Mer will, der findet HrbeitSechs Interviews mit Arbeitslosen.Wie oft kann man solchen Ausspruch aus unbedachtemMunde hören. Wenn ein Bettler an die Türe klopft, wenn eineFamilie mit ihren Kindern in den Tod geht oder ein armer Teufelin der Not sich an fremdem Eigentume vergreift. Leute, die sosprechen, haben es in der Regel in ihrem Leben nicht nötig gehabt,nach Arbeit zu suchen: eS fehlt ihnen jegliche Erfahrung, und dasie fern vom Masienelend stehen, ist es ihnen nicht möglich, die tat-sächlichen Verhältnisse kennen zu lernen.Es trifft einfach nicht zu, daß jeder, der arbeiten will, Arbeitfindet. In Wirklichkeit laufen viele, viele Arbeiter und Angestelltetaglich dorthin, wo Arbeit ausgegeben wird, und bemühen sich red-lich, eine lohnende Beschäftigung zu finden. Gerade in der jetzigenZeit tobt der Kampf um die Existenz mit furchtbarer Heftigkeit.Davon legen d-? folgenden Unterredungen Zeugnis ab, die wir mitsechs Arbeitslosen führten. Wir geben zunächst dem ArbeitslosenF. R. das Wort:»Ich bin Gießereiarbeiter," sagte er.„Einmal hatte ich Glück,da arbeitete ich volle fünf Jahre. Das war von 1894 bis 1899.Dann war ich ein Vierteljahr arbeitslos. Arbeitete nachher sechsWochen, um wieder auf die Straße zu fliegen. Tiesmal, weil ichnicht gelb werden wollte. Neun Wochen saß ich auf dem Arbeits-Nachweis. Schließlich erhielt ich vorübergehend in kleinen BetriebenArbeit, die jedoch nie länger wie einige Monate anhielt. Im vori-gen Jahre habe ich bloß fünf Monate gearbeitet. Vom 39. Novem-ber bis 19. Mai hatte ich keine Arbeit. Vom 16. Mai bis 27. Augustlachte mir das Glück, dann aber mußte ich wieder mein Bündelschnüren. Ich habe bis jetzt keine Beschäftigung mehr gefunden undkann auf solche frühestens wieder im Februar oder Niärz rechnen.Im Verband bin ich ausgesteuert und erhalte seit 18. März 1913keine Arbeitslosenunterstützung mehr. Ich würde alles nehmen,würde mich vor keiner Arbeit fürchten, wenn ich nur welche be-käme. Ich habe schon alles versucht, mich überall angeboten, nie-mand stellt mcch ein. Meine einzige Hoffnung setze ich noch aufdie Post, die stellt ja vor Weihnachten noch Hilfskräfte ein. Ich kannIhnen sagen, man möchte manchmal nicht mehr leben. Kommtman in die Betriebe und fragt um Arbeit, so heißt es, wir stellenkeine Leute mehr ein über vierzig Jahre, und manche Geschäftegehen noch weiter und erklären kurz und bündig, daß bei ihnenschon von fünfunddreißig Jahren ab niemand mehr Aussicht hat,eingestellt zu werden. Ich habe drei Kinder, daS älteste ist sechs-zehn Jahre alt. Meine Frau ist schon jahrelang schwer nerven-krank. Sie sollte schon längst in eine Heilstätte, aber der Kinderwegen will sie nicht hingehen. Miete zahle ich dreißig Mark monat-lich für zwei Stuben im Osten Berlins. Das eine Zimmer habeich an zwei junge Leute vermietet, von denen ich je zehn Mark be-komme— wenn sie Arbeit haben. Zurzeit haben sie alle beidekeine und können nicht bezahlen. Wenn ich Arbeit habe, verdieneich zweiunddreißig bis fünfunddreißig Mark in Akkord, sonst aberweniger. Auch in Zeiten, wo ich immer Arbeit hatte, gab es öfterPerioden, wo wir nur halbe Tage arbeiteten und ich nur 18 Marknach Hause brachte. Infolge meiner großen Armut habe ich michan die Armendirektion wenden müssen und zwanzig Mark be-kommen. Das war aber wie ein Tropfen auf einen heißen Stein.Zwei Monate Miete bin ich bereits schuldig. Ich weiß nicht, wasaus mir und meiner Familie werden soll."Die Uhr tickte müde und schläfrig. Irgendwo spielte einPhonograph mit he, serer Stimme:.Puppchen. Du bist meinAugenstern". Der Gießereiarbeiter war heimgegangen mit müden,schleppenden Schritten und seinen Platz hatte der Bauarbeiter�Stukkateur) M. L. eingenommen. Er legte sein Verbandsbuch hin,aus dem zu ersehen war, daß er in diesem Jahre gerade sechs volleWochen gearbeitet hatte. Er zeigte mir die leeren Felder in seinemVerbandsbuche, in die der Arbeitslosenstempel gedrückt war.„Kreuzevom Grab, nennen wir das," sagte er.„Was ich in diesem Jahreverdient habe, können Sie sich ungefähr ausrechnen. Ich habe miralle Mühe gegeben, Arbeit zu finden, aber ohne Erfolg, obgleich ichnebenbei auch ein geschickter Zeichner und Maler bin. Ich hätteauch jede andere Arbeit genommen, aber wenn sie mein grauesHaar gesehen haben, dann haben sie immer schon abgewinkt. Inden letzten zehn Jahren habe ich jedes Jahr vier bis fünf Monatebummeln müssen. Wenn voll gearbeitet wurde, verdiente ich 43 M.die Woche. Wir hatten aber sehr selten eine volle Woche. Ich bin28 Jahre verheiratet und habe zwei Söhne, von denen der jüngsteim dritten Jahre in der Lehre ist. Er bekommt jetzt die Woche 3 M.Ich bin schon verschiedene Male exmittiert worden und bin auchschon öfter„gerückt". Jetzt habe ich eine Hausreinigung, da ichkeine Miete mehr zahlen kann. Ich weiß nicht, von was ich morgenleben soll. Es ist alles versetzt, was wir im Hause hatten. Zuallem Unglück ist mein ältester Sohn von außerhalb zurück-gekommen, wo auch keine Arbeit mehr war, und ich kann ihn dochnicht rausschmeißen, es ist doch mein Kind. Seit vier Tagen lebenwir von Brot und Kartoffeln und haben kein warmes Essen mehrgesehen. Wer fünfzig Jahre alt ist, soll sich aufhängen, wenn erArbeiter ist. Ich habe mich an die Armendirektion wenden müssenund bekam zwanzig Mark Unterstützung. Meinen letzten Arbeit-geber mußte ich verklagen, aber den Rest des Lohnes habe ich trotz-dem noch nicht erhalten."---Der dritte war der Maschinenarbeiter I. G. aus der Holz-branche. Er erzählte:„Anfang vorigen Jahres war ich erst sechsWochen ohne Arbeit, dann fand ich eine Stelle, wo ich acht WochenBeschäftigung hatte. Als die Aufträge zu Ende waren, erhieltenwir die Papiere. Dann fand ich nun noch einmal eine Aushilft-stelle vor Weihnachten, die übrige Zeit des Jahres war ich ohneArbeit und ohne Verdienst. In diesem Jahre war ich sechzehnWochen im ganzen beschäftigt, in der übrigen Zeit konnte ich trotzalles Suchens keine Arbeit finden. Auf dem Nachweis habe ichkeine Aussicht, vor Weihnachten noch Arbeit zu bekommen. Essitzen da Kollegen vor mir, die schon seit April und Mai einge-schrieben sind. Obgleich ein Tarif besteht, kürzen die Arbeitgeberdie Löhne und zwingen die Arbeiter, billiger zu arbeiten. Sienutzen die große Not aus. Ich habe nur ein Kind, und das istsieben Jahre alt. Bei voller Arbeit verdiene ich vierzig Mark, seit1912 hatte ich aber eine solche Woche nicht mehr, wenn ich jetztArbeit bekäme, würde ich viel weniger verdienen. Ich halte michnotdürftig über Wasser durch Unterstützungen, die ich von da unddort bekomme. Meine Wohnung kostet dreißig Mark Miete. Imvorigen Monat habe ich mir die Miete geborgt, für den letztenMonat bin ich sie noch schuldig. Meine Frau ist seit acht Wochensehr krank und in keiner Kasse. Der Verband hat mir ein Darlehngewährt. Ich habe mich bei Wertheim am Moritzplatz zu jederArbeit angeboten, man hat mir aber gesagt, ich solle mir keineMühe geben, es würde niemand eingestellt, der über dreißig Jahrealt sei. Auch in der A. E. G. hat man mich abgewiesen, und so istes mir überall ergangen. Arbeitslosenunterstützung erhalte ichnicht mehr, da ich schon seit Oktober v. I. ausgesteuert bin. Trotz-dem meine Frau leidend ist, wollte sie arbeiten, hat aber nichtsgefunden. Sie hat in den Warenhäusern angefragt, man hat ihraber gesagt, daß nur ganz junge Kräfte eingestellt würden."Nun folgte der Tischler A. V., der sein« Lage schilderte.„Innerhalb zweieinhalb Jahren hat meine längste Arbeit achtWochen gedauert, sonst mußte ich immer aussetzen und bummeln.Vom 15. Juli bis jetzt bin ich krank. Meine Mitgliedschaft bei derKrankenkasse ist aber verfallen, so erhalte ich keinen Pfennig vonder Kasse. Im vorigen Monat haben Kollegen für mich gesammelt.damit ich meine Miete bezahlen konnte, aus einer Stiftung desMagistrats habe ich eine Unterstützung bekommen. Der Verbandhat mir ein Darlehn gewährt. Für diesen Monat habe ich nochkeine Miete. Ich bin achtunddreißig Jahr« alt und habe zweiKinder.- Meine Frau hat bis zu ihrer letzten Entbindung mit-gearbeitet, jetzt kann sie nicht mehr, da sie zwei kleine Kinder zuversorgen hat und außerdem krank ist."—Nach ihm teilte Fabrikarbeiter I. N. seine Erlebnisse mit.Er kam mit leuchtendem Blick und fiebernd vor Aufregung. Erhatte am selben Morgen unvermutet eine AuShilfsstelle erhaltenund war mit seinen Gedanken schon ganz bei der neuen Arbeit.„Ich habe Arbeit bekommen, das schlägt auf den Magen," sagteer und lachte vergnügt. Dann begann auch er zu erzählen.„Ichwar von Hause auS Zigarrenmacher, aber da das Geschäft sehrschlecht ging, habe ich schon frühzeitig jede Arbeit angenommen, dieich bekommen konnte. Im ganzen war ich elf Jahre in der Gummi-brauche tätig. Zuletzt hatte ich Arbeit bei der A. E. G. Da warich vier Jahre. Vor sieben Wochen wurden wir entlassen wegenArbeitSmangcl. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. MeineFrau ist lungenkrank und kann nicht arbeiten. Trotzdem würde siees tun, wenn sie etwas fände. Sie war früher in der Samt-schneideret tätig, da ist aber jetzt auch keine Arbeit zu bekommen.DaS Krankenhaus mußte ich selbst bezahlen. Ich habe eine Woh-nung von Stube und Küche, die kostet 18 M. Ich bin zwei MonateMiete schuldig und habe dem Hauswirt meine ganze Arbeitslosen-Unterstützung gegeben, damit er mich nicht exmittiere. Wir habenim letzten Jahre nicht viel verdient und ich bin zehn Wochen krankgewesen. Während der ersten drei Wochen nach der Entlassung hatuns unsere Firma noch Unterstützungen von zehn, acht und sechsMark ausgezahlt."Damit nahm er seinen Hut und verabschiedete sich rasch. Erhatte es sehr eilig, seine neue Arbeitsstelle lockte und der Verdienstund damit auch die Aussicht, Brot und Lebensmittel ins Heimschaffen und die Miete bezahlen zu können.Der letzte, ein Gelegenheitsarbeiter H. W., der sein Leid klagte,war nicht organisiert. Politisch und gewerkschaftlich vollkommenindifferent. Ging als Hausdiener, als Kutscher, als Straßenarbeiter, half bei Bauten und nahm alle Arbeiten an, di» sich:qmboten. Er verdient im Durchschnitt zwanzig Mark die Woche, wenner Arbeit hat. Seine Frau geht in eine Sortieranstalt für Lumpenund Knochen. Sie verdient zwölf Mark. Zeitweise aber mutz sieaussetzen, teils wegen Arbeitsmangel, teils weil sie hochgradigan Lungentuberkulose leidet. Sie haben neun Kinder. Das ältesteist siebzehn Jahre alt, das jüngste zwei Jahre. Eine lahme Tochtervon fünfzehn Jahren besorgt die.Häuslichkeit. Tie ztvei ältestenSöhne sind in Fürsorgeanstalten untergebracht, die übrigen älterenKinder müssen mitverdienen durch allerlei kleine Arbeiten, wieZeitungen-, Frühstückaustragen oder indem sie nachmittags nachder Schule bei Geschäftsleuten tätig sind. Si« leben die Wocheüber fast nur von Kaffee, Brot, Kartoffeln, Heringen und der-gleichen. Sonntagskleider haben sie alle miteinander nicht. Sonn-tags flickt und wäscht die Mutter, während der Pater die Stiefelbesohlt, fleckt und wieder notdürftig herrichtet. In den letztenbeiden Wohnungen wurden sie exmittiert. Sie finden sehr sckstvereine Wohnung, da jeder Hauswirt sich an der großen Familie stößt.Jetzt bewohnen sie eine kleine Hofkellerwohnung für 18 M. monat»lich. Seit sieben Wochen hat der Mann keine Arbeit. Er glaubtauch nicht, daß er vor Weihnachten noch viel verdienen dürfte. Erwill versuchen, irgendwoher ein paar Mark zu bekommen, um mitWeihnachtskram handeln zu können.Das waren sechs Arbeiterexistenzen, die kaleidoskopartig anuns vorüberzogen und die durch die Schlichtheit und Sachlichkeit,mit der sie vorgetragen worden waren, geradezu erschütterndwirkten. Es waren nur sechs. ES bätten ebensogut hundert seinkönnen, tausend, unzählige. Der Hauch der geineinsamen Not,umfaßt sie alle, die da Tag für Tag harren und hoffen, um immerwieder zu vernehmen, daß in der großen, reichen Kaiserstadt Berlinfür fleißige, willige, arbeitsfreudige Hände keine Beschäftigung zufinden sei.I�orgengang.diesen ftcbn im grauen Morgen wider euren frieden auf,fln den Ketten eurer Sorgen schleppen sie den Tag berauf,Reißen aus dem Schlaf die Mühen, schmieden sie in neuer Glut,Daß die Lüfte fprüb'n und glühen rot und beiß wie euer Blutünd ihr taufend gebt in Schweigen durch die Straßen eurer Rot,Seht den Tag zur Röhe steigen, der für euch in Schmerzen lobt,Schweigt und sinnt, daß euch Verderben jedes neue CicbtbeltimmtUnd zu eurer freude Sterben ihren Lauf die Sonne nimmtDoch das Raufchen eurer Schritte wird zum wilden Ulorgenfang,Ungebeugt in eurer Mitte gebt der Raß den ÖJeg entlang.Rus den toten Steinen schlagen Cllogen eures Sebncns aufünd des Zornes Purpurtagen flammt zum grellen Licht hinauf.Durch die Straße der Verdammten rausch t der nahen f reihei t Ruf,Den die Qual von Zornentflammten lieh aus Stein und Ketten Ichuf.Rhythmen eines cwglcn Tages werden rein undleucbtendglüb'n,Wenn der Zorn deskübnften Schlages briebtder alten TageUlüh'n.Riefe, werde frei und wage deinen Morgengang der MachtUnd die Sonne deiner Tage reiße aus dem Schlaf der Rächt!Franz R o t h en s e ld er.Nun kam endlich sein Kollege zu Wort. So schnell jener ge-sprachen, so schwer und stockend ging es bei diesem. Er war sicherein Tischlermeister, denn er roch unstreitig und sehr vernehmlichnach Leim, hatte auch allerlei Werkzeuge. Hobel und Eisen inseinem Rucksack, den er die ganze Zeit aus dem Buckel behaltenhatte. Er war gewiß auf Arbeit in einer der steinen, höher ge-legenen Pensionen gewesen, di« sich auf die„Saison" vorbereiteten.und war schon etwas beschwipst heruntergekommen. Da der Ruck-sack sehr umfangreich, bösen Willen» und durchaus herrschsüchtigschien, war beständig ein possierlich anzuschauender Kampf zwischendem kleinen Meister mit den kurzen Beinchen und dem großengrünen Rucksack im Gang.Der Rucksack stemmte sich gegen die Wand und drückte mitGewalt den schmächtigen Meister nach vorne, der in Geduld und mitvielen rutschenden Bewegungen den Sack immer wieder in seineGrenzen verwies. Das Tominieren war überhaupt feine Sachenicht; er packt« auch dar strittige Problem von einer anderenSeite an.„Ich bin überhaupt kein Redner niacht, bin kein Redner nianiacht gewesen. Aber ich sage, die ganze Dache, die ganze Sach«— niacht von den schlimmen Zeiten kommt(U und niacht von denschlechten Gesellen, die wo Sozialdemokraten sein. Weil keinGlaub'n ischt, ischt eS sol und Glaub'n müassen mir wieder unbe-dingt ham. nachher kriag'n mir an ganzen guat'n Landtag undnachher kriag'n mir ganze guate G'sell'n. Einen Glaub'nmüassen mir wieder ham im Land Tirol, sonscht ischt es g'sahlt,sonscht wird eS nia niacht besser, darauf Hab' ich meine Hoffnung.".Glaub'n!" brummte der Blauäugige mit dem Dickkopf wieder.der seinen Händen nach ein Spengler oder Schlosser sein konnte,„wo? hilft der Glauben, wann sie die Herrn sein? Voschteahscht?Z'sammfressen dhean sie inS, wenn mir inS nit rühren, dreinfahr'nmüass'n mir. dreinfahr'n!"Der Meister Tischler, den der Rucksack siegreich bis zur aller.äußersten Grenze vorgeschoben und der nur mit Mühe Haltung undPosition aufrecht hielt, war sprachlos ob des plötzlichen Umschlags.Dann stotterte er:„Hascht do g'sagt nachgeb'n oder's G'schäftaufgab'n. Nana, Mannder, eS ischt sür niacht. Ich Hab' meineHoffnung auf den Glaub'n aufg'stellt, eS ischt niacht ohne Glaub'n,und eS Wehren hilft niacht—".Jawohl helfet'»!" schrie das Bäuerlein drein...Wenn Enk«er trauet'»! Wenn'» ner war' wie zu Andrä HoferS Zeiten!".Die Zeiten san vorbei," meint« der Blauäugige mit dem ängst.vollen Blick,„aber oanS—'S Militär müasset dreinfahr'n derfen!".Jo,'S Militär!" stotterte der Tischler, dem die steine Kellnerinschon wieder ein neues„Vierdeke" gebracht hatte.„'S Militär!".Bin i sofort einverstanden.'S Militär. I bin für's Militär.� fear alleweil für'» Militär, i war selwer Militär," begutachteteda» Bäuerlein,.denn unser Militär—'.Do hobt'S die rechten Bazi," mischte sich die alte Wirtinspottend ein, die die ganze Zeit mit ihrer Nase beschäftigt grämlichdagesessen:„oaner wia der ander, geaht'S mir mit EnkernMilitär!".WoS Wirtin, wos?" schrien die drei voller Entrüstung,„Bazi,insere Jager, inser Infanterie— des fein fein koane Sozialdemo-kraten!"„Das ischt," rang sich der Tischler durch,„da? ischt.— lach binkein Redner niacht,— das ischt die Kraft des Volkes! Do ischt eineKraft, do ischt ein Mut, do ischl ein Glaub'n"—„Schlad!" sagte die alte Wirtin und stieß die steine Kellnerinan, die halb geschlafen hatte,„schtad, do kimmt no' epper!"Sie hob lauschend den Zeigefinger zu ihrer gekrümmtenVogelnase und saß lauernd in ihrem grauen Kleide da wie ein auf-geplusterter, mißlauniger Papagei.„Schtad!" sagte sie nochmals, denn das Poltern wiederholtesich. Ein Lärmen und Singen, em Getrampel und Geschlürftwurde draußen laut, als begehre ein ganzer Trupp MenschenEinlaß.„Mutter, fercht dir nit, mir sein ja do!" riefen die Männeraui Tirol wie aus einem Munde, und ich begab mich leichtenHerzen», heiter und getrosten Gemütes in den Schutz der Nach.kommen Andrä HoferS. die uns drei arme Frauenswefen. die wirallein im HauS waren, wenn eS not tat, mit Leib und Seele ver-teidigten, ja uns mit ihrem Blute schützen würden!—Die Türe ging auf; nicht ein Trupp Menschen, nur zwei abge.rissene, schwankende Gestalten traten ein; ein Großer. Rotblonder,mit schlenkernden Gebärden, näherte sich mit einer übertriebenenVerbeugung; der zweite, ein Schwarzer, Untersetzter, der tückischeBlicke herumwarf, hielt sich hinter ihm, wortlos und wie in ver-haltenem Zorn.„Habe die Ehre, den hochverehrten Herrschaften einen gutenund genußreichen Abend zu wünschen.„Wir sitzen so fröhlich bei.sammen", begann er zu singen.„Ich bin nämlich sehr musikalisch,sehr, bitte! Also guten Abend!" fTat war der Große.)Lautlose Stille. Tie Meister stierten auf den Tisch, dasBäuerlein ins Glas, die alte Wirtin in die Luft und die steineKellnerin mit einer Wendung halbrechts ins Fenster..Na ja. na ja!" lachte der Roiblonde schallend auf.„Kennenwir, recht, ganz recht! Aber unsereins hat Durst! LiebwertestesFräulein, ein Gläschen Schnaps, von dem für uns beide geeigneten,— ein Stamperl."Die drei am Tisch warfen der Wirtin einen bedeutungsvollenBlick zu, den die Wirtin der Kellnerin weitergab..Schnaps ham mir niacht. Geaht'S zum obern Wirt, geaht'Sweiter," grollte die Alte und schaute dabei auf einen imaginärenPunkt„O bitte, da waren wir schon," erwiderte der Große, indem ersich verbeugte,„merkwürdigerweise gibt es dort auch keinen Schnaps.Mir ist zwar kalt,— na ja, ich bitte um ein kleines Gläschen Wein,wenn's nur ein ganz, ganz kleines ist, denn der andere Herrhier—"»To!" barsch stellte die steine Kellnerin den zweien da» Glasan den Ofentisch und fetzte sich, nun ganz wie ein Automat aut«sehend, neben die Wirtiw.Bruder, was ist denn?" frug der Große. Rebselige, denmürrischen Kameradem der ganz in sich zusammengesunken aus derBank hockte.„Da ist Wein! Laß den Kopf nicht hängen. Bruder,alleweil bleibt's nicht so. eS kommen andere Zeiten auch wieder.Andere Zeiten sind wir gewohnt und andere müssen kommen!Bruder, denk dran, waS wir werden wollen, und denk dran. waSwir gewesen sind!" Und plötzlich fing er an. im Rhythmus, etwa»schlotterig zwar, aber nicht schlecht, zu singen:„Wir sind vom t und LInfanterie-RegimentHoch, und DeutschmeisterNummro vier."»ES geht halt so im Leben. Bruder, auf und ab. bald sein dieandern oben, bald werden» wir sein!"„Schönbrunn und Wie»—k. und!. InfanterieRe— gi— ment."Er trappte auf und nieder; wie das Anrücken einer �cle-neklang es.»Bald kommen wir dran. Holla!"Da räusperen sich die Meister, da räusperte sich da» Bauer...drei Geldbeutel erschienen über der Tischplatte, drei Hände langtenin die Beutel:„Niacht sagen, giahn lassen," flüsterte ganz, S«nz leise derBauer.„Schönbrunn und Wien."Plötzlich sieht der Große mich, kommt näher, macht em«groteske Verbeugung und sagt:.Wünsch« der sehr geehrten Herr»schaft recht wohl zu speisen! Wir haben zwar auch Hunger, abereine Herrschaft ist eine Herrschaftl Natürlich der Nährskand, derWehrstand— Standesunterschiede müssen fein, sagt man, aber"— er macht eine Bewegung, als rasier« er alles vom Tisch herunterund beginnt gleich wieder taktmäßig zu marschieren, indem er, wiezum Spaß, dem großen Tisch immer naher ruckt.K. u. k. InfanterieHoch- und Deutschmeister"'—