rufenen Notstandes eingebracht. Der Antrag fordert die Regierung auf, die Gemeinden zur Bildung von Fonds oder Einstellung von Mitteln in den Haushalt anzuhalten. Tie Mittel sollen aus den Ucberschüssen der Sparkassen genommen werden. Ferner soll die Regierung den Gemeinden empfehlen, Arbeiten, die im Gemeinde- intcresse liegen, alsbald auszuführen und zwar zu tarifmäßigen Bedingungen. Dem gegenwärtigen Landtage soll die Regierung noch einen Gesetzentwurf unterbreiten, wonach die Staatskasse den Gemeinden 5<) Proz. ihrer Aufwenoungen zur Arbeitslosen- Unterstützung zurückerstattet. Für die Etatsperiode 1914/16 er- gibt das eine Ausgabe von 48 006 M. In beschleunigter Weise sollen Staatsarbeiten ausgeführt werden, um einheimische Arbeiter '>n größerer Zahl zu beschäftigen. Endlich wird die Regierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Errichtung paritätischer Arbeitsnachweise durch Gemeinden, Gemeindeverbände oder Kreisverbände vorsieht.— Im Bundesrat soll die Regierung für eine Reichsarbeitslosenversicherung eintreten. Mit der Arbeitslosenversicherung hatte sich die Lübecker Bürgerschaft am letzten Montag zu beschäftigen. Von sozialdemo- kratischer Seite waren Anträge gestellt worden, die die schleunige Schaffung von Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit und die Einführung der Arbeitslosenversicherung bezweckte. Während man dem ersten Antrag allgemein zustimmte, wurden gegen die Arbeits- losenvcrsicherung namentlich von industrieller Seite Bedenken ge- äußert. Man hielt die Arbeitslosenversicherung für eine Aufgabe oeS Reiches und nicht der Einzelstaaten. Schließlich fanden beide Anträge eine Mehrheit. Die beantragte Arbeitslosenversicherung muß jedoch noch einer zweiten Lesung unterzogen werden, bevor sie an den Bürgerausschutz überwiesen wird. poUtilcbe CTeberHcbt Hansabund und Arbeitswilligenschutz. Die Proteste gegen die vom reinen Scharfmacherstandpunkt diktierte bekannte Resolution des Jndustrierates deS Hansabundes mehren sich innerhalb der eigenen Reihen dieses Bundes. Selbst ein so gemäßigter Verband wie der Verein iür Handlungskommis von 1858 erhebt gegen die Vorschläge des Jndustrierates seine Stimme. Die Landesgeschäftsstelle Verlin dieses Vereins sendet uns eine längere Erklärung, in der es heißt: .Zu der bekannten Entsckiließung des Jndustrierates des Hansa- bundes geben wir folgende Erklärung ab: 1. Der Beschluß als solcher ist gefaßt worden im Industrie- rate des Hansabundes, einer Unterorganisation, in der nur die Vertreter der Industrie Mitglieder sind, er stellt also eine ein- seitige Kundgebung einer Untergruppe dar. Bedauerlich ist. daß diese Entschließung des Jndustrierates vom Hansabund der Oeffent- lichkeit mitgeteilt wurde, bevor die offizielle Instanz deS Hansa- bundes, das Direktorium, zu dieser Entschließung seines Industrie» rates hat Stellung nehmen können. 2. Zu der Entschließung selbst stellen wir fest, daß an sich zwar die Borschläge sich auf dem Boden der bestehenden Gesetze bewegen, ein Sondergesetz oder ein Ausnahmegesetz nicht fordern. Wir erblicken aber in dieser Entschließung die Tendenz, die Frei- heit der wirtschaftlichen Kämpfe zugunsten der..Gelben' zu be- einflusien. Der Schutz der Arbeitswilligen ist heute die Parole aller derer geworden, die die Einschränkung der Koalilionsfrciheit der Arbeitnehmer anstreben. Air bedauern deshalb, daß der Jndustrierat im Hansabund im jetzigen Augenblick auch seinerseits in das Lager derjenigen übergeht, die als Gegner der Sozial- Politik und als Gegner der wirtschaftlichen Bertragssteiheit und deren Konsequenzen anzusehen sind. Das Eintreten für ein verschärftes, polizeiliches und strafrecht. liches Vorgehen wird, wie aus früheren Erfahrungen hergeleitet werden kann, als eine starke Bedrohung einer Streikbewegung und des Streiks überhaupt aufgefaßt werden können. Auch die Forde- rung nach einem beschleunigten Strafverfahren sowie die der Be- seitigung der Ausnahmestellung der Gewerkschaften und Berufs- vereine, ergänzt durch das Verlangen, den Begriff der strafbaren Bedrohung und Nötigung zu verschärfen, kann unseres ErachtenS nur die rückschrittliche Tendenz deS ganzen Antrages beweisen. Die Wünsch« des Jndustrierates ins Praktische umgesetzt, würden zweifellos in ihrer Folge gegen den Zustand völliger KoalitionS- freiheit wirken. Aus diesem Grunde bedauern wir, die Ent- schließung deS Jndustrierates und erwarten vom Direktorium des HanfabundeS, daß eS diesem Beschluß seine Zustimmung versagt.' Auch der Verband deutscher Handlungsgehilfen in Leipzig hat an das Direktorium des Hansabundes das dringende Er- suchen gerichtet, den Beschlüssen des Jndustrierates nicht bei- zutreten, weil die praktische Anwendung der vorgeschlagenen Maßregeln zu einer Gc- fährdung der bisher schon ungenügend ge- schützten Koalitionsfreiheit führen würde. Erhöhten Ardeitswilligenschutz fordert auch der Stettiner nationallibcrale Verein, in dessen letzter Versammlung Amtsrichter Sauerland folgende Leitsätze begründete, die auch Annahme fanden: .1. Ein allgemeiues Verbot des SlreikpostenstehenS ist abzulehnen. 2. Es empfiehlt sich, in solchen Orten, in denen die Gefahr eines Streiks vorliegt, auf Grund des Z 366 Z. 10 Str.-G. Polizeiverordnungen zu erlassen, durch welche die Polizeiorgane er- mächtigl werden, zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen. Straßen und Plätzen oder Wasserstraßen Anordnungen zu treffen, deren Nichtbefolgung mit Strafe bedroht ist. 3. Der Z 153 der Gewerbeordnung ist abzuändern und dahin zu ergänzen, daß auch solche Handlungen unter Strafe gestellt werden, welche bezwecken, durch Anwendung von Zwang, Drohungen, Verrufserklärung, Borenthaltung oder Beschädigung von Arbeitsgerät usw. Arbeiter zur Niederlegung der Arbeit oder Arbeitgeber zur Entlassung von Arbeitern zu bestimmen oder Arbeiter nach vorausgegangenem Streik auS der Arbeit zu drängen. 4. Die Begriffe der§ß 240 und 241 deS Strafgesetzbuchs j Nötigung und Bedrohung) sind weiter zu fassen. 8. Die Strafprozeßordnung ist dahin zu ergänzen, daß eine beschleunigte Aburteilung der bei Streiks und öffent- lichen Unruhen vorkommenden Ausschreitungen ermöglicht wird.' Man will also das Streikrecht der Arbeiter nicht antasten, aber seinen Gebrauch unter Strafe stellen und so hinterrücks lahm legen. Dagegen beschloß der Vorstand der Ortsgruppe Stettin des Hansabundes in seiner letzten Sitzung folgende öffentliche Erklärung: »Der Vorstand der Ortsgruppe Stettin des HanfabundeS kann den Beschluß deS Jndustrierates im Hansabunde, betreffend den verstärkten Schutz der Arbeitswilligen nicht gutheißen. Er verlangt zwar scharfe Anwendung der bestehenden gesetzlichen Vor« ichriften überall, wo es geboten erscheint, hält aber auch die be- stehenden Gesetze bei richtiger Anwendung für genügend und er- klärt sich deshalb gegen jede der vom Jndustrierat gewünschten Gesetzesänderungen.' Den Stettiner Hansabündlern stand es allerdings auch am wenigsten an, neue Ausnahmegesetze gegen die organisierte Arbeiterschaft zu fordern, hat doch gerade die Stettiner Streik- justiz mit dem Freispruch des Totschlägers Brandenburg be- wiesen, daß die Justiz sich ihrer„heiligen Pflichten" gegen die herrschende Klasse bewußt ist. Tie bayerische Zivilliste vor dem Landtage. Bei überfüllten Tribünen und vollzähligem Hause— nur zwei Mitglieder fehlten wegen Krankheit, einer vom Zentrum und ein Sozialdemokrat— begann Freitagvormittag die Debatte im bayerischen Landtag über die Erhöhung der Zwilliste. Die Vormittagssitzung wird wesentlich von dem langen Vortrage des Ausschußreferenten ausgefüllt. Tann hält der Finanzministcr unter völliger Unaufmerksamkeit des Hauses eine Begründungs- rede. Eine Erhöhung der Ziviliste wäre schon längst notwendig gewesen, wenn nicht seit Jahren Zuschüsse aus dem Privatvermögen Ltws und Luitpolds gegeben worden wären. Nach dem RegierungS- Wechsel sei die jetzige Forderung der Mindestbetrag nach Prüfung aller einschlägigen Verhältnisse, der auch bei aller Berücksichtigung der Lage des Staatshaushalts als uneingeschränkt notwendig er- achtet werden müsse. Der liberale Abg. Müller- Hos begründet darauf den An- trag der Mehrheit der liberalen Fraktion. Den Liberalen ist eS so ernst mit der Erhöhung der Zivilliste in der don ihnen für auS- reichend erachteten Höhe, daß sie beabsichtigen, falls ihr Amendement und auch die Regierungsvorlage abgelehnt werden sollten, diese Erhöhung als Initiativantrag einzubringen. Die allgemeine Finanzlage, meint der Redner, sei für die Liberalen entscheidend. Bisher ist es völlig schleierhaft, wie der Etat bilanziert werden soll. Die bayerische Zivilliste beanspruche im Verhältnis zum Gesamt- budget das Fünf- bis Sechsfache wie in Preußen. Für die aller- wichtigsten sozialpolitischen Aufgaben sei kein Geld da. Auf allen Seiten müsse gespart werden, auch bei Hose. Zum Schluß erörtert der Redner den außerordentlich peinlichen Vorfall in Kelheim . Wer auch immer der gute Michel ge- wesen sein möge, der das Geld gegeben habe— alle Parteien seien sich darin einig, daß der Staat diese Summe dem Herrn zurückerstatte.— Tann verbreitete sich der Redner über die all» gemeine politische Lage, die Art der Durchführung der Königs- macherei, die parlamentarisch höchst bedauerlich gewesen sei. Die Vormittagssttzung schließt mit einer langen Rede des Zentrumsabgeordneten Held zugunsten der Regierungsvorlage. In der Nachmittagssitzung begründete Abg. Casselmann die Haltung der liberalen Minderheit, die alles bewilligen will. Auch die Liberalen, die z u n ä ch st für den Kompromißantrag stimmen wollten, seien von durchaus sachlichen Gründen geleitet. Entscheidend für seine Fraktion sei, daß seit 100 Jahren die bähe- rische Zivilliste nur einmal unwesentlich erhöht worden sei. In feurigen Ausführungen verteidigt dann Casselmann die Regie- rungsforderung gegen seine eigenen Parteifreunde. Jeder Beamte erhalt« heute mehr als vor 100 Jahren. Was jedem Beamten recht ist, sei dem König billig. Der Kompromißantrag würde bedeuten, daß der König keinen Pfennig zu seiner eigenen Verfügung hätte. Was käme denn danach, wenn jetzt das Ministerium Hertling über eine Ablehnung dieser Forderung stürze?(Pollmar ruft: Ein Ministerium Pichlerl Große Heiterkeit.) Casselmann will den Männerstolz vor dem Thron des Königs Demos behalten. Gegen die Regierungsforderung erklärt sich entschieden der Bauernbündler Gandorffer. Er will für den Kompromiß- antrag und gegen die Regierungsvorlage stimmen. Namens der Sozialdemokraten erklärt Abg. Müller, daß sie sowohl gegen den Kompromißantrag, wie natürlich auch gegen die Zivilliste stimmen werden. Unter dem Ministerium Hertling sei alles umgekehrt. So erfolge auch die Finanzierung des Königs später als die Gründung des Geschäfts. Die Erhöhung der Zivil» liste sei eine Parteihandlung des Ministeriums Hertling. Müller würdigt dann die Geschichtslegenden über die WittelSbacherschen Vermögensopfer als ewige Rechtsansprüche der Zivilliste; denn die heutige Bewilligung beschleunige nur den Ruin dieser Wirtschaft, Tie Not der christlichen Gewerkschafte«. In Köln hat am 17. November Herr Dr. Kirsch, früher ka» tholischer Geistlicher und bis zum vorigen Jahre Redakteur an der ..Kölnischen Volkszeitung", einen Bortrag über den christkatholischen Bruderkrieg gehalten. Der Redner, der aus seiner früheren Tätig- keit den Gcwerkschaftsstreit genau kennt, legte dar, daß das Streben des Vatikans nach völliger Vernichtung aller nicht von Rom gänz- lich abhängigen Organisationen nicht nachlassen werde. Der Papst und seine engere Umgebung kümmerten sich heute nicht mehr um die Meinung der Bischöfe. Die Hoffnung des Zentrums und der christlichen Gewerkschaften auf bischöfliche Hilfe werde daher der- gebens sein. Seit dem Vatikanum von 1870 sei der päpstliche Abso» lutismus zur höchsten Blüte entwickelt worden. Die vatikanischen Beschlüsse jenes Jahres brachten, wie Kirsch, näher nachwies, nicht nur das Unfehlbarkeitsdogma, sie raubten den Bischöfen auch jede Art von Mitregierung und legten unzweideutig fest, daß der Pap st in allen Fragen, auch sozialer und politi- scher Art, die allein maßgebende Autorität sei. Von den deutschen Bischöfen hätten die.Kölner ' nichts zu hoffen. Wie die christlichen Gewerkschaften bisher schon vergeblich um die Hilfe der Bischöfe gefleht hätten, so würden sie auch in Zukunft kein Gehör sinden Der Vatikan werde bei der Duldung der christ- lichen Gewerkschaften nicht stehen bleiben und auch dem Zentrum gegenüber noch schärfere Seiten aufziehen. Ueber kurz oder lang sei sicher von Rom ein neuer Bannstiahl gegen die häretischen Organisationen zu erwarten. Eine Horde von Gewerkschastschristen versucht«, den Vortrag des jetzt altkatholischcn Geistlichen zu stören. Interesse opfern. Denn man darf nicht vergessen, daß die Svmpathie der europäischen Junker für die.Sklavenbarone" ebenso fehlgrisf wie die ausschließliche der Demokratie für die Nordstaatler. Auch das gehört zu den unausrottbaren Legenden, über die jeder Amerikaner lächelt. Die„Rebellen' des Südens stritten für föderative Unabhängigkeit von der Finanzbourgeoisie deS Nordens und des zentralistischen JoiperialiSmuS; beide Parteien stritten als gute Republikaner für die Freiheit, die sie meinten. Im übrigen wären die Verluste noch viel größere gewesen, wenn nicht die Milizen, jedes Drill-Schlendrians ledig, sich- selber jene neue mo- derne Taktik sowohl des Tchanzcns.und Einbuddelns, als des auf» gelösten Gefechts geschaffen hätten, die noch 1870 den zwei besten Regulärheeren meist mangelte, und die erst heute anerzogen wird, ohne daß die Nachahmung je die unter Lee und Grant erzielte Boll- kommenheit erreichte. Bezüglich Handhabung von Reiterei gilt dies sogar in erhöhtem Matze; alles Heutige steht noch immer tief unter dem Vorbild jener Miliz-kavallcrie. Selbst die Artillerie, von Me» chauikern und sonstigen qualiftzierten Arbeitern bedient, bot ballistisch und in der Leitung Mustergültiges für alle Zeiten. Das weiß jeder für immer, der mein Buch studierte; eS wird daher auch nicht abgestritten, sondern man kommt von hinten herum mit Ausreden, die immer wieder die geliebte Kasernendisziplin einschmuggeln. Also die Südstaatler lernten bald„soldatische Zucht und Ordnung", während die Nordstaatler erst später„das Friedens» Wesen der Miliz" abgestreift hätten! Wiederum trifft das genaue Gegenteil zu. Pedant Mc Clellan und seine Nachfolger legten Hauptnachdruck aus„Disziplin", und da sich der g a n z e Regulär- apparat bei den Nordstaatlern befand, herrschte dort von Anfang an weit mehr„militärisches" Wesen als bei den Südstaatlern. Gerade letztere stellten eine„Bürgerwehr" in einer Reinkultur dar. wie kaum je ein Heer der französischen Revolution. Bei Jacksons Helden- korps gab es„völlige Disziplinlosigkeit", vor der Sharpsburger Schlacht 10 000 Nachzügler. Doch sie traten eben alle wieder zum Kampf in die Reihen, machten nach wie vor die Gewaltmärsche mit, schlugen sich mit immer gleicher Hingebung- Farmer, Bürger, Studenten liebten ihre Offiziere nicht als„Vorgesetzte", sondern als Vorbilder, vergötterten Lee und Jackson nicht weil sie Generale, sondern weil sie Genies und Jdealmenschen waren. Denn nächst der Führung, die nicht gelernt wird, entscheidet allein der mora- lische Faktor, gleichbedeutend mit der wahren Disziplin: Einer für alle, alle für einen! Wo er fehlt, ist jede KadavcrdiSziplin tönend Erz und klingende Schelle. Die wahre militärische Erziehung muß sich an Geist und Charakter wenden; heutige Menschen sind nicht stumpfe Barbaren, die sich„für Gott und den Zaren' töten lassen. Man muß den Mannschaften beibringen, daß der einzelne nicht» und da» Vaterland der Rasse alles bedeutet, daß Feiglinge und vor dem Feind Ungehorsame sich selber schädigen, weil jeder die Folge» Das Schweizer IMziMm und der fliuerihanifche Bürgerkrieg. II.(Schluß.) „Die ungeheuren Reibungen, der Mangel an raschen großen Schlägen, die furchtbaren Verluste scheinen darauf hinzudeuten, daß Führer und Truppen beider Parteien nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe standen." So viel Worte, so viel Irrtümer, und ztoar immer die alten, besonders vom preußischen Generalstab vorgebrachten, die von Schweizer Offizieren gehorsamst nachgebetet werden. Unter „Reibungen" soll wohl der häufige Kommandowechsel zu verslehen sein. DaS ist reine Spiegelfechterei, da auch Napoleon und Friedrich oft genug ihre Unterführer während des Feldzugs ein- und absetzten(im Februar 1814 wechselte die Seine-Armee dreimal ihren Chef), der viermalige Kommandowcchsel der Potomacarmce sich aber auf vier Jechre verteilt. Anderswo stand es ähn- lich, und Lee selber befehltigte uneingeschränkt von An- fang bis Ende; nicht mal seine Korpschefs wechselten, natürlich Jackson« und Stuarts Tod ausgenommen. Selbst wenn aber dieser Einwand richtig wäre(bei Sedan drei- maliger Kommandowechsel mitten in der Schlacht, deutscherseits Entfernung von Steinmetz mitten im Kriege!), so würde daraus nur folgern, daß die Volksmiliz die richtige und nötige Auslese der Tüchtigen besorgt, unbehindert durch Rang- und AnciennitätL- rücksichten. Das wäre gerade ein besonderer Vorteil, wie denn auch die Einmischung der Volksrepräsentanten in den Französischen Revolutumskriegen zwar im einzelnen schadete, im großen aber jede Versumpfung der Kriegführung hinderte.„Mangel an raschen großen Schlägen'? DaS ist nun zum Entzücken gar! Nie hat man so viel rasche große Schläge in ein Halbjahr zusammengedrängt wie Juli bis Dezember 1862 oder gar Mai-Juni 1864. Daß die blutigsten Schlachten nie volle Entscheidung brachten, hing mit der unverwüstlichen Energie beider Parteien zusammen, wobei einer- feitS LeeS Genie, andererseits die unerschöpflichen Dkenschenmittcl der Union mitsprachen. Die Anschauung aber, der Krieg fei wegen taktischer Unzulänglichkeit so blutig verlaufen, steht auf gleich schwachen Füßen wie die beliebte Einrede, er habe deshalb so lange gedauert. Letztere? stammt einfach aus riesigen Entfernungen und großen Naturhindernissen her, abnormen Anforderungen von Zeit und Raum. Der einzige Feldzug, der sich damit vergleichen ließe, wäre der 1812/14 auf Linie Moskau— Paris, falls wir dieS als einheitlich folgerichtige Handlung auffassen, und der dauerte drei Jahre, trotz- dem zuerst Napoleon ? Hauptheer 1812 aufgerieben und nachher die Verbündeten erdrückende Uebermacht hatten, wohlgemerkt an Rcgulärtruppen lmit Ausnahme der preußischen Landwehr) gegen milizartige Gebilde. Beiläufig vollbrachten letztere auch in Gewalt. Märschen, dieser Probe wahrer„Disziplin", völlig Ebenbürtiges neben den berühmten Märschen 1805/06. Der Vlarsch nach Dresden im August 1813 und die Märsche im Februar 1814 stehen eigentlich noch höher. Das größtenteils auS Landwehr bestehende Blücherhecr tat vollends am 18. Juni 1815 Unerhörtes in schwierigstem Marsch, nachfolgendem bitteren Kampf und rastloser Verfolgung, wobei oberschlesische Landwehrmänner am weitesten nachsetzten. Auch möchten wir einschalten, daß Wellingtons Engländer bei Talavera und Waterloo zu zwei Dritteln eingestellte Miliz(militis-men) waren und er außerdem öffentlich im Parlament„die Hannover - schen Milizbrigaden bei Waterloo" in den Himmel hob. Die be- deutendsten Militärs(siehe auch Erzherzog Karl , Gneisenau usw.) dachten also allzeit über Milizfähigkeit ganz anders als ihre winzi- gen heutigen Epigonen, die weder von Kriegspsychologie noch Kriegs- geschichte etwas wissen. Im übrigen sei daraus hingewiesen, daß Jacksons Märsche sich mit denen Bonapartes 1796 messen können, wo daS 64. ligar in seinem Historique einen Tagesmarsch von auS- gerechnet 64 Kilometer verzeichnet, aber gänzlich auS ungedrillten Rekruten bestand. Der Doppelmarsch ShermanS von Atlanta nach Nordcarolina übertrifft an Dauer bei ununterbrochener Bewegung jede ähnliche Leistung von Regulärheeren. Die Verluste endlich hatten ihre natürliche Ursache in der un- gewöhnlichen Bravour und Erbitterung der Milizheere beider Par- teien, die unter Umständen, wo jedes Regulärheer auf weiteres verzichtet haben würde, den Kamps fortsetzten. Insbesondere Grants „Hämmern" 1864 hätte sich kein anderes Heer gefallen lassen. Wie bezeichnend, daß am 18. August 1870 alle am 16. blutenden deutschen Truppen von frischen abgelöst werden mußten, die französischen Troupiers aber sich am 18. elend schlugen, mit Ausnahme des am 16. teils nicht verwandten, teils siegreichen KorpS Ladmiraultl Auch das bei Wörth so heldenhafte KorpS Mac Mahon schlug sich nachher bei Sedan nicht annähernd so gut. Grants Milizen aber rannten nach auflösenden Verlusten Tag für Tag ausS neue an, und erst ganz zuletzt, nach dreißig erfolglosen Schlachten und Gefechten, sank der Eiser. Von maßlosem Blutvergießen kann übrigens nur bei Grant die Rede sein, allenfalls noch bei Chicamauga; selbst die Stürme bei Sharps- und Fredericsburg kosteten den Föderierten relativ weniger als den Deutschen bei Mars-la-Tour und St. Privat , von Riesenverlusten unter Friedrich und Napoleon ganz abgesehen. Die Einbußen der amerikanischen Voltsheere schivollen also nur deshalb so hoch an, weil sie unablässig stritten und immer wieder neue Massen aus dem Boden stampften; nian kann höchstens den Schluß ziehen, daß Volksheere sich viel hartnäckiger schlagen als Reguläre. Sehr begreiflich, weil hier nicht Muß-Soldaten gegen- einander stehen, sondern freie Männer, die sich für ihreigeneS
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