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Nr. 7.

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11. Jahrg.

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Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Landwirthschafts­Kammern.

Mittwoch, den 10. Januar 1894.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

zweier Gefeßentwürfe über die Errichtung von Berufs  - sorgt die Werth- Ermittelung der betreffenden Liegenschaft und genossenschaften der Landwirthe und Errichtung von Renten- berichtet darüber an die Landesgenossenschaft. Diese nimmt gütern. Beide Entwürfe stehen in engem Zusammenhange. eine Ueberprüfung vor und ist nun, sobald das Objekt Und da unlängst ein anscheinend offiziöser Artikel der" Post" nicht über den zwanzigfachen Katastral- Reinertrag hinaus Jm vorigen Jahrhundert waren die Rettungen" der ausdrücklich auf das österreichische Vorbild hinwies, belastet ist, verpflichtet, an der Feilbietung sich alten Dichter und Schriftsteller an der Tagesordnung, in wollen auch wir etwas näher auf dasselbe eingehen. zu betheiligen. Will sie die Betheiligung ablehnen, den sechziger Jahren begann Adolf Stahr   seine Rein- Nach dem österreichischen Entwurfe wird in jedem Ge- so muß sie erst die Zustimmung des Ackerbau­waschungs- und Aufschminkungsversuche an den Bildern richtsbezirke eine Berufsgenossenschaft der Landwirthe für Ministeriums einholen. Das erstandene Gut wird in ein jener Scheusale, Troddel und gemeingefährlichen Narren, diesen Bezirk und in jedem Lande( z. B. Böhmen, Mähren  , Rentengut umgewandelt, und der Kaufpreis durch Renten welche in der Geschichte als römische Kaiser bekannt sind, Steiermark   2c.) eine solche für den Bereich des Landes er briefe gedeckt, welche von der Landesgenossenschaft aus das Sozialistengesetz sollte die heutige Gesellschaft vor der richtet. Der Beitritt ist ein obligatorischer, zwangsweiser, und gegeben werden. Außerdem kann auch jeder Besizer frei­Sozialdemokratie retten. Der Versuch mißlang, troßdem wird erstreckt sich auf die Eigenthümer der in dem Gerichtsbezirk willig sein Gut durch die Landesgenossenschaft in ein weiter darauflos gerettet, was nur das Zeug hält. Für gelegenen, dem Betriebe der Land- oder Forstwirthschaft Rentengut umwandeln lassen, falls dieser die Belastung als die öffentliche Sittlichkeit und die Börse, für das Hand- oder eines Zweiges derselben gewidmeten Liegenschaften. nicht zu hoch erscheint. Zur Deckung der mit der Er werk und den Mittelstand im allgemeinen haben sich schon Mitglieder der Landesgenossenschaft sind die sämmtlichen richtung der Bezirks- und Landesgenossenschaften verbundenen patentirte Heilkünstler gemeldet; jetzt ist die Reihe, gerettet Mitglieder der im Lande bestehenden Bezirksgenossenschaften. ersten Auslagen zahlen die Genossenschafter je 1 pCt. von zu werden, an die Landwirthschaft gekommen. Jede Bezirksgenossenschaft wählt einen Ausschuß, und aus der staatlichen Grundsteuer; die regelmäßigen jährlichen In den letzten Tagen des abgelaufenen Jahres hat das den Obmännern der Bezirksgenossenschaften geht der Aus- Beiträge, welche als Zuschläge zu der Grundsteuer von den preußische Staatsministerium in einer langen, langen schuß der Landesgenossenschaft durch Wahl hervor. Der Gemeinden eingehoben und an die Genossenschaften abge­Sigung den Beschluß gefaßt, einen Gesetzesentwurf be- allgemeine Zweck dieser Berufsgenossenschaften soll bestehen führt werden, sollen in der Regel bei den Bezirks- Genossen­treffend die obligatorische Errichtung von Landwirthschafts- in der Verbesserung der sittlichen und materiellen Verhält- schaften 4 pCt. und bei der Landesgenossenschaft 1 pCt. der Kammern ausarbeiten und dem Landtage zugehen zu lassen. nisse der Landwirthe durch Pflege des Gemeingeistes, gegen Grundsteuer nicht überschreiten. Für die Zahlung der Die Ausführung dieses Beschlusses wird nicht lange auf seitige Belehrung und Unterstützung, Erhaltung und Hebung Rentenbrief- Zinsen haftet der Staat oder das betreffende fich warten lassen. Sizt doch einer der Hauptbefürworter des Standesbewußtseins unter den Genossen dieses Land, und beide gewähren unter Umständen unverzinsliche dieser Art von Rettungsmeierei, der geheime Ober- Wort ist ausdrücklich in der Vorlage gebraucht sowie Vorschüsse an die Landesgenossenschaft. Regierungsrath Thiel, als Dezernent im preußischen durch Förderung der wirthschaftlichen Interessen derselben. So der österreichische Entwurf. Es ist wohl nicht an­Ministerium für Landwirthschaft; und im Jahrgang 1892 Jm besonderen fallen den Genossenschaften folgende Auf- zunehmen und aus verschiedenen Gründen auch nicht wahr­seiner landwirthschaftlichen Jahrbücher ist bereits ein von gaben zu: Errichtung von genossenschaftlichen Lagerhäusern scheinlich, daß er in seiner Ganzheit nach Deutschland   herüber­einem Handelskammer- Sekretär ausgearbeiteter derartiger und Magazinen; Verkauf der landwirthschaftlichen Produkte, genommen wird, aber etwas Aehnliches wird, nach dem bis Gesetzesvorschlag enthalten. Bereits vor zwei Jahren hat welche von den Genossenschaftern an die Genossenschaft ab- herigen Gegacker zu schließen, wohl herauskommen. Thiel sich der landwirthschaftliche Zentralverein der Proving geliefert worden sind.( Deckung des Heeresbedarfes 2c.); will eine Landwirthschafts- Kammer für je eine Provinz, Sachsen für die die Errichtung pon landwirthschaft Ankauf von Sämereien, Dungmitteln, Maschinen; Grün- der Verfasser des Entwurfes in den Jahrbüchern wünscht lichen Zwangsorganisationen ausgesprochen, fand aber dung neuer und Vereinigung bestehender Darlehnskassen, eine solche für jeden Regierungsbezirk. Minister Miquel, damals bei den übrigen fünfzehn preußischen Zentral- insbesonders solcher nach dem System Raiffeisen; Ver- der seine Jugendfünden bereut, an die Brust geklopft und sich vereinen und dem aus den Delegirten dieser Vereine be- mittelung der Kranken-, Jnvaliden- und Altersversorgung zu einem wahren Agrariervater emporentwickelt hat, meint, stehenden Landes Dekonomiekollegium keine Gegenliebe. der landwirthschaftlichen Dienstboten und Arbeiter; Er- die neue Organisation werde eine Vereinigung der Inter Das war auch ganz natürlich. Wer führt denn in diesen richtung von Kranken- und Verpflegungshäusern und die essen der Groß- und Kleingrundbefizer herbeiführen. Diese Zentralvereinen das große Wort, wer erhebt hier Beschwer Vermittlung genossenschaftlicher Naturalverpflegung; die Ansicht ist sehr rosig, entspricht aber nicht den Thatsachen. So den, formulirt Wünsche und Forderungen, bringt sie direkt Arbeits- Nachweisung und-Vermittlung; die Fürsorge für lange der Reinertrag eines Hektar bei einem Gute von 131 Hektar oder durch Delegirte zu den Ohren der Regierung? Die die Durchführung der Samentontrolle; die Vermittlung 25,36 M., bei einem anderen von 16,5 hektar aber nur Großgrundbesitzer, Oberförster, Verwalter und dergleichen und Agentur behufs Abschließung von Feuer, Hagel- und 15,46 M. beträgt, der Großgrundbesißer, wie es z. B. in Leute. Eine Zwangsorganisation würde den landwirth Vieh Versicherungsverträgen; Gründung und Förderung Saleske der Fall ist, von einem Hektar 40 Zentner Weizen schaftlichen Vereinen zum größten Theil das Lebenslicht von Viehzucht Genossenschaften; die Besorgung der und 36 Zentner Roggen erntet, während der Kleinbefizer ausblasen und den kleinen Grundbesizern wenigstens in Genossenschaftsstatistik; die Vermittlung des Rechts- mit 28 resp. 24 Zentnern zufrieden sein muß, werden die etwas die Zungen lösen, während sie heute, wenn sie nicht beistan des für die Genossenschafter. Wie man sieht, Interessen beider nicht zusammenfallen. Auch die Land­in allen Stücken nach der Pfeife der Herren tanzen wollen, ist die Liste recht lang und wohlgerathen. Aber damit ist wirthschafts- Kammern werden in dieser Beziehung keine einfach hinaus gegrault werden. das Arbeitsfeld der Genossenschaften noch nicht erschöpft. Veränderung bringen. Sie werden im schlechtesten Falle Nach dem preußischen Rentengüter- Gesetz ist die Errichtung nicht viel schaden und im günstigsten Falle nicht viel nüßen; dem Bund derartiger Güter Sache der freien Vereinbarung der beiden nur Einem werden sie das Genick brechen kontraktschließenden Theile. Der österreichische Entwurf be- der Landwirthe. Ihm werden sie mit einem Schlage die stimmt, daß die Errichtung von Rentengütern durch die mittleren und kleineren Besitzer entfremden und ihn für landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaften zu erfolgen hat. Alle kenntlich als das erscheinen lassen, was er eigentlich Kommt eine in eine landwirthschaftliche Berufsgenossen- schon heute ist: eine Vereinigung zur Interessenvertretung schaft einbezogene Liegenschaft zur gerichtlichen Feilbietung der Großgrundbesizer. so hat das Gericht die Bezirks- und Landesgenossenschaft rechtzeitig zu verständigen. Die Bezirksgenossenschaft be­

Der preußische Landwirthschaftsminister hörte diesmal nicht auf die Stimmen der Großgrundbesizer, sondern schloß sich der Meinung seines Hauptmitarbeiters, des schon genannten Dr. Thiel an. Mit beigetragen zu dieser Stellung­nahme hat jedenfalls der Umstand, daß man auch im Nach barreiche Desterreich gegenwärtig eine Organisation des Grundbesizes anstrebt und die Vorarbeiten bereits getroffen hat. Eine der letzten Regierungshandlungen des so plöglich aufgeflogenen Ministeriums Taaffe   war die Einbringung

Feuilleton  .

Nachdruck verboten.]

Helene.

( Alle Rechte vorbehalten.

Roman in zwei Bänden von Minna Kautsky.

VII.

[ 12

Es war ein Sonntagsmorgen, an dem Lene's Hochzeit stattfinden sollte.

Bei den Röder's war frühe Alles in Bewegung. Frau Ebner, die mit zur Kirche wollte, hatte ihr schwarzes Seidenkleid angelegt und gedachte hinüber zu gehen, um zu helfen, wo es nöthig wäre.

Jetzt stand sie vor dem Spiegel und probirte einen Strohhut an, den sie für diese Gelegenheit mit neuen Bändern geputzt hatte und der geradezu brillant wirkte.

N

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gehen?" fragte sie in dem schmeichelnden aber vorsichtigen Ton, der ein letzter Versuch ist, einen Eigensinnigen umzu­ftimmen.

Ihr Sohn machte eine ungeduldig abwehrende Be wegung. Geh', thu's mir zu lieb," bat sie eindringlich. " Ich kann nicht, Du weißt es." " Ich weiß gar nichts."

" Ich habe eine Versammlung."

" Du mit Deinen ewigen Versammlungen, das ist auch gar nicht so nöthig."

Und Lazar Temsky, der heute Morgen hier ein­ziehen will-"

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Der muß grad heute kommen, an einem Sonntag? So eine verrückte Jdeemun ja, ein Russe ich hätte nicht Ja sagen sollen wie kann man sich auch einen Ruffen auf's Zimmer nehmen."

" Was hast Du gegen die Russen?"

Sehr viel. Erstens sind sie unsauber, zweitens sind sie Revolutionäre das eine ist so unangenehm wie das

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Die große behagliche Stube war bereits vollständig aufgeräumt. Die Fenster waren geöffnet und reichlich mit Blumen besetzt. Die Morgensonne sandte einen schrägen Strahl in das Zimmer, und streifte Konrad der andere." in Hemdärmeln an dem Fenstertisch stand, beschäftigt," So spricht die Mutter eines Revolutionärs? eine Anzahl eingelaufener Broschüren zu sortiren und auf Schäme Dich." zuschneiden.

" Du könntest die Rollvorhänge herunterlassen", sagte die Mutter zu ihrem Sohne, oder hast Du es gerne, wenn Dir die Sonne so warm auf den Buckel scheint"

Ein Bischen Sonne thut gut, Mutter sagte er, ohne aufzuschauen.

Sie blinzelte von der Seite zu ihm hinüber, dann kam sie heran und legte ihm die Hand auf die Schulter.

Magst Du wirklich nicht mit in die Kirche

" Ja, wenn sie alle so wären wie Du," sagte sie, ihn mit den Augen liebkosend.

" Ich sehe schon, Mutter, Du hast noch gar kein Verständniß; ich muß Dich erst für unsere gute Sache er­ziehen." Er lachte.

Es war nicht das frohe, herzliche Lachen, daß sie so gerne hörte, es flang gepreßt, und sie hatte plötzlich den großen Jungen um den Hals genommen und füßte ihn

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mit fast leidenschaftlicher Heftigkeit auf die Wange. Einen Augenblick drückte er sie an sich, seiner Empfindung nach gebend, dann wehrte er sie ab und sagte mürrisch und spöttisch zugleich:

Wozu jetzt solche Sachen- Du verdrückst Dir Deinen schönen Hut, und das hat doch keinen Zweck."

Sie wollte etwas erwidern. Aber sie verschluckte das Wort, that einen kleinen Seufzer, nahm ihren Hut vom Kopfe, legte ihn auf's Bett und verließ die Stube.

Er hatte das Papiermesser wieder ergriffen und über die Zeitungen und Broschüren gebeugt, fuhr er fort, dies selben aufzuschneiden.

Sonst pflegte er raschen Auges die Titel zu überfliegen; er naschte auch hier und da von dem Inhalt, und wenn ein Artikel ihn lebhafter anzog, verschlang er ihn gleich auf der Stelle, heute hantirte er ganz mechanisch. Die Augen blickten wie abwesend auf die weißen Blätter und auf die Teise sich bewegenden Schatten, welche die am Fenster stehenden Blumen darauf warfen.

Er sah erst auf, als die Thür abermals ging. Die Mutter kam hastig herein. Sie sah sehr auf­geregt aus.

"

Was ist's?" fragte er und blickte sie an.

Ach nichts, eine dumme Geschichte..., es ist zu tindisch, jezt möchte sie auf einmal nicht."

,, Sie will nicht?" schrie er so laut, daß er über den Klang seiner Stimme betroffen war.

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" Das heißt, sie will heute nicht," forrigirte die Mutter, morgen ja, oder meinetwegen übermorgen," wie sie sagte. Mair Aber man wird sie doch nicht zwingen? soll sie nicht zwingen!" rief er entschlossen. Er warf das

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