trieben, deren Mitinhaber der 4g Jahre alte Fabrikant Paul Flachs- haar aus der Dorckstraße 78 war. Flachshaar, der verheiratet und Familienvater war, suchte öfter auch Sonntags das Fabrikkontor auf, um für sich allein zu arbeiten. So ge- schah es auch am letzten Sonntag. Jetzt kehrte der Mann, der feit einiger Zeit schon herzleidend war, nicht mehr zu seiner Familie zurück. Montag früh fand man ihn tot im Kontor liegen, das mit Gas angefüllt war. Von einem Gaskocher, der in dem Raums stand, war der Schlauch herabgerissen. Die Angestellten, die den Toten auffanden, sorgten für Abzug des Gases und riefen sofort einen Arzt. Dieser begutachtete, datz nach dem Befund der Leiche Flachshaar wahrscheinlich einem Herzschlage erlegen ist. Er wäre dann im Fallen auf die Schlauchleitung gestürzt und hätte diese wohl vom Kocher getrennt. Für einen Selbstmord läßt sich weder in den Geschäften des Verstorbenen, noch in seinen Familien, Verhältnissen irgendein Anlaß finden. Zur bestimmten Feststellung der Todesursache wurde die Leiche beschlagnahmt und nach dem Schauhause gebracht. Ueberfahren und getötet. Ueberfahren und sofort getötet wurde am Dienstag das 10 jährige Mädchen Emma Sch. vor dem Hause Prinzen-Allee 53. Angeblich soll das Kind beim Ueberschreiten des Dammes gefallen und von einem Straßenbahnwagen überfahren worden sein. Kindesunterschiebung. Die Kriminalpolizei sucht seit einiger Zeit eine Frauensperson, die am 21. Juli er. aus der Reichenberger Straße einen zwei Monate alten Knaben mit List entführt und augenscheinlich irgendwo unter- geschoben hat. Die Unbekannte hatte am 15. Juli er. folgende Annonce in einer hiesigen Zeitung erlasien:„Knaben, niedlichen. nimmt ohne Abfindung„Baby" Postamt 17." Der darauf sich meldenden unehelichen Mutter des Kindes gegenüber hat sie sich als eine Bäckermeistersfrau Winnigviel aus Stettin ausgegeben. Das Kind ist seitdem verschwunden und die Angaben der angeblichen Winnigviel haben sich als falsch herausgestellt. Möglicherweise hat sich dieselbe seinerzeit im Osten Berlins aufgehalten und wohnt vielleicht in dieser Gegend auch jetzt noch. Die Unbekannte ist etwa 30 bis 35 Jahre alt, mittelgroß, beinahe klein, und war damals mit einem kleinen runden Hut mit Blumen, bläulichem Jackett und gelben Halbschuhen bekleidet ge- wesen. Personen, die irgendwelche Angaben zur Ermittelung der Täterin oder über den Verbleib des Knaben machen können, werden gebeten, diese der Kriminalpolizei zum Aktenzeichen 38S4 IV. 41. 13 mitzuteilen. Mitteilungen werden in jedem Polizeirevier, im Polizei- vräsidium, Aiexanderstr. 3— 6, Zimmer 326, entgegengenommen. Wer- schwiegenheit wird zugesichert._ In die Klemme gerate«. Mit falschen Papieren, die ihn retten sollten, hat ein Haus- diener aus der Hasenheide trübe Erfahrungen gemacht. Der junge Mann unterschlug vor längerer Zeil seinem Arbeitgeber eine größere Geldsumme und verschwand damit. Um sich den Nachforschungen der Kriminalpolizei zu entziehen, kaufte er in einer Kaschemme einem Hausdiener D. für einen großen Nordhäuser die Ausweispapiere ab. Seitdem lebte er nun unter D.'s Namen sicher und unangefochten. Jetzt aber kam eine böse Wendung, als D. sich zur Musterung für den Militärdienst stellen sollte und ausblieb. Die Militärbehörde fahndete nach dem unsicheren Kantonisten und glaubte ihn endlich entdeckt zu haben. Der Hausdiener stand nun vor der Wahl, unter falschem Namen eingezogen und für die Nichtgestellung auch noch bestraft zu werden, oder sich zu offenbaren. Nach einigem Besinnen zog er dieses vor, ließ seine Maske fallen und bekannte seine frühere Verfehlung. Die Kriminalpolizei, die ihn suchte, behielt ihn in Haft und führte ihn dem Untersuchungsrichter vor. Vorort- ncbten« Eine Konferenz der Gemeindevertreter des Wahlkreises Potsdam -Spandau -Osthavelland fand am Sonntag bei Windt in Spandau statt. Anwesend waren 21 Gemeindevertreter und 1 Stadtverordneter, serner 3 Delegierte aus Orten, die keine sozialdemokratischen Gemeindevertreter haben, sowie 4 Mitglieder des Kreisvorstandes. Genosse Stahl, der die Verhandlungen leitete, wies darauf hin, daß die Konferenz zu dem Zweck einberufen worden sei, um den Gemeindevertretern Gelegenheit zu geben, sich über kommunal- politische Fragen auszusprechen, die in den einzelnen Gemeinden zu'erledigen sind. Landtagsabgeordneter Genosse Hirsch hielt hierauf ein zwei- stündiges Referat über das Thema:„Die Aufgaben der Gemeinde- Vertreter in den Kommunen." Redner führte eingangs seines Vor- träges aus, daß den Gemeindevertretern durch die Städte- und Landgemeindeordnung in den Gemeindeparlamenten gewisse Grenzen gesetzt worden seien und durch die Dreiklassenwahl bleibe der Einfluß der Sozialdemokratie hauptsächlich auf die dritte Klasse beschränkt. Infolge der öffentlichen Wahl müssen auch noch viele Wähler gegen ihre Ueberzeugung wählen, wie z. B. in Spandau die Staatsarbeiter. Eine weitere Schwierigkeit werde der Arbeiter- schaft durch das Hausbesitzerprivileg auferlegt, das für die Stadt- Vertretungen die Hälfte der Hausbesitzer, für die Geineindevcr- tretungen sogar zwei Drittel Hausbesitzer vorsehe. Bereits im Jahre 1875 sah die Regierung das Hausbesitzerprivileg als überlebt an und heute bestehe dasselbe nur noch zu dem Zweck, den Sozial- dcmokraten den Eintritt in die Gemeindevertretungen zu erschweren. Hinzu komme noch, daß die Entscheidungen des Oberoerwaltungs- gerichts immer reaktionärer werden. Früher konnten mehrere Ge- nassen Besitzer eines Hauses sein, heute gelte in den Städten nur der alleinige Besitzer eines Hauses nach dem Wahlgesetz als solcher. In den Landgemeinden dagegen sei das anders. Man gehe aber noch raffinierter vor, indem man für die dritte Abteilung Bezirks- wählen festsetze, für die anderen Abteilungen aber nicht. Unzu- lässig aber sei es, wenn die Gemeindevorsteher die Wähl der dritten Abteilung so ungünstig ansetzen, daß die meisten Arbeiter nicht wählen können. Das Obcrvcrwaltungsgericht habe in solchen Fällen die Wahl für ungüstig erklärt. Wenn also in einzelnen Gemeinden die Wahlzeit so ungünstig festgesetzt werden sollte, so könne hier- gegen mit Erfog Protest eingelegt werden. Von der Verwaltungs- täligkcit als Gemeindevorsteher und Magistratsmitglieder schließe man die Sozialdemokraten ja gewöhnlich aus, indem deren Wähl nicht bestätigt werde. Hierauf behandelte Hirsch in großen Zügen unsere grundsätzlichen kommunalpolitischen Forderungen. Er schloß seinen lehrreichen und interessanten Vortrag mit der Aufforderung, auch in den Gemeindevertretungen als Sozialdemokraten aufzu- treten und nach unserem Programm zu arbeiten. In den Vorder- grund müsse der Kampf gegen das Dreiklassenwahlrecht für den Landtag gestellt werden; erst wenn dieses durch ein gerechtes Wahl- recht ersetzt sei, werden wir auch ein freiheitliches und besseres Ge- mcindewahlrecht erhalten. In der anschließenden Diskussion verwies Genosse Pieck- Spandau auf den unverdienten Wertzuwachs, den dortige Grund- besitzer durch die Entsestigung für ihre Grundstücke erfahren haben. Während früher der Quadratmeter Land 3 M. kostete, habe er jetzt einen Preis von 46 bis 66 M. erreicht. Des weiteren führte er aus datz in Spandau für die höheren Schulen wahre Paläste gebaut und für den Militarismus riesige Summen aufgebracht würden, während für die Volksschule alles so einfach wie möglich eingerichtet sei. Alle sozialen Einrichtungen seien erst aus Anregungen der sozialdemokratischen Stadtverordneten eingeführt worden. Genosse L eh m a n n- Marwitz vertrat die Meinung, datz sich die Anregungen des Genossen Hirsch in armen Gemeinden nicht immer verwirklichen lassen. In Marwitz betrügen die Steuerzu- schlüge einschließlich der Kreissteuern heute schon 266 Proz. Der größte Teil der Einwohner seien rückständige Bauern, die aber wenig Steuern zahlen; die meisten Steuern würden von den Ar- beitern aufgebracht. Genosse DolliSois-Hemugsdorf meinte, durch den Groß- schiffahrtskanal seien rein ländliche Gemeinden wie Hennigsdorf plötzlich zu Jndustrieorten geluorden, so daß die Gemeinden große Aufwendungen machen müßten. Diesen Auswendungen für die Industrialisierung ständen nun eine große Anzahl Wähler ab- lehnend gegenüber, weil die Haus- und Grundbesitzer, die doch den größten Vorteil hiervon haben, die aufzubringenden Kosten der Ar- beiterschaft aufzubürden suchen. Die Wohnungsmieten seien in Hennigsdorf um das Doppelte, ja um das Dreifache gestiegen. Die Gemeinde habe schon die größten Anstrengungen gemacht, um Nieder-Neuendorf einzugemeinden, weil auf dessen Gebiet die meisten Fabriken angelegt werden. Es wäre auch angebracht, wenn noch andere Gemeinden eingemeindet würden. Genosse K r ü g er- Kremmen kritisierte das Verhalten des dortigen Gemeindevorstehers, der die Wahl für die dritte Abteilung gewöhnlich von 16 bis 12 Uhr festsetze und dadurch viele Arbeiter um ihr Wahlrecht bringe. Genosse Finder- Velten regte an, in Zukunft öfter Vorträge über Kommunalpolitik halten zu lassen. Für Anlegung des Stich- kanals und Schaffung von Bahnanschluß seien mehrere Millionen Mark bewilligt worden, um das Material für die Industrie heran- schaffen zu können. Die sozialdemokratischen Vertreter hätten auch für die Bewilligung dieser Summen gestimmt, da doch die in- dustrielle EntWickelung später auch der Arbeiterschaft zugute komme. Genosse F i e l i tz- Velten betonte, die Ofeninduftrie sei so heruntergekommen, daß dieselbe nicht mehr den dritten Teil der Arbeiter beschäftige, wie vor 16 Jahren. Um den Vorortverkehr zu bekommen, mutzten allein 63 666 M. aufgebracht werden. Die Grundwertsteuer und Wertzuwachssteuer sei nach längeren Kämpfen eingeführt worden. Viele Besitzer bezahlten in Velten aber nur 6 bis 9 M. Einkommensteuer, trotzdem sie eine Jagd gepachtet haben und ihre Kinder auf höhere Schulen schickten. Genosse Pieck- Spandau äußerte: Wir suchen soviel Industrie heranzuziehen, wie nur irgend möglich. Die Anlegung des Hafens habe 6'A Millionen Mark gekostet; das Anlagekapital verzinst sich jetzt nur mit 2 Proz. Mit aller Kraft suchten er und seine Ge- nassen dafür einzutreten, datz die Grundwertsteuer auf unbebaute Grundstücke höher geschraubt werde. Der Antrag, die Verkehrs- mittel in eigene Regie zu übernehmen, sei vor einer Reihe von Jahren, als die Straßenbahn einige hunderttausend Mark kostete, abgelehnt worden. Im Jahre 1969 habe man dann die Bahn für SVi Millionen Mark gekauft, nachdem Privatunternehmer ungeheure Summen daran verdient hatten. Nach einem kurzen Schlußwort des Referenten ersuchte Genosse Stahl die Gemeindevertreter, gemäß der angenommenen Resolution des Parteitages in ihren Gemeindeparlamenten Anträge zu stellen auf Ausführung von Notstandsarbeiten und Einführung von Ar- beitslosenversicherungen. Der Kreisvorstand werde der Anregung nachkommen und öfter derartige Konferenzen abhalten. Redner schloß die Tagung mit dem Wunsche, daß die Gemeindevertreter das hier Gehörte im Interesse der Allgemeinheit verwenden mögen. Nach Schluß der Sitzung fand noch auf Anregung des Genossen Pieck eine eingehende Besichtigung des neuen Rathauses statt, die durch liebenswürdiges Entgegenkommen des Stadtbaurats Paul genehmigt worden war. Ächöneberg. AuS der Stadtvcrordnetenversammlnng. Zunächst kamen die von der vergangenen Sitzung nicht erledigten Beratungsgegenstände zur Verhandlung. Die Freie Fraktion wünschte, daß der Schulbauplatz auf dem Kiekebusch scheu Gelände als Spielplatz hergerichtet werden möge. Herr I a tz o w(Fr. Frkt.) betonte, daß der Schulplatz an einen Pächter verpachtet sei, der Tennisplätze darauf errichtet hätte, im übrigen wäre der Platz sehr vernachlässigt; man möge dafür sorgen, daß dort ein Kinderspielplatz eingerichtet werde. Stadtrat K a tz bat, den Antrag abzulehnen, es würden der Stadt nur unnütze Kosten aufgeladen. Der Pächter wünschte gern aus dem Pachtverhältnis herauszukommen, er könne auf diesen Plätzen nicht viel werden. Die Tennisplätze seien gut im Stand ge- halten. Für die kleinen Kinder sei dieser Platz zum Spielen nicht geeignet.— Zobel(Lib. Fraktion) wollte von einem Kinderspiel- platz nichts wissen und meinte, daß derartige Provisoriums viel Geld verbrauchen; Bauplätze seien als Spielplätze äußerst ungeeignet. Man solle definitive Spielplätze schaffen, dann hätte die Sache einen Wert.— Genosse K ü t e r trat ebenfalls für Ablehnung ein, da dieser Platz von allen Seiten bebaut liege, einige Schritte davon auf dem militärfiskalischen Gelände hätten die Kinder reichlich Platz zum tummeln. Auch werde das Gelände jetzt schon von den Kindern für alle möglichen Spiele benutzt. Den Bautzener Platz dagegen sollte man ähnlich dem Wartburgplatz mit gärtnerischen Anlagen versehen, dann würde dieselbe der ganzen Gegend zur Zierde gereichen. Der Antrag wurde abgelehnt.— Für die Wohnungs« inspeklion sowie für die Schulzahnklinik waren Nachforderungen not- wendig, da die zur Verfügung stehenden Mittel bei weitem nicht reichten.— Linicus(Fr. Frkt.) beschwerte sich über das Vorgehen des Wohnungsinspektors sowie der Pflegerin, er wünschte, daß mit den Hausbefitzern nicht allzu rigoros verfahren werden möge. Stadtrat R a b n o w erwiderte, seit dem kurzen Bestehen des Wohnungsamts seien ungefähr 2666 Wohnungen inspiziert und davon nur drei Wohnungen beanstandet worden. Allerdings seien Be- schwerden der Hansbesitzer eingegangen. Genosse K ü t e r meinte, man sollte doch erst ein Jahr vergehen lassen und den Bericht abwarten, bevor unwesentliche Dinge vorgetragen würden. Der Stadtv. Linicus hätte diese Fälle in der Deputation zur Sprache bringen und dort untersuchen lassen können. Recht bedauerlich sei es, daß der Ma- aistrat für die Woblfahrtsfürsorge so wenig Interesse zeige und nicht schon längst mit einer Vorlage gekommen sei, um eigene Räume für diese notwendige Einrichtung zu schaffen. Wenn aber die Wohl- fahrtspflege als Plage angesehen werde, dann werde vieles ver- ständlich.— Der Magistrat schwieg sich hierzu aus. die Nach- forderungen wurden bewilligt. 26 666 M. forderte der Magistrat noch, um die Heizung im Neubau.der höheren Mädchenschule am Stadtpark von Mitte November ab in Betrieb setzen zu können; die Arbeiten für den inneren Ausbau sollen so gefördert werden, daß die Schule im April 1914 dem Betriebe übergeben werden kann. Lassen(Lib. Fraktion) meinte, diese Summe werde nicht ganz gebraucht werden, denn bei Jnnentrocknung sei soviel Heizung nicht erforderlich. Jatzow(Fr. Frakt.) behauptete. die Summe werde nicht zulangen, soweit ihm bekannt, würden außerdem nngefähr noch 45 606 M. erforderlich sein. Stadtrat E g e l i n g erklärte, die Berechnung sei von dem Heizungsingenieur ausgestellt und stimme genau. Genosse Küter machte der Liberalen Fraktion imallgemeinen und deren Sprecher, Herrn Lasten, im besonderen den Vorwurf, daß gerade durch ihre Verschleppungspolrtik die 26666 M. Mehrausgabe entstanden wären. Die Vorlage wurde einem Aus- schuß überwiesen, dem die Genossen Küter, Molkenbuhr und Reiche angehören. Die Schöneberger GewerkschaftSkommisfion hatte beantragt, die Bezirke für die Beisitzerwahlen der Arbeitnehmer zum Gewerbegericht nicht mehr nach den Bezirken der Polizeireviere zu begrenzen; dies habe zu Unzuträglichkeiten geführt, indem in dem einen Wahlbezirk nur 29 Wähler erschienen seien, während in einem anderen Wahl- bezirk 648 Wähler ihr Wahlrecht ausübten. Der Magistrat hat der Anregung Folge gegeben und die Stadt unter Zugrundelegung der Zahlen von 1912 in sieben Wahlbezirke eingeteilt.— Genosse M o h s empfahl die Vorlage zur Annahme. Die Versammlung stimmte ohne weitere Debatte zu. Angenommen wurde das Ortsstatut, wonach auf dem unmittel- baren Gelände am Stadtpark Fabriken, Cafes, Kinos, Kranken-, Irren- und Besserungsanstalten, Hotels, Logierhäuser, Gast- oder Schankwirtschaften, Theater oder sonstige öffentliche Vergnügungs- lokale nicht angebaut werden dürfen. Die Liste der Beisitzer sowie deren Stellvertreter für die am 9. November stattfindenden Stadtverordnetenwahlen wird ohne Debatte angenommen. In nichtöffentlicher Sitzung monierten unsere Genossen das Vorgehen einzelner Armenkommisfionsleiter und das Verhalten de» Magistrats. Wenn unsere Genossen in der Kommission neue Pfleger vorschlagen, lasse der Leiter dieselben unberücksichtigt, während bürger- liche Vorschläge unbeanstandet passieren und gewählt werden.— Von sozialdemokratischer Seite wurde diese Rückständigkeit auf da? entschiedenste gerügt und der Magistrat ersucht, loyal zu verfahren oder gewärtig zu sein, daß unsere Anhänger eines Tages von dieser Tätigkeit als Armenpfleger zurücktreten, da ein derartiges Verfahren von Kommissionsleitern und Magistrat als unwürdig an- zusehen wäre.— Der Magistratsvertreter antwortete, daß die Arbeiter gewiß vertreten sein sollen, aber nicht zu stark,_ denn auch die Geistlichkeit müsse herangezogen werden. Das Zurücktreten der Arbeiter würde wohl nicht viel Erfolg haben, denn eS seien doch alle Sozialdemokraten. — Bei der hierauf erfolgten Zettelwahl wurde der Missionar Ollmann mit 34 Stimmen gegen 11 Stimmen, die auf den Lederzurichter Zander entfielen, gewählt.— Die Liberalen hatten sich wiedergefunden, wie schon so oft, wenn es gegen die Sozialdemokratie ging. Die Antwort auf diese Nichtachtung, wenn es sich um Arbeiter handelt, muß am 9. November von den Wählern der dritten Klasse gegeben werden. Charlottenburg . Russisches Kalbfleisch in Charlottenburg . Außer russischen, Rind« und Schweinefleisch wird in Charlottenburg in den städtischen Verkaufsstellen Horstweg 32, Fritschestr. 58 und Nordhausener Sir. 23 auch russisches Kalbfleisch abgegeben. Die Verkaufspreise sind bis auf weiteres wie folgt festgesetzt: Rücken 6,95 M., Keule 6,96 M.. Brust und Bug 6,86 M., Kamm 6,65 M., Leber 1,16 M. für das Pfunb; Lunge mit Herz 6,76 M., Brägen 6,56 M., Zunge und Kopf je 6,75 M. das Stück. Weihensee. Aus der Gcmeindeverttetung. Vor Eröffnung der Sitzung teilte der Bürgermeister mit, daß die Gemeinde auf der Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig für ihre städtebauliche Ausstellung die silberne Medaille erhalten habe. Hieraus berichtete der Leiter des Wohlfahrtsamtes über die Ausstellung„Im Reiche der Haus« frau", wo die Gemeinde ebenfalls eine ihrer sozialen Einrichtungen aus der Säuglingsfürsorge ausgestellt habe, insbesondere äußerte er seine Meinung über das Säuglingszimmer, wie es fein und wie es nicht sein soll. Am Schluß lud er zum Besuch der Ausstellung ein. Der Bürgermeister ergänzte diese Ausführungen und erwähnte einige lobende Zeitungsnotizen. Unser Vertreter wie» darauf hin, daß solche Ausstellungen nur dann einen Wert haben, wenn zugleich auch dargelegt wird, wie dem Uebel am besten ge- steuert werde. So müßte der Staat sowohl wie auch die Kommune die Pflicht übernehmen, die armen Wöchnerinnen solange zu unter- stützen, als es ihr Zustand erfordert. Jetzt seien in den allermeisten Fällen die jungen Mütter wenige Tage nach der Geburt in der Sorge um sich und ihr Kind gezwungen, schon wieder ihrem Beruf nachzugehen. Auch zeige das angeführte Beispiel wie notwendig eine durchgreifende WohnungSreform sei. Der Leiter deS Wohlfahrtsamtes würde sich ein Verdienst erwerben, wenn er hier bahnbrechend vorginge. Unterm 15. März 1896 ist eine Polizeiverordnung erlassen worden, wonach das Aussuchen von Backwaren durch die Käufer in den Ver« kaufsstellen der Bäcker oder Backwarenhändler verboten ist. Jetzt, im Jahre 1913 bemerkte man endlich, daß diese Polizeiverordnung nn« gültig ist, weil es in der Strafandrohung geheißen hat: Ueber» tretungen werden mit Geldstrafe bis zu 9 Mark oder Haft bis zu 3 Tagen geahndet. Dafür soll fortan folgender Paragraph Geltung baben: Uebertretungen werden mit Geldstrafe bis zu 9 Mark, iin Unver- mögenssalle mit verhältnismäßiger Haftstrafe geahndet. Der Erlaß eines Ortsstatuts für den Anbau an Straßen und Plätzen zeitigte eine Debatte von ziemlich drei Stunden. Das bisher bestandene OrtSstatut war veraltet und auf Beranlassnug des Landrats sollte dasselbe modernisiert werden; hieran wurde die VerWallung seit drei Jahren vom Landrat erinnert. Vor allem lehnten sich die Freunde des alten Ortsteils gegen das Statut auf, weil sie einige dort bestehende Straßen, unter andern die Feldtmannstraße nicht für anbausähig hielten. Man wollte vor allem alle bestehenden und scdon mit Häusern versehenen Straßen als anbaufähig gellen lassen und einen solchen Vermerk in das Stowt mit aufgenommen wissen. Bei dieser Gelegenheit brachten einige Vertreter nicht nur allgemeine Grundbesitzerschmerzen vor, sondern ließen auch ihre �eigenen Angelegenheiten besprechen. So führte der Kohlkopfzllchter Schwarz darüber Beschwerde, daß er bei der Grundwertsteuer benachteiligt werde, indem man ihn nicht den Satz für gärtnerisch betriebene Grundstücke bezahlen lasse. Der Dezernent der Steuerverloaltung diente unter dem Gelächter der Versammlung damit, daß Herr Schwarz selber daran schuld sei, denn er weigere sich. Gewerbesteuer als Gärtner zu zahlen, somit falle er unter die Großgrundbesitzer und müsse daher die Grund- wertsteuer berappen. Herr Teichert glaubte immer noch zu bemerken, daß diejenigen, welche einer bestimmten Hausbesitzer« gruppe angehören, von der Verwaltung anders behandelt werden, als die der„anderen Richtung". Den Beweis für seine Behauptung blieb der Herr schuldig. Trotz der langen, oft abschweifenden De- batte wurde an dem Wortlaut des vorliegenden StawtS nichts ge- ändert und dasselbe gegen vier Stimmen angenommen. Groft- Besten. Das unvorsichtige Umgehe« mit der Schußwaffe hat wieder ein- mal zu einem schweren Unfall geführt. Vor einigen Tagen erhiell der Sekundaner W. den Besuch seines Schulfreundes S. aus Königs» Wusterhausen. Er zeigte dem letzteren seinen Revolver und wußte nicht, daß die Waffe geladen war. Beim Erklären der Waffe ging Plötzlich ein Schuß los und S. brach, von der Kugel ins Gesicht ge- troffen, zusammen. Dicht neben dem rechten Auge war das Geschoß eingedrungen. Bisher konnte es noch nicht wieder entfernt werden. Trebbin (Kreis Teltow). In Harnisch gerieten die ehrbaren Vertreter des hiesigen Hand- Werks wieder einmal, als es sich in der letzten Stadtverordneten, sitzung darum handelte, die Unterrichtszeit in der Fortvudungs« schule auf eine frühere Zeit zu verlegen. Wie im vergangenen, hat auch in diesem Jahre die Regierung unter Androhung der Eni- ziehung des Staatszuschusses, die Festsetzung der Unterrichtsstunden von 6—8 Uhr verlangt. Unsere Genossen �unterstützten leibst- verständlich dieses Verlangen, was unter den sonst durch Abweien- heit glänzenden Handwerksmeistern große Erregung heroornef. Die Freisinnsgröße, Herr Drachholz, meinte verwundert: Ich weiß gor nicht, sonst sind sie immer gegen die Regierung und hier gerade sind sie mit der Regierung. — Der Magistratsantrag wurve mit 9 gegen die 4 Stimmen unserer Genossen bei zwei Stunmenenthaltungen an« genommen. Damit bleibt die Unterrichtezelt von< 3 Uhr bestehen. Zu der am 16. November er. ftattfindenden Stadtverordneten - wähl winden als Beisitzer die Herren Schulze und Siebecke und als Stellvertreter die Herren Jung und Maß gewählt. So- dann wurde ein Schreiben des Magistrats verlesen,«
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