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haits die Genugtuung, baß seine Wiederwahl so gut wie gar keinen Widerspruch fand. Ansckeinend wurde uur eine einzige Stimme gegen ihn abgegeben. Dabei hatte man von Amtsmüdigkeit des alten Führers gesprochen und die ganze bürgerliche Presse oer Vereinigten Staaten hatte den hahnebüchenen Unsinn behauptet, die sozialistischen  Delegaten würden John Mitchel  , GomperS Adjutanten in der Civic Federatio», als Gegenkandidaten auf den Schild erheben. John White, der treffliche Präsident des radikalen Kohlengräber« Verbandes, der für das Amt des zweiten Vizepräsidenten vor« geschlagen war, mußte sich mit dem siebenten Bizeposten begnügen. Der den Delegaten vorgelegte umfangreiche Bericht des Vor- standeS meldet durchweg von organisatorischen Fortschritten, von Kämpfen, die in der Mehrzahl stegreich verliefen oder doch teilweise Erfolge brächten. Sämtliche einzelnen Landesverbände und inter  - nationalen(das heißt noch über Kanada   oder Mexiko   aus« gedehnten) Gewerkschaften geben an, wieviel Mitglieder sie im Berichtsjahre gewonnen haben. Nach Angaben über die gegen- wältige Gesamtmitgliedschaft sucht man dabei aber überall vergeblich. Den größten Aufschwung scheint der Kohlengräberverband genommen zu haben, der über eine Mitgliederzunahme um 112 336 berichtet und fast einundeinviertel Million Dollar an Streikunterstützung aus- gezablt hat. Den besten Strcikrapport konnten dieUnited Garment Workers"(Schneider und Schneiderinnen) erstatten. Sie haben fünf Niesenstreiks geführt und gewonnen und für 115 006 Mitglieder Lohnerhöhungen von einem bis zehn Dollar die Woche und Ber« kürzuna der täglichen Arbeitszeit von ungefähr 36 auf 53 Stunden erkämpft. Nach dem 1. Januar arbeiteten die organisierten Schneider in den Plätzen, die von den Ausständen betroffen waren, nur noch 52 Stunden. Als ihren großartigsten Erfolg können die Schneider die vollständige Beseitigung des ZwischenmcistershstemS in den größten Städten des Landes buchen. DieLadies Garment Workers*(die organisierten Arbeiter und Arbeiterinnen in der Damenschnciderei) haben in sechs Streiks, an denen insgesamt 46 666 Personen beteiligt waren, ähnliche Errungenschaften erzielt. Der Bericht macht übrigens Front gegen eine Art radikal scheinender Sozialpolitik, die im letzten Jahre in Staaten wie Massachusetts  , Kalifornien  , Kolorado  , Minnesota  , Nebraska  , Oregon  , Utah  , Washington und Wisconsin   Einzug gehalten hat. Es handelt sich hierbei um Minimallohngesetze, die von der Föderation nur in der Beschränkung auf Frauen und Mädchen gutgeheißen werden. Da- gegen wurde ein BundeS-Arbeiterschutzgcsetz und eine weitere Be- schränkung der Einwanderung verlangt? die in dieser Sache be« schlossene Erklärung begnügt sich nicht mit der Forderung des Ausschlusses aller Asiaten, sondern spricht auch noch den lächer- lichenBildungS-Examen' das Wort, ein Eirnall, dessen legis­lative Sanktionierung in den letzten Wochen des Tastschen Re« giments nur durch das Veto des Präsidenten verhindert wurde. Das Tnhlorsche System wissenschaftlich forcierter Arbeiterabrackerung fand scharfe Verurteilung. Abgelehnt wurden zwei Anträge, deren einer auf Reform des Banksystems abzielte, wogegen der andere ein den Arbeitern näherliegendes und doch noch so ferne? Ziel wie das der Erkämpfung des SechSstundentageS im Auge hatte. Namens des zuständigen Komitees erklärte der Seemann Scharrenburg, daß dieses mit dem Sechsstundenantrag sympathisiere, die Zeit hierfür aber solange nicht gekommen sei, als der Achtstundentag noch nicht allgemein erkämpft ist. Der Antrag war mit dem Hinweis auf die erschreckend zunehmende Arbeitslosigkeit begründet worden. Der« selbe Grund ist beiläufig für die deutschen   Buchdrucker in New York   bestimmend gewesen für die schon vor Jahren erfolgte Einführung der vierzigstündigen Arbeitswoche(bei fünf Arbeits- tagen). Ein reichlich konfuser Delegat der Drucker, der sich selber als.Demokrat' bezeichnet, hatte wieder einmal die Gründung einer politischen Arbeiterpartei beantragt, die er aus der Föderation, der Frauenrechtsliga und den Sozialisten bilden will. Auch die Farmer die in einigen Staaten radikal-sozialistische, in anderen erzreaktionäre Politik treiben und sogar die Eisenbahner, denen selbst die GomperS und Mitchel noch zuradikal' sind, wollte jener sonderbare GewerkschastSpräsident einladen, seiner Partei beizutreten. Die Ablehnung des Antrages gab der bürger« lichen Berichterstattung den Vorwand, von einer Niederlage des Sozialismus auf dem Kongreß zu schwafeln, obwohl unsere Genossen in der Versammlung mit dem gräulichen Unsinn des Herrn Börry gar nichts zu tun hatten. Ein anderer Unsinn, in dem immerhin einige Methode lag siehe Gompers Reiseberichte nach seiner Europafahrt bor drei Jahren wurde von dem Vräsidenten de» Zigarrenmacher-Berbandes, PerkinS, verzapft. Er berichtete über die Züricher   GewerkschaftS  -Konferenz. an der er als Delegat der Föderation teilgenommen hat, und er hat dabei gesunden, daßdie Gewerkschaften alle Borteile gegen und ohne die Sozialdemokratie' errungen haben. Herr Perkins hat sich besonders darüber geärgert, daß August Erdmann in einem Artikel, der in der Korrespondenz des internationalen Gewerkschaftssekretariats wiedergegeben wurde, auch für Amerika   eine Zersplitterung der Gewerkschaflsbewegung durch die Kirche boraussagt. Nach PerkinS sprach Bischof Carroll von Helena  (Montana  ), der ErdmannS Voraussage, zum Malheur für den. sonderbaren amerikanischen   Arbeiterführer, deutlich genug bestätigte, indem er die deutschen   christlichen Gewerkschaften und katholischen Verbände mit der sozialistischen   Tendenz der freien Ge- werkschaften entschuldigte und hinzufügte:Ich hoffe, daß nie der Tag kommt, an dem es notwendig wird, Sonderorganisationen in den Vereinigten Staaten   zu gründen. Notizen. S. M. als Kinofreund. Das Blatt für halbamtliche Beeinflussung der öffentlichen Meinung, derLok.-Anz.", bemüht sich mit geflissentlichem Eifer, eine von ausländischen Blättern be- hauptete Vorliebe S. M. für das Kino aus der Welt zu schaffen. ES wird da als geschmackloser Scherz hingestellt, wenn verbreitet wurde,der Kaiser habe sich selbst in leitenden Rollen für ver- schiedene Films aufnehmen lassen, auf jeder größeren Reise müßte im Gepäck des Monarchen auf feinen Befehl ein Projektionsapparat mit ausgewählten Films mitgeführt werden usw.' Mit Verlaub! Die Vorliebe S. M. für den..Lokalanzeiaer' und fürs Photographiertwerden geben derartigen Gerüchten doch einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit. Theaterchrontk. Das Deutsche Theater beabsichtigt, eine Reihe H o l b e r g scher Komödien in sein Repertoir aufzu- nehmen. Noch im Fasching wird die drciaktige KomödieDer Mann, der keine Zeit hat' aufgeführt. Die Oper des Tages. Max Schillings kompo- niert eine OperMona Lila', in deren Mittelpunkt das Bild steht. Ganz aktuell ist aber die Handlung nicht, denn sie spielt im Jahre 1462. D e r A st r o n o m I. S ch e i n e r, der seit 1887 am astro- physikalischen Observatorium in Potsdam   wirkte, ist im 56. Lebens- jähre gestorben. Seine Arbeiten über die Spektralanalyse und die Photographie der Gestirne haben ihm in den Fachkreisen die ver- diente Anerkennung eingetragen. In seinem BucheDer Bau des Weltall  ?', das bereits in dritter Auflage vorliegt, hat er mit Er- folg die schwierigen Probleme des Weltaufbaus auch weiteren Kreisen zu erschließen verstanden. Radiumfunde in Colorado  . In New Uork ist die Nachricht eingetroffen, daß im westlichen Unionsstaate Eolo- rado radiumhaltig« Pechblende gefunden worden ist. Die Eigen- tümer der betreffenden Gebiete haben die Regierung um Errichtung eines Instituts ersucht, das sich tu Colorado   mit der Gewinnung des Radiums befassen soll. Der Hotel  -Doktor. Die Stadt Düsseldorf   wird im nächsten Jahre einInternationales Institut für das Hotel- bildungswesen mit H o ch s ch u I ch a r a k t e r" eröffnen. Die an- gehenden Hoteldirektoren sollen dort akademisch ausgebildet werden, und zweifellos werden sie auch binnen kurzem das Recht zu Promo- vieren erlangen. Warum schließlich auch nicht? Der akademische Hochmut lernt sich leicht, und es ist auch gar nicht einzusehen, warum ein Mann sich durch Tüchtigkeit von unten auf zu solchen Posten emporarbeiten darf. Dergleichen muß ein Privileg der be« sitzenden Klasse werden, die ihre Söhne studieren lassen kann. WieeinegroheDameistdie Mona Lisa von Florenz nach Rom   gereist, in einem besonderen Coupe erster Klasse, mit Kunstprofessoren als Hofstaat und unter dem Schutz bewaffneter Polizeimacht. Der Antiquar, der den Dieb anzeigte, soll die ausgesetzte Prämie von 20 666 M. und das übrige Italien   Orden erhalten. 1 Gerichts-Zeitung Schutz vor Schutzleuten! DreiHüter der öffentlichen Ordnung" standen am Freitag vor der Strafkammer des Landgerichts B e u t h e n i. O.-Schles. Sie sind zwar, nachdem ihre außerordentlich rohe Handlungsweise zur Kenntnis der vorgesetzten Behörde gelangt war, sofort durch Dienstentlassung unschädlich gemacht worden, haben aber jetzt erst ihre Strafe erhalten. Am Abend des 14. August richtete der kranke Tischler geselle Schneider   aus Roßberg an den dort patrouib lierendenSchutzmann" Tölpel die Bitte, ihm entweder Ist Pf. zur Heimfahrt zu geben oder aber ihn die Nacht über auf der Polizeiwache zu behalten. Scheinbar ging Tölpel auf das letztere ein. Kaum hatten jedoch beide die sonst so der schwiegene Polizeiwache betreten, als der kranke Schneider von Tölpel einen so heftigen Schlag er hielt, daß er zu Boden stürzle. Zwei andere im Wachtlokal ebenfalls anwesende Schutzleute Menig und B r e z i n a eilten ihrem Kollegen zuHilfe", obwohl sich der Geschlagene gar nicht einmal zur Wehr setzen konnte, und nun schlugen alle drei gemeinschaftlich auf den wehrlosen, kranken Mann ein. Ermahnungen eines ebenfalls in der Wache anwesenden Polizisten hatten keinen Erfolg. Im Gegenteil, Brezina klemmte den Kopf des den Versuch zum Aufstehen machenden Schneider so zwischen den Beinen daß dieser in gebückter Haltung sich nicht rühren konnte. Meitig holte einen G u m m i s ch l a ll ch und zählte dein armen, kranke,: Mann 25 Hiebe ans Rücken und Gesäß auf. Nachdem die Rohlinge mit den Mißhandlungen aufgehört hatten, konnte Schneider vor Schmerzen kaum noch st e h e n. Trotzdem gab ihm aber Brezina noch eine so kräftige Ohrfeige, daß er abernwlS z u Boden stürzte und liegen blieb. Dann wurde deni wahr- scheinlich Besinnungslosen eine Schüssel mit kaltem Wasser über den Kopf gegossen. Die Verhandlung vor der S t r a f k a in m e r ergab den lückenlosen Beweis für das brutale Verhalten der drei Orduungshüter. Der als Zeuge geladene vorgesetzte Wacht- meister stellte den Angeklagten ein vorzügliches Leumunds- z e u g n i s aus. Brezina, der Hauptschuldige, erhielt sechs Monate, Meitig drei Monate Gefängnis. Tölpel gar nur ganze 50 Mark Geldstrafe.. Geringfügige Strafen, wenn man ähnliche Fälle gegen Arbeiter zum Vergleich heranzieht. Ein Glück für Schneider war es, daß er den W a H r heitsbeweis lückenlos führen konnte. Im anderen Falle wäre es ihm übel ergangen und die feigen Hüter der Ordnung hätten unter Umständen weiter ans das Publikum losgelassen werden können. In kurzer Zeit findet die Verhandlung gegen zwei andere Polizisten statt, die auf der Polizeiwache ohne Grund und Ursache einen Menschen mit dem Säbel durch- bohrten, so daß dieser in wenigen Minuten eine Leiche War. Ist der Ruf nachSchutz vor Schutz- leuten" unberechtigt?___ Thyssen gegen Thyssen. Das Amtsgericht Mühlheim  (Ruhr) verurteilte gestern August Thyssen jun., den Sohn des Großindustriellen August Thyssen  , wegen Beleidigung des Assessors Dr. Herle, Direktors der Firma Thyssen, zu einem Monat Gefängnis und 466 M. Geldstrafe. Die beleidi- genden Aeußerungen sind in einem Brief enthalten, den Thyssen jun. an einen Vater gerichtet hatte. Friedrichshagener   Polizei. In der Nummer vom 24. Oktober berichteten wir über den Uebereifer und die Schneidigkeit von Polizisten, die in der Nacht vom 23. zum 24. August zu einem bösen Auftritt führte, der ein Nachspiel vor dem Amtsgericht in Köpenick   hatte. Die Gerichts- Verhandlung endete mit Verurteilung des Maurers   Kreyfchmer zu 18 Tagen Gefängnis und drei Tagen Haft, des Maurers Palan zu 26 M. Geldstrafe, des Arbeiters Buchholz zu 36 M. Geldstrafe, des Schuhmachers Berndt zu 2 Wochen Haft. Die Angeklagten sollten groben Unfug durch ruhestörenden Lärm begangen, Krrtzschmer auch Widerstand gegen Polizetbeamte geleistet und Buchholz sich der Polizeibeleidigung schuldig gemacht haben. Der Amtsanwalt wollte die Strafen erhöht wissen. Ihm waren die durch das Auftreten der Polizei veranlaßtenStraftaten' nicht hoch genug bestrast. Deshalb legte er Berufung ein. Auch die zu Freiheitsstrafen verurteilten beiden Angeklagten legten Berufung ein. Die Strafkammer verwarf die Berufung des Amtsanwalts, gab aber der Berufung der Angeklagten statt. Die Strafe gegen Kretzschmer tvurde auf 4V M., die gegen Berndt auf 26 M. herab- gksetzt._ , Die blutigen Fingerabdrucke als Verräter. Der große Wert der Daktyloskopie, des von den meisten Polizei- behörden in dem sogenannten Erkennungsdienst angewendeten Fingerabdruckverfahrens, wurde durch eine Verhandlung illustriert, welche die 1. Strafkammer des Landgerichts I   beschäftigte. In der Nacht zum 23. August d. I. wurde in der Wohnung de? Kaufmanns David Israel   in der Rosenthaler Straße ein Einbruchs- diebstahl verübt. Während sich der Wohnungsinhaber mit seiner Familie in Norderney   befand, drangen Diebe in die Wohnung ein und entwendeten, nachdem sie vergeblich versucht hatten, einen in der Wand eingemauerten Geldschrank zu erbrechen, Gold- und Silber- gegenstände im Werte von ca. 2666 M. Wie die hinterlassenen Spuren ergaben, hatte der unbekannte Täter erst versucht, das Schloß anzubohren, hatte dann aber einfach die Türfüllungen her- ausgeschnitten und war durch die Oeffnung in die Wohnung hin- eingegangen. Hierbei hatte sich der Einbrecher augenscheinlich an dem splittrigen Holz die Hand verletzt. loie zablreiche Blutstropfen auf dem Fußboden bewiesen. Ein Kriminalbeamter nahm nun diese Spur weiter auf und untersuchte mit einem VergrößerungS« glaS sorgfältig sämtliche Gegenstände in der Wohnung»ach Finger- abdrücke». Es wurden auch an den verschiedensten Gegenständen blutige Fingerabdrucke gefunden. Soweit eS möglich war, wurden die verschiedenen Stücke herausgeschnitten und dem Erkcnnungs- dienst der Berliner   Kriminalpolizei überwiesen. Hier wurden die Abdrücke photographiert und vergrößert. Es begann dann eine sehr mühevolle Arbeit. Aus den vielen tausend Metzkarten mutzte' die- jenig« herausgesucht werden, welche übereinstimmende Linien an den Fingerspitzen aufwies. Da die in der Wohnung gefundenen Fingerabdrücke ganz charakteristische Einzelheiten aufwiesen, wie sie nach wissentschüftlicher Erfahrung unter Millionen Menschen nur einmal vorhanden sind, gelang es tatsächlich, eine Metzkarte heraus- zufinden, die völlig mit jener Zeichnung der Linien übereinstimmte. Es war dies die Karte des vielfach wegen gleicher Wohnungs- einbrüche vorbestraften Friedrich BilinSki, der sich nunmehr vor der 1. Strafkammer wegen schweren Diebstahl» zu verantworten hatte. AIS   einziges Beweismittel diente dem Gericht die völlige Ueber» einstimmung der gefundenen Fingerabdrucke mit denen des Ange­klagten. Als Sachverständiger war der Leiter des Erkennung?- dienstes, der Kriminalinfpcktor Wehn, geladen, während dessen Ver- nehmung ivegen Gefährdung des StaatsinteresseS die Oeffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Das Gericht sah die daktyloskopische Ueberführung als ein aus- reichendes Beweismittel an und verurteilte den Angeklagten zu einem Jahr Zuchthaus zusätzlich zu einer dreijährigen Zuchthaus- strafe, die Bilinski zurzeit wegen gleicher Wohnungseinbrüche verbüßt._ Hiis aller Welt. Schwere Bluttat eines Rcichstagsabgeordneten. Ein furchtbares Familiendrama hat sich in der Nacht zum Sonnabend in dem Schloß Dakowymokre des Reichstags- abgeordneten Grafen Mielzynski abgespielt. Graf Mielzynski hat seine Frau und den 24 Jahre alten Neffen seiner Frau, den Grafen Alfred v. Miau- c z y n s k i, erschossen. Die Ehe des Grafen Mielzynski war nicht besonders glücklich; die- Eheleute hatten sich früher schon einmal getrennt und bewohnten erst seit einiger Zeit wieder eine gemeinsanie Wohnung. Bar einigen Tagen war der Reffe der Frau auf dem Schloß zu Besuch erschienen. Aus verschiedenen Momenten schöpfte Graf Mielzynski den Verdacht, daß der junge Graf in intimen Beziehungen zu seiner Frau stand. Dieser Verdacht wurde ihm zur Gewißheit, als er die Beiden in der Nacht im Zimmer seiner Frau überraschte. Durch einen Schuß aus einem Jagdgewehr tötete er zuerst seine Frau, durch einen zweiten Schuß ihren Neffen. Am Morgen fuhr Mielzynski mit einem Automobil nach Posen und stellte sich dort der Staatsanwaltschaft. Im Reichstage vertrat Graf Mielzynski, der der polnischen Fraktion angehört, seit dem Jahre 1903 den Wahlkreis Samster- Birnbaum. Der Kreis ist sicherer Besitzstand der Polen  . -i-» * WaS der Graf Mielzynski, der im Mittelpunkt des erschütternden Familiendramas steht, an politischer Bedeutung aufzuweisen hat, ist seine Stellung auf dem äußersten rechten Flügel der Polensraktion. Es gab zwar eine Zeit, da er wegen seines oppo- sitionellen HiadikalismuS in den Kreisen seiner Anhänger den Spitz- namender rote Graf' führte: aber das ist so lange her, daß eS bei- nahe nicht mehr wahr erscheint. Seit er als Politiker einer breiteren Oeffentlichkeit bekannt geworden ist, gehörte er zu jenen Polen  » führern, die wegen ihrer feudalen Abkunft, ihrer Erziehung Mielzynski gehörte ehedem als aktiver Offizier einem exklu» siven Kavallerieregiment an und nicht zuletzt wegen ihrer grotzagrarischen Interessen nickt reckt gegen den Stachel der preußi- scheu Regierung zu löten wagten, sondern in vielen Fragen, nament- lich in der Schutzzollstage, mit den preußischen Juntern in dasselbe Horn stießen. So Graf Mielzynski. Obwohl in seinem persönlichen Wesen von jener dreiviertel französischen Kultur, auf die die pol- nische Adelshoheit gestützt wird, ging er mit seinen preußischen Klaffen- genossen durch dick und dünn. Daß er auf die Art die Masse des polnischen Kleinbürgertums verstimmen mutzte, sollte er bald erfahren, wie sich ja überhaupt seit geraumer Zeit die soziale Grundlage der polnischen Oppofitions- bewegung von den Rittergütern und dem flachen Lande nach den Städten und dem Bürgertum verschoben hat. Da der Führer der polnischen Fraktion, der mehr als achtzigjährige Fürst Radziwill  , wegen feines hohen Alters die Leitung der Geschäfte nieder- legen mußte, galt Graf Mielzynski allgemein als der er- korene Thronerbe. Aber als es soweit war, hob vor ungefähr zwei Jahren nach stürmischer Sitzung die Polenparlei nicht ihn, sondern den Rechtsanwalt S e y d a auf den Schild. Der schlagendste Be- weis dafür,' daß die großagrarischen Feudalen innerhalb der Partei abgewirtschaftet hatten und die kleinbürgerlichen Demokraten oben aus waren. Mielzynski, der sicher starken politischen Ehrgeiz besaß, verwand die Zurücksetzung nicht, sondern zog sich-grollend ziemlich ganz aus dem politischen Leben zurück. Im Reichstag   war er nur mehr selten zu sehen. Und auch innerhalb der Polenpartei spielte er keine Rolle mehr. Nicht wie eS etwa mit O'Parnell, dem umjubelten Häuptling der auflässigen Iren in den achtziger Jahren des vorigen Jahr- Hunderts der Fall war, wurde also hier ein zukunftsreicher politischer Führer durch Familienwirrnis in einen dunklen Abgrund gerisien, sondern es war ein politisch erledigter Mann, der sich an diesem 26. Dezember so gänzlich erledigte. Ein Ansporn. Vor einiger Zeit konnten wir melden, daß in Deutschland   noch ein Mann lebt, dem unbeeinflußt von der Agitation für die Ge- burteneinschränkung in treuer ehelicher Pflichterfüllung das 3 6. Kind geboren wurde. Tie Provinz Posen, über die einst Bülow in eitler Vermessenheit das Wort von der Kar- Nickelwirtschaft prägte, zählt den Braven zu ihren Bürgern. Noch kündet der Nachwelt kein Denkmal den Ruhm des Mannes, auch wissen wir nicht, ob er die Ordensschnalle fürtreue Dienste' erhalten hat. Eines aber ist ihm geworden: Die Stadtverordneten vpn Briefen, wo der dreißigfache glückliche Vater lebt, haben ihm ein Ehrengeschenk von 56 Mark in Buchstaben fünfzig Mark bewilligt. Bei soviel Opfersinn wird der mit dem Ehrengeschenk Be- glückte wohl zahlreiche Nachahmer finden. Kleine Notizen. Pulverexplosion. In einem Steinbruch bei Rankweil   in Tirol fand eine Pulverexplosion statt, wobei sieben Arbeiter lebensgefährliche Verletzungen erlitten. Blatternerkrankungen auf einem amerikanischen   Kriegsschiff. Der Marineministcr der Vereiniglen Staaten hat Nachricht erhallen, daß an Bord des Schlachischtffss. O b i o', da» sich auf der Rückreise vom Mittelmecr befindci, 11 Fälle von Blattern vor- gekommen sind. Weitere 6 Matrosen zeigen gleichfall« ver- dächtige KrankbeiiSerscheinungSll. Folgenschwerer Tunnelcinsturz. Bei dem Bau' elneS Tunnels der Eisenbahnstreckc von Olpe   nach Meinerzhagen   stürzte ein Teil desselben ein und die Masse begrub mehrere Arbeiter unter sich. Einer ivar auf der Stelle tot, drei andere wurden tödlich verletzt. Ein Erdbeben in der Türkei  . Der Mali   von Crzerum bt- richtete, daß an, Freitagabend ein Erdbeben de« Ort @ d) c b rj* zerstört hat. Alle Häuser liegen in Trümmern. :i Männer sind tot. zwei zwei Frauen und zwe Frauen verletzt. Auch in anderen «chaden angerichtet. Orten hat das Erdbeben Jugendveranftaltuuge». Tempelhof.Mariendorf  . Heute Sonntag Untcrhaltmigsabend im Jugendheim. Dienstag, den 23. Dezember. W-ibnachtsfeicr. Vortrag:Jugend und Weibnacht». R-sercnt Herr Richard Sbannderq. R-zitailonen. Gesang. -N-iw? den 26. Dezember(2. Feiertag) AeihnachtSseicr w Lichtenrade. Trefspunlt bis 3 Uhr im Jugendheim. Sonntag, den 28. Dezember. Partie- Tegel-Heiligensce.Herar,�. Fahrgeld 46 Pf.