Freitag früh wegen völliger Unfähigkeit entlassen und zur„gc- eigneten Verwendung" an den Scharfmacher Zech nach Innsbruck verwiesen. Ob er dort eingetroffen, entzieht sich unserer Kenntnis. « Die Buchdruckerei Julius Kitt lein in Ostrau sendet an reichs- deutsche Stadtverwaltungen ein auf einem Vervielfältigungsapparat hergestelltes Schreiben folgenden Wortlautes: Mähr. O st r a u, am 31. Dezembu 1913. Hochgeehrter. Stadtvorstand! Es dürfte Ihnen vielleicht auch auZ den dortigen Blättern Bekannt geworden sein, daß in Oesterreich seit einigen Wochen im Buchdruckergewerbe ein ungemein erbittert geführter Lohnlampf herrscht, der auf manches bisher blühende Unternehmen einen vielleicht vernichtenden Einfluß ausüben wird. Der Kampf wäre längst beigelegt, wenn nicht die sozialdemokratische Führung der streikenden Buchdrucker jede Einigung vereiteln würde. Eine Reihe von Buchdruckereien hat sich daher entschlossen, Nichtorganisierte Leute einzustellen. Da nun in unseren Blättern wiederholt über die große Arbeitslosigleit in Deutschland berichtet wurde, sind wir der Ueberzeugung. daß zahlreiche nichtorga- uisierte und derzeit arbeitslose Buchdruckergehilfen in deutschen Städten glücklich wären, wenn sich ihnen ein sicherer und gutbezahlter Verdienst bieten würde. Allein ich in meinem Betriebe konnte sofort 80 n i ch t- organisierte Buchdrucker in Arbeit nehmen. Diese Absicht läßt sich jedoch schwer verwirklichen, solange uns nicht die dortigen Stellennachweise, Arbeitsvermittelungen, die berufsmäßigen Ar- beitsvermittler und die Gehilfenherbergen, insbesondere jene der Buchdrucker bekannt sind. Ich wäre dem hochgeehrten Stadtvorstande zu außerordent- lichem Danke verpflichtet, wenn mir in dieser Hinsicht möglichst ausführliche Auskunft erteilt würde. Auch in der dortigen Stadt ist gewiß eine Buchdruckerherberge der Nichtorganisierten Gehilfen. Ich bitte schließlich noch um möglichst schleunige Behandlung meiner ganz ergebenen Anfrage. Hoffentlich gelingt es denr Herrn, 89 Nichtorganisierte deutsche Buchdrucker zu erwischen. Er wird sein blaues Wunder an diesen erleben. In Deutschland sind fast alle organisations f ä h i g e n Buchdrucker auch organisiert. Die brauchbaren Unorganisierten be- finden sich in Vertrauensstellungen, die sie der österreichischen Unter- nehmer wegen nicht aufgeben werden. Der kleine verbleibende Rest Unorganisierter besteht in der Hauptsache aus Elementen, wie sie die österreichischen Unternehmer durch freundliche Vermittelung des Herrn Koch in einigen wenigen Exemplaren ja schon kennen gelernt haben. Eine Druckerei, in der diese sich häuslich machen, kann der Prinzipal hinfort nur mit einer Waffe in der Hand— nämlich mit der Jnsektenpulverspritze— betreten. * Die Zahl der Tarifbewilligungen mehrt sich. Die„nützlichen Elemente", die Herr Koch nach Innsbruck sandte, haben dort Erfolg gehabt. Die Druckerei der„Jnnsbrucker Neuesten Nachrichten" hat den Tarif anerkannt._ Neue Bewegung der italienischen Seeleute. Der Zentralverband der italienischen Seeleute beabsichtigt, den- selben Tarifvertrag und dieselbe Dienstordnung, welche die Mann- schaften der„Sociota, Italiana" in ihren letzten Streik errungen haben, allen subventionierten Schiffahrlsgesellschaften Italiens auf- zuzwingen. Jetzt ist die Reihe an zwei andere Gesellschaften ge- kommen, die„Siciliana" und die„Marittima", die der Zentralverband aufgefordert hat, den Tarifvertrag zu unterschreiben; im Weigerungsfälle werden am 12. Januar 1914 die Mannschaften alle Schiffe dieser Gesellschaft verlassen. Die Reeder sind in großer Be- sorgnis und beraten den Plan, eine große Schutz- und Trutz- organisation zu gründen. Dieser Gedanke kommt den Herren aber etwas spät. Bis zum 12. Januar dürften die Reeder schwerlich or- ganisiert sein._ Der Kölner Polizeiprozeß. Heute beginnt vor der Kölner Strafkammer ein auf vier bis fünf Tage berechneter Beleidigungsprozetz gegen den verantwort- lichen Redakteur der„Rheinischen Zeitung", Genossen Soll- mann, der durch einen Artikel„Bakschisch", erschienen am 3. Ck- tob er 1913, den Polizeipräsidenten von Weegmann und die ihm unterstellten Beamten sowie Beamte der Kölner Staatsanwaltschaft beleidigt haben soll. Genosse Sollmann ist unter anderm wegen Beleidigung des Kölner Polizeipräsidenten mit 500 M. vor- bestraft. Die Anklage hat sich aus folgenden Vorgängen ent- wickelt: Am 30. September 1913 wurde vor der Kölner Strafkammer gegen den vom Amt» suspendierten Kriminalkommissar Hanne- m a n n verhandelt, der angeklagt der Bestechung war. Der Kri- minalkommissar verteidigte sich gegen die Anklage mit der Behaup- tung, daß die Annahme von Geschenken bei der Kölner Polizei aller Grade, namentlich aber bei den höheren Polizeibeamten üblich sei. Es sei ihm sogar ein Fall bekannt, daß sich ein Kommissar für eine Wirtschaftskonzession 1999 M. habe verschreiben lassen. Diese Tatsache sei später bei Gelegenheit einer anderen„schmierigen Sache" einem höheren Be- amten der Kölner Staatsanwaltschaft bekannt geworden, ohne daß dieser eingeschritten sei. Kriminalkommissar Hannemann wurde dann von der Anklage der Bestechung, obwohl er von einem Be- stohlenen 399 M. angenommen und an seine Beamten und sich ver- teilt hatte, freigesprochen. Das Reichsgericht hat inzwischen den Freispruch bestätigt. Die„Rheinische Zeitung " brachte dann am 3. Oktober den erwähnten Artikel, dem sie als Motto die eigenen Worte des Kriminalkommissars voranstellte,„er könne Hunderte von Fällen anführen, wo die Beamten von den höch- sten bis zu den niederen Graden Geschenke ange- nommen habe n". Da nun eine Verfügung des Polizeipräsidenten vorliegt, die die Annahme von Geschenken erlaubt, nur die Verteilung der Ge- schenke dem Polizeipräsidenten vorbehält, hieß es in dem Artikel weiter: „Die Kölner Polizei nimmt als» nicht nur' Geschenke an, sondern der Polizeipräsident billigt das System auch ausdrücklich und behält sich nur vor, höchstselbst über die Verteilung der Ge- schenke, die der Rechtsanwalt Buhr vor Gericht eine Art Trinkgeld nannte, zu befinden." Und es heißt dann iveiter in dem Aufsatze: „Besonder- die höheren Beamten nehmen Geschenke an, ja, daß bis zu den höchsten Graden eine offene Hand vorhanden ist. ... Wir wissen nicht, ob es im Kölner Polizeipräsidium außer den höheren und höchsten noch allerhöchste Grade gibt, aber er- fahren möchten wir gerne, von welchem Range an die Kölner Polizei„für eine Art Trinkgeld" nicht mehr empfänglich ist." Aus diesen Behauptungen sowie aus der weiteren, daß ein höherer Staatsanwaltschaftsbeamter von tausend Mark Schmier- geldern an einen Polizeikommissar Kenntnis erhalten habe, wird die Beleidigung hergeleitet. Bemerkenswert ist, daß der Artikel nur Behauptungen enthielt, die mit den gleichen Worten auch in den Gerichtsberichten alle bürgerlichen Blätter Kölns ge- standen haben. Besonders erbittert ist die Anklage über die satirische Form des Artikels, vor allem des einen Satzes: „Auch das bärbeißigste Gesicht unter dem blinkenden Adler legt sich in freundliche Falten, wenn es das Haupt des teuren Landesvaters in silberner oder goldener Prägung erblickt." Es wurde, nachdem eine Haussuchung in der Redaktion der „Rheinischen Zeitung" und in der Wohnung des angeschuldigten Redakteurs ergebnislos verlaufen war, eine umfangreiche Vorunter- suchung eingeleitet. Schon die Ergebnisse dieser Untersuchung sind derartig, daß die Behörde wohl bedauert, das Verfahren gegen den Redakteur eingeleitet zu haben. Die Verhandlung wird zweifellos intereffante Praktiken der Kölner Polizei zutage fördern. Daß die Schutzleute sich mit Bier und Zigarren trak- tieren lassen, wird ohne weiteres als wahr unter st ellt, und dabei scheint eine königliche Polizei auch nicht sonderlich viel zu finden. Schließlich ist das ja auch zu allgemein bekannt. Jnter- essanter ist, daß schon in der Voruntersuchung festgestellt ist, daß auch höhere Polizeibeamte(Kommissare und Inspektoren) für Geschenke zugänglich waren. So hat ein Kölner Wirt„aus Freude" über die Erlangung einer Wirtschaftskonzession dem Polizei- inspektor Kautz 199 M. geschickt. Es wird aber behauptet, daß der Betratz wesentlich höher gewesen sei. Mit Heiter- keit liest man in der Anklage, daß Kommissare und Polizeiinspek- toren mit nahezu allen Inhabern Kölner Vergnügungsetablissements „befreundet" waren und s i ch von diesen„Aufmerksam- leiten" erweisen ließen. In einem Falle erhielten die Polizeiinspektoren Kautz und Votsch von einem Cafetier je eine goldene Uhr mit Monogramm, wofür sie sich angeblich mit einem „wertvollen"— Barometer revanchierten. Die bekannte Kölner Millionärin Oelbermann benutzte ge- legentlich Kriminalschutzleute als Leibgarde. Sie rief einfach einen Kriminallommissar telephonisch in ihr Palais, und der Herr Kom- missar stellte dann der reichen Dame vier Kriminalschutzleute zur Bewachung ihres Palais zur Verfügung. Selbstverständlich in der „dienstfreien" Zeit, wie jetzt gesagt wird. Immerhin hat sich die Millionärin durch eine ansehnliche Geldspende und eine Kiste Zi- garren revanchiert. Von Reflektanten auf Wirtschaftskonzessionen wurde Polizei- beamten Wein in ganzen Handwagcnladungen ins Haus geschickt. Die Praxis, wie in Köln Wirtschaftskonzes- sionen erledigt wurden, wird den Mittelpunkt des ganzen Prozesses bilden. Es ist in Köln schon seit Jahren ein offenes Geheimnis, daß manche Konzessionen hohe Beträge, wenn auch nur als„Darlehen", gekostet haben. Eine be- „Ein Milizßhwärmer'. Von Karl Bleibtreu . III. Sein Ausflug in historische Statistik bekam dem Anonymus übel, hoffentlich kuriert ihn die Geschichtsstunde, die ich ihm gern erteile. Daß er mich sodann über das schlechte Ergebnis von Grants„Hämmern" belehrt, muh ich etwas dreist nennen, da er dies doch alles in meinem Buche las. Das gehört aber hier gar nicht Sache, deren Kern vielmehr darin beruht, daß Grants Milizen sich eine so ungeschlachte Blutarbeit aufbürden ließen und erst zu- letzt nach steten Mißerfolgen die Geduld verloren, ein Probchen wahrer Disziplin. Daß Lees„Offensive bei Scharpsburg versagte, scheint darauf hinzudeuten, daß der Kritiker weder me,n Buch noch ein anderes über den Bürgerkrieg las, sintemal Lee sich dort be- kanntlich in strenger Defensive hielt. Das Bedeutsame dieser Schlacht liegt in der erstaunlichen Tapferkeit der Untonsmilizen, die immer erneut in den Tod rannten, sowie in der beiipiellosen Marsch- und Gefechtsleistung der Südstaatlerbrigade A. Hill. An- pesichts solcher und unzähliger anderer Tatsachen reizt die feierliche Versicherung betreffs Gettysburg zum Lachen, daß auch Lees Heer „e'ne Begegnungsschlacht" nicht durchführen konnte und„mangelnde Beweglichkeit von jeher ein Kennzeichen ungeschulter Armeen" lvar. Siehe die„affenartige" Geschwindigkeit der französischen Revolu- tionSheere, keineswegs nur unter Bonaparte, wobei solche Kleinig- keiten wie A eberschreiten der Via Mala, Pichegrus Hollanderoberung im Fluge, Montrichards Gewaltmarsch, Lecourbes Alpenkletterei nebenherliefen. Siehe den unerhörten Gewaltmarsch Stolpen - Dresden , das pünktliche Eintreffen Neys bei Bautzen , das fabelhafte Herumwerfen der Marschsäulen bei Lützen , dem Muster einer Be- gegnungsschlacht, desgleichen viele Fälle 1814, siehe die abnorme Beweglichkeit des Preußenheeres am 18. Juni 181S, das fast ganz aus„linausgebildeten" bestand. Bezeichnend genug, daß dieselben Herren, die sonst stets über Napoleons Unfehlbarkeit spotten, sich uf seine Wahrsprüche berufen, wo es ihnen paßt. Wenn er sagte, eine junge Armee könne zwar eine starke Stellung nehmen, doch nicht die Absicht bis zu Ende durchführen, so erlebte er bei Mon- tereau und Craonne das Gegenteil. Bei Austerlitz und Jena gab es keine starken Stellungen, und daß er feine Absicht durchführte, verdankte er der Führung und nicht den„alten" Truppen. „Bleibtreu scheint nicht überzeugt, daß Kriegführen angreifen heißt." Nein, wirklich, solche Überzeugung»erschaffte ich mir nicht, wobei ich mich in guier, obschon buntgemischter Gesellschaft fühle, zu der, um mit dem Anonymus zu reden,„manch bewährter Held und Kriegsmann früherer Zeiten gehört". In meiner Einfalt dachte ich mir immer, daß alles seine Zeit hat, Offensive wie Defen- sive, daß Hannibal bei Nola und Zarma, Cäsar bei Abesia und Dyrrhachium , Wellington bei Torrcs Bedras, Talavara, Fuentas, Waterloo, Erzherzog Karl bei Regensburg und Wagram, Napoleon in der Völkerschlacht sich defensiv verhielten, weil sie mußten und die Umstände nicht für Offensive sprachen. Geradeso wechselten bei Lee„Stellungstaktik" und rücksichtsloses Vorwärts. Daß aber die beiderseitigen Milizen, deren Selbstschaffen der modernen Taktik der Kritiker einräumt,„meist" ins Schanzen verfielen, läßt sich aus keiner Schlacht nachweisen. Die einzigen, wo sich Erscheinungen im gemeinten Sinne abspielten, waren die vieltägigen„in der Wildnis" oder bei Spotsylvania unter eigentümlichen Verhältnissen, wo beide Parteien, sich mehr umklammernd, abwechselnd offensiv und defensiv verfuhren. Das Einbuddeln geschah stets im Sinne der Japaner,„um sich Stützpunkte für den Angriff zu schaffen". Derlei leere Einwände gleichen denen über die..Begegnungsschlacht" von Gettysburg, wo Lee lediglich am Starrsinn und Ungehorsam Longstraats scheiterte, im übrigen schon am ersten Tage unmittelbar mit allem Verfügbaren angriff, während die Stürme am zweiten und dritten Tage an Energie nie übertroffen werden können, wobei die Verteidiger teilweise das gleiche Lob ver- dienen, Milizen hüben und drüben. Wie es aber mit den„Be- gegnungsschlachten" am 14., 16., 18. August 1879 beiderseitig erging, möchten wir hier lieber nicht erörtern. Das waren die besten Re- gulärarmeen und dann rede man noch vou Gettysburg! Daß ihm Kuropatkins Russen als milizartige Gebilde und die Japaner als Drillsoldaten von echtem Schrot und Korn erscheinen, hat etwas Rührendes. Offenbar weiß er vom Geist der Samurai — als ob alle japanischen Offiziere Samurai wären!— so wenig wie vom japanischen Polkscharakter. Diesem steckt durch Vererbung das Kriegertum im Blute, verbunden mit religiöser Verehrung des Vaterlandsbegriffes, wonach der einzelne absolut nichts bedeutet und Opfertod für Japans Ehre so leicht fällt wie den Ameisen ihr Hingebungsinstinkt für den„Staat" ihrer Genossenschaft. Was man„Disziplin" nennt, ist hier einfach angeborener Genossenschafts- sinn, ein Altruismus, der sich freilich nur auf die japa- nische Staatsgemeinschaft beschränken will. Aus Tagebüchern japanischer Offiziere und eines Norwegers, der den Mandschurischen Krieg mitmachte, geht klar hervor, daß nichts den Japanern ferner liegt als„preußische" Disziplin. Offizier und Mannschaft sind eins, Standesunterschiede gibt es nicht, der Führer betrachtet sich als Bevollmächtigter des Volkes und setzt seine einzige Ehre darin, in Selbstverleugnung voranzuleuchten. Ein Band von Familien- liebe schmiedet Vorgesetzte und Untergebene zusammen. Hinzu tritt bei allen Japs eine naive Todesverachtung, bei einem so heiteren, lebensfrohen Völkchen doppelt heroisch. Einer sagte es deutlich: „Bei anderen heißt es Siegen oder Sterben, bei uns Siegen und Sterben." Tod fürs Vaterland wird als Ideal und höchste Gunst erstrebt, denn das beschert nicht nur dauerndes Familien- ansehen für die Nachkommen, sondern eröffnet Aussicht auf bessere Wiedergeburt. Die„Geister" hören nicht auf, für Japan zu wirken. Als man nach dem Chinesenkrieg die Halbinsel Port Arthur räumen mußte, defilierten die Abziehenden an den Grabstätten der Ge- fallenen vorbei:„Wir melden gehorsamst, daß wir bestimmt wieder- kommen." Bei der Siegesfeier in Tokio rapportierte Admiral Togo, die Hand an der Mütze, den Geistern der für Japan Gestorbenen: „Ich melde Euch, daß Japan jetzt das Meer beherrscht, diese Kunde kannte Kölnische Merwirtschaft, die das Stammlokal höherer Polizeibeamten ist, wird allgemein als„K o n z e s s i o n s f a b r i k" bezeichnet. Daneben ist die Zuwendung von Naturalien an Kölner Polizeibeamtc vielfach üblich. Wein, Wildbret, Delika- tessen, Süßigkeiten und ähnliche herrliche Dinge flogen den Herren von der Polizei ins Haus. Andererseits ließen es sich selbst hohe Polizeibeamte, die stolz erhobenen Hauptes mit klirren- den Sporen durch die Straßen schreiten, sehr gern gefallen, daß ihnen in gewissen Vergnügungsetabliffements, zu deren Gästen auch die Halbwelt gehörte, Zechen bezahlt wurden. Selbstverständ- lich ist das alles nur„aus Freundschaft" geschehen. Drei Kölner Polizeiinspektoren, die in den beliebtesten Kölner Vergnügungs- lokalen zu den Stammgästen gehören, sind in weiten Kreisen Kölns unter dem Spitznamen„Die heiligen drei Könige" be- kannt. Wie man sieht, gemütliche Zustände in der Stadt des Kar» nevals am Rhein . Eine der Wurzeln des ganzen Schmiergelderunfuges in Köln ist der Umstand, daß vor allem die Unterbeamten mit ihren geringen Spesen— 19 M. den Monat— bei ihren Untersuchungen nicht auskommen und deshalb Bestohlenen nahelegen, ihnen eine„Be- lohnung" zu gewähren. Die Wirkung ist natürlich, daß jemand, der Geld aufwendet, besser bedient wird als ein anderer, der nicht dazu in der Lage ist. Erheiternd ist, daß die Polizei sich bei der Geldannahme von keinerlei Vorurteilen leiten läßt. So hat sie »eulich auch von der„sozialdemokratischen" Konsum- Genossenschaft„Hoffnung" einen größeren Betrag an» genommen. Es soll in dem Prozesse ganzen Reihen höherer Be- amten nachgewiesen werden, daß sie hohe Geldgeschenke angenommen haben. Die Mehrzahl der bisher vernommenen Polizeibeamten haben auf die Frage, ob sie Geschenke angenommen haben, die Aus- sage verweigert. Unter diesen 28 Zeugnisverweigerern be- finden sich auch Beamte der Sittenpolizei. Das läßt wohl ohne weiteres erkennen, daß auch aus den Kreisen der Halb» Welt Polizeibeamten Geschenke zugeflossen sind. Zu der Verhandlung sind von der Staatsanwaltschaft und von der Verteidigung, die in den Händen der Rechtsanwälte Dr. M e r tz (Köln ) und Wolfgang Heine (Berlin ) liegt, bisher etwa 149 Zeugen geladen worden. Darunter befinden sich der Kölner Po» lizeipräsident, fünf Polizei- und Kriminalinspektoren, viele sonstige höhere Polizeibeamte, zahlreiche Kölner Brauereibesitzer und Wirte usw. Die„Rheinische Zeitung " hat wiederholt erklärt, daß sie aus Rücksicht auf die schlechtbezahlten Unterbeamten diese, soweit es an ihr liege, möglichst nicht in den Prozeß hineinziehen wolle. Auch sonst will der angeklagte Redakteur die Austischung von„Kleinigkeiten", wie sie in den vielen Naturauengeschenken usw. liegen, in dem Prozesse möglichst vermeiden. Er glaubt, seinen Stoß gegen dieses Geschenksystem allein durch die Heranziehung wichtiger Fälle führen zu können. Wir werden über den Prozeß berichten. der Totschlag in öer Koppen- straße, der in der Nacht zum 23. August sich ereignete und bei den dortigen Bewohnern großes Aufsehen erregte, bildete gestern den Gegen- stand der Verhandlung vor dem Schwurgericht des Landgerichts I , welches unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dclkcskamp seine erste Tagung im neuen Jahre begann. Angeklagt ist der seit dem 23. August in Untersuchungshast sitzende Gastwirt Josef Mühlan, welcher beschuldigt wiro, rn der Nacht zum 23. August vor dem Hause Koppenstraße 199 den Schlächtermeister Stanislaus Sledz vorsätzlich getötet zu haben. Der Angeklagte ist am 9. Mai 1866 in Maisritzdors, Kreis Fraukenstein bei Glatz geboren, verheiratet und Vater zweier minderjähriger Kinder. Er ist seit dem Februar 1911 Inhaber des Hotels„Stadt Breslau " in der Koppenstraße 199. In dem gegenüberliegenoen Hause Koppenstraße 1 hatte der Schlächter» meister Stanislaus Sledz zu ebener Erde seinen Laden und im ersten Stock seine Wohnung. Dem?lngeklagten wird von zahl» reichen Personen, so besonders von Mietern des ihm gehörenden Hauses Kniprodestraße 114 das Zeugnis eines arbeitsamen und friedliebenden Mannes gegeben. Sein Hotel„Stadt Breslau" hat schon oft zu Klagen der Nachbarschaft Veranlassung gegeben, da es als Absteigequartier galt. Das Leben und Treiben in dem Hotel hatte auch dem Schlächtermeister E-ledz, der heranwachsende Töchter hatte, mehrfach zu Beschwerden Veranlassung gegeben. Dies toar auch am 21. August geschehen. Sledz hatte behauptet, von dem Fenster seiner Wohnung aus das unsittliche Treiben zweier Per- sonen in einem der Hotelzimmer wahrgenommen zu haben und verlangte von den Eheleuten Mühlan nachdrücklich, die„Klappe" des betreffenden Fensters zu schließen. Es kam darüber zu einem lärmenden Auftritt mit lauten Schimpsworten von beiden Seiten. wird Euch in Eurer Sphäre hochwillkommen sein." Daß man solcher Weltanschauung mit europäischen Disziplinbegriffen nicht beikommt, liegt auf der Hand. Ein Vorfall, den seinerzeit das „Mil. Wochenbl." selber berichtete, zeigt vollends, welche Kluft daS japanische Volksheer von preußischem Drill trennt. Eine Brigade sollte ein Fort nehmen, scheiterte aber mit ungeheurem Verlust. Höheren Befehl, nochmals Sturm zu laufen, lehnte die Truppe ein- fach ab, nach welcher glatten Gehorsamsverweigerung sie die Nacht ausruhte, über taugliches Verfahren beratschlagte und am nächsten Morgen durch plötzlichen Anlauf das Fort aus eigene Faust er- stürmte! Das preußische Militär wird hier wohl schaudernd bekennen, daß das, was e r Disziplin nenni, sich ausschließlich bei den „locker gefügten" Russen zu erkennen gab, die blind und taub, wie eine Hammelherde sich abschlachten ließen, jedem Befehl gehorsam, fern zeder persönlichen Initiative. Daß die Japaner heut mehr denn je den„Drill" bevorzugen, wird wohl eine hohle Unter- stellung sein, denn nach allem, was man weiß, gilt für sie das Wort General Fohs:„Der Franzose haßt die Kaserne und liebt das Feldlager". Jedenfalls darf man nie japanische Gepflogen- Helten zum Vergleich heranziehen, da deren Auffassung des Solda- tentums sich gänzlich vom Europäischen unterscheidet. Die all- gemeine Wehrpflicht begrüßte jeder Jaj als Standescrhöhung, da nun jeder wie ein Samurei Waffen tragen darf für Japans Volks- genossenschaft, deren„Kaiser " nur ein religiöses Sinnbild eine? altruistischen Ameisenstaates ist. Am Schluß erteilt mir der freundliche Milizfeind wieder ge- schichtlichen Unterricht. Vielleicht las er mein Werk über 1814 und will doch seine Weisheit an den Mann bringen. Die Landsturm- division Pnthod habe nichts Besonderes getan, übrigens seien cS zwei Divisionen gewesen, eine herrliche Korrektur, da die söge- nannte Division Amay volle— 899 Mann zählte, übrigen? gleich- falls aus Nationalgarden von Cherbourg und Rochefort bestand. Dagegen will ich ihn aufklären— er scheint mein Buch unfleißig studiert oder am Ende gar nur das offiziöse Buch seines Kollegen Janson gelesen zu haben—, daß sich ein paar Linienbataillone dabei befanden, die den Untergang teilten. Da aber die sogenann« ten Linientruppen Napoleons 1814 sich von Nationalgarden nur darin entschieden, daß sie sämtlich Uniform trugen, sonst die gleiche ungcdrillte Miliz, so hat dies wohl keine Bedeutung. Aus- drücklich bezeugt aber der Veteranengeneral Delort, der sicher hundertmal mehr Kriegserfahrung hatte als der anonhme Artikel- schreiber:„Da war keiner unter uns, der nicht mehr als seine Pflicht tat, doch die Sprache hat keinen Ausdruck für die National- garden, der Begriff„heroisch" ist ohne Kraft und Energie dqfür". Da ich mich auf wenige Worte beschränkte, hat der Ausfall. Puthod habe„18"(16) Geschütze gehabt,„was der Herr Bleibtrcu uns verschweigt", nur den Akzent der Böswilligkeit. Dagegen muß ich zugeben, daß meine Schätzung„achtfacher" Uebermacht nicht zu- trifft, denn von 26 499 Reitern mit 123 Geschützen, die sich am 25. März gegen die Franzosen tummelten, kamen gegen Puthod nur etwa 14 999 mit 73 Geschützen zur Verwendung. Dieser zählte aber laut Historiqua der 13. Husaren, deren 199 Säbel ihn be-
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