der sozialdemokratischen Partei zu belohnen und ihre Gegner zu strafen. Die Abwehr hiergegen ist da» gut» Recht der.Bolttstirsorg«', nachdem Herr Kapp ein» Zurücknahme dieser Dinge abgelehnt hat. Die.Norddeutsche Allgemeine Zeitung" aber stellt eS so dar, al» habe die.SZolkSfflrsorge" nicht wegen dieser Beleidigungen, sondern wegen Kopps Behauptung, die»VolkMrsorge" sei eine sozial- demokratische Gründung, geklagt. Tatsächlich ist ja die.Volksfürsorge" ein politisch neutrale» Unternehmen. Wäre sie ein sozialdemokratisches, so könnt» daS natürlich keine Beleidigung sein; denn eS könnte diese Behauptung, wenn sie überhaupt einen Sinn hat, doch nur den haben: die.Volksfürsorge" wird durch Sozialdemokraten geleitet, ihr gehören Sozialdemokraten al» Mitglieder an und sie wird in sozialistischem Sinn geleitet. Das Zutreffen dieser Voraussetzungen könnte die.Volksfürsorge' natürlich lediglich ehren und nicht herab- setzen. Ganz anders steht es mit den oben wiedergegebenen Ver- dächtigungen. Wenn da» r«gierungSoffiziöse Organ, die»Norddeutsche Allg. Ztg.", die Sachlage so darstellt, als ob der Streit sich darum drehe, ob die»Volksfürsorge' ein sozialdemokratisches Unternehmen sei, aber in den Reklameartikeln für da? Kappsche Unternehmen unter- schlägt, dah wegen der oben wiedergegebenen Behauptungen geklagt wird, so zeigs daS, daß daS Regierungsorgan selbst da- von überzeugt ist: ohne Verbreitung falscher Nachrichten zieht der Kappsche Gimpelleim nicht. Arbeiter ohne Unterschied der politischen Richtung wissen, daß allein die„Volksfürsorge" ein Ver- sicherungSunternehmen ist, das von kapitalistischen Profitinteressen frei ist. Und weil sie das wissen, so prallen alle Verdächtigungen gegen di«.Volksfürsorge" wirkungslos ab. - Hub der Partei. Eine sozialdemokratische Steuerinitiative in der Schweiz . Von dem wichtigen demokratischen Rechte der Gesetzesinitiative machen unsere Genossen im Kanton Bern Gebrauch, um zu einer notwendigen, sozial gerechten Steuerreform zu kommen. Am letzten Sonntag beschloß nun der in Bern abgehaltene außerordentliche Parteitag der Sozialdemokratie des Kantons Bern die Ergreifung der Steuerinitiative in Form eines fertigen Gesep- Entwurfes. Den Klein- und Miltelbauern wird darin em Nbzug von 20 Proz. des Schätzungswertes landwirtschaftlichen Kulturlandes bis zu IS 000 Fr. des rohen Grundsteuerkapitals des betreffenden Grundeigentümers und von 10 Proz. bis zu 30 000 Fr. gestattet. DaS steuerfreie Existenzminimum wird auf 1000 Fr. er- höht, wozu der Steuerpflichtige für seine Ehefrau und für jedes seiner Kinder unter 13 Jahren sowie für jede vermögenlose, er- werbsunfähige Person, für deren Unteihalt er allein aufkommt, einen Betrag von 100 Fr. zurechnen darf. Weiter sollen Beiträge an Kranken-, Unfall-, Jnvalidrtätö-, Alters- und Lebensversicherungen sowie an Witwen-, Waisen- und PensionSkassen, jedoch im Maximum 200 Fr., steuerfrei bleiben, desgleichen Rabatte, Skonti und Rück- Vergütungen bis zu 4 Proz. Die Steuerprogefsion sieht bei einem Steuersatz von 100 Fr. einen Zuschlag von S Proz. bis zu 200 Fr. und von S Proz. bis 1800 Fr. Steuersumme vor. Bei dieser Steuer- Berechnung bleibt die Armensteuer außer Betracht. Genossen- schasten i ollen für den Teil der zu steuerpflichtigen Rück- Vergütungen verwandten Summe ihres Einkommens von der Staats« !euer befreit bleiben. Die Steuer soll in jedem Jahre auf einmal )der in Raten einkassiert werden können. Wichtig ist die Einführung er amtlichen Jnventarisation in jedem Todesfalle. Sie soll nur cmn unterbleiben, wenn auS anderen Gründen ein öffentliches Inventar aufgenommen wird, daS von den Erben der Steuer- ehörde vorzulegen ist. Mit der obligatorischen amtlichen Fnven- msation kommt man an die Ouellc der Steuerdefroudalion und wird so die ehrliche Versteuerung fördern, wie die Steuer- innahmc des Staates erhöhen. Eine wichtige Neuerung bringt ie Einführung der Gemeinde-Autonomie in Stcuersachen,' wodurch sie Gemeinden ermächtigt werden, Spezialsteuern einzuführen. Immerhin unterliegen bezügliche Beschlüsse der Genehmigung durch die Kantonsregiening. Es ist eine bedeutsame Aktion, die da unsere Bener Genoffen beschlossen und für die sie zunächst 12 000 Unterschriften von stimm- berechtigten Schweizer Bürgern aufzubringen haben. Aber eS ist ein« volkstümliche Aktion, eine Steuerreform nach sozialpolitischen md nicht plutokratischen Gesichtspunkten, und sie werden daher tat- lcästige Unterstützung in den weitesten Volkskreisen finden, so daß aZ Unternehmen die besten Aussichten aus Erfolg hat. Hub Industrie und Handel. Rückgang der bayerischen Vicrproduktion. Unter den Minder- :innahmen, die daS gegenwärtige bayerische Budget aufzuweisen hat, st für den Malzausschlag bei einer Gesamleinnahme von SS Millionen Mark gegen daS Vorjahr ein Rückgang um eine volle Million Mark tu verzeichnen. Finanzminister Brcunig führte diese Minder- innahme im Finanzausschuß des Abgeordnetenhauses auf den L-J----- U----—-------------!- 1——■■!.. I 1 II i. Notizen. — Theaterchronik. Der Shakespeare-Zyklu» des Deutschen Theaters wird am 7. November mir dem neu« inszenierten.SommernachtStraum" eröffnet. ES folgt dann jede Woche ein anderes Shakespearedrama. — Die fatale Aehnlichleit. In Bühnenkreisen erzählt man: Bei der Erstaufführung des Lustspiels»Dir heitere Residenz", die am DienStag im Deutschen Schauspielhaus « vor sich ging, geschah etwas Schreckliches. Die Polizei entdeckte, daß die MaSke des Herrn Paul(als Großhcrzog) S. M. dermaßen gleiche. daß... Herr Paul erhielt ein Verbot und ließ darauf den hoch- gezwirbelten Bart auf Halbmast herunter. Trotzdem sollen gewiffe Ähnlichkeiten immer noch weiter bestehen. — Ferdinand geht zum„Volke". Ferdinand Bonn . dem die Mitwelt schon so vieles und vielfaches verdankt, geht jetzt zum Kabarett über. Dichter, Schauspieler. Geiger— wird er nun alles in einem sein. Die Reklame besorgt er ganz nebenher. — Dehmel in VolkSauSg ache. Eine Vollsausgabe von Richard DehmelS Gesammelten Werten in drei Bänden ist zu Ehren Richard Dehmel » anläßlich seines 60. Geburtstage« in S. Fischer« Verlag, Berlin , erschienen. — Scipio Sighele , ein fruchtbarer Schriftsteller der kriminalanthropologischen Schule, ist im Alter von 4ö Jahren in Florenz einem Herzleiden erlegen. Auch im Ausland bekannt sind sein« Veröffentlichungen über»Daö kriminelle Paar' sowie über „Die Kriminalität der Menge". Sighele hatte keinen Funken der lombrosischen Genialilät und erhob sich in seinen Arbeiten, denen man gemeinhin wissenschaftlichen Wert zuschrieb, kaum über das journalistische Niveau. In letzter Zeit hatte er sich dem Nationaliö- muS zugewendet. — Deutsche Platinlager. In Wenden , im Kreise Olpe . wird demnächst das erste größere deutsckie Platinwerk eröffnet. Das Kubikmeter Gestein enthält SO bis 70 Gramm Platin. Die Lager- stätten, auf die man bisher zwecks Deckung des Platinbedarfes an- gewiesen war, enthalten im Durchschnitt nur S bis 8 Gramm im Kubikmeter. — Die einheitliche Zeit. Die in Paris tagende Internationale Zeit-Kouferenz beschloß die Gründung einer internationalen Vereinigung für die Einheitlichkeit der Zeit, die durch die Verwendung funkentelegraphiscber oder sonstiger Signale den Bedürfnissen der Schiffahrt, der Welterkunde, der Erd- bebcnkunde, des Eisenbahn -, Post- und Telegraphenwesens sowie der öffentlichen Behörden Rechnung tragen soll. Zum Sitz der Ver- einigung ist Paris ausersehen. Zweimal täglich wird der deutsche funkentelegraphische Posten von Norddeich mit Paris seine Signale austauschen. geringeren Bierverbrauch infolge der ungünstigen Witterung, auf die gute Obsternte und die Zunahme der Antialkohol- bewegung zurück, von einem AuSschußmitgliede wurde die Ein- führung einer sogenannten.Springerlsteuer' auf alkoholfreie Ge- tränke angeregt. Der Minister erklärte, er stehe der Besteuerung antialkoholischer Getränke sympathisch gegenüber, doch sei dies eine Angelegenheit des Reiches. Die Tatiache des Rückganges der kleineren Brauereien begründete der Minister mit den unabänder- lichen wirtschaftlichen Verbältniffen. Im übrigen gab er noch Kenntnis von einer ausführlichen Statistik über die durchschnittliche Malzverwendung und die Stammwürze de« bayerischen Bieres. Daraus geht hervor, daß das bayerische Bier im Durchschnitt den innerhalb des Gebietes der norddeutschen Malzsteuergemeinschast erzeugten Bieren immerhin noch überlegen ist, wenn sich auch da und dort ei» Sinken des WürzegebaltS bemerkbar gemacht hat. In der nächsten Zeit sei in dieser Beziehung wieder eme Besserung zu erwarten. Krisenzeichen. Bei der Gewerkschaft Konstantin der Große (Effen) wird bereits auf zwei Schichten wegen Absatzmangels gefeiert. — DaS belgische Stahlsyndikat ermäßigte die Inlandspreise für Träger von 186 aus 167 Frank, für Formeiscn von 172 auf 166 Frank.— In Schottland wurden die Stahlpreise um weitere 10 Schilling pro Tonne ermäßigt. 8o2iales. Bundesratsverordnung. Der Bundesrat hat, wie der gestern ausgegebene„Reichs- anzeiger" mitteilt, bestimmt, daß die Amtsdauer der gegenwärtigen nichtständigen Mitglieder deö Reichsversicherungsamts aus dem Stande der Arbeitgeber und der Versicherten sowie ihrer Stell- Vertreter noch so lange währt, bis die auf Grund der§§ 87 ff. der Reichsversicherungsordnung gewählten nichtständigen Mitglieder ihr Amt antreten, längsten» bis zum 31. Dezember 1S14. Mißwirtschaft unter einer liberalen Stadtverwaltung. Vor Jahresfrist wurden in der Stadt Justrrburg(Ostpreußen ) der Stadtbaumeistrr Friede! und der Brandmeister Haman in Haft genommen. Sie wurden beschuldigt, die Stadt Jnsterburg um viele Taufende von Mark bewogen zu haben. Sie sollen dabei mit anderen städtischen Beamten und Kaufleuten gemeinsam gearbeitet haben. Baumeister Friede! verübte im Gefängnis Selbstmord, ebenso ein Kaufmann. Am Mittwoch standen nun zwei städtische Beamte, fünf Kauflrute und eine Buchhalterin vor der Straf- kammer zu Jnsterburg unter der Anklage des Betruges, der Bei- Hilfe dazu und der Unterschlagung. Es wurde festgestellt, daß der Beamte Härder, dem das Rohrmeisteramt übertragen war, sich ebenso wie Baumeister Friede! auf Kosten der Stadt von städtffchen Arbeitern seit Jahren persönliche Dienste leisten ließ. Städtische Arbeiter wurden in der Familie Härder als Dienstboten beschäftigt; sie muhten dort Kleider reinigen, Stiefel wichsen, Milch, Holz(da? der Stadt entnommen wurde) und Kohlen holen und sogar Ein- kaufe auf dem Markt machen. Ein Arbeiter hat auf diese Weise täglich durchschnittlich vier Stunden für die Familien Härder und Friede! arbeiten müssen, und die Stadt hat dafür über 2900 M. an Löhnen gezahlt. Dann hat sich Härder von dem Kaufmann Hagen , der für die Stadt lieferte, viele Gegenstände für seinen persön- lichen Gebrauch verabfolgen laffen, die Kosten dafür aber der Stadt in Rechnung gestellt. Der Staatsanwalt betonte, e» gäbe noch eine Gruppe von Interessenten, die nicht zu fassen seien. Der Bau« meist« Friede! sei manchen Leuten sehr gelegen gestorben; wäre er am Leben geblieben, so hätte man noch manche» Wunder erleben können. Er erinnerte auch an den Selbstmord des einen Kauf- mann» und meinte, wenn andere auch noch diesen Rest von Ehr- gefühl besessen hätten, so hätte man in Jnsterburg noch manchen Schuß hören müssen. Der Brandmeister Haman hat in der Voruntersuchung«- klärt, sein« Verfehlungen seien so zahlreich, daß er all die Kauf- leute nicht nennen könne, mit denen er Durchstechereien betrieben habe. Er hat sich u. a. jahrelang auf Kosten der Stadt Kühe ge- halten und diese von Feuerwehrleuten füttern lassen. Dai Futter sowie die Streu hat er von der Stadt genommen. Der Schneider- meist« Kilian hat viele Kleider für Feuerwehrleute in Rechnung gestellt und bezahlt«halten, die er nicht geliefert hat. Haman hat sich von ihm zahlreiche Kleidungsstücke, Pelze, ein Kleid für seine Tochter und selbst einen Maskenanzug auf städtische Kosten her- stellen lassen, was der Stadt 2200 M. gekostet hat. Gemeinsam mit dem Lederhändl« Jänisch und dem Drogisten Gottwald hat H. ähnliche Betrügereien verübt. Insgesamt hat H. nachweisbar— viele» ist ihm natürlich gar nicht nachzuweisen, die Stadt um zirka 10 000 M. geschädigt. Das Urteil lautete: Hamaa 4 Jahre GefäugniS, 6 Jahre Ehr- v«luft; Fahron 1 Jahr 8 Monate Gefängnis, 2 Jahre Ehrverlust; Kilian 8 Monate Gefängnis, 1 Jahr Ehrverlust; Gottwald sechs Monate Gefängnis, 1 Jahr Ehrverlust; Jänisch 1 Woche Gefängnis; Buchhalterin R-dtke 60 M. Geldstrafe. Ehescheidungen in Preußen. Das Eherecht im Bürgerlichen Gesetzbuch ist absichtlich reak- tionär gestaltet. Es sollte die Ehescheidung erschweren. Es er- reichte auch zunächst den gewollten Zweck. Im Jahresdurchschnitt von 1892 bis 1899 wurden je 6899 Ehen in Preußen geschieden. Im Jahre 1900, mit der Einführung deS Bürgerlichen Gesetzbuches, sank die Zahl auf 4756, im Jahre 1901 sogar auf 4876. Bald aber zeigte sich, daß die Verhältnisse stärker waren als reaktionärer Wille. Die Gerichtspraxis akkomodierte sich den Verhältnissen. Trotz der«schwerenden Bestimmungen stieg die Zahl der Ehe- scheidungen im Jahre 1902 bereits wieder auf 6278, sie nahm dann weiter von Jahr zu Jahr zu; im Jahre 1912 wurden bereit» 10 797 Ehen geschieden. Regierte nicht Muckerei, dann würde man die unsinnigen, schikanösen, Haß und Erbitterung nährenden Ehe- scheidungShinvernisse beseitigen. Geridns- Deining. Der beleidigte Musikdirektor. Ein sehr empfindlich« Herr scheint der Musikdirektor Martin Lehmann zu sein, der in Treptow an der Neuen Krugallec eine Musikschule hat. Er führte vor dem Schöffengericht Charlottenburg eine Beleidigungsklage gegen einen in Charlottenburg wohnenden Schlosser Willi Schmidt, der ihm ins Gesicht gesagt haben sollte, daß Musiklehrlinge aus dem Institut Lehmanns eine Kneipe besucht und dort mit Mädchen sich ungehörig benommen hätten. Schmidt hatte ein Interesse an den Zuständen in dieser Musikschule, weil sein jüngerer Bruder zu Lehmann? Lehrlingen gehörte. Nachdem der Bruder auS der Lehre gelaufen war. ging Willi Schmidt zusammen mit dem Vater zu Lehmann, um die Wiederausnabme zu erwirken. Dabei soll Schmidt, wie gestern in der Verhandlung vor dem Schöffen- gericht Charlottenburg ein Zeuge bekundete, Herrn Lehmann gefragt haben, ob er wisse, daß einige seiner Lehrlinge angetrunken mit Mädchen in der Kneipe gesessen hätten. Da Schmidt das selber ge- sehen zu haben behauptete, so habe Lehmann sofort mehrere seiner Lehrlinge herbeiholen lassen, doch habe Schmidt keinen wieder- erkannt. Lehmann scheint sich damals mach nicht so sehr üb« den ihm gemachten Vorwurf eines Mangels an Aufsicht aufgeregt zu haben, wenigstens ließ n, wie der Zeuge angab, nichts davon merken. Erst später, als Lehmann Beleidigungsklage einreichte. sah Schmidt, wie empfindlich der Herr Musikdirektor ist. Durch seinen Vericjdigcr, Rechtsanwalt Kurt Rosenfeld , bot d« Ange» klagte Schmidt den Beweis der Wahrheit sein« Behauplungen an. Ein ehemaliger Lehrling Lehmanns wurde vernommen. Fern« be- antragte der Verteidiger,«in Gerichtserkenntnis aus einem frühe- ren Prozeß zu verlesen, den gegen Lehmann der Vater eines Musik- lehrling? um die Aufhebung des Lehrverhältnisses geführt hat. Lehmann habe hervorgehoben, er erfreue sich großen Ansehens, fei sogar Musikdirektor der Jugendwehr und halte peinlich auf Ordnung und Titte. In jenem Prozeß sei aber festgestellt worden, daß unter Lehrlingen von ihm die ärgsten Sittenzustände geherrscht hätten. Lehmann habe davon Kenntnis erhalten und habe nachher gegenüber Lehrlingen Schimpftvorte gebraucht, die auf jene da? Geschlechtsleben berührenden Vorkommnisse Bezug nehmen. Heb« die Klage habe ein Amtsgericht und ein Landgericht entschieden, daß dem Lehrling die Fortsetzung des Lehrverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Das Gericht erkannte auf Grund der Beweisaufnahme auf Freisprechung. Beraubung von Güterwagen. Gegen 24 Eisenbahnbcdienstete hatte gestern die 1. Straf- kammer des Landgerichts III unter Vorsitz des LandgerichtsdirektorS Bahr eine umfangreiche Anklage wegen schweren und einfachen Diebstahls und gewerbs- und gewohnheitsmäßiger Hehlerei zu ver- handeln. Die Anzeigesachc läuft unter dem Rubrum Jai-.row und Genossen. Von den Angeklagten, die zum Teil in Untersuchungshaft gesessen haben, sind 21 bei der Eisenbahnverwaltung in Berlin » Friedrichsfelde im Rangierdienst tätig gewesen, ohne als Beamte angestellt zu sein. Sie werden beschuldigt, während ihrer Tätigkeit als Rangierer in Friedrichsfelde in verschiedenen Gruppierungen, teilweise auch allein, Güterwagen beraubt zu haben. Zum Teil hatten sie Zutritt zu den Güterwagen, zum Teil verschafften sie sich solchen durch Abschneiden oder Lösen der Plomben. So stahlen zwei oer Angeklagten auS einem Wagen, der für die HäuteverwertungS- G. m. b. H. bestimmt war, einen Bündel Häute. Sie hatten die Plombe, mit der der Wagen verschlossen war, abgerissen und nach dem Diebstahl neue Plomben daran befestigt. Objekte des Dieb- stahis der übrigen Angeklagten waren u. a.: Hasen, Hühner, Häute, Spirituosen aller Art, Fässer mit Butter, mehrere Kisten Zigarren, ein photographi scker Apparat,«in« Automobiluhr, Kupferplatten, Handwerkszeug aller Art, Herrenstief«!, Eisenwaren, Kleiderstoffe, ein großer Posten Porzellan, Wäsche usw. Obgleich die Angeklagten zum größten Teil geständig find, nimmt die Verhandlung mehrere Tage in Anspruch, da jeder einzelne Angeklagte eingehend zur Sache vernommen werden mutz und 20 Verteidiger ihres Amtes zu walten haben. Wir werden das Urteil mitteilen. Erpressung beim Umzug. In unserer Nummer vom 9. Oktober haben wir über die Ver- urteilung eines Fuhrmanns Willi Stein wegen Erpressung beim Umzug berichtet. Der Fuhrmann Georg Stein, Diedenhofener Straß« 6, teilt uns mit, daß er von verschiedenen Personen als der Erpresser angesehen ist. Wir stellen hiermit fest, daß dieser Fuhr. mann' Georg Stein nicht mit dem wegen Erpressung angeklagten und»«urteilten Gelegenheitsfuhrmann Willi Stein identisch ist. Versammlungen. Die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe. Der Agitation für die völlige Sonntagsruhe im Handelsgewerbe diente eine übervolle Versammlung der im Handelsgewerb« lät gen Personen, die am Donnerstag in der»Neuen Philharmonie" statt» fand. Mit gründlicher Sachkenntnis ging der Referent, Reichstags« abgeordneter Schumann, auf die Materie ein. Er zeigte, wie es in Wirklichkeit mit der Behauptung steht, wonach Deutschland da» sozialpolittsch fortgeschrittenste Land sei. Ebenso wies er auch gerade an den Verhältmssen im Handelsgewerbe nach, daß wir noch sehr weit entfernt sind von einer ausreichenden, umfassenden Sozial- Politik. DaS sehe man offenfichtltch wiederum an dem Gesetzentwurf, den die Regierung dem Reichstage vorzulegen gedenkt, der nicht die erhoffte und dringlichst geforderte vollständige Sonntagsruhe für alle im Handelsgewerbe Befchäfttgten vorsteht. Der fteie Sonntag soll also wieder einmal in weite Ferne gerückt werden. Und daS, obwohl zur Genüge bekannt ist, daß selbst die Durchführung der jetzigen Bestimmungen über die Sonntagsruhe auf die größten Schwierigkeiten stößt, wo- von die in Betracht kommenden Arbeiterorganisationen ein Lied zu singen wissen. Ist es doch eigentlich nur ihrer Kontrolle und ihrem Einfluß, ihrer ganzen energischen Arbeit zu danken, wenn Angestellte und Arbeiter überhaupt nur einigermaßen in den Genuß der gesetzlichen Vergünstigungen gelangen, da dir behördliche Kontrolle und Aufficht alles zu wünschen übrig läßt. Der Entwurf der Regierung gab dem Redner die beste Gelegenheit, zu zeigen, wie eS mit dem Fortschritt aus sozialpolitischem Gebiete in Deutschland aussieht und der Entwurf, wenn er Gesetz wird, vielfach nicht nur keinen Fortschritt bedeutet, sondern zum Teil geradezu einen Rückschritt darstellt. Die Parole mutz nunmehr in verstärktem Maße lauten: Her mit der völligen Sonn» tagSruhel Stürmischer Beifall folgte den Busführungen de» Referenten. In der Diskussion beleuchtete Schmidt vom gentralverband der Handlungsgehilfen da» Verhalten der gegnerischen Vereine, die dem Unternehmertum mehr oder weniger Vorschub leisten, sicherlich aber nichts unternommen haben, um in der Frage der Sonntags- ruhe Wandel zu schaffen. Auch der nächste Redner, G ö tz k e, ergänzte noch das Referat in sehr wirksamer Weise nnd forderte dazu auf, am Sonntag nicht einzukaufen. Desgleichen förderten die übrigen Rednet noch tnter« essanle und charakteristische Beispiele zutage, wie eS auf dem Gebiete der Sonntagsruhe aussieht. Ein Kassierer auS der Abzahlungsbranche schilderte die Tätigkeit und die Lage sein« Kollegen und erklärte, daß die SonntagSarbeit auch in dictem Gewerbe entbehrlich sei. wo aber g«ade ichr häufig gegen die Sonntagsruhe verstoßen werde. Würde das System der SonntagSkassierer abgeschafft, so erhielten eine ganze Anzahl Familienväter eine Arbeitsstelle. Der Parole: Kauft nicht am Sonntag, muß hinzugefügt werden: Zahlt nicht am Sonntag an die Abzahlungskassierer. Gegner meldeten sich nicht zum Worte. Folgende Resoluttoa fand einstimmige Annahme: Die heule am 23. Oktober 1913 in der„Neuen Philharmonie", Köpenicker Str. 96/97, ragende öffentliche Versammtung der im HandelSgcwerde beschäftigten Personen nimmt mit Entrüstung davon Kenntnis, daß der Gesetzentwurf, den die Regierung dem Reichslage vorzulegen gedenkt, nicht die vollständige Sonntagsruhe für alle im Handelsgewerbe Beschäftigten vorsieht, sondern sich wieder einmal mit Flickwerk begnügt. ES ist das um so bedauerlicher, als gerade die im Handel be« schäftigten Personen die längste Arbeitszeit haben und ofimal« vom allerftübesten Morgen bis in die späte Nacht hinein arbeiten müssen. Sie glauben daber ein Recht wenigstens aus einen freien Tag in der Woche zu haben, um sich zu erholen und ganz ihren Familien widme» zu können. Die Verlammelten erwarten daher von dem Reichstage, daß er ganze Arbeit macht und die vollständige Sonntagsruhe Gesetz werden läßt. Da durch die von den Verbänden eingesetzte Sonntagsruhe« kommiffion im umfangreichen Maße llebertretungen der SoaittagS» ruhebestimmungen iestgestellt wurden und die Polizei meist nicht ge- willt ist, einzuschreiien. so fordern die Versammelten Schaffung von Handelsinspektoraten, denen die Ueberwachung dieser Gesetze zu übertragen ist. Die Versammelten erkennen an, daß nur freie G e w e r k- s ch a f t e n in der Lage sind, die Forderungen der Angestellten mit Nachdruck zu vertreten, und verpflichten sich, ganz energisch für den Ausbau dieser Organisationen zu wirken.
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