Die lehr Uberale polizei*Wenn ein preußischer Staatsbürger unsere Ueberschrift liest,vermutet er sofort eine journalistische Bosheit und nimmt an, daßder ehrenwerten Polizei ironisch eins ausgewischt werden soll.Wie könnte in Preußen ein normaler Mensch auch auf denGedanken kommen, daß die Polizei liberal sei?Wir wissen ja aus Hunderten von Wahlkämpfen, daß dieKonservativen ihre Lieblingskinder sind.Aber vielleicht ist sie in jenem übertragenen Sinne liberal,der ungefähr dem deutschen„liebenswürdig" entspricht?Ach nein, ach nein, ach nein, ach nein!Eine liebenswürdige Polizei kann sich der preußische Staats-bürger ungefähr eben so leicht vorstellen wie einen arbeiterfreund-lichen Junker.War die Polizei etwa liebenswürdig, als sie ihre MoabiterSchlachten schlug? Als Wehrlose gemißhandelt und selbst tot-geschlagen wurden?Ist die bekannte abgehackte Hand in Breslau ein Zeichenpolizeilicher Liebenswürdigkeit?Haben die vielen, vielen Menschen, die auf Polizeiwachengeprügelt wurden, den Eindruck einer überströmenden LiebenS-Würdigkeit erhalten? Oder geht nicht eher von der Polizei einHauch des Schreckens aus?Und doch behaupte ich klipp und klar und ohne jede Ironie,daß die Polizei ganz besonders zuvorkommend sein kann!Das soll Wohl ein Wortspiel sein?Sie denken wohl an den bekannten Schießerlaß des Herrnv. Jagow, der den Beamten empfahl, im Revolverschießen denanderen zuvorzukommen?Ich denke, mit Verlaub, an nichts dergleichen! Ich habe allejournalistische Verruchtheit von mir abgetan. Ich behaupte inallem Ernst, daß es preußische Bürger gibt, die in der Polizei einesehr liberale und äußerst entgegenkommendeBehörde sehen.Aber mein Gott, wo existieren denn diese beneidenswertenMenschen? Wie heißen sie? Wer sind sie?ES sind die Bordellwirte in der preußischen Stadt Altona.Gestatten Sie eine Frage, woher wissen Sie, daß gerade dieseIndividuen so entzückt sind?Auf die Gefahr hin, meinen Umgang zu verdächtigen: ich weißes von ihnen selber.Von ihnen—?Jawohl. Von ihnen selber. Vor kurzem wurde in den großendeutschen Tageszeitungen eine Wirtschaft in Altona ausgeboten,deren Jahresumsatz auf 120 000 M. angegeben war. Auf eineAnfrage, die von der„Schleswig-Holsteinischen Wirtezeitung" ver-anlaßt war, lief dann eine Offerte ein, in der der glückliche Be-sitzer der Wirtschaft sich als B o r d e l l w i r t vorstellte.Das hat doch nichts mit der Polizei zu tun?Sehr viel sogar! Sie scheinen nicht zu wissen, daß diePolizei für diese Geschäfte ein sehr erheblicher Faktor ist. Terehrenwerte Bordellwirt handelte darum ganz logisch, als er inseine offenherzige geschäftliche Darlegung auch die Polizei ein-bezog. Und dies ist wörtlich das Zeugnis, das er ihr auszustellenvermochte:„Die Polizei ist hier sehr liberal undzuvorkommend und genießen, wie Sic sich selbst überzeugenkönnen, Wirte' hier privat wie von den Behörden dasgrößte Entgegenkomme n."Wollen Sie mir nun glauben, daß ich nicht geschwindelt habe?Ueberhaupt erfreut sich diese« Bordellwirt nach seinem eigenenZeugnis geradezu glänzender Existenzbedingungen.Sein Haus ist mit allem moderne:, Luxus und Komfort aus-gestattet. Nur das beste Publikum läßt sich dort blicken. Seinezehn„Mädchen" müssen je 10 Mark für eine Pension bezahlen, diehöchstens 2,50 M. wert ist. Eine'/io Flasche Bier, die ihm 8 Pfkostet, verkauft er mit 50 Pf. Selter und Limonaden, die ihm auf5 Pf. stehen, werden ebenfalls mit 50 Pf. verkauft. Die für seinEinkommen sehr wesentlichen„Mädchen" sind immer zu haben.Der Betrieb geht Tag und Nacht. Einer ungünstigen Konjunktursind solche Geschäfte n i e unterworfen. Seine Kollegen sind alleLeute„be s s e r e n Standes" und wohnen in den„b e s s e-r e n" Stadtvierteln, wo sie als P r i v a t i e r angemeldet sind. DerReingewinn beträgt 22 000—24 000 M. im Jahr.Wir fragen: Wo ist selbst in der bürgerlichen Welt einGeschäftsmann, der so auf Rosen gebettet wäre?Rechnen wir noch hinzu, daß er als preußischer Landtagswählers e l b st v e r st ä n d l i ch in der ersten Klasse wählt.Besinnen wir uns, daß er von einer sehr liberalen undäußer st zuvorkommenden Polizei durchs � Leben geleitetwird— dann springt das Endresultat in strahlender Klarheitheraus.Man muß in einer preußischen Stadt Bordell-Wirt s ein, um die angenehmen Seiten des preutzi-schen Staates zu erfahren.jfugend ade!Nicht nur für die Frau steckt ein Stück herber, herbstlicherTragik darin, wenn es heißt, von der Jugend Abschied nehmen,auch dem. Manne ist es ein saurer Apfel. Ein strammer Kerlwar man und ein lustiger Kerl, immer mit Frühling imHerzen, mit Spannkraft in den Gelenken, halli und hallo!Und eines Tages fühlt man es wie einen Hauch Zugluft auseiner Zimmerecke wehen und die große Zehe tut weh, vor demSpiegel entdeckt man graue, Weiße Haare an den Schläfen,die Gelenke federn nicht mehr so, Welt und Menschen stimmenöfter verdrießlich, und wenn man einmal mit alten Kumpanenbeim ersten Hahnenschrei heimgewandert ist. man spürt es inden Knochen! Dann weiß man: der Herbst ist da. und un-aufhaltsam geht es jetzt abwärts, immer schneller und schneller,bis zu dem dunklen Loch, das auszuheben der Spaten schongeschmiedet ist. Wenn man dann zufällig ein Dichter ist. setztman sich an dieser Lebenswende hin und schreibt Verse, wieL i l i e n c r o n. der sich vom Tod mahnen läßt:In einigen Jahren, ich kenne den Tag,Reitest Du aus in den gtünen Hag.Dein Dunkelfuchs trägt Dich, zwei Pointer zur Seite,Trabst Du, wie stets, vergnügt in die Weite.Im Wald« begegnet ein Mädel Dir,Das tut Dir behagen:„Bleib Du bei mir."Die blinzelt Dich an und lacht Dir zu:„Bübele, sag mir, wie alt bist Du?"Und sie läuft davon und läuft geschwind,Und über Dein Herz zieht ein eisiger Wind.Du jagst ihr nach und holst sie einUnd brichst aus den Hecken ein Rösälein:„Nimm hin, nimm hin, mit der Rose hier,Meine letzte Jugend geht mit ihr."Und Du wendest Dein Pferd und reitest im Schritt,Im Sattel reitet der Winter mit.Andere sagen's in Prosa, aber jeder empfindet es einmalim Lauf der Tage und Jahre, daß hier die große Wende ist.Auch unser Friedrich Engels hat es erfahren. Es wardamals, im Januar 1863, als es die einzige ernsthafte Ver-stimmung in seinem Freundschaftsverhältnis mit KarlMarx gab. Am 6. Januar dieses Jahres stirbt plötzlichMary Burns, ein frisches Proletarierkind, das Engelsdurch Jahre hindurch eine treue Lebensgefährtin war und ihmmit Witz und Lachen den Tag erhellte. In ein paar Zeilentut er dem Freunde die schwarze Botschaft kund:„Ich kannDir gar nicht sagen, wie wir zumute ist.", aber Marx springtmit einem kurzen� kühlen Satz über diesen schmerzlichen Ver-lust zu eigenen Sorgen und Schmerzen über, und Engelsist im Tiefsten verletzt. Alle Freunde, sogar allerhand Bieder-leute, haben ihm Freundschaft und Teilnahme bewiesen, undder beste, der vertrauteste Freund hält den Augenblick für ge-eignet, die Ueberlegenheit seiner kalten Denkungsart zurGeltung zu bringen— gut! heruntexgeschluckt! Aber allesist wieder im Lot, als Marx aufrichtiges Bedauern zeigt:„Es war von mir sehr unrecht, daß ich Dir den Brief schrieb,und ich bereute ihn, sobald er abgeschickt war." Freundlichantwortet Engels und erklärt, warum ihm Marys Ver-lust so mitgenommen, und da steht unter andern Sätzen dieser:„Ich fühlte, daß ich mit ihr das letzte StückmeinerJugend begru b."f)euhark»Es war in der Herberge eines kleinen Rhcinnestes. Wirhockten müde an den Tischen und genossen die Musik des knistern-den Ofens. Manchmal sang der Wind leis im Rohre.Draußen fielen die bunten Blätter der Bäume.„Ein schönerHerbst," sagten die Vcrgnügungsreisenden, die den Rhein ab-gondelten und den neuen Wein probierten. Wir kannten nurdie andere Seite der Jahreszeit: Arbeitslosigkeit, Tippeln, wasdie Sohlen halten wollten.„Ein schlechter Herbst", klagten dieKunden und klumpten sich abends maulfaul um die Oefen derPennen.Der Herbergsvater hatte die Gesangbücher austeilen lassen.Seite 13:„Dir, Dir Jchovah..." intonierte der Vater. DieHälfte der Kunden sang mit, un, wieder mal etwas zu hören.Die andere Hälfte sperrte zum Scheine die Mäuler auf. Einigestarrten abwesend zu Boden, husteten und spuckten.Dann kam die Predigt, wie immer vorm Schlafengehen. Terblonde Vollbart des Vaters zitterte beim Sprechen. Es drehtesich um das Bibelwort, wonach ohne Gottes Willen kein Sperlingvom Dache fällt. Der Vater legte alles in die Predigt, was erzu diesem Behufe gelernt hatte. Sein Bart peitschte in der Luftherum und seine volle Stimme tönte die Wände an:„Unser Herr-gott sorgt für uns, wie ein Vater für seine Kinder. Er weist unsunsere Wege, er hält seine Hand über allen Erdenkindern, ergibt uns alle unser täglich Brot und--" die volle Stimmesetzte miS, die kleinen blauen Augen über dem zitternden Barteschielten nach d«m Ofen. Gerade dorthin, wo Heukarle seinengrauhaarigen, kantigen Kopf schüttelte.„Er gibt uns allen unser täglich Brot," dröhnte die Stimmenachdrücklicher,„gibt uns täglich unseres Leibes Nahrung undNotdurft----"Der Vater setzte zum ztoeiten Male aus. Es war ihm ge-Wesen, als murrte Heukarles schüttelnder Kopf. Auch die Kun-den hingen die Blicke nach der Ecke hin, in der Heukarle denkrummen Buckel in die Ofenwärme rückte. Er war auf allenPennen de? Rheinlandes bekannt: ein vermickerter Fünfziger,der die Polizeigefängnisse dreier Königreiche in- und auswendigzu schildern wußte. Warum der alt« Kupferschmied unter denKunden gerade Heukarle hieß, ist nie an den Tag gekommen.Er saß am Ofen, starrte ins Feuer und schüttelte das ungc-kämmt« Haupt, als hätte ein Schnaps zuviel darin gesessen.Des Vaters Predigerbaß nahm einen neuen Anlauf, brachaber zum dritten Male ab und wandte sich der Ofenbank zu:»Was haben Sie dort für sich zu murren? Wie?,"Heukarle sah auf, erhob sich langsam, wie er's von derAnklagebank her gewohnt war, sah dem Vater ins aufgeregtdreinschauende Gesicht und sagte langsam:„Weil'S net wahr is,dös vom täglichen Brot!"Die Kunden stutzten, reckten die Hälse. War Heukarle Plötz-lich verrückt geworden? Wollte der auf die Straß: fliegen?„WaS ist nicht wahr?" Des Vaters Augen strahlten Zorn,dann Trauer, dann bekamen sie milden Glanz. Lächelnd sah er imKreise umher, als wollte er sagen: jetzt will ich's euch mal ganzeinfach beweisen. Dann ging der Baß weiter:„Hcukarle, geradean Ihnen zeigt sich ja Gottes Milde! Sie haben Ihr täglichBrot, trotzdem Sie sich seit zehn Jahren untätig umhertreiben!"„Wann ich ka Arbect net Hab..."„Aber Mann, Ihr täglich Brot haben Sie doch! ErkennenSie darin Eotte? Güte nicht!"„Na, ich net"— Heukarle strich sich den krummen Rücken—„na..."„Ja, haben Sie vielleicht nicht Ihr täglich Brot?"„Ja, ja," Heukarle strich sich unentwegt den Rücken,„ja,aber wann's mich beim Betteln erwtsch'n, werd ich eig'spirrt..."„Aber Mann, Ihr täglich Brot haben Sic dabei doch!"„DeSzweg'n brauchens mich doch net einzuspirrenl"„Aber Menschenskind," der Vater verlor alle Predigcrhaltung,„in? Gefängnis werden Sie doch eben gebracht, um dort zu ar-beitcn."„Dö Arbeet, dö könnenS mir doch auch drauß'n geb'n als-dann..."„Menschensftnd--" Der Vater suchte nach Worten, hatteeine Röte auf der Stirn, kam hinterm Pult hervor.„Sie sindein bockbeiniger Mensch. Halten Sie Ihre gottlosen Redendraußen--. Friedrich!"Der Vizeboos kam, die Tür wurde aufgeschlossen, schlug insSchloß— dann war Heukarle nicht mehr in der Herberge.Der Vater räusperte sich, suchte den rechten Tonfall i nd denverlorenen Faden der Predigt wieder zu finden. Aber die Kun-den wandten die Gesichter unwirsch den Wänden zu, husteten,spuckten und lauschten dem Winde, der im Ofenrohr brauste.Da kam der Vater noch mehr ins Stottern, schlug das Gebet-buch mit einem Amen zu, rief den VizebooS und sagte mit einerStimme, die nichts Gesalbtes hatte:„Friedrich, rennen Sie maldie Straße lang. Heukarle wird nicht weit sein. Der Kerl sollsein Bett haben, wenn er's auch nicht verdient!"----Als der Vizeboos wiederkam, war Heukarle nicht dabei. DieNacht hatte ihn verschluckt. Vielleicht hatte ihn der liebe Gott inPolizeigewahrsam geschickt oder unter einem Brückenbogen unter-gebracht, wie so oft. R o b e r t G r ö tz s ch.Wie greift das ans Herz! Ein großer Mann, der dieBeziehungen der Menschen auf dem ganzen Erdball klarenBlicks überschaut, ein Kämpfer dazu, der Tag für Tag an demRüstzeug der kommenden Revolution schmiedet, ein Unbeug-samer, für den Sentimentalität ein Fremdwort ist, und alsdieses kleine, einfache, muntere Frauenzimmerchen für immereinschläft, kommt es doch über ihn:„Das letzte Stück meinerJugend..Und Du wendest Dein Pferd und reitest im Schritt,Im Sattel reitet der Winter mit.Vom Jahrmarkt des L-ebens.Der Bürgermeirter mit Grundrätzen.Als obersten Herrn und Gebieter haben die ehrbaren Bürgerdes märkischen Städtchens Crossen einen Dr. jur. Straußerkoren. Das war ein weiser Beschluß. Unverdrossen wacht derHerr Bürgermeister über das Wohl und Wehe seiner Untertanen,sorgt er dafür, daß die idyllische Ruhe des Landstädtchens nichtdurch neuzeitliche Nörgler gestört werde. Doch alle Wachsamkeitnutzte nichts; eines Tages stand der rote Feind nicht nur vor denToren, ganz dreist hatte er sich im Innern des Ortes festgesetzt.Und sonderbar: trotz aller weisen Maßnahmen des Oberhauptesder Stadt wurden der roten Nörgler immer mehr und sie in ihrenAnsprüchen immer anmaßender. Man denke: eines Tages erfrechtesich der sozialdemokratische Wahlverein zu verlangen, daß der HerrBürgermeister einen öffentlichen Platz zu einer Versamm-lung hergebe. Und noch dazu zu einer Kommunalwähler.che r s a m m l u n g. Aber da kamen die Frechlinge bei dem Stadt-oberhaupte schön an. Er gab der roten Rotte eine gepfefferte Ant-wort, aus der wir folgende Probe wiedergeben wollen:„Ihr treffliches Parteiorgan„Vorwärts" und die ebenso vor-züglich redigierte„Märkische Volksstimme" würden sich andernfallseinbilden, daß„der Bürgermeister mit Grundsätzen", der„Catovon Crossen", durch Ihre damaligen, den Tatbestand der Beleidi-gung stark streifenden Artikel eingeschüchtert, jetzt plötzlich andererMeinung geworden wäre.Ganz abgesehen davon, mutz ich mich der Ueberzeugung ver-schließen, daß ein Bedürfnis nach Vertreibung der weltbeglückendensozialdemokratischen Ideen hier überhaupt vorhanden ist.Crossen ist eine kleine, friedlich« Landstadt, deren Einwohner inauskömmlichen Verhältnissen leben. Sollten die Löhneeinzelner Arbeitnehmer zu wünschen geben, dann wird eine Auf-besserung auch sicher ohne Vermittelung der friedensstörendenSozialdemokratie bald eintreten. Außerdem werden die Jnter-essen der Arbeiterschaft durch den hiesigen„Ratio-nalen Arbeiterverein", der auch in der hiesigen Stadt-verordnetenversammlung vertreten ist, vollauf gewahrt."Vor soviel Weisheit des„Bürgermeisters mit Grundsätzen"beugen wir dcmutSvoll unser Haupt. Ganz leise nur wagen wirdie Bürgermeisterarie aus„Zar und Zimmermann" zu pfeifen:Ja, ich bin klug und weiseUnd mich betrügt man nicht.Ich bin der Bürgermeister,Bin Crossens größtes Licht.IMufterpatnoteri.AIS vor einigen Jahren den Krcfelder Bürgern und ihrenmehr oder minder anmutigen Töchtern die langersehnten„Tanz-Husaren" in Quartier gelegt wurden, machten böse Spötter frivoleWitze, wie befruchtend die Einquartierung auf die Bevölkerungs-Vermehrung wirken könne. Aber daS waren nur einzelne und siemutzten vor dem Geschrei der empörten Oeffentlichkeit die Segelstreichen. Die neue Heeresvorlage bringt vielen Orten, die bishervergeblich auf eine Garnison warteten, die lang erwünschte Ein-quartierung. Als gute Patrioten bereiten die mit Garnisonen Be-glückten der Neueinquartierung ehrende Aufmerksamkeiten. Alledie Städte aber werden übertroffen durch zwei neue oberschlesischeGarnisonen, nämlich T a r n o w i tz und K at t o w i tz. Vor einigerZeit brachte eine oberschlesische Zeitung folgende Meldung:„Aus lauter Freude über die nunmehr erhaltene Garnisonhat sich in einem oberschlesischen Orte ein Verein gebildet, umDie gnitigelprenkeite Bule»Seltsame LebenSgeschichte eines hohen OrdenS.Von Ret Marut.Es war einmal ein Theaterdirektor, der einen tüchtigen Re-gisseur und eine Schar vorzüglicher Künstler hatte.Mit lobenswerter Beihilfe des Regisseurs und unter gütiger— durch Vertrag geregelter— Mitwirkung der leistungsfähigenKünstlerschar glückte es dem Direktor, zu seinem höchsten Er-staunen eine gut gelungene Vorstellung herauszubringen.Die Vorstellung war so vortrefflich, daß selbst Laien sich her-abließen, der großen Tat ihre Bewunderung und Anerkennungnicht zu versagen.Da begab es sich, daß selbigen Tages„Gockel" ein RegimentSoldaten, daS in dieser gesegneten Thcaterstadt in Garnison lag,besichtigte.„Gockel" war— wem es vielleicht nicht bekannt sein sollte—der regierende Land es fürst. Seine Königliche Hoheit GroßhcrzogJoachim Moritz von Lackritzien.Weil sich nun oer rechte Flügeladjutant auf einer Erholungs-reise befand, die er sehr nötig hatte, war Gockel zu seinemgrößten Leidwesen gezwungen gewesen, den anderen Flügeladju-tanten, den linken also, mitzunehmen. Der tvar entsetzlich un-geschickt. Infolge eines geistigen Defekts, der in der langenAhncnreihe und in streng ourchgeführter Nassereinheit begründetlag, besaß er auch nicht das geringste Verständnis für die ver-borgcncn, aber trotzdem vorhandenen, kleinen und großen, bcson-deren Wünsche seines erlauchten Herrn. Wußte darum auf nichts,selbst nicht auf das deutlichste Augenzwinkern einzugehen. Wardeshalb auch nicht befähigt, für geeignete Abhilfe zu sorgen unddie Bedürfnisfrage in befriedigender Weise und mit viel Anstandund feinem Takt zu erledigen.Und Gockel langiveilte sich sehr und erinnerte sich infolge-dessen der schönen Künste.In Verfolg dieser herrlichen Aufgabe besuchte er das Theater.Trotz seiner geradezu staunenswerten Sachkenntnis und seineshochkultivierten künstlerischen Geschmacks und ästhetischen Fein-gefühls fand er alles wunderschön und weil der Abend auch sonstnoch angenehm verlief und einen völlig befriedigten Abschluß fand,verlieh er dem Theatirdircktor für seine Verdienste um die„schönenKüste und freien Wissenschaften" den„hohen Orden von der grün-gesprenkelten Eule".Ob der Theaterdircktor nun urplötzlich größenwahnsinnigwurde oder das nötige Quantum von ersterbender Unterwürfig-