Nr. 280. 30. Zahrgavz.1. k'tilW des Jonärtf SetünttZsnvabend, 25. Oktober 1913.GcwcrhfcbaftUcbca.Zur Knappfcbaftsrefonn im Rubrrcvicr.Vielleicht zu wenig beachtet in der Fülle anderer Er-eiflnisse wurden wichtige Dinge, die sich in den letzten Mo-naten im Ruhrbergbau abgespielt haben, die aber aus dieganze Arbeiterbewegung des großen Industriebezirkes ihrendauernden Einfluß ausüben. Es handelte sich um zweierlei:Sollte der freie Bergarbeiterverband die vom christlichenGewerkverein angebotene Arbeitsgemeinschaft her-stellen? Und zweitens: Wie war es möglich, den Werks-Kesitzern bei der bevorstehenden Satzungsänderung imBochumer Knappschaftsverein Zugeständnisse abzuknöpfen?Die freie Gewerkschaft der Bergleute hat. wie e» ihr dieEhre gebot, die Anbiederungsversuche der Christlichen zu-rückgewiesen. Nach dem Verhalten des christlichen Ge-Werkvereins im März 1912 war dies die einzig mögliche Antwort. Die gute Konjunktur im Bergbau hat ihren Höhepunktüberschritten. Seit Wochen werden bereits zahlreiche Feier-schichten eingelegt— an ein Vorgehen der Arbeiter in derLohnfrage ist vorläufig nicht zu denken. Als zu einem gemein-samen Vorgehen vor anderthalb Jahren die Umstände äußerstgünstig lagen, da schloß der christliche Gewerkverein eine„Arbeits gemsinschaft" ab mit den Werks-be sitzern, Gendarmen und der Polizei zurNiederwerfung der aussichtsreichen Bewegung. Jetzt, wo dieFichrer der Christlichen zwischen zwei Stühlen sitzen, indemsie weder von den Werksherren noch von vielen Arbeitern be-achtet werden, wollen sie mit dem alten Verband eine ge-meinsame„Kampfesfront" gegen die Unternehmer schaffen.Und wenn es zu weiter nichts nutzen könnte, dann dochwenigstens zur Wahrnehmung der beiderseitigen Interessenin der Knappschaft. Der alte Verband hielt sich die Christ-lichen auch hier vom Leibe.Die Vorteile, die für die Bergarbeiter erzielt werdenkonnten, waren ohne die Hilfe der Christlichen, allein durchdio Verbandsältesten zu erreichen. Seil dem Jahre 1919 hatder Verband die erdrückende Mehrheit der Knappschafts-ältesten, er hat alle Posten im Vorstand und den Ausschüssenbesetzt, soweit sie Arbeitern offenstehen. Die Christlichen, diebis 1994 mit den Werkstrabanten die Mehrheit der Aeltestenhatten, sind jetzt völlig ausgeschaltet.Was sich jetzt nach der Generalversammlung der Knapp-schaft in den Kreisen des christlichen Gewerkvereins abspielt,ist ergötzlich zu beobachten. Offen gegen die Beschliisse Frontzu machen, wagen die Helden nicht, weil ja ihre eigenenAeltesten mit dafür gestimmt haben, und dann auch, weil siebei den Knappschastsmitgliedern schlecht anlaufen würden.Um aber ihrem Aerger über den Verlauf der Sache Luft zumachen, vollführen die Führer die tollsten Sprünge. Zunächstgriffen sie eine Bemerkung der„Köln. Zeitung" vom 19. Ok-tober auf, die einen Teil de? Erfolges den gelben Werk-vereinen zusprechen wollte. Deren Führer hätten— sagt die„Köln. Ztg."— die Werksvertreter ganz im stillen zum Ent-gegenkommen überredet.So albern diese Behauptung auch ist. den Führern derChristlichen war sie gut genug, um den Erfolg des Verbandeszu verkleinern. Unter dem Stichwort„Ein arges Mißgeschick"brachte bald darauf ihre Presse, von der„Germania" bis zumletzten Zentrumskäseblatt, den Kölnischen Kohl mit dernötigen Brühe. Nachher mag den braven Christlichen aufge-dämmert sein, wie dumm sitz waren, wenn sie ihren gelbenKonkurrenten so großen Einfluß zuerkannten und damitihren eigenen Jammer noch steigerten. Sie machen es• jetztanders.— wenn es auch nicht viel klüger ist. So hat der Ab-geordnete I m b u s ch vor einem Häufchen christlicher Knapp-schaftsmitglieder in Höntrop am 19. Oktober eine Reso-lution fassen lassen, in der es heißt,„daß die minimalen Zu-geständnisse der Werksherren denselben nicht abgerungenworden wären ohne die Einigungsbestrebungen des Gewerk-Vereins christlicher Bergarbeiter". Wenn es so ist, warumhaben dann diese Helden nicht schon längst ihre Macht benutztund den Zechenherren Zugeständnisse abgerungen? DieZechenbesitzer lachen darüber, und auch die Arbeiter nehmendie neueste Jmbuschprahlerei nicht ernst. Sie wissen besser,worauf es ankommt, wenn den Unternehmern etwas abge-rungen tverden soll. Der ernste Wille zum Angriffist dazu notwendig. Und daß diese Einsicht jetzt weiteKreise der Bergarbeiter erfaßt, ist einer der besten Erfolgeder neuesten Knappschaftsreform.Ter abgeblitzte Staatsanwalt.Bor lurzem wurde in einer Strafkammersitzuug in Stolp inPommern nach einem Streikprozetz ein gewerkschaftlich organisierterMaler Eggert auf Anregung deS Staatsanwaltes v. Koenen vor-haftet. Er sollte eS unternommen haben, zwei Streikbrecher, diedem Gcwerkverein der Bauhandwerker(Hirsch-Duncker) angehörten,zum Meineid zu verleiten, und zwar bekundeten die Hirschedieses übereinstimmend. Jetzt ist das Verfahren gegen Eggert ein-gestellt und er aus der Haft entlassen worden. Dem Gerichtmüssen doch wohl Zweifel aufgestiegen sein, einen völlig un-bescholtenen Arbeiter nur auf die Aussage von Arbeitswilligen hin,die fast in jedem der zahlreichen Streikprozesse eine Rolle spielen,den Garaus zu machen._DeutTches Reich.MM Ter Chauffeurstreik i» München.fast zehn Wochen streiken die Droschkenchaufseurein M ü n ch e n. Es handelt sich um einen A b>o e h r st r e i k. DieAutomobilbesitzer lehnten es bei der letzten Tariferncuerung ab. denseither garantierten Wochenlohn von 28 M. weiterhin in denTarif aufzunehmen. Für diese Verschlechterung waren die Chauffeureselbstredend nicht zu haben und traten dann in den Ausstand. DieBesitzer, deren Söhne und einige nützliche Elemente konnten bisherden Betrieb nur notdürftig aufrechterhalten. Dienstzeiten von 18und 22 Stunden täglich sind keine Seltenheiten. Daß bei einer solchüberlangen Arbeitszeit die Sicherheit auf der Straße sehrgefährdet ist, braucht nicht besonders erwähnt zu werden. TrotzdemArbeitswillige in der letzten Zeit mehrere schwere Automobilunfälleverursachten, ist die Polizeidirektion nach wie bor untätig und siehtruhig zu, wie die nützlichen Elemente auch fernerhin den Straßen-verkehr gefährden. Hinter den Autobesitzer» steht der Arbeitgeber-verband für das Transportgewerbe, der es nicht zuläßt, daß sichdie Besitzer mit ihren Chauffeuren verständigen. Die Autobesitzer,die mangels Chauffeuren ihre Wagen in der Garage stehen lassenmüssen, werden vom Arbeitgeberverband finanziell unterstützt. EinBesitzer, der sich mit seinen Chauffeuren verständigte und die Forde-rungen bewilligte, wurde in der Ärbeitgeberversammlung verprügeltund hinausgeworfen.— Zuzug von Chauffeuren nach München istfernzuhalten._Zum Stettiner Hafenarbeiterstreik.Die Stettiner Polizei arbeitet in bekannter Emsigkeit. Unbeteiligte Passanten werden der Großen Lastadie und der Umgegenddes Hafens verwiesen; es wird ihnen mit Einsperren gedroht wennsie nicht schleunigst dem polizeilichen Befehle Folge leisten oder esfährt gar dem einen oder dem anderen die Polizeifaust ins Genick.Neuerdings werden zum Transport der Streikbrecher zirka 2S Kriminal-beamte beordert.Eine ganze Anzahl Schiffe, die früher am Dunzig oder im Frei-Hafen anlegten, um laden und löschen zu können, legt jetzt am Boll-werk an. In nächster Zeit sollen alle verfügbaren Kähne ausFürstenberg nach Stettin geschafft werden, um den Umschlagverkehrvon Phosphat und Erz über Bord borzunehmen: weil der Umschlag-verkehr durch Waggon im Freihafen und Dunzig nicht möglich ist,soll die Umladung jetzt auf diese Weise erledigt werden.Tie Gelben an der Futterkrippe der Zechenherren.Wenn es noch eines Beweises bedurfte, daß die gelbe Berg«arbeilerorganisation direkte Zuwendungen von Geldmitteln aus denTaschen der Bergwerksbesitzer erhalten, so bat diese nicht mehr ab-zustreitende Tatsache in dem Bericht deS Bergrats Müller fürdas Bergrevier Wattenscheid die amtliche Bestätigung gefunden.Es heißt dort:„Nach dem Streik 1912 hat sich auf sämtlichenZechen ein Teil der Belegschaft zusammengeschlossen, um auf gütigemWege und im Einvernehmen mit den Arbeitgebern die Verbesserungihrer wirtschaftlichen Lage anzustreben.... Zu diesem Zweckewurden sogenannte Werkvereine WS Leben gerufen, deren Mitglieder-zahl ständig im Wachsen begriffen ist und die von den Zechen-Verwaltungen durch Zuwendungen von Geld-mittel» und durch Ratschläge zu in Besten der Mit«glieder unterstützt werden."mHusUnd.Der Ausstand der Seeleute in Italien.Die italienischen Seeleute rühren sich. Nach wiederholten vor-geblichen Bemühungen, ihre Forderungen auf gütliche Weise erfülltzu sehen, sind sie jetzt in den Ausstand getreten. Die vorliegendenTelegranime aus Venedig und Mailand lassen erkennen, daßder Streik sehr erfolgreich in den Handelsvettehr rtngegriffe».hat. In beiden Städten konnte ain Donnerstag und Freitag keinFrachtdampfer den Hafen verlassen.vom tapf gegen die„vollisfüriorge".Die„Volksfürsorge" ist bekanntlich eine von Arbeitern fürArbeiter errichtete gewerkschaftlich-genossenschaftliche Bersicherungs-Aktiengesellschaft. Während die kapitalistischen VersicherungSgesell-schaftcn Riesengehälter und Riesentantiemen aufwenden— erstkürzlich gaben wir Zahlennachweise— fließen bei der. Volks«für sorge" alle Erträgnisse in voller Höhe denVersicherten zu. Die„Volksfürsorge" wird auf das lebhaftestevon arbeiterfeindlichen Blättern bekämpft, tveil sie geeignet ist, denProfit der kapitalistischen Versicherungsgesellschaften zu beschränken unddie Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Arbeiterklasse zu heben.Begreiflich daher, daß die„Post",„Deutsche Tageszeitung",„Kreuz-Zeitung",„Hamburger Nachrichten", sekundiert von der Zentrums-presse und der„Nordd. Allg. Ztg.", die„Bolksfürsorge" angreifen, tvosie können und für die zur Schwächung und Bekämpfung der„Bolksfürsorge" ins Leben gerufenen Gesellschaften eintreten, insonderheitfür die durch den General-Landschaftsdirektor Geheimen Ober-Regierungsrat Dr. Äapp-Königsberg in» Leben gerufene„DeutscheVolksvcrsicherung A-G. Berlin" werben.Diese„Deutsche Volksversicherung A.-G. Berlin" ist am 16. Sep«tember von deutschen Versicherungsgesellschaften in«Leben gerufen. Jede Aktie lautet auf 600 M. Die Aktien befinden sich im fast ausschließlichen Besitz von30 kapitalistischen Versicherungsgesellschaften.Der Hirsch-Dunckersche Verein, christliche und nationale Vereine, ins-gesamt 22„Arbeiterorganisationen" sind von den Kapitalisten ein-gefangen. Sie haben 37 Aktien erhalten, haben also auf derGeneralversanunlung 37 Stimmen, während die 30Privatversicherungs«gesellschaften 3263 Aktien und auch Stimmen haben. Tatsächlichhaben also die 22 Vereine kaum ein S ch e i n r e ch t bei der Vcr-waltung.Da der Einfang der Versicherten für die Kappsche Gründungnicht recht gelingen will, so wird neuerdings mit Reklameartikelnfür die Kappsche Gründung nnd mit Angriffen gegen die„Volks-fürsorge" auch in der„Nordd. Allg. Ztg." vorgegangen. So heiß;es dort, um vor der„Volksfürsorge" graulich zu machen:„Dabei ist die„Volksfürsorge" nur geschaffen worden, u»,Eingang in Kreise zu gewinnen, die der Sozialdemokratiebisher fernstanden."Diese Behauptung der„Nordd. Allgem. Ztg." ist eine glatteUnwahrheit. Die„Volksfürsorge" ist gegründet worden, um denArbeitern und kleinen Leuten im Volke, ohne Rücksicht auf ihrepolitischen oder religiösen Anschauungen, die Möglichkeit der Per-sicherung zu schaffen und sie dabei vor den von allen Seitenanerkannten Nachteilen der kapitalistisch be«triebe nen Volksversicherung zu bewahre nl DieTatsache, daß in dem Vorstand und AufsichtSrat der„Bolksfürsorge"vorwiegend bekannte Führer der Sozialdemokratie sitzen, ist nur eineGewähr dafür, daß das Programm der Gesellschaft gewissenhaftdurchgefiihrt wird, das lautet: Auch auf diesem Gebierealles durch das Volk und alles für daS Volk!Die von der„Norddeutschen Allg. Ztg." verbreitere Unwahrheitsoll offensichtlich dazu dienen, in einem von der.Volksfürsorge'gegen den Landschaftsdirektor Kapp angestrengten Beleidigungs«Prozeß Herrn Kapp in Schutz zu nehmen. In der bei demKönigs-berger Gericht anhängig gemachten Klage wehrt sich die„Volks-ftirsorge" dagegen, daß Kapp der Wahrheit zuwider folgende Be«hauptungen verbreitet hatte:Die„Volksfürsorge" prüfe jeden ihrer Hhpothekenschuldner aufseine Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei, sein Darlehenlverde ihm gekündigt werden, wenn er es wagen sollte, seineStimme bei Wahlen einer anderen Partei zu geben; der Borstandnr i ß b r a u ch e die Gelder der Versicherten, um die Freundekleines fcuUletonDer Sensationeles. Herr Horden, über den der Verewigungs-drang gekommen, begnügt sich nicht mehr damit, die Heroen«darstellungen aus der neueren Geschichte zu sammeln. Auch diegroßen Schufte, die er von Zelt zu Zeit auf seinein Schmieren-theater bat agieren laffen, sollen nun in der Galerie seiner„Köpfe"für alle Zeilen aufbewahrt werden.„Prozesse" ist der verheißungS-volle Titel des neuesten Bandes, tint dein Marimilian sich direktneben den großen Kriminalisten Feuerbach, der die„merkwürdigenVerbrechen" schrieb.— stellen möchte. Mit dem an einigen Hinter-trcppenromanen geschulten psychologischen Verständnis malt er dieschaurigen Rieseuschatlen eines Dippold, eines Hau, einer Frauv. Schönebeck, eines Stcrnickel an die Wand. Leider fehlt noch dieliebe kleine Müllern. Wie interessant würde es die erst gemachthaben I Der Staatsanwalt und all die anderen Leute denenunbewußt die spielende erotische Illusion bei dem' Prozeßden Kopf verdreht, hätten mit tiefem Bückling vor ihmzutücktreten müssen. Wenn ein Geschworener das Glas ergreist.in dem in Spiritus das Herz der Frau Molitor schwimmt, pban-tasiert„Schmiiikeles" von der Schüssel des heiligen Gral. Mitwelch mystischem Schauer würde er erst den Revolver betrachtethaben, den die dämonische BuchhandlungS-Expedientm gegen ihrenzudringlichen Pagen erhob I Maximilian hat kräftige Farben. Nichtumsonst tiäuml er von Heroen! Er kennt noch die reinen Edel-naiuren. Und er kennt die radikalen Schufte. Angenehm fühlt ersich zurückversetzt, wenn der Geist der alten„idealistischen" Schmierebei ihm sein großes Pathos wieder rollen läßt!Natürlich sübrt er auch das moralische Spiel vom FürstenEulenburg und seiner Kamarilla wieder vor, einschließlich jenerhöchn erbaulichen Schlußapotdeose, in der sich Maximilian-Siegfried als Netter Deutichlands selber bengalisch beleuchtet.Hier sollten Lilien flehen! Denn die Ausrottung des„Spinatgärtleins" war des Helden Meisterstück. Kein Zweifel!Und nichts ist auch so geeignet wie dieser Fall, das tragische Ver-hängnis im Dasein dieses Großen zu beleuchten. Neulich stand inder„Zukunft":„Wird bei uns ein Disraeli geboren, so zwingt manihn sm der„Zulunft" hieß eS schamhaft Lasialle, ick aber sage:)Horden zu werden". Ja. ein Staatsmann von der Bedeutung desLord BeaconSfield steckt in Maximilian; aber feine Persönlichkeitkann sich ,n Deutschland nicht auswirken. Deshalb muß sein Lichtdumpf und qualmig schwelen. Er muß auf Schleichwegen, über dieHintertreppe zu seinem Ziele zu kommen suchen. Und er muß sich«ner Methode bedienen, die durch den Ahnherrn der Revolver-sournalisten. Aretino. in Mrruf gekommen ist.Der Irrweg der Reklamemarke. Kaufmännischer Geschmack undHandelssinn bat die Reklamemarke geschaffen, die sicherlich wiri-fchaftlich nützlich gewirkt hat. Aber was sie anfangs war, ist sienicht mehr. Mit betrübten Sinnen stehen ihre Schöpfer und Nutz-nießer da: die kleinen bunten Blättchen sind auf eine Bahn ent-flattert, die sie ihrer Bestimmung entführt. Klagend zeichnet in deu„Hamburger Nachrichten" kaufmännischer Kummer, wie sie auf Ab-wege gerieten:„DaS Sammeln von Reklameinarlen ist die große Mode unterden Schulkindern. Der Anfang dieser Manie liegt noch gar nichtweit zurück. Aber die kleinen Liebhaber gingen mit solcher Energievor. daß sie es nicht nur fertig brachten, daß Reklamemarken vonunzähligen Firmen herausgegeben wurden, sondern daß sich diePapier- und Schulbuchhändter an die Firmen niit der Bitte wandte»,sie mit reckt großen Mengen dieser bunten Marken zu versehen.Denn die Quälerei der kleinen Kundschaft ging in-Z Ungemessene.Und nun, da sich die Liebhaberei der Kinder zur Leidenschaststeigerte, riefen die Schulbuben einen neuen Geschäftszweig insLeben mit ihrer Sammelwut— den Reklamemarkenvertrieb. Dadie Fabriken nicht so wollen, wie die Kinder, bekommen sie dieReklamemarken zum großen Teil schon geschenkt. Reklame-markendruckereien bitten Firmen, für sie kostenlos Reklame-marken herstellen zu dürfen. Die Firma bekommt«ine ansehnlicheMenge, der größte Teil wird an die Papierhandlungen mit großemVorieil verkauft. Die Papiergeschäfte geben sie dann mit gutemAufschlag an die Kinder weiter, die ihre Mütter um einen Groschenquälen. Ernzelne Geschäftsleute gibt es noch, die sie besonderslieben Kleinen ohne Entgelt in die Hände drücken— ober auchdiese Wenigen werden die Gier der Jugend geschäftlich ausnützenlernen. Diese Entwickelung der Reklamemarke ist lediglich originell.Eine» Propagandawert besitzt die Marke, die anfänglich als Brief-verichlußmarke gedacht war, damit nicht mehr. Erwachiene be-irachien sie mitleidig als Kmderipielzeug und das Besondere, derHauptvv-t einer Reklame, ist in der Maffenberftellunq verlorengegangen. Und durch die Massenausnutzung der Marken als Handels-gegenständ von Druckereien, die zu deu auf der Marke genanntenFabrikaten gar kein inneres Verhältnis haben, blüht der billige Kitschempor, der die beste Idee erwürgt."Die Reklamemarke teilt das Schicksal aller Dinge, denen eSheute gelingt, beliebt zu werden. Kapitalistische Massenproduktionmacht sich über sie her und verschandelt sie. Und hier ist die Ver«schandelung im Handumdrehen dermaßen gelungen, daß der K i n d e r»schütz gegen Bilderschund einen großzügigen Kreuzzug ge-bieterisch fordert.Der Satiriker i« der Kooservenbüchse. In der„Berliner Volks-teitung" nimmt jemand die traurige Geschichte von dem altenellier auf, dem Erfinder der Fleischkonservierung, um über„Erfinder-schicksal" etwa? von sich zu geben. DaS ist sein Geschäft, dafürbekommt der Mann bezahlt, und...„Ich bin ein Satiriker", sagteder Affe,— da hüpfte er, weil ihn der Dresseur auf den Hinternhieb. Aber dieses elende Geplaudere ist weniger belangvoll alstypisch. Man lönne, sagt der Satyr, nicht die Achseln zucken.weil... ja, einfach weil sich zufällig auf„Konserven"ein paar Wortwitze machen lassen. Die Form tötete den Inhalt, undfür die Widerlichkeit, die darin steckie, einen alten Mann im Dreckverkommen zu lasten, seine Idee aber auszunutzen, hat jener keineZeit, weil er Wortwitze machen muß.Unter Witz� verstehen diese Possenreißer ein unsachliches Ab-schweifen vom Thema, das beginnt, etwa„unerquicklich" zu werden.Zur Sache selbst war nichts Witziges zu sagen: wieder zum tausend-sten Male das alte Lied, KapiialismuS gegen den Hopf, Geld gegenGeist... man kennt das. Aber diese Publikumsamüseure führenschon seit einiger Zeit— oder war eS immer so?— dieManier ein, sich so sachteken darüber hinwegzuwitzeln. Wenn sie nochan einer Erscheinung, an einem Borgang das Komische deS All-gemein-menschlichen sehen möchten I— Aber sie suchen sich irgend«eine äußere, lose Beziehung heraus und witzeln. Der Leser ist be-glückt, nachzudenken braucht er nicht mehr, die Wortwitze versteht erauch. So wird das öffentliche Verantwortlichkeitsgefühl zu Todegewitzelt.Hamor und Satire.P e g o u d.Ruhmreich, beifallüberschwemmt,Kömmt Pegoud... Er kömmt! Er kömmt lDreißigtausend Mark pro Flug;Herz, mein Herz, ist es genug!Einen Zaster wie Pegoud— so«ville kriegt nick: mal Caruso.Erdenziel und höchster TraumBleibt ein kesser Purzeldaum.Jedes Auge färbt sich feucqr,Wenn der. Mensch koppheister fleucht.Und der Zauberer von der SeineSteck: zum Hinunel beide Beene.Schillern ging eS meistens karg,Horch, er dreht sich um im Sarg;Seiner Tage volle PhalanxWard beherrscht von Meister Schmalhans.Heut bezahlt die GegenwartDreißigtausend Mark pro Start.Dreißigtausend Mark pro Flug—Herz, mein Herz, ist eS genug?lPeter im„Tag".)