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2 1980 Literarifche Rundfchau.
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wickelung des Kapitalismus . Denn Kapitalismus und Chartismus schlossen einander aus. Und so erklärt es sich auch, warum die endgültige Niederlage des Chartismus die völlige Ermattung und Resi gnation des Proletariats zur Folge hatte. Das Spiel war eben aus. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung hatte auf der ganzen Linie gesiegt und richtete sich behaglich auf ein langes Leben ein. Und das englische Proletariat wurde dann nicht eine„ mit veralteten Theorien erblich belastete", sondern in einem wirklichen Entscheidungskampfe zu Boden geschlagene Klasse, und erst mußte eine halbe Generation ins Grab gehen, che sich die Arbeiterklasse mit dem Schicksal abfand, ein ganzes Zeitalter kapitalistischer Lohnsklaverei durchzumachen.
M. Beer : Geschichte des Sozialismus in England. I hängende und genügend ausführliche Geschichte dieses ersten ge- gegenseitigen Streitigkeiten der Führer, sondern in der Ente Stuttgart . Verlag von J. H. W. Dich Nachf. G. m. b. S. 1913. Dieses Buch läßt 150 Jahre der sozialen Geschichte Englands bis zum heutigen Tage an unserem geistigen Auge vorüberziehen. Ein Schauspiel ohnegleichen bietet sich uns dar. Es ist eine Periode fast ununterbrochener wirtschaftlicher, sozialer und politischer Umwälzungen und Erschütterungen. In der ersten Hälfte dieser Periode hat sich in dem Geburtslande des modernen Kapitalismus die industrielle Revolution mit einer stürmischen Gewaltsamkeit und Gründlichkeit durchgesezt, die in keinem anderen Lande auch nur annähernd erreicht wurden. Wir sehen, wie die neuerstandene Kapitalistenklasse die freigesetzten fabelhaften Produktivkräfte zu begreifen und zu meistern sucht; wie sie die ganze soziale Struktur des Landes über den Haufen wirft und ein ihren Zwecken dienliches Proletariat förmlich aus dem Boden stampft; wie sic in revolutionären Kämpfen die politische Macht erobert und ihren wirtschaftlichen Interessen dienstbar macht; wie sie die verzweifelte Straftanstrengung des neuen Proletariats, sich des es würgenden neuen Wirtschaftssystems zu entledigen, ehe es übermächtig geworden, siegreich zurückschlägt; wie sie darauf ihre unbeschränkte wirtschaftliche, politische und geistige Herrschaft begründet und ihren Triumphzug durch die Welt antritt. Die leßten 150 Jahre waren, wenigstens bis in die allerneueste Zeit, ohne Zweifel das Heldenzeitalter der englischen Bourgeoisie. Aber der Klassenkampf des Proletariats brfolgte sie wie ihr Schatten. Und deshalb ist die Geschichte des Kapitalismus zugleich auch eine Geschichte der Revolte gegen den Kapitalismus, eine Geschichte der Arbeiterbewegung und des Sozialismus.
Und die Beriode war auch eine Zeit intensivsten Denkens. In den Namen Adam Smith , David Ricardo , Robert Owen , Charles Darwin und Karl Mary drückt sich eine fortschreitende Geistesarbeit aus, die in keiner ähnlich kurzen Periode der Weltgeschichte ihresgleichen hat.
waltigen Klassenfampfes des modernen Industrieproletariats. Man muß diesen Teil selbst lesen, um einen Begriff von der Fülle des interessanten und packenden Stoffes und der auf fleißigen Studien der zeitgenössischen Literatur beruhenden außerordentlich lebendigen und anschaulichen Darstellung des Verfassers zu erhalten. Aber dies bringt es auch mit sich, daß es bei der Beurteilung der zahlreichen und langen taktischen Auseinandersetzungen und Kämpfe jener Periode noch heute zu sehr lebhaften und scharfen Meinungsverschiedenheiten kommen kann. Beer macht in dieser Beziehung aus seinem Herzen keine Mördergrube. O'Connor und seine nordenglischen Anhänger sind ihm die unwissenden Demagogen und Phrasenhelden, die das ganze Unglück des Chartismus verschuldet haben, während die„ Londoner Arbeiterintelligenz" als kluge, nach einer wissenschaftlicheren Auffassung handelnde Männer gelobt werden. Ihr Führer Lovett, dessen Bedeutung Beer außerordentlich überschäßt, wird geradezu zum Helden des Chartismus gestempelt. Wir meinen, daß diese Beurteilung weder dem persönlichen Tempe rament des Verfassers, noch der objektiven Prüfung der Einzeisituationen entspringt, sondern sich aus seiner ganzen Geschichtsphilosophie ergibt. Diese Geschichtsphilosophie tennzeichnet sich dadurch, daß der Verfasser in seinem Vorwort von zwei dem Margismus entnommenen" Leitgedanken seiner Arbeit spricht und daß er den Gegensatz zwischen utopischem und wissenschaftlichem Sozialismus, zwischen ideologischer und materialistischer Geschichtsauffassung konsequent als solchen zwischen„ juristischem" und" evolutionärem" Sozialismus darstellt. Das ist weder ein Zufall, noch auch ein bloßer Unterschied in der Phraseologie, sondern drückt eine Geschichtsauffassung aus, die vom Marrismus, wie er allgemein verstanden wird, erheblich abweicht, insofern nämlich, als sie die Bedeutung der Klasseninteressen und der Klassenkämpfe start in den Hintergrund drängt. Daher kommt es, daß Beers Buch eigentlich mehr eine Geschichte der Sozialkritik, als eine Geschichte der Arbeiterbewegung ist. Und es scheint uns, daß er sich durch diese theoretische Grundauffassung auch das wirkliche Verständnis des Wejens des Chartismus verschlossen hat.
Waren die Chartisten verblendete Toren, als sie sich den un mittelbaren Sturz des Kapitalismus zur Aufgabe machten? Darüber mag heute urteilen, wer Gefallen daran findet. Noch das Kommu nistische Manifest hält das Ende der Kapitalsherrschaft für ein nahe bevorstehendes Ereignis, und erst 1859 schrieb Marr den Saz, daß eine Gesellschaftsformation nie untergeht, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist". Und wenn der Chartismus tatsächlich zur Arbeiterschutzgesetzgebung und zur Demofratisierung Englands führte, so war das ganz sicher nicht der Er folg der Taktik der moralischen Gewalt, sondern des sozialrevolutio nären Kampfes der nordenglischen Massen, der der englischen Bourgeoisie Respekt vor dem Proletariat einflößte und sie jene politische Klugheit lehrte, die noch heute in der Welt einzig dasteht.
Der letzte Teil des Beerschen Buches, der die Zeit von 1855 bis in die Gegenwart behandelt, bedeutet eine Enttäuschung. Hier treten die Vorzüge seiner Behandlungsweise weniger hervor, um so stärker aber ihre Mängel. Auch dieser Teil zeichnet sich durch schöne und lichtvolle Darstellung sozialfritischer Gedankengänge aus. So ist die Aufdeckung der theoretischen Grundlagen des Fabianismus besonders glücklich und lehrreich. Abec auch hier verfällt Beer gleich wieder in den Fehler der Ueberschätzung des Einflusses der Theorie auf die politische Praxis, in einem Lande, wo sich die Praxis am wenigsten um Theorien schert. Seine Kritik der S.D.F. halten wir im wesentlichen für zutreffend und wir stimmen ihm auch in der prinzipiellen Verteidigung der Arbeiterpartei zu. Wenn er aber, partei ganz zufrieden ist, sondern auch die der Taktik der Arbeiter< sich zum bewußten Sozialismus durchringt, als eine Nebensächlichkeit betrachtet, so wird ihm wohl kein einziger Sozialist in England auf diesem Wege folgen. Auch in bezug auf das Osborne- Urteil äußert er eine sehr sonderbare Ansicht, die von keinem englischen Arbeiterführer geteilt wird.
Diese Entwickelung vom Gesichtspunkt der Arbeiterklasse zu schildern, macht sich Beers Buch zur Aufgabe. Es ist nach hergebrachter Mathode in drei Perioden geteilt: 1. die Periode der wirtschaftlichen Revolution von 1750 bis 1824, 2. Die Periode des Chartis- Worin bestand das Wesen des Chartismus? Darin, daß er mus von 1825 bis 1854, 3. die neueste Periode von 1855 bis 1912. eine revolutionäre Klassenbewegung des neuerstandenen Fabrikinneren Wert sehr verschieden. Der erste Teil gibt eine knappe, tapitalistischen Wirtschaftsordnung war. Das war aber übersichtliche und lebendige Darstellung jener Umwälzungs- sein historischer Sinn, und nur so ist er historisch begreiflich. Des epoche auf wirtschaftlichem, sozialem, politischem und sozialpoliti halb konnten nur die Fabrikarbeitermassen Nordenglands, nicht aber schem Gebiete, einschließlich der Arbeit Owens und der Anfänge die noch handwerkliche„ Londoner Arbeiterintelligenz" seine eigenteiner modernen Arbeiterbewegung. Dieser Teil fußt fast gänzlich lichen Träger sein. Darum hatte die Demokratie für den Chartisauf den Forschungen moderner Autoren, enthält auch wenig Wert- mus nur einen Sinn als Mittel zur sofortigen Beseitigung der urteile über Männer und Bewegungen, ist aber vielleicht gerade tapitalistischen Wirtschaftsordnung. Der Chartismus onnte sich deshalb in der Darstellung der allgemeinen sozialen Zusammen- nicht bescheiden mit dem Kampfe um den demokratischen Parlahänge der beste des Buches. Beträchtliche selbständige Arbeit leistet mentarismus im„ evolutionären" Sinne, also als Mittel zur allder Verfasser bei der Darstellung der Sozialfritik, wie denn diese mählichen Sebung der Lage der Arbeiterklasse, bis einmal viel überhaupt die stärkste Seite des Buches ist. Es ist geradezu wunder- leicht nach Jahrhunderten die Quantität in die Qualität umschlägt", boll, wie er die komplizierte Geistesarbeit jener halbvergessenen denn das hieß nichts anderes, als den permanenten Bestand des Epoche auseinanderlegt und mit welch anschaulicher Methodik und Kapitalismus anerkennen zu einer Zeit, wo die Bourgeoisie selber Systematik er jedem Denker seinen Platz zuweist. Diese Partien desselben noch nicht sicher war. Und sofern Lovett darin mit den norddes Buches verraten auf Schritt und Tritt einen philosophisch gründ- englischen Chartisten nicht übereinstimmte, war das nicht etwa auf lich geschulten Verfasser, der seiner Materie vollkommen sicher ist. Auf seine nachchartistische Sozialphilosophic, sondern auf seinen vor der anderen Seite scheinen ihn seine sozialphilosophischen Studien tapitalistischen Entwickelungsgrad und auf seine Beeinflussung durch zur Einseitigkeit verleitet zu haben. Die Sozialphilosophie über die bürgerlichen Radikalen zurückzuführen, die höchstens für eine wuchert und die wirkliche Geschichte, vor allem die wirklichen Attio- einfache und viel friedlichere Fortsetzung des alten Wahlnen der Arbeiter, aber auch der Umwälzungsprozeß der Produktion reformkampfes ein Verständnis hatten. Dagegen mußten eben desund die ganze Politit, kommen zu kurz. Besonders stiefmütterlich halb O'Connor und seine Anhänger, und in geringerem Maße auch ist der gewaltige und langwierige Klassenkampf des landwirtschaft- Owen, die rechten Männer für den Chartismus sein, einerlei, auf lichen Proletariats, der zum Verständnis der sozialen Herrschafts- welche Theorien sie ihre Agitation stüßten oder was fie nach dem verhältnisse der Periode so überaus wichtig ist, behandelt. Sehr Sturze des Kapitalismus anzufangen gedachten. Entscheidend war befremdlich ist es, wenn Beer die alten Armengejeze als„ eine Art einzig der Wille zu dieser Tat. Sozialreformgejeze" bezeichnet, die die Arbeiter vor der Demoralisation und dem Glend jener Zeit gerettet hätten. Das Speenhamland- System war jedenfalls eine ganz besondere Art von Sozialreform". Die neueste Forschungsliteratur, vor allem das prächtige Werk von J. L. and Barbara Hammond : The Village Labourer, 1760-1832, weiß auf Grund unzähliger Zeiturkunden von der Wirkung dieser Art Sozialreform" Dinge zu erzählen, die einen noch heute erschaudern lassen.
Die drei Teile sind in bezug auf Umfang, Bearbeitungsmethode und proletariats zum Sturz der noch nicht gefestigten wie es den Anschein hat, nicht nur mitrage, ob und wann sie
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Aus diesem Wesen des Chartismus ergibt sich als selbstverständlich, daß er gerade in der liberalen Bourgeoisie den wirklichen Feind sehen mußte, den es niederzuwerfen galt. Das war kein„ Ratschlag der Verzweiflung", wie Beer meint, ist nicht nur psychologisch er klärlich, sondern war objektiv in den Dingen begründet. Genau so wie der bittere Haß der Chartisten gegen die Freihändler. Die Chartisten begriffen, daß der Freihandel den Zweck hatte und dazu berufen war, freie Bahn für die Entfaltung des Kapitalismus zu Der zweite Teil des Buches, der die Periode des Chartismus schaffen, daß also der Sieg des Freihandels den Tod des Chartisbehandelt, ist der umfangreichste und bei weitem interessanteste. Hier mus bedeuten mußte. Und die Ursache der Niederlage des Chartiserhalten wir zum erstenmal eine wirklich lebendige, zusammen-| mus ist nicht zu suchen in den falschen Theorien, der Taktik und den
Wer sich aus Beers Buch ein tieferes Verständnis der britischen Arbeiterbewegung von heute, ihres Charakters, der Elemente ihrer Stärke und Schwäche, ihrer Entwickelungstendenzen und ihrer Zukunftsaussichten holen wollte, der würde, fürchten wir, fast. Teer ausgehen. Seine evolutionäre" Geschichtsauffassung hindert ihn daran, die Arbeiterbewegung als die lebendige Aktion einer einen Kampf um ihre Interessen führenden Klasse zu betrachten und sie mit den anderen Gesellschaftsklassen in lebendige Beziehung zu setzen. Von der Gewerkschaftsbewegung hören wir sehr wenig, und der tiefen Gärung der letzten Jahre, der er fälschlich einen syndikalistischen Charakter zuschreibt, scheint er wenig Interesse entgegen zubringen. Noch weniger hören wir von den Herrschaftsmethoden der herrschenden Klassen, von den sozialen Rückwirkungen des praf. tischen Imperialismus und insbesondere vom Charakter und der Bedeutung des Liberalismus, ohne dessen Verständnis die ganze soziale Bewegung Englands ein Buch mit sieben Siegeln bleibt.
Wir haben mit unserer Kritif des Buches nicht zurückgehalten, weil wir die ihm zugrunde liegende Sozialphilosophie verwerfen. Aber wir möchten nicht mißverstanden sein. Diese Sozialphilosophie beherrscht zwar alle Teile der Arbeit, aber sie drängt sich dem Reser selten sehr auf. Und trotz alledem enthält das Werk soviel tüchtige selbständige Denk- und Forschungsarbeit, daß niemand, der sich mit dem Gegenstand wissenschaftlich befaßt, es ohne Bewunderung und ein Gefühl der Dankbarkeit lesen wird. Das Buch ist überall leicht verständlich, schön und klar, manchmal packend geschrieben und auch dort anregend, wo es zum Widerspruch herausfordert. Und es ist schon deshalb eine überaus dankenswerte Arbeit, weil es kaum verfehlen kann, das Studium und die Erforschung dieses unerschöpflichen und über alle Maßen interessanten und lehrreichen Stoffes neu anzuregen. J. Sachse London .
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