alS RevitionSinstanz die Angeklagten kostenlos freigesprochen. In der Urteilsbegründung heißt eS unter anderem:„... Wie aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichtes hervor- geht, war das Absehen der Angeklagten darauf gerichtet, die Zimmerer Lesch und Simon zur Beobachtung eines tariftreuen Per- Haltens zu bestimmen, das heißt also, dem zwischen den Arbeit- nehmern und den Arbeitgebern rechtsgültig abgeschlossenen Tarif- vertrage Folge zu leisten. Ein solcher Tarifvertrag fällt aber nicht unter die Kampfmittel deS§ 152 der Gewerbeordnung, er ist im Gegenteil der den Kampf beendende Friedensschluß. Damit v«d der Anwendung de?§ 153 der Boden entzogen....' Der Erfolg der„Erdrosselungssteuer.' Die Warenhaussteuer entsprang der Absicht, die Warenhäuser zu erdrosseln, die Entwickelung zu hemmen. Sie hat aber, was von Sozialdemokraten vorausgesagt wurde, gerade die Entwickelung der ganz großen Betriebe gefördert, höchstens das Aufkommen kleinerer Warenhäuser gehemmt. Die Statistik der Warenhaussteuer beweist das. Mit dem Wirksamwerden der Steuer ging die Zahl der ver- anlagten Betriebe zunächst stark zurück, bald jedoch begann wieder ein Ausstieg, der besonders im Jahre 1312 sehr lrästig war. Mit dem Rückgang der Betriebe war aber gleichzeitig eine Steigerung des auf das einzelne Unternehmen entfallenden Steuerertrogs ver- bunden. Die Steuer wirkte in der Richtung zum Großbetrieb. Aus der nachfolgenden Zusammenstellung ist die Entwickelung in ihren Hauptzügen zu erkennen. Es waren veranlagt: Steuersoll Jahr 1301 1302 1303 1310 1311 1312 Betriebe 103 86 73 103 108 121 pro Betrieb M. 28 201 22 247 26 483 28 236 30 384 32 505 Der Rückgang der Betriebe von 1301 auf 1302 wurde durch Aenderungen im Betriebs herbeigeführt; man mackne aus dem Warenhaus ein Spezialgeschäft! Daher auch der Rückgang im Stcuerertrage. dem schon im nächsten Jahre eine kräftige Steigerung olgte> Wie sehr man mit der Erdrosselungssteuer die En rw icke- lung zum Großbetrieb gefördert bat, lehrt noch sinnen- ällig das Ergebnis der Steuerleistung in Berlin . Hier ist der auf einen Beirieb im Durchschnitt entfallende Betrag von 47 270 M. im Jahre 1302 auf 106 380 M. im Betriebsjahre gestiegen. Die Kon- iervaliven und Ultramontanen werden trotzdem weiter Mittelstands- lolitik nach so bewährtem Muster treiben und die Spießer laufen hnen sicher auch»och weiter ins Garn. Kurzfichtigkeil und Arbeiter- haß sind ja ihre Berater.______ Ein eigenartiger Erlaß des Kultusministers. Durch einen Erlaß vom 4. September d. I. hat. wie die„Co» respondenz des Deutschen Lehrervereins" schreibt, der pvenßisch»
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