Nr. 4. 31. Jahrgang.
Beilage des„ Vorwärts" Berliner Volksblatt.
ERLASS:
Montag, 5. Januar 1914.
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a. Salbe
Polizeipräsident v. Jagow( Dr. jur.):
„ Lehmann, nehmen Sie der Person die Binde vom Koppe und geben Sie ihr statt der Wage n' anständigen Browning".
An Oefen und Maschinen.
Gießerei.
Enter dem prall hingewölbten Wellblechdach schwirrn Laufkagen wie grimme Termiten
im Urwaldbau. Männer, die ihre Stirn braun brieten am Schmelzofen, fangen den weißglühen Bach der Stahlerze in Tiegel zum Funkengezisch. Immer zu zwein, die Feuergefäße gepackt mit 3angen, schreiten sie ohne Murren und Bangen
hinter Kommandos, gepfiffen vom Werkmeistertisch. Rattert zum Guß dann das Glockenfignal, durchzuckt die Halle ein Sintflutblitzen. Und über dem Riesenfanal
der krachenden Formen schwebt wiehernd ein Satanschor Der Dampf aber schießt aus tausend Zihen wie ein Schwarm weißer Tauben empor.
Fräser.
Gebietend blecken weiße Hartstahlzähne aus dem Gewirr der dunklen Transmission. In Feuerkurven, die wie Blize lohn,
schiebt sich ein Staubschwung krauser Kupferspäne aus Rillen vor und überlaubt die Stirnen gebückter Männer, die von Schweiß betropft schwer ächzen, während automatenhaft gestopft Maschinen meiter rasen, Platten zu zerzwirnen. Ein Fäufteballen hin und wieder und ein Fluch, Schmerzschrei und widerlicher Brandgeruch an Muskeln jäh emporgeleckt: zu töten! Doch einen trifft von Gott her das Geheiß: mit seinem Blut den wutgezähnten Kreis zum Heil der Brüder opferfroh zu röten.
Bürgermeister- Note.
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Schreibwerk den Ministern zu lassen-, bewahre. Sondern Frage kommt der eine eben, der immer dabei ist, der mit allen wirklich zu regieren, สิน raten und ชิน taten für's fieben oder vierzehn vornehmsten Sippen der Stadt irgendwie verWohl der Stadt, das ist eine ganz heidenmäßige Arbeit wandt und verschwägert, dazu noch der präsumptive Schwiegersohn -- und die und der„ Lokal- Anzeiger", der eben auf die bligdumme Jdee ge- einer dieser Familien oder des Bürgermeisters ist kommen ist, durch seine Leserschaft die sieben modernen Weltwunder Stellung auch in jedem Falle kriegt. zusammensuchen zu lassen( als ob nicht justament jedermann, der Wahrhaftig ein Glück, denn wieviel Bürgermeister sonst ihre das Scherlblatt abonniert, schon dadurch bezeugen würde, daß er Nöte im Sommunalblatt für Ehrenbeamte" ausbluten lassen würden, impotent zum Mitreden in Menschheitsfragen ist 1) also, der ist gar nicht auszudenken. „ Lokal- Anzeiger" soll dies nur unter seine Weltwunder aufnehmen, daß die Bürgermeister noch nicht fektionsweise mit der Behauptung haufieren gehen, daß się, aber auch ausgerechnet sie die schlechtbezahltesten Leute auf Gottes Erdboden seien. Wie es doch sonst alle Staatsdiener tun.( Und etliche sogar mit Recht.)
Hanne.
Von 2. Winfeld.
Immerhin haben aber auch die Bürgermeister ihre Nöte... Und wenn man bisher davon nicht viel zu hören kriegte, geschah's gewiß Die neue Pflegerin, die mit dem idealen Augenaufschlag, wollte nur, weil sie nach dem edlen Spruch handelten( den vicle gutherzige die Hanne manchmal in Schuh nehmen. Da fam fie gut an. Hofdamen am liebsten in jedes Proletarierfchlafzimmer stiften" Faul ist das lange Reff, nichts weiter," erklärte Fräulein Gäde, möchten, in Golddrud, mit Vergißmeinnichts): Lerne leiden, ohne die resoluteste der Pflegerinnen. Herr Paftor bat neulich gesagt: zu flagen!" Die Hanne ist nicht blöde und nicht schwach. Sie will bloß nichts Manchmal aber läuft auch der Mund, der zu einem vollen lernen!" Bürgermeisterherzen gehört, über. Und erzählt von den Nöten und Die„ Neue" dachte, daß Herr Pastor darüber eigentlich fein Gewissensqualen seines Amtes. Und es kommt vor, daß Urteil habe. Er fümmerte sich sehr wenig um seine Pfleglinge, das Aber sie hütete sich, dieser Mund oder dieser Bürgermeister beispielsweise im einlaufende Geld war ihm die Hauptsache. Kommunalblatt für Ehrenbeamte"( Nr. 35) von den Nöten redet, in es auszusprechen. Die Stelle in der Blödenanstalt, wenn auch nur die so ein Bürgermeister bei„ Stellenbelegungen" fommt. mit fünfzehn Mark monatlich dotiert, war doch ein Unterschlupf. Zu Und dann fann man das Folgende ist aber bitterer Ernst, nicht Haus unter den acht Geschwistern hatte sie's nicht ausgehalten. etwa Fronie! folgende Beschreibung der Wahl der Qual, nein: Und man fonnte nicht wissen! Es kamen manchmal angehende, Qual der Wahl lesen: junge Missionare in die Anstalt, und der schwärmerische Augenaufschlag
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„ Alle Bewerber haben ernstliche Gründe für sich.... Dieser stand so gut zu ihrem blonden Scheitel. hat..., ein anderer ist... usw. Und wieder ein anderer ist der Also hieß es das entfeßliche Geschrei der Blöden, den Geftant, wärmstens empfohlene Schützling eines guten Freundes, die Läufe in den Kauf zu nehmen. Das Essen war immerhin besser dem man wirklich gerne gefällig sein möchte, und als zu Hause.
dann kommt schließlich noch einer und hat ein so prächtig frisches Die Hanne tat ihr ja leid, die arme, kranke Blinde. Nicht nur Gesicht, ist so vollendet gewachsen, schon äußerlich so ansprechend und den lieblofen Pflegerinnen war sie auf Gnade und Ungnade aus. nett, daß die liebe Hausfrau und vielleicht auch das geliefert, auch die Leidensgenossen, soweit sie noch nicht völlig dem Töchterchen ganz entzückt von diesem carmanten Menschen sind Stumpfsinn verfallen, neckten und quälten die Bedauernswerte allerund dem gestrengen Hausvater ernstlich darlegen, daß... unbedingt orten. Es schien, als hätte das Schicksal dies stille, vor sich hin dieser Bewerber in das Städtchen einziehen müsse, wenn's brütende Geschöpf zum Blizableiter aller Grausamkeit ausersehen, in irgend einem Winkel der Verwaltung einmal tüchtig vorwärts die sich in den Anstaltsinsassen aufgespeichert. gehen soll; ja und da möchte man doch auch nicht ,, nein" sagen.
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Ja, das wird man verstehen und begreifen. Und dem in Gewissensangst quätenden Bürgermeister fein Mitleid nicht berfagen. Wählt er den einen Bewerber, den der gute Freund protegiert, dann geht dem Töchterchen der schon eräugelte Mann und ihm der Ja: so ein Bürgermeisteramt ist oft ein schweres Böstle; Gidam flöten; wählt er diesen aber, dann ist ihm der gute Freund biel schwerer, als man gemeinhin meint. Es will doch was heißen, ernstlich böse und wählt ihn, den Bürgermeister, vielleicht bei der so ein Städtle oder gar eine größere Stadt zu regieren. Zu nächsten Bürgermeisterwahl nicht wieder! Schlimm, sehr schlimm! Ein Glüd nur, daß solche, ein BürgerDonaueschingen zu fahren und Hirsche zu schießen und von meisterherz zerreißenden Entscheidungen doch selten sind.... Wahr zum Fürsten Bleß auf die Fasanenjagd und das haftig ein Glüd, daß meistens gleich nur ein Bewerber in
regieren
ba
verstehen Sie wohl?
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Nicht etwa nur nach
Ihr kläglich bittendes: Lat mi finn!" half ihr nichts. Sie wurde zum Turnen aus ihrer Bant gezerrt. Man puffte sie, zwang die mageren, welken Arme in die Höhe, ließ sie Kniebeuge machen, bis sie zusammenbrach. Der Anstaltsarzt hatte bei seinen kurzen Besuchen zu viel zu tun", um sich um Hanne fümmern zu fönnen. Ihn belustigte Erich, der niedliche, fleine Epileptifer, und Gustav, der droflige, erst vor furzem Erblindete, viel mehr.
Wenn der vierjährige Gustav, der des Arztes Schritt aus allen Herausfannte, fein gewohntes:" Dofter, haste Lalade?" brummte und fich erkundigte, ob draußen die Sonne scheine, wie sollte der Arzt da noch Augen für die stumme, häßliche Hanne inmitten bes johlenden Blinden haben?