Run setzt sich Busch zur Ruhe, weil er das Heu hereinhat und auch keine Neigung hat, den Appetit des Steuer-molochs zu befriedigen. Allzu viel Tränen wird aber die Ber-liner Bevölkerung dem jetzt hurrapatriotisch gestalteten Unter-nehmen nicht nachweinen._Massenvergiftuugcn im Osten der Stadt.Nach dem Genutz von Hackfleisch sind im Laufe des Sonnabendsund Sonntags mehrere Familien in der Dolziger- und Samariter-ftratze unter schweren Vergiftungserscheinungen erkrankt. Die Er-krankten, mehr als 2t> Personen, leiden alle an heftigem Fieber undErbrechen, so datz sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mutzten.Die Kriminalpolizei hat Reste des Hackfleisches, auf dessen Genutzdie Vergiftungen anscheinend zurückzuführen sind, beschlagnahmtund zur genaueren Untersuchung dem Institut für Infektion?-krankheiten übersandt. Ueber die Massenerkrankungcn, die in dembetreffenden Viertel grotze Unruhe hervorgerufen haben, erfahrenwir folgendes:Die Kinder mehrer Eheleute aus der Dolziger- und Samariter-straße holten von einem Schlächtermeister in der Nachbarschaft amFreitagabend Hackfleisch, von dem alle Familienmitglieder atzen.So u. a auch der 41 Jahre alte städtische Arbeiter FerdinandGraband aus der Dolzigerst ratze 35 mit seiner 41 Jahre altenEhefrau und drei Söhnen von 16, 1b und 6 Jahren, sowie der46 Jahre alte Arbeiter Friedrich Els, der mit der 41 Jahre altenWitwe Else Grünberg in der Dolzigerstratze 46/41 einen gemein-schaftlichen Haushalt führt. Neben diesen atzen auch ein 14 Jahrealter Sohn des Arbeiters, zwei 13 und 16 Jahre alte Söhne derWitwe und deren S Jahre alte Tochter von dem Fleisch. Auch sieliegen, ebenso wie mehrere andere Familien aus der Samariter-stratze, nach dem Gcnutz des Fleisches schwer danieder. Tie Ar-beiter Graband und Els mutzten am Sonnabend ihre Arbeit ein-stellen und sich nach Hause begeben, wo sie die anderen Familien-Mitglieder schon erkrankt vorfanden. Els benachrichtigte auch schonam Sonnabendabend durch Nachbarn einen Arzt, während dieFamilie Graband, obwohl sie alle schon stark fieberten undheftige Erbrechen hatten, erst gestern ärztliche Hilfe herbeiholte,Es sind wahrscheinlich noch mehr Personen ertrankt als bisheramtlich bekannt geworden sind. Erst Sonnabendabend meldete sichnoch eine Frau aus der Elbinger Stratze, die ebenfalls Hackfleischgenossen uno jetzt an Vergiftungserscheinungen schwer daniederliegt.Sie hatte das Fleisch auf dem Markt gekauft. Wie sie sagt, warihr die dunkle Farbe des Fleisches aufgefallen und autzerdcm habees schlecht gerochen. Trotzdem verzehrte sie eS, weil sie nicht glaubte,datz eS schädlich wirken könne.Ei» Opfer des Sllkohols.Der 26 Jahre alte Arbeiter Friedrich Z. aus der Lietzmann-stratze hatte nach Geschäftsschlutz stark über den Durst getrunken.Als er sich gegen 8 Uhr auf den Heimweg machte, vermochte er seinZweirad nicht mehr ordentlich zu lenken. In oer Alten Jakob-stratze fuhr er vor dem Hause Nr, 116 gegen einen Pferdeomnibusder Linie 18. Hierdurch kam er zu Fall und geriet so unglücklichunter die Räder, daß ihm diese über Kopf und Hals gingen. TicVerletzungen Ivaren so schwer, Satz ein sofort hinzugerufcner Arztnicht mehr helfen konnte. Ter Verunglückte starb auf der Stelle.Die Leiche wurde von der Polizei beschlagnahmt und nach demSchauhause gebracht.Beide Beine abgefahren.Ein entsetzlicher Unglücksfall hat sich in der Nacht zum Sonn-tag auf der Stettiner Bahn zugetragen. Die zwanzigjährige Buch-halterin Tora Husen, Bchrenstratze 86 wohnhaft, hatte auf demBahnhof Waidmannslust einen bereits in der Fahrt begriffenenVorortzug nach Berlin besteigen wollen. Sie rutschte jedoch aufdem Laufbrett ab und kam so unglücklich zu Fall, daß sie mitbeiden Beinen unter die Räder des Wagens geriet. Ehe der Zugauf die Rufe von Beamten zum Halten gebracht werden konnte,waren mehrere Wagen über die Unglückliche hinweggegangen. BeideBeine wurden der H. vollständig abgefahren. In dem gleichenZuge wurde die Schwerverletzte nach dem Stettincr Bahnhof undUKeater.Lessingtheater: Pygmalion, Lustspiel von S h a w.Ter Shawsche Pygmalion hatte bei einem dankbaren Publikumgroßen HeiterkeitScrfolg. An Komödien wie die Shawschcn„Hcl-den" oder auch an seinen.Arzt am Scheidewege" durfte man freilichnicht denken. DaS neue Lustspiel ist eine jener witzig dialogisiertenPlaudereien, die er in anspruibsloser Laune spielend improvisiert.Er schüttelt einen Haufen paradoxer Einfälle kaleidoskopisch durch-einander und freut sich an der Buntheit, unbekümmert darum, obdie Farben auch zusammen stimmen.Der Pygmalion der Sage ist ein Künstler, der sich in sein Kunst-loerk, die Marmorstatue einer Jungfrau, verliebt, durch die Glutder Liebe das Geschaffene zu eigenem Gefühl und Leben weckt. Indem Verhältnis des spleenig wunderlichen Professors Higgins, einesenragicrtcn Dialektforschers, zu dem Londoner Stratzenmädel,deren Jargon er in sechsmonatiger Lehrzeit zur korrektesten Sa-lonsprache umzubilden gewettet hat, läßt sich jedoch irgendeine paro-distische Beziehung zum alten Märchen kaum erkennen. Das Nlädelwandelt sich im Handumdrehen zur eleganten Dame und wird denMeister dann standesamtlich an sich fesseln. Aber weder kann dergelehrte Herr dies Werk der Wandlung seiner.Kunst zugute schrei-den, noch scheint er dadurch sonderlich enthusiasmiert. Immer-hin, es wäre das ein dankbares ironisches Motiv gewesen. Freilichhätte das Konzentration verlangt. Mit� einer aufs grobianischSErullenhaftc und auf erotische Blindheit eingestellten Possenfigurwie HigginS läßt sich das nicht machen.So wenig wie das Pvgmalionmotiv, so wenig wird ein an-dcres durchgeführt. Datz das von Higgins aufS Geradewohl erwählte Experimcntalobjekt in einem Halbjahr einen Chik gewinnt,der es ihm ermöglicht, als angebliche Herzogin zn glänzen— dieseIdee verspottet hübsch den Dünkel jener Kreise, die exklusiv mitihrem„guten Ton" zu prunken Pflegen. Ein bißchen Dressur undweibliche Geschchmcidigkeit genügt, um es im Talmi solcher„Bil-dung" ihnen gleich zu tun. Indessen Shaw vergißt dann wieder,wo es ihm Paßt, die Absicht. Bei der ersten Probe im Teesalonvon HigginS Mutter läßt er die kleine Doolittle die allerdümmstenDummheiten verzapfen.Nicht nur die äußere Politur ist trotz gewonnener Wettemangelhaft geblieben, die innere noch viel mehr. Der Liebe, diedas Mädel zu ihrem widerborstigen Erzieher unterdes gefaßt hat,fehlt jede sanftere Sittenanmut. Noch am gleichen Tage, an demsie in der Herzoginnen-Garderobe parodierte, wirft sie dem Ah-nungSlosen die Pantoffel an den Kopf. Das ist die Ouvertüre zudem HochzeitSmarsch. Sie zanken sich noch einen ganzen Akt hin-durch, bis der Professor dann erkennt, datz er sie nicht entbehrenkann. Ueberall lustig originelle Ansätze, doch keiner, der zu wirk-lich lustspiekmäßiger Entfaltung käme. Die eindrucksvollste allerEpisoden, in der der Shawsche Witz seine respektloseften Purzel-bäume schoß, war die Erscheinung des alten Doolittle, des jovialenMüllkutschers, der einen kleinen Erpressnngsversuch riskiert undbei der Gelegenheit vor dem Professor seine philosophischen An-schauungen über bürgerliche Maral entwickelt. Am Schlüsse siehtman ihn dank eines Testaments in der Würde eines neugebackenenBourgeois und Wandcrpredigers.von dort nach dem Krankenhaus Am Urban gebracht. An demAufkommen des jungen Mädchens wird gezweifelt.Kleine Nachrichten. Acht Tage tot in ihrer Stube gelegen hat,ehe man von ihrem Hinscheiden etwas merkte, die 75 Jahre alteRcntenempfängerin Franziska MattkowSka aus der Hollmannstraße 7. Tic alte Frau hatte-dort für sich allein eine Stube inneund lebte ziemlich für sich�zurückgezozen.— Mit Cyanlali vergiftethat sich in der Nacht zum«onntag der 46 Jahre alt« Versicherungs-agent Hermann Meyer aus der Scllerstraße. Unheilbare Krankheithat den Mann zu der Tat getrieben.— Aus dem Landwehrkanalgelandet wurde gestern am Charlottenburger Ufer die Leiche einesjungen Mädchens von etwa 18 bis 22 Jahren. Die Tot« ist ungefährI,ö6 Meter groß und schlank, hat braune Augen und vollständigeZähne und trug eine lange blaue Golfjackc, ein blaues Kostüm,gelbe Halbschuhe, braune Strümpfe und 8. 8. gezeichnete Wäsche.Die Leiche scheint etwa drei Wochen im Wasser gelegen zu haben.—Auf einen Kindcsmord läßt ein Fund schließen, den man gesternim Müblendammwehr, hinter der Städtischen Sparkasse, machte.Ein dort treibendes Paket enthielt die Leiche eines weiblichenKindes, das, nach äußerlichen Verletzungen zu schließen, von der un-natürlichen Mutter nach der Geburt getvaltsam getötet worden ist.Was geht in der A. E. G. vor?Eine von etwa 4666 Personen besuchte Betriebsversammlungaller in der A. E. G. sTurbinenfabrik) beschäftigten Arbeiter undArbeiterinnen nahm am Sonntag in Kellers Festsälen, Koppen-straße, den Bericht des Arbeitorausschusses über die Verhandlungenmit der Direktion entgegen. Die Verhandlungen machten sich vorallem notwendig wegen der Abzüge an den Akkorden und wegender rigorosen Behandlung durch einen Teil der Meister. Wie dieMitglieder des Arbeiterausschnsses, Fritze und K r ä t k e, mir-teilen konnten, ist die Direktion den Forderungen der Arbeiter nurteilweise entgegengekommen. Nach Ansicht der Direktion seien dieBefürchtungen, daß die Arbeiter in Zukunft nicht mehr auf ihrebisherigen Lohnsätze kommen könnten, unbegründet. Auch wurdeAbhilfe versprochen, soweit c8 sich um das rigorose Auftreten derMeister handelt. Im großen und ganzen, so betonten die Refe-rcntcn, sei jedoch das gewünschte Resultat durch die Verhandlungennicht erzielt worden. Die sehr lebhafte Diskussion endete schließ-lich damit, daß die Vcrsammluug einstimmig beschloß, daßder Ausschuß noch einmal bei der Direktion vorsprechen und ver-suchen solle, auf gütlichem Wege noch etwas mehr zu erreichen, alsdie Direktion dem Arbeiterausschuß versprochen hatte.�us aller Melt.LippendicnftGott sei Dank gibt es auch in unserer materialistisch ge-finnten Zeit— siehe Kruppzeugprozeh— immer noch Idealisten,die unseren guten alten Ruf, daß wir ein Volk der Denker undDichter seien, aufrecht zu erhalten wissen. Sie leben der ernstenForschung und sorgen dafür, daß unsere Kultur vorwärts gedrängtwird. Natürlich können sie sich um so nebensächliche Dinge wieetwa das Problem der Arbcitslosenfürsorge nicht kümmern. IhrBlick ist auf Größeres, Wichtigeres gerichtet, den Nichtigkeiten de?Lebens können sie ihr« Zeit nicht widmen. Ter ganzen Menschheitist ihr Streben geweiht, den Ursachen der menschlichen Ent-wickelunggilt ihr Forschen.Das wirb einem jeden klar werden, wenn er beispielsweisedas Thema eines Vortrages hört, den der bekannte GenealogeKammerherrr Dr. Stefan Kekule von Stradonitz am Frei-tag in der Berliner Gesellschaft für Rassenhygiene hielt. An Handzahlreicher Lichtbilder behandelte er die„Entstehung undVererbung der sogenannten Habsburger Lipp e",jenes„berühmten Familientyps des Hauses Hadsburg".Nach einem uns zugegangenen, sehr verläßlichen Bericht ver-wies in der interessanten Diskussion über dies hochwichtige Kultur-Problem ein Sachkenner auf die Tatsache, daß die HabsburgerHängelippe sich in ganz eigenartiger Anpassung an daS Milieuauch bei gewissen Lakaien und Höflingen vorfindet. Durch die mitdiesem Beruf öfters verbundene Notwendigkeit d«S Stiefel-Dein Stück kam eine ungewöhnlich feine Aufführung zu Hilfe.Tilla D u r i e u x in der Figur des schmutzigen Straßenmädchensund der späteren Dame sprudelte von Temperament. EbensoStein rück in der schwierigen Rolle des bärbeißigen Experimen-tators. Jlka G r ü n i n g war eine reizend gütige Mutter, E k e r tim ersten Akt ein unvergleichlicher Doolittle. ckt.IVliiliK.Theater des Westens:„P o l« n b l u t", Operette vonLeo Stein, Musik von Oskar Nedbal. Die Erstaufführungbrachte mehr denn einen glänzenden Erfolg: den Beweis, daßunsere zeitgenössische Operettenproduktion sich nicht in hoffnungsloseUnfruchtbarkeit zu verlieren braucht. Leo Stein hat zum„Polen-blut" einen Text geliefert, der sich weit über die seichte Unter-haltnngs-, Zoten- und Mätzchenmache der heutigen Operettennormerhebt.Der verschuldete polnische Landedelmann Baranski führt inGesellschaft prassender Freunde ein Luderleben, das seinen Besitztotal zerrüttet hat. Sein väterlicher Freund Pan Zarembo, zu-gleich sein stärkster Gläubiger, möchte ihm seine Tochter Helenazur Frau geben. Auf einem Ballfest in Warschau sucht er ihm seinKind nahe zu bringen, doch vergebens. Diesen machen die Reizeder Tänzerin Wanda Kwasinkaja blind gegen die unverdorbenenWerte des jugendfrischen Landfräuleins. Lieber will er sich ineine Bäuerin verlieben... Diesen Ausspruch soll er büßen. Dasverschmähte Mädchen verdingt sich, als Bauernmagd verkleidet, aufseinem Gut als Wirtschafterin und läßt bier ihre Liebe still waltenzum Segen des Gutes und seines von ihr gezügelten Herrn. DasErntefest zeigt den Aufschwung des Gutsbetriebes. Ihre Missionist damit erfüllt. Da durchkreuzt der plötzliche Besuch der Tänzerindie Aussprache zwischen BarinSki und Helena, doch die Eifersuchtdieses Gastes führt zur Klärung aller Mißverständnisse. Die jetztverschmähte Tanzdiva tröstet sich mit VarinskiS Freund Popicl,Helena aber wird die Gattin ihres geliebten BarinSki.Zu dieser in allen Momenten spannenden und mit Humordurchwobenen Handlung hat OSkar Nedbal eine ebenso geschmack-und reizvolle wie bluttvarmc Musik geschrieben. Grazie und Frischelösen einander ab in den vielerlei vortrefflichen„Schlagern", unterdenen aus dem ersten Akt das Tanzduett„Hören Sic, wie'S fingtund klingt", aus dem zweiten das fesche Biarschlied„So lang snoch solch.' Frauen gibt, ist Polen nicht verloren", sowie das ur-komische Baucrndnett von der Gutswirtschaft mit seiner an-schließenden Mazurka in echtem Volkston besonders hervorgehobenseien. Die musikalische Pracht schwingt sich im dritten Akt gerade-zu zu opernartiger Grandezza auf, wofür daS feingearbeiteteErntedanklied und die jubelnden Tanzchöre der Dorfjugend volleBelege bieten.Die Aufführung war glänzend. Vortrefflich und sicher sindunter der Regie Gu'*av Charles die Massen geleitet undgruppiert, reizvoll die Einzelarrangcments ausgearbeitet. Von denDarstellern setzte sich jeder einzelne mit trefflichem Gelingen fürden Erfolg ein. Ein männlich frischer und gewinnender Mensch istder Graf BarinSki Albert K u tz n e r s, der mit seinem sympathischen,klangvollen Tenor wahre Freude weckt. Marie O t t m a n n alsHelena Zaremba steht ihm würdig zur Seite. Boll köstlichen Humorsleckens entwickelt sich der die Unterlippe herabziehende Muskelbisweilen besonders stark und hält dann die Lippe in herab-hängender Stellung. Dadurch entsteht eine ähnliche Mißbildung.Bei diesem Worte wurde der Redner durch Pfuirufe unterbrochen,und die Versammlung endete in Tumult.Aus dem unterirdischen London.Zu einer blutigen Schlägerei ist es in der Nacht zum Sonntagin einem nördlichen Vorort von London gekommen. Ein Soldatgeriet in einer Kneipe mit einem Matrosen in eine Schlägerei undversetzte diesem mehrere Fußtritte gegen den Unterleib. Die Ver-letzungen des Matrosen waren so erheblich, datz er kurze Zeitdaraus starb. Als mehrere Polizisten den Mörder abführenwollten, nahm die Menge eine so feindliche Haltung an, daß diePolizisten gezwungen waren, Verstärkungen zu holen, um sich derAngriffe der Menge zu crtvehren. Die zur Verstärkung ein-treffenden Polizeibeamten mußten einen förmlichen Sturm-angriff gegen das Publikum unternehmen, um ihre Kameradenzu befreien. Hierbei wurde ein Mann getötet und siebenverwundet. Mehrere Polizisten wurden gleichfalls durchSteinwürse verletzt. Tie Polizisten gewannen schließlichdie Oberhand und nahmen sechs Verhaftungen vor.Die Sintflut in Norditalien.Die Ucbcrschweinmungcn im Süden der lombardischen Ebenesind nach den letzten Nachrichten noch umfangreicher gewesen undhaben größere Verheerungen angerichtet als die ersten dürftigenBerichte erkennen liehen. Die ganze riesige Ebene gleichteinem flachen See und ganze Ortschaften sind Pom Verkehruntereinander abgeschnitten, so daß man von der Größe des Schadens noch kein richtiges Bild haben kann. Sehr viel Groß- undMeinvieh ist den Fluten zum Opfer gefallen. Dabei schwillt dasWasser noch andauernd an, und der Bewohner bemächtigtsich wachsende Unruhe. Die Regierung hat mehrere RegimenterSoldaten zur Hilfeleistung nach dem Ueberschwemmungsgebiet ab-gesandt.__Hetzte Nachrichten*Die öticbwabl in Italien.Rom, 2. November. Tie Stichwahlen fanden heutein ganz Italien unter großer Beteiligung statt. Imersten Wahlkreise der Stadt Rom wurde der NationalistFederzoni gegen den Sozialisten Campanozzi ge-wählt. Im Wahlkreise Como wurde der friihere MinisterCarcano wiedergewählt. In Mailand wurden gewählt:im ersten Wahlkreise der ministerielle Liberale Decapitanigegen den Republikaner Eugenio Chiesa, im zweiten Wahl-kreise der ministerielle Liberale Agnelli, im dritten Wahlkreiseder Sozialist M a f f i o l i, im vierten Wahlkreise derRadikale Gasparotti._Revolverschießerei eines Betrunkenen.Rastatt» 2. November. Heute nacht ein Uhr gab der ArbeiterHermann Scham aus einer Browningpistole auf offener Straßemehrere Schüsse ab. die zwei Schutzleute sowie einenPassanten namens Koch schwer verletzten. Scham,von dem man annimmt, daß er die Tat in der Trunkenheitbegangen hat, wurde verhaftet. Die Verletzten wurden in dasKrankenhaus geschafft._Großfeuer im Lübecker Hafen.Lübeck, 2. November. Heute nachmittag gegen vier Uhr kamhier ein riesiges Feuer zum Ausbruch. Es entstand auf den weitausgedehnten Holzplätzen der Firma B rügmann u. Sohn amHafe neingang und wütete bis zum späten Abend mitunverminderter Gewalt. Die Stadt und ihre Umgebung warentaghell erleuchtet. Hilfe leisteten die Feuerwehr von Lübeckund zahlreiche Wehren der Umgegend, ebenso die Matrosen derersten Minensuchdivision. Den vereinten Anstrengungen gelanges, ein Uebergreifen des Feuers auf die benachbarten Holzplätze zuverhindern. Der Brand erinnert an die Feuersbrünste, die sich imMai und Juni d. I. hier ereigneten und deren Urheber noch nichtermittelt werden konnten.und herziger Sonnigkeit ist der Frauenfreund Popiel in GustavMüllers Wiedergabe, fesch und voll sprudelnder Eleganz RosyW e r g i n z Tänzerin Kwasinkaja, neben deren Grazie die alteTheaterinutter Poldi A u g u st i n S eine köstliche Folie der Komikbietet. Eine überragende Sonderleistung bilden die Tranzproduktionendes russischen Sololtänzers Fedia S t c p a n o f f; aber auch die Ar-rangements der Gruppentänze können sich daneben wohl behaupten.DaS Orchester klingt graziös, dezent und reich nuanciert und bietetprächtige Farben. In Kapellmeister Max Roth hat die Auf-führung einen feinfühligen und schwungvollen Leiter.Der Erfolg des Abends war ein ganzer und ein Ehrlich vev-dienter. S.Deutsches Opernhaus, Charlottenburg. AlbertL o r h i n g S„U n d i n e" weckt die Erinnerung an eine Opergleichen Namens, die der„Gcspenster"-Hoffmann zu einem Librettovon Fouque, dein Dichter dieses bekannten MärchenS, 1813 ge-schrieben hat. Sic kam drei Jahre später mit Dekorationen nachEntwürfen Schinkels am Kgl. Schauspielhaus in Berlin dreiund-zwanzigmal zur Aufführung, wurde aber feit dem Brande diesesTheaters nicht mehr gegeben, obgleich Carl Maria v. Weber dasWerk als„eines der geistvollsten, das uns die neuere Zeit geschenkthat", bezeichnet hatte. Daß Albert Lortzing, als er 1843 den Planzu seiner„Undine" faßte, die Hoffmannschc Partitur jemals vorAugen gehabt habe, ist ausgeschlossen. Er schrieb sich, wie immer,sein Libretto selbst, in Anlehnung an Fonques Erzählung, abermit mannigfachen freien Erfindungen.1843 wurde die Oper zum erstenmal gegeben. Seitdem haksie sich mannigfaltige Verkürzungen gefallen lassen müssen: durchunsinnige Streichungen wie auch durch„Einlagen" von anderenKomponisten. Die letzt zur Aufführung gelangte„Undine" hatzunächst den Vorzug, ganz aus Lortzingscher Musik zu bestehen.Neu hinzugenommen hat Direktor Hartmann daS Duett im zweitenAuftritt des ersten Aktes, und zwar in seiner viersätzigen Voll-ständigkcit; ferner das Terzett zwischen Hugo, Bertalda undUndine im siebenten Austritt des dritten Aktes, wodurch die Vor-gänge deutlich motiviert erscheinen. Andererseits wieder erweisensich einige Kürzungen als notwendig. Ganz gestrichen ist BertaldasHochzcitsfcst im vierten Akt, und daS ist gutzuheißen. Unzerftückeltkommt jetzt die eigentliche Handlung zum rascheren Abschluß, wennauch die Vorstellung, alles in allem, noch immerhin drei Stundenbeansprucht. Zu dieser textlichen und musikalischen Auffrischungtritt eine zum Teil prächtige Dekoration, die den Stilcharakterdes 15. Jahrhunderts getreulich zum Ausdruck bringt.Nicht ganz vermochte die Aufführung selbst zu befriedigen:sie war weniger frisch, als man es bisher im Opcrnhause gewohntwar. Namentlich bewegte sie sich im ersten Akt etwas in älterenGleisen. Ohne die Vortrefflichkeit Julius L i e b a n S als Schild-knappen Veit und Peter L o r d m a n n s als Kellermeister anzu-tasten, sei jedoch gesagt, daß jedwede Uebertreibung der Spaße vomIlcbel ist. Elisabeth Boehm van Endert war eine echteUndine, im Schlußbildc auch wahrhaft sylphidisch. HerthaStolzenberg sah und hörte man seit Puccinis Mädchen ausdem goldenen Westen nicht mehr so vorzüglich wie diesmal. PaulHansen sRitter Hugo) singt kernig genug, um aus seinemRitter nicht einen schmachtstimmigen Seladon zu machen. WernerEngel(Kühleborn), Ernst Lehmann(Pater) spielten undsangen ziemlich untadelig, auch die Chöre klangen rein. ek.