iit.so9 30 5.1.W ks ,|otiDflrtBtt Settor Polhöliliitt.»«<-- 2» �Abnormitäten.T«s Panoptikum stand draußen auf einer Wiese der Vorstadt.Di« große Zeltbude mit den bunten Reihen elektrischer Birnendöste im Vormittagsschlaf, während hinten im Abnormitätswagenzankende Stimmen durcheinander keiften. Die Abnormitätenfochten wieder einmal einen Rangstreit aus.Nero, der Löwenmensch, stand mit verschränkten Armen amKaffeetisch, blinzelte mit den Augen durch den Haarwust seinesGesichts und sagte:„Streitet nicht langet Schaut mich an. Ich bin auf allenJahrmärkten die erste Attraktion. Oder ist einer bebaarter als ich?Haare von oben bis unten, halb Löwe, halb SRensch...? MeinVater wußte, was er sagte, wie er mich unserem Impresarioübergab. Junge, sagte er, pflege Deine Mähne; sie ist unserGlück; verschwinden mußt Du unter Kränzen wie ein Pudel, dannwird'S uns an nichts fehlen...".Schluß!" schrie da der Mann ohne Arm«.„Ich bin die großeNummer! Echt vom Scheitel bis zur Zehe. Hab« nie Arme ge-habt werde nie welche haben, brauche nie welche. Arme sind imWege, die Konkurrenz ist in dem Artikel zu groß. Zu mir kommtdos Publikum nur so gerannt!"Stella und Cilla, die zusammengewachsenen ZwillingSschwestern,schlugen mit vier Fäusten auf den Tisch und Stella höhnte:„Serr wennig, wenn fehlt nix als Arme."Und Cilla kreischte:„Da guck sich! Eins un eins iS sich swei un iS sich doch einslSind wirr gveessterr Naturwunderr, sagt Pan Jmpresari. Meechteheiraten mich oderr Schwesterr... Sind wirr--"„Gänse," fuhr Abdullah, der verkrüppelte Türke, in unver-falschestem Deutsch dazwischen.„Wozu der Krawall? Ist jemandverrückter eingerichtet als ich? Was seid Ihr anderen denn?Ganz gewöhnliche, gesunde Menschen seid Ihr gegen mich. Be-guckt mich wie Ihr wollt: da ist keine Rippe gerade, da ist keinKnochen normal, da ist alles krumm und meschugge. Ist jemandverrückter eingerichtet als ich? Wer?"Aber niemand antwortete, denn der Löwenmensch, der Mannohne Arme und die zusammengewachsenen Schwestern sahen anAbdullah vorbei, ließen ihre Blicke durch die offene Tür fragendins Freie gleiten.Dort draußen stand ein Mensch, reckte seinen kräftigen Körperin der Sonne und spähte in den Wagen der Abnormitäten.Spähte und hatte ein mitleidiges Lächeln im Gesicht. Schauteso mitleidig drein, daß Abdullah zur Tür ging, noch mitleidigerlächelte und sagte:„Seht, ein gewöhnlicher Mensch. Normal, gesund und kräftigMl»twn bis unten. Ei« ganz gewöhnlicher Mensch"Das Lächeln gefror auf dem bleichen, eckigen Geficht desMenschen. Er blinzelte verlegen, unbestimmt.Da kicherten Stella und Cilla, der Mann ohne Arme aber gingzur Wagentür und schrie den Menschen an:„Sag' mal, fühlst Du Dich etwa noch? Du ganz gewöhnlichergesunder Tropf? Sag' mal, wozu eigentlich soviel von DeinerSorte da sind?"Da senkte der Mensch die Augen und wußte nichts zu ant-Worten.Sah an seinem gefunden Körper hinab, wandte sich zum Gehen,schlenkerte die kräftigen Arme und wußte nichts zu antworten!Wußte nicht, wozu er da war!Er war ein Arbeitsloser. R. G r ö tz s ch.K. und fc Infanterie-Regiment.Bon Anna Croisfant-Rust.Der Rebstock weinte, in den Weiirbergmauern raschelten dieEidechsen, die Raine blühten bunt, und wild ging der Eisack, mittrüber, lehmiger Flut. Ein heftiger Wind wehte durchs Tal, weißeWolken flogen hoch über die Berge weg und ließen große Stücketiefblauen Himmels frei Wenn die Sonne schien, schien sie grell,eindringlich, und alles, was vorhin düster, förmlich in sich gehockt,fast feindselig ausgesehen, wurde mit einem Schlage farbig undleuchtend, eine andere Welt.So war der Tag gewesen, den ich unten am Eisack verbracht,wild und ungestüm, ein Werdetag.Am Llbend ballten sich die Wolken dunkler und dichter, undfuhren wie gehetzt am Himmel hin, bis sie ihn überspannen hatten.Dann war's wie ein Ausruhen, eine Lähmung. Der Abend kamfrüh, und die alte zirbengctäselie Stube, in die die Sarntaler Bergeschauten, sah düster und grämlich aus, a'A ich müde eintrat.Am großen Ecktisch saßen ein paar Bürger des Städtchensunten am Eisack und ein Pfiffig aussehendes Tiroler Bäuerlein vonheroben, das seine Schcrzreden zwischen den beiden Meistern undmeiner alten Wirtin gewiffenhast teilte, die mir nun, etwasmürrisch über mein langes Ausbleiben, den Abendimbiß aufstellteund die kleine Hängelampe anzündete.Die ehrenfesten Männer und Bürger des Städtchens, die mitWürde und Ernst hinter ihrem Wein saßen, waren in ein wichtigesGespräch vertieft gewesen, das sie, durch meinen Eintritt gestört,sichtbarlich verstimmt abgebrochen hatten. Aber in ihrer Seelerumorte es weiter und erwies sich als so zwingend, daß zuerst be-dächtig und unter Stocken, dann heftiger und schnellflüssig dieweisen und erregte» Reden sich Bahn brachen. Ja, sie dokumen-tierten sich zuletzt so leidenschaftlich, daß nicht allein ich mich indem Strudel mit fortgerissen fühlte und wortlos untertauchte, son«dern auch das lustige Bäuerlein Hals über Kopf hineinsprang und.nachdem es wieder cmporgetaucht und Atem gekriegt hatte, wildrudernd darin herumplätscherte, ja bei diesem Gebaren mehr Tem-perament entwickelte— soweit das im Land Tirol üblich ist— alsdie beiden biedern Bürgcrsmänner.Die Wellen tobten auf und ab; Organisation, Sozialdemo.kratie, Steuern, schlechte Zeiten, Ansprüche der Gesellen, Ver»fchwendungssucht der Niedern Klafscii. Steuern, Militär, die Baga»bundenplage sMißbilligung der Abgeordneten!), die wüste Frageder„Bensiunischd'n" in Oesterreich, um zuletzt sich wieder in einergroßen Welle zu vereinen: die Sozialdemokratie! Ich atmete ans:diese Welle würde uns auss Trockene werfen und, wie ich hoffte,auf eine schöne glaüc Straße, aus der sich mit Bedacht, Weisheitund Einsicht marschieren ließ.Aber nein, die Straße erwies sich als ganz infamer, steinigerKarrenweg, der einen hin und her warf. Das Bäuerlein hüpfte.die ehrenfesten Bürgersmänner hüpften, und es wäre possierlichanzusehen gewesen, wi« der eine dabei an den anderen stieß, wennes nicht eine so blutig ernste Sache gewesen wäre.Das Bäuerlein machte die Hüpferei und Stoßerei ganz rabiat:„Mos sagt's? Fügen sollt's Enk? Fügen müaßt's Enk? Wos?A Meischder fügen? War zum Lachen! A Meischderl Desscllischt einfach gnua: Nit nachgeb'n, koan Handüroat. Es ischt dechtunmögli, wenn's alle z'sammenihelst'S! Des sein decht die G'sellenund Enk seid's die Meischder! Meine Roß müassen parieren, meineKüah müassen parieren, mei Wei muaß parieren und meine Knechtmüassen parieren, warum sollten nachher Enlene G'selln nitparieren? Wos?— des sein die mehrern? Ja. Enk trauts Enknet!" Er lachte laut und verächtlich.„Ja traun! Trau die du! Werst g'schwind g'fragt, ob ditraust!" sagte der eine Meister, eilt dickköpfiger, kropfiger, echtTiroler Kleinstadttypus, mit wasserblauen, hervorquellendenAugen, die aussahen, als ob er stets in Angst sei.„Ums Trau'n handelt si's nit. Ums Nachgeb'n handelt si'S.Nachgeb'n oder'z G'schäft aufgeb'n, so sein die Sachen!"„Ah wos!" schrie das Bäuerlein in der höchsten Fistel,„es ischtunmögli, wenn alle Meischder nit nachgeb'n."„Ah wos! Selle Sachen voschteaht a Bauer nit!" meinte derDicklops.„Wenn's do' dene Bazi alleweil helfen! Ins werd niachtg'holfen;'s Geld lriagenS,'s schöne Leben ham's und mir derftenins plog'n. Na"— er trank plötzlich so rasch und hastig, daß esaussah, als eile er sich über die Maßen, damit nur keiner derandern, die schon darauf lauerten, zu Wort käme.„Jawohl solltenwir ihn den Herrn zoag'n," schrie er, kaum daß er das Glas hingestellthatte, und rückte seinen Hut aufs linke Ohr, um sofort wieder anSTrinken zu gehen.IVlutter Kirche.O daß ich tausend Zungen hätteAnd einen tausendfachen Mund!So stimmt ich damit um die WetteAus allertiefstem HerzensgrundEin Loblied auf die Kirche an,Von dem, was sie an mir getan.Als ich ein Kindlein nackt und bloß,Da tauft' sie mich für naß,Sie nahm mich auf in ihrem Schoß,Ganz gratis tat sie das.Seit jener Zeit heißt man mich Christ,Weil so des Staates Vorschrift ist.And als ich dann erwachsen war,Legt' sie mir Steuern auf,Könnt' ich die zahlen nicht in bar,So folgte Pfändung drauf.Sie wies mich hin auf's Äimmelreich;Wie's hier mir ging, das war ihr gleich.Doch als ich nicht mehr glauben kunnt',And nicht mehr heucheln wollt',Dacht' ich zu lösen diesen Bund;Doch bald ich merken sollt':Du warst gar bald ein Kirchenchrist,Doch los zu kommen schwerer ist.'Tne o xycart ou, oie oisyer,Der-Spaß gekostet hat,Genügen uns'ren Fromm'n nicht mehr;Es sprach der hohe Rat:„Zuviel schon unserer Kirch' entlief,Drum höher sei jetzt der Tarif".Nun mußt du laufen auf's GerichtAnd hast viel Schererei.Der Pastor mahnend zu dir spricht:„O bleibe doch dabei!"Doch ttiltst du aus, trotz alledem,Verlangt man von dir lvl) Em.Amen.