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1. Beilage zum ,, Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Nr. 7.

Parlamentsberichte.

nuar 1894.

Deutscher Reichstag .

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22. Sigung vom 9. Januar 1894. 2 Uhr. Am Tische des Bundesraths: von Bötticher, von Marschall, Graf Lerchenfeld, Nieberding u. A. Gingegangen ist eine Deklaration zum Handelsprovisorium mit Spanien wegen Verlängerung desselben bis zum 31. Ja Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des auf der internationalen Sanitätstonferenz zu Dresden am 15. April 1893 unterzeichneten Uebereinkommens nebst Bei­tritts- Protokoll. Abg. Höffel( Rp., Elsasser): Die Sanitätskonferenz zu Dresden ist nicht die erste, es sind schon mehrere vorausgegangen, die aber feine bleibende Nachwirkung hinterlassen haben, während man jetzt zur Vereinbarung übereinstimmender Grundsätze gekommen ist über die Abwehrmaßregeln. Es würde zu wünschen sein, daß eine einheitliche oberste Sanitäts Ueberwachungs­behörde geschaffen würde. Aber die Hauptsache bleibt, daß die Sanitätsmaßregeln auch wirklich getroffen werden. Es bestehen auch in Deutschland , nicht bloß in den großen Städten, sondern auch auf dem Lande Uebelstände im Wohnungs­wesen. Gerade die letzten Erscheinungen der Cholera haben ge­zeigt, wie nothwendig es wäre, daß wir eine einheitliche deutsche Bau Ordnung bekämen. Die Gesundheitspolizei zählt zu den Kompetenzen des Reiches und es sollte die Reichsregierung bald eine Vorlage zur Regelung derselben einbringen. Jede Seuche bringt einen großen Verlust an Menschenleben, deshalb sind die Fragen der Gesundheitspolizei nicht blos vom humanitären Stand­punkt aus zu beurtheilen. Abg. Dr. Kruje( natl.) spricht ebenfalls seine Befriedigung darüber aus, daß die Vorlage eine einheitliche Regelung der internationalen Maßregeln zur Abwehr von Seuchen herbeiführt, daß nur der Waarenverkehr aus den verseuchten Gegenden einer Kontrolle unterworfen werde, sei durchaus zu billigen. Bedauer­lich sei es, daß die Anzeigepflicht nicht überall obligatorisch sei; hoffentlich würden die damit noch ausstehenden Staaten bald nachfolgen, sobald sie anderwärts die günstigen Wirkungen der Anzeigepflicht fähen. In bezug auf die Schaffung einer einheit­lichen internationalen Gesundheitsbehörde stimmt Redner mit dem Vorredner überein.

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Mittwoch, den 10. Jaunar 1894.

11. Jahrg.

Konkursordnung, der sich außer auf den oben bezeichneten Punkt Kontrakt fälligen Miethe. Hoffentlich erfährt diese Frage in der auch noch auf verschiedene einzelne Punkte des Konkursverfahrens, Kommission eine befriedigende Lösung. Ferner hätte die Regie­3. B. auf die Einſegung des Gläubigerausschusses, auf die Berung einer Frage näher treten sollen, die auf einem großen Theil strafung der Ueberschuldung 2c. bezieht und den Zwangsvergleich der Bevölkerung noch erheblich schwerer lastet, das ist das unter 25 pCt. der Masse für unzulässig erklärt. Retentionsrecht des Vermiethers überhaupt, welches demselben Abg. Rintelen( 3.) beantragt die Verweisung beider Vor- das Recht einräumt, demjenigen, der nicht in der Lage lagen an eine Kommission und weist noch darauf hin, daß für ist, Miethe bezahlen zu können, die unentbehrlichsten die Vermiether vielleicht noch dadurch gesorgt werden könne, daß Sachen einzubehalten, ihn auf die Straße zu sehen, ihm un­ihnen für zwei Quartale nach erfolgter Auffündigung seitens möglich zu machen, sich und seine Familie weiter zu ernähren, des Konkursverwalters die Miethe noch gewährleistet wird; weil ihm die Arbeitsmittel entzogen werden. Dieses Retentions­ferner müsse man, wenn sich Häuser in der Konkursmaffe befinden, recht des Vermiethers, welches in vielen Fällen in geradezu un= vielleicht den Bauhandwerkern ein Vorrecht einräumen. Der glaublich unmenschlicher Härte angewendet wird. E lastet Antrag habe weniger eine juristische als eine volkswirthschaftliche besonders auf der Arbeiterklasse, den fleinen Gewerbetreibenden Bedeutung im Interesse der kleinen Leute. Die jetzige Konkurs- und Handwerkern in einer Weise, die eine schnelle gesetzliche Ab­ordnung erleichtere den Leuten das Konkursmachen und gebe änderung erforderlich macht. Es ist nicht nöthig, auf das Zu­sogar die Möglichkeit eines Profits dabei, so daß die Leute aus standekommen des bürgerlichen Gesetzbuchs zu warten. Aus einem mehrmaligen Konkurse als reiche Leute hervorgehen. Das meinen Erfahrungen in der Kommunalverwaltung fann ich sei nicht beabsichtigt, aber es sei eine thatsächliche Folge der mittheilen, daß die Stadtverwaltung in einer Weise Konkursordnung und gereiche dem Handelsstande nicht gerade durch diesen Umstand belastet ist, die auf die Dauer zum Ruhme. selbst einer so fapitalfräftigen Stadt wie Berlin recht unbequem Abg. v. Buchka( dk.) hält die Konkursordnung für das beste werden kann. Es müssen jährlich ganz bedeutende Summen den der Reichs- Justizgesetze, glaubt aber, daß die Vorlage der Re- Hausbesitzern bezahlt werden, nur um die Leute, die exmittirt gierung doch eine Verbesserung mit sich bringe; er hält aber worden sind, nicht der öffentlichen Armenpflege anheim fallen dafür, daß noch weitere Aenderungen nothwendig seien bezüglich zu lassen. Dem Gedanken kann ich voll zustimmen, daß versucht des Verhältnisses zwischen Verpächter und Bächter. werden soll, auch die Bauhandwerker als bevorrechtigt mit ihren Staatssekretär im Reichs- Justizamt Nieberding bedauert, Forderungen anzuerkennen. Es ist eine der besten Folgen der daß die Vorlage der Regierung dadurch beeinträchtigt werde, Gewerbegerichte, daß sie in der Lage waren, die geradezu nieder­daß sie in die Gesellschaft einer stattlichen Anzahl von anderen trächtige Art, mit der die Bauhandwerker oft um den Ertrag Anträgen gerathen sei. In bezug auf das Vorrecht des Ver- ihrer Arbeit von den Bauspekulanten gebracht werden, flar zu miethers habe die Regierung ihren früheren Standpunkt aus legen, und sie haben dafür gesorgt, daß diesem Schwindel nach volkswirthschaftlichen Gründen aufgeben müssen. Die Anträge Möglichkeit ein Riegel vorgeschoben wird. Es wird das wesent des Zentrums würden in der vorliegenden Form schwerlich auf lich dazu beitragen, die Reelität und die Sicherheit auf diesem Ge= die Zustimmung der Regierung rechnen können; aber die biete wieder zu stärken. Hoffentlich geschieht in der Kommission noch einzelnen angeregten Punkte werden Beachtung finden können mehr für diese Sache, um den zügellosen Gelüsten der Bau­und müssen, wenn die Regierung auf grund der bisher ge- spekulanten ein Ende zu machen. Bedenken habe ich gegen die fammelten Erfahrungen an eine Verbesserung der bestehenden Hineinbringung des neuen Begriffs, daß ein Konkurs gestattet Gesetze gehen wird. Deshalb wäre es unzweckmäßig, die Vorlage sein soll, wenn ein Gläubiger glaubhaft machen kann, daß eine der Regierung zu verquicken mit den Anträgen; sie würden beffer Ueberschuldung vorhanden ist. Das wäre doch gewissermaßen gesondert behandelt werden. eine bürgerliche Degradation für die Betroffenen und bringt ein Abg. Singer( Soz.): Meine Wünsche in bezug auf die Vor- Moment in die Geschäftsführung, das Sie doch gewiß nicht lage treffen mit den eben geäußerten Ansichten vollkommen zu wollen, nämlich das der Denunziation. Wie wollen Sie denn fammen. Auch ich bin der Meinung, daß die Frage, die in der überhaupt beurtheilen, ob Ueberschuldung vorhanden ist, und Regierungsvorlage behandelt wird, im Interesse der Gesammt damit das Gericht veranlassen, auf die Mittheilung eines Gläubigers heit eine schnelle Erledigung erfordert, während die Anträge hin, die Bücher sich vorlegen zu lassen. Ehre und Reputation des Rintelen und Genossen, abgesehen davon, daß sie einer längeren Handelsstandes wird dadurch nicht gestüht, im Gegentheil wird und durchgreifenden Berathung bedürfen, trot mancher sehr be- er damit unter Polizeiaufsicht gestellt und vogelfrei für jede achtenswerthen Anregung doch in ihrem gesetzgeberischen Lebens- Denunziation gemacht. Namentlich wird dies der Fall sein, Staatssekretär v. Bötticher: Der Vorredner hat den lauf noch mit einer Reihe von Schwierigkeiten zu kämpfen haben wenn man an dem Grundsatz festhält, daß für 75 pCt. der Zweck der Konvention vollständig richtig dargestellt. Ich möchte werden. Es wird sich in der Kommission ermöglichen lassen, in diesem Forderungen Deckung vorhanden sein muß, widrigenfalls der bemerken, daß ein Reichs- Seuchen- Gesetz nicht zu stande kommen Sinne vorzugehen und die Antragsteller können damit zufrieden sein, Konkurs eröffnet wird. Sie, die Sie sich immer als Vertreter wird, wenn auf die verschiedenen hygienischen Fragen hier ein weil ein Theil ihrer Vorschläge sich mit der Regierungsvorlage deckt. des Mittelstandes hinstellen, scheinen doch über die wirthschaft­gegangen werden soll. Dieselben werden je nach den Landes- Daß der Antrag Rintelen uns in dieser Session nochmals be- lichen Verhältnisse dieser Klassen nicht übermäßig informirt zu verhältnissen verschieden beurtheilt werden müssen; es wird z. B. schäftigt, liegt wohl kaum an der Beschlußunfähigkeit der vor sein, sonst müßten Sie wissen, daß neun Behntel aller in Deutsch­auch nicht leicht fein, zu einem allgemeinen gleichen Leichenschau- jährigen Kommission. Ich bedaure, daß die Regierungsvorlage land bestehenden Geschäfte sich in einer Lage befinden, in der sie Gesez für das Reich zu kommen. in ihren Forderungen nicht weiter gegangen ist. Den Hinweis überhaupt nur noch vom Kredit zu leben im stande sind. Die Abg. Kruse( ntl.) frägt, ob auch Waaren aus einem nicht auf das Zustandekommen des bürgerlichen Gesetzbuches fann ich Konkursmacherei sehen auch wir in der That als einen Krebs­verseuchten Orte einer Untersuchung unterzogen werden können, nicht für durchschlagend erachten; die großen Uebelstände, die schaden unserer heutigen Zeit an, die Frage ist nur, ob Sie wenn sie einen verseuchten Ort passirt haben. weit über das hinausgehen, was die Regierung mittheilt, be- durch dieses Gesetz dem Uebelstande völlig Abhilfe schaffen. Staatssekretär v. Bötticher: Eigentlich sollen nur solche dürfen einer schleunigen Abhilfe. Die Bevorrechtung des Ver: Der leichtsinnige Kreditgeber ist übrigens in vielen Fällen ebenso Waaren untersucht werden, die aus einem verseuchten Orte miethers in bezug auf die eingebrachten Sachen des Miethers zu verurtheilen wie der leichtsinnige Kreditnehmer. Die Be­stammen. Aber daß sie untersucht werden können, wenn sie einen ist ein Ueberbleibsel aus der Zeit, in der man überhaupt den stimmungen über die Erschwerungen des Affords sind mir außer verseuchten Ort paffirt haben, tann natürlich nicht ausgeschlossen Hausbesitz als das einzig legitime Anrecht auf alle staatlichen ordentlich sympathisch. In gewisser Weise ist ein Zwangs werden. Rechte ansah. Es ist hohe Zeit, daß mit dieser feudalen vergleich auch im Interesse der Gläubigerschaft wünschenswerth. Einrichtung ein Ende gemacht Warum man in Es muß aber durch die Gesetzgebung der Grundsay sireng auf dieser Beziehung nicht weiter gehen fann, ist mir aus der recht erhalten werden, daß nur demjenigen Konkursifer die Wohl­Begründung nicht klar geworden und ich sehe auch kein Hinderniß. that eines Vergleichs zu Theil wird, der sich durch seine ganze Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Objekt, welches der Ver- Handlungsweise nicht dem berechtigten Vorwurf des Schwindels und miether in die Masse bringt, in den meisten Fällen eine Betruges ausgesetzt hat. Wer nicht aus Unkenntniß und ge anderweitige Verwendung finden kann, der Vermiether kann die geschäftlichem Unglück das Konkursverfahren herbeigeführt hat, Wohnung, den Laden, welchen die Masse räumt, anderweitig sondern durch absichtliche bewußte Schädigung auf Kosten der vergeben, wenn auch mit etwas Berlust. Durch Vermiethung auf Gläubiger weiter existiren will, muß auch nach Beendigung des eine Reihe von Jahren hinaus wird die Gläubigerschaft auf eine Konkursverfahrens seinen Gläubigern haftbar bleiben. Auf ganz erhebliche Weise geschädigt, weil der ganze Bestand zum diesem Gebiet kann die Solidität und Reellität des Handels­größten Theil aufgezehrt wird durch die Zahlung der nach dem standes wirklich gehoben werden, wenn als unweigerliche, von

Abg. Langerhans( Frf. Vp.) weist darauf hin, daß die Vorlage nicht die Abwehr der Cholera betreffe, sondern nur die Abwehr unzweckmäßiger den Verkehr belästigender polizeilicher Gegen­maßregeln gegen dieselbe; die Bewahrung des Verkehrs vor ganz überflüssigen Absperrungen.

Damit schließt die erste Lesung; in zweiter Lesung wird das Uebereinkommen in seinen einzelnen Theilen ohne Debatte genehmigt.

Es folgt die erste Berathung des Gesehentwurfs betr. die Abänderung des§ 41 der Konkursordnung, wonach der Vermiether in Ansehung der eingebrachten Sachen das Recht auf Vorausbefriedigung im Konkurse nur wegen des laufenden und des für das lehte Jahr vor der Konkurseröffnung rückständigen Zinses hat.

In Verbindung damit wird in erster Lesung berathen der Antrag des Zentrums( Rintelen u. Gen.) wegen enderung der

Nachbarschaftsgilden.

I.

Der fortschreitenden Erkenntniß von der Nothwendigkeit einer gründlichen Gesellschaftserneuerung sind allerhand Ber­suche zuzuschreiben, die von wohlmeinenden Leuten bald mit der Gründung von Kolonien auf einer neuen gemeinwirthschaftlichen Grundlage, bald mit neuen gesellschaftlichen Einrichtungen in einem der alten Kulturstaaten gemacht werden. Die überschwäng­lichen Hoffnungen der Begründer dieser Einrichtungen können sich allerdings nicht verwirklichen, wohl aber lassen sich diese Versuche in mancher Hinsicht für die große proletarische Be­wegung nußbar machen, sei es auch nur, um Anregungen für deren eigene Unternehmungen daraus zu schöpfen. Ein solcher in mancher Hinsicht lehrreicher Versuch sind die Nachbarschaftsgilden, die der Engländer Stanton Coit in New­ York und London ins Leben gerufen hat und für die er in einer jetzt in deutscher Uebersetzung erschienenen Schrift*) Propaganda macht. Leider hat der Verfasser in der vorliegenden Schrift die Darstellung dessen, was er bereits erreicht hat, nicht flar ge­trennt von der Ausmalung dessen, was er für die Zukunft plant. Man muß deshalb bei einer fritischen Betrachtung feines Werkes eine solche Sonderung selbst vornehmen.

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aus­

Die in New- York ins Leben getretene Gilde fand in einigen über mit Erfolg entgegengewirkt habe, und daß die anderen amerikanischen Städten und im Jahre 1891 auch in Leighton Hall- Gilde grundsäßlich jedes Mitglied London in dem nördlichen Kirchspiel Kentish Town Nachahmung. schließt, daß irgend wie Klassendünkel merfen läßt. Stanton Coit gründete dort eine Gilde, die nach dem von ihr Mitglieder der Gilde find indeß nur besser gestellte Arbeiter und oftupirten Hause die Leighton- Hall- Gilde" genannt wird. Seine kleine Geschäftsleute. Das mag durch die Umstände bedingt Einzelmittheilungen beziehen sich meist auf diese Gilde. Nach werden; es widerstreitet aber dem Gildeprinzip, die gesammte Ansicht des Gründers sollten die einzelnen Klubs der Gilde je Nachbarschaft zu einer großen Gemeinschaft zusammen zu 20-40 Perionen und höchstens 70 umfassen. Sie bilden ge- fchließen. Ja, in einer Hinsicht kann sogar die Versuchsgilde in schlossene Vereine für sich. Zur Aufnahme neuer Mitglieder Leighton Hall auch nicht einmal für die besser gestellte Arbeiter­bedarf es eines besonderen Vereinsbeschlusses. Eine größere schaft als maßgebend betrachtet werden. Coit macht nämlich Mitgliederzahl gilt für unrathsam, da sie zu einer Lockerung der über die jungen Mädchen der Gilde die folgenden interessanten persönlichen Beziehungen aller Mitglieder untereinander führt. Mittheilungen:" Die jungen Mädchen arbeiten alle in den ver Im ganzen besteht die Leighton- Hall- Gilde jetzt aus 230 Mitgliedern, schiedenen Fabriken ihres Stadttheils, oder sind Näherinnen. die etwa 100 Familien angehören. Das von der Gilde gemiethete Haus Bei einem Wochenlohn von 5 bis 10 Schilling arbeiten sie zehn enthält eine Bibliothek; Sonntags Nachmittags findet ein Konzert Stunden; sie leben im Elternhause und bilden jene Klasse, ftatt, am Sonntag Abend Vortrag, am Sonnabend ist Tanzkränzchen, die den ganz auf sich selbst gestellten. Frauen größeren an einem anderen Abend Gesangsübung und außerdem giebt es Abbruch thut, als irgend eine andere; denn da sie zum 15-20 technische und literarische Lehrkurse. Theil von den anderen Familienmitgliedern unterhalten werden, begnügen sie sich mit einem Lohn, von dem sie nicht leben können. im Sie gehören nicht zu den Fabrikmädchen" eigentlichen Sinne; die scheint es in Kentish Town überhaupt nicht zu geben."

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Diese Mittheilungen werfen ein höchst interessantes Streif­licht auf die Gestaltung der Frauenarbeit in London . Sie zeigen, daß die verschämte" Frauenarbeit nicht nur aus den Kreisen der Beamtenfamilien, sondern auch aus fleinbürgerlichen Familien Zuzug erhält und die Löhne drückt. Sie rechtfertigen auch die Annahme, daß die Eltern jener Mädchen unmöglich klassen­bewußte Arbeiter sein können, da sie sonst doch nicht dulden tönnten, daß ihre Töchter anderen Arbeiterinnen Schmuh­konkurrenz machen.

Zunächst fällt bei dieser ganzen Organisation ins Auge, daß sie bedeutender Geldmittel bedarf. Coit meint, um eine solche Gilde ins Leben zu rufen, brauche man 2000 Litr.( 40 000 m.), nach 5 Jahren aber könne sie aus eigenen Mitteln bestehen. Er macht weiterhin eine spezialisirte Rechnung auf und glaubt von Herr Stanton Coit hat nach vollendetem Studium auf eng- den Mitgliedern auf einen Wochenbeitrag von 3 Pence( 25 Pf.) lischen und deutschen Universitäten seit einigen Jahren sich mit rechnen zu können. Die Knaben und Mädchen von 12-17 Jahren praktischer Sozialpolitik befaßt. Er trat zunächst im Jahre 1888 follen 2 Pence zahlen. Mit Zuhilfenahme einiger Ronzertabgaben in einem der ärmsten Stadttheile New- York's mit einer Anzahl glaubt er dann bei 340 Mitgliedern die Einnahmen der Gilde junger Arbeiter der Nachbarschaft in Verbindung und veranlaßte bis auf 270 Lstr.( 5400 M.) jährlich steigern zu können. sie, auch ihre Eltern und sonstige Verwandten und Bekannten Obgleich es bei der Fülle des Gebotenen möglich erscheint, die für sein Unternehmen zu interessiren. Mit diesen Leuten gründete Gildegenossen zu so beträchtlichen Beitragszahlungen heran­er nun eine Reihe von Klubs nach Lebensalter und Geschlecht zuziehen, so wird es doch immer nur ein seltener Ausnahmefall gesondert, die alle miteinander in enger Verbindung stehen und sein, daß zur Begründung einer Gilde 40 000 Mark zu beschaffen Herr Coit erwähnt an anderer Stelle mit einem gewissen insgesammt die Nachbarschaftsgilde" bilden. Zunächst ist da ein sind. Nach einem solchen System läßt sich für die Gesammtheit Hochgefühl, daß die Gilde fich eine moralische Einwirkung auf Knabenklub, Knaben im Alter von 12-17 Jahren umfassend, eine Rette gleichartiger Einrichtungen nicht ins Leben rufen. ihre Mitglieder angelegen sein lasse. Sie veranstaltet sogar dann ein gleichaltriger Mädchenklub. Die zweite Stufe bilden Eine zweite Eigenart des Coit'schen Unternehmens ist die Rügegerichte, die über die Schuldigen allerhand Strafen, vom ein Klub von Jünglingen im Alter von 18-25 Jahren und ein Rolle, die der Gründer und sonstige Berather dabei spielen. Coit Verweis bis zur zeitweiligen oder vollständigen Ausschließung entsprechender Klub gleichaltriger junger Mädchen. Alle älteren erwähnt, daß die Hälfte der Zimmer des Gildehauses von der Mitglieder aus der Gilde verhängen. Allerhand salbungs­Gildengenossen treten dann in zwei Klubs für Männer und akademisch gebildeten Leuten bewohnt wird, die dem Unternehmen volle Betrachtungen lassen darauf schließen, daß die Liebschaften Frauen zusammen. Die Thätigkeit dieser Klubs bezieht sich auf ihre Mußestunden widmen. Aus den sonstigen Ausführungen der jungen Leute mit Argusaugen fontrollirt werden. Auch fagt alle möglichen Interessen. Nach Auffassung Stanton Coit's soll geht hervor, daß diese Berather nicht Mitglieder des Klubs oder Coif an einer Stelle mit einem Stoßseufzer: Ich denke mit die Gilde eine Erweiterung der Familie, auf die ganze Nachbar- der Gilde sind, sondern den Gildegen offen nur als Lehrer zur Seite Schrecken daran, was aus einigen jungen Mädchen geworden schaft ausgedehnt, sein. Sie soll die gesammte Bevölkerung einer stehen. Stun liegt es auf der Hand, daß Persönlichkeiten, die gleichzeitig wäre, wenn sie, wie es der Mädchenklub einer der Gilden wollte, Nachbarschaft ohne Rücksicht auf deren Glauben und politische gewillt und befähigt zu einer solchen Thätigkeit sind, und die für immer ausgeschlossen worden wären, hätte sich nicht die Bes Anschauung umfassen und eine Reihe von Vereinen bilden, auch die erforderliche Muße dazu haben, sich nicht in beträcht- ratherin des Klubs für sie verwandt." welche auf eigene Hand oder in Verbindung mit anderen Ver- licher Anzahl werden beschaffen lassen, sicherlich nicht mehrere Mit solch einer moralisirenden Kontrolle, die augenschein­einen alle Reformen zur Ausführung bringen sollen, die das für eine Gilde, wie es in Kentisch- Town der Fall gewesen ist. lich völlig fritiklos den verknöcherten Moralkoder der heutigen Reformen im Hauswesen, in der Er­soziale Jdeal verlangt, Die Coit 'sche Gilde trägt aber noch einen andern Wider Gesellschaft sich zur Richtschnur macht, ist die Gilde ziehung, im Gewerbe, in der Sorge für die Zukunft oder in der spruch in sich. Jim Prinzip will sie die Gesammtheit der Be- jedenfalls in ganz falsche Bahnen gerathen. Wie die Mitglieder Art der Erholung". wohner eines kleinen Bezirkes, also die gesammte Nachbarschaft ihre intimeren Lebensziehungen gestalten wollen, das sollte man umfassen. In Wirklichkeit ist es aber eine mehr oder minder ihnen füglich als freie Menschen selbst überlassen. Wollen Herr *) Nachbarschaftsgilden. Ein Werkzeug sozialer Reform. Von ausgewählte Gesellschaft. Coit berichtet zwar, daß er den Coit und seine Freunde für die Sittlichkeit wirken, so hätten sie Stanton Coit . Berlin 1893. Bei Robert Oppenheim. Klassendünkel der Handlungsgehien dem Arbeiter gegen die jungen Mädchen auftlären sollen über die Werderblichkeit

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