„Während in den Theatern für die Kinder Weihnachts- undMärchcnspiele die freudenbringende Zeit begleiten, bietet M. R. dengroßen Kindern in der Festhalle eine prunkvolle Schau dar", fängtein H. S. an. t„Religiöse Stimmungen und der Schatz der Volksmärchen undSagen sind mehr als alles andere Gemeingut des Volkes. Manbegreift, daß aus dem Bedürfnis, den relativ engen Zirkel der reinliterarisch Interessierten zu verlassen und in Konkurrenz mit dengroßen VergnügungSmSchten der modernen Menschheit zu treten,Max Reinhardt und sein Dichter Vollmöllcr sich gerade jenen Kreisder religiösen Vorstellungen sin diesem Fall der katholischen, alsdem Zuge zu Mystik und Wunderglaube am entgegenkommendsten)und des Märchens für ihre Zwecke der großen Pantomime dienstbarmachten. Man tut Veranstaltungen wie diesen unrecht, wenn mansie literarisch nimmt, sogar schon wenn man sie als Kunst betrachtet.Man muß ihnen von der anderen Seite beizukommen versuchen.Man muß sie als Bundesgenossen im Kampf gegen das durchZirkus, Varietes und Kino völlig verflachende Geschmacksniveau derMenge ansehen. Immer hat e§ ja diese beiden Arten öffentlichertheatralischer Veranstaltungen gegeben: die Volksbelustigung und-erbauung und die literarische Bühne. Eines kann nicht am anderngemessen werden."Diese Cchauerpantomime hat keinen künstlerischen oder garliterarischen Wert und ist trotzdem ein Bundesgenosse gegen die Ge»schmacksvcrflachung des Volkes? Und das mit Hoftheaterprcisen?Seltsame Logik! Und noch 3 Spalten lang gehtS dann fein umjedes künstlerische Urteil herum, immer mit den süßesten Tönender Ergriffenheit. In der„Frankfurter Zeitung"— nicht in den„Stimmen aus Maria-Laach"! Ja, wir erleben heute nochWunder!Kaöiner Kacheln.Es ist ein nicht mehr ungewöhnliches Mittel, sich des BesuchsWilhelms II. zu versichern, indem man, sei eS ein Aquarium,«inUntergrundbahnhof oder eine Synagoge, ein öffentliches Gebäudemit Kadiner Kacheln auslegt und dann den gekrönten Fabrikantenzur Besichtigung einlädt. Diese im Brand etwas mißratenen, inder Farbe nicht ganz getroffenen und im Ornament vornehm lang-weiligcn Kacheln haben sich bereits zu einem Symbol ausgewachsenund wessen heimischer Herd von ihnen gemauert ist, dessen Loyali-tat kann nicht in Frage gezogen werden.Von Kabinen kommen diese Erzeugnisse eines mehr kunst-freudigen als- sinnigen Monarchen. Aber dieser neuesteKulturort Deutschlands beschränkt sich nicht nur auf die Produktionsolch schätzenswerter Byzantinismen, nein, mich die geschmackvollsteFürstenverehrung hat dort eine Stelle gefunden, die man alswahrhaft hervorragend bezeichnen müßte, auch wenn ihr letzter, zuStein gewordener Hurraschrei nicht ein Kaifer-WilhelmS-Ge-dächtnisturm wäre, errichtet zur ewigen Erinnerung an die ver-bluffende Tatsache, daß ein Wilhelm sich einmal LS Jahre langals Instrument des Herrn gefühlt habe.Denkmäler bei Lebzeiten sind vor allem bei den Fidschi-insulanern beliebt, in deren heiligem Hain sofort bei der Geburteine? HäuptlingSsohncs ein mit Zylinder und anderem Kriegs-schmuck gezierter Pfahl errichtet wird. Ob die Anregung zu demKadiner Wilhelmsturm in unserer kolonienfrohen Zeit von dortkam. weiß ich nicht; möglich ist eS schon, wenn man sich des ManneSerinnert, in dessen ordensgeschmückter Brust der Gedanke sich zurTat gestaltete, nämlich deS Herrn von Etzdorf. Vor einem knappenJahr hat er sich aufs vorteilhafteste bckanntgemacht durch die Art,wie er dem Kaiser über Kadiner Verhältnisse da» berichtete, wasdem Monarchen am angenehmsten klang. Daß sich nachher alle»als unrichtig herausstellte, scheint Wilhelm II. seinem getreuenDiener nicht übelgenommen zu haben, wie denn auch die Kostender Berichtigung(Roter Adler vierter Klasse. AnschaffungSwert2.30 M.) nicht allzuschwer ins Gewicht fielen. Jetzt aber dürfteauch die letzte Verstimmung zwischen Fürst und Fürstendiener gc-wichen sein, da es dem letzteren huldvollst erlaubt wurde, aufdeS Kaisers eigenen Grund und Boden, zu de» Kaisers Ruhm,de» Kaisers Ehrenturm zu errichten.vom Jahrmarkt öes Lebens.Zabern und öie waffentechnlk.Die Vorgänge in Zabern mit ihrem Drum und Dran gebennicht nur dem Satiriker Gelegenheit, seinen Witz an diesem band-baren Stoffe zu prüfen. Nicht nur der Geschichtsschreiber wirddas Kriegslage! von Zabern als ein Musterbeispiel deutscher Bürger«freiheit unter Wilhelms II. Negierung in seiner Chronik buchen,auch der Kriegswaffentechniker wird aus den Vorgängen in Zabernmancherlei Anregungen schöpfen.Zabern ist ein Städtchen mit einer Bevölkerung von rund8000 Einwohnern— Säuglinge, Krüppel und Kran?« mit ein-gerechnet. Diese 8000 Einwohner lachten über den LeutnantForstner. Sie waren also Reichsfeinde und Rebellen undmußten„zur Strecke gebracht" werden. Um da? zu er-reichen, ließ Oberst v. Reuter 40 000 scharfe Patronenan seine Mannschaften verteilen. Es ergibt sich also auS dieserTatsache, daß der heutige Stand der Wasfentechnik eZ nur ermöglicht, mit fünf scharfen Patronen einen Rebellen— Säuglinge,Krüppel und Kranke mit eingerechnet— niederzustrecken. DieAusgaben pro Rebellen sind bei dem schlechten Stande der Finanzenentschieden zu hoch. Ter Waffentechnik bleibt daher das Problemzu lösen, wie mit geringeren Unkosten der gleiche Nutzeffektzu lösen sei. Zur Prüfung dieser für unser Vaterland äußerstwichtigen Frage wird daher, wie wir aus sicherster Quelle erfahren,in den Neichsetat für 1014 ein NachtragSctat von 23S 462 Mk.eingesetzt werden. Bis zur völligen Lösung des Problems ist derHerr Justizminister erbötig» ein Notgesetz einzubringen, da» dasLachen in Gegenwart preußischer Leutnants bei Todesstrafeverbietet.Er etabUert sich!In dieser Woche wird der sächsische Kronprinz flügge,b. h. er wird 21 Jahre alt und hat sich nach dem Königlichen Haus-gefetz zu„etabliere n". Damit er sich standesgemäß einrichtenkann, erhält er aus der Staatskasse einen„EtablierungZheitra-g" von38 542 Mark. Doch damit kann man natürlich nicht weitkommen, und so wird denn von jetzt ab dem flügge gewordenenjungen Manne ein jährlicher Zuschuß von 125000Marl gezahlt. Wenn er sich verheiraten muß, erhält er zur noch-maligen standesgemäßen Einrichtung einen weiteren„Etabsierungs-beitrug" von 75 000 Mark. Wenn der junge Mann sich auchetwas einschränken muß, so kann er doch in einer einigermaßengesicherten Position sich auf daö mühevolle Amt des LandeSvaterSvorbereiten. Zunächst wird er— er ist doch 21 Jahr« alt und keinProlete— als geborener Gesetzgeber in die sächsische Erste Kammerder Ständeversammlung eintreten.Trinkt Moselwein!Die Sekte der Butzenschetbenlyriker, Sauflieder singenden An»gedenkenS, fristet noch immer ihr sorgloses Dasein. Eine ihreralleweil feuchtfröhlichen Zierden ist der verflossene Redakteur de»„Kladderadatsch" und BiSinarckbarde Johannes Trojan. Neben.amtlich besang er die Rhein, und Moselweine-> etwa wie derHauSpoete der selig entschlummerten„Goldenen 110" Röcke undHosen besang. Sotane Reklamedichterei verpflichtet zu keinemFunken Talent, aber sie mag wohl recht einträglich sein; dennHerr Fcdor von Zobeltitz, Romanschreiber von Profession, tummeltseinen Musengaul ja an der Futterkrippe französischer Se'tlelle-reie»— zum größten A erger aller deutschen Schaumwcinsabri-kanten.Trojan ist doch patriotischer. Er besingt ausschließlich Rhein-und Moselmarken. Neulich hat er im„Berliner Tageblatt" fürden„Dreizehner" eine«warme Lanze" eingelegt. Ihm leihter seine Zunge, so oft ihm leckere Tropfengebinde gratis uiS» frankoins Hau? fliegen. Dai Gutachten läßt da nicht auf sich warten—und die schlauen Nebdauern wissen eS schon als Reklamefanfarenutzbringend zu verwertem Und die Firma Moss« hat auch ihrenProfit dabei, denn sie bereichert ihre Jnseratenplantagen. Sowäscht eine Hand die andere— Geld stinkt nicht. Geld erfreut de»Menschen Herz.Noch einmal also: Der Spender der 5 Millionen Mark wirdin allen Parteilagern die verdiente Anerkennung finden. Vonunseren reichen Leuten im allgemeinen aber darf man mit einemWort aus„Wallenstcins Lager" sagen: DaSdenktwie— einKeifensicder.Zaberner Lehren.DaZ hat nun jeder wohl kapiert,Dazu gehört nicht viel:Der Leutnant ist's, der uns regiert,Und stramm steht das Zivil.Luch lehrte der Prozeß uns scharf,Wenn alles man ermißt,Was man von nun ab nicht mehr darfUnd was verboten ist.Drum— wenn'S auch etwas strenge kling'.!—Daß du das Lächeln läßt.Wenn etwa dich was komisch dünkt—Denn sonst nimmt man dich fest!Und daß du nicht den Unfug treibstUnd etwa gar zu ZweinEin Weilchen sinnend stehen bleibstDenn sonst sperrt man dich ein!Sehr bös auch ist'S, wenn du gut hörstUnd gar am Ende noch.Was du gehört hast, auch beschwörst—Dann fliegste gleich ins Loch!Vor allem sei kein ArbeitSmann,Der blau im Kittel srieit,Denn wer nichr seinen Gehpelz an,Wird einfach abgeführt IUnd wer dagegen schreiben willBeschwerden oder so—Des Reiches Kanzler braucht sie stillUnd gern für den— Papierkorb.K n u x.das Vunüer.E» gibt noch immer harmlose Gemüter, die da meinen. daSFeuilleton habe nichts mit der Politik zu tun in den Zeitungen.Merken nicht, wie der Kapitalismus in der Kunst, vielleicht inseiner widerlichsten Gestalt, unter der harmlosen Maske der„Mode",die bürgerliche Presse wie im Fluge vor sich auf die Knie zwingt.Das paktiert dann mit dem Tango und mit dem Kino genau soelastisch wie mit der neuesten Malerei, mit dem„Expressionismus".Im Theater ist Herr Max Reinhardt Mode, ob er nun mit RichardStrauß und Hugo von Hofmannsthal oder mit Karl Pollmöllerassoziiert auftritt. Ein Mann, der die tüchtigsten Mitglieder seinerBühne(vielleicht als Reklame für das Deutsche Theater?) an denKintopp abgibt und ein Märchensiück von Maeterlinck, zu unkennt-lichcn Fetzen vcrschnipfelt, auf allen Provinzbühnen herumzerrt,müßte die Kritik doch mindestens zu einigem Mißtrauen nötigen.Aber nur allzu willfährig wurden die Phrasen der Reklame von derbürgerlichen Presse weitergegeben, und als Reinhardt und dervon ihm angestellte Vollmöller mit ihrer katholisch aufgeputztenZirkuspantomime, dem Mirakel, herauskamen, erreichte derReinharbtrummel feinen Höhepunkt. In Dresden machte der Hofostentativ Propaganda für die Kirche im Zirkus, und die Pfaffenzählen die Uebertritte zum Katholizismus nach vielen Hunderten.Wie die kapitalistische Presse auf diese» als Kunst kostümierteGeschäftsuntcrnehmen reagiert, zeigt« sich kürzlich in Frankfurtam Main recht belehrend. Tie sonst so kritisch strenge und anti-klerikale„Frankfurter Zeitung" tönt zu der Wcihnachts-(!) Aufführung wie die Schalmeien der Hirten von Bethlehem sosüß.Vorschein, ein müder Mensch, der noch immer seine Bahn zog, der-weil schon die Sonne, die Ewige, zur Ruhe ging.Der schwarze Punkt ward größer und kam der Höh« näher,unablässig folgte der Mann der einsamen Straße; beim Gefälleschrumpfte und bei der Steigung wuchs der Menschenfleck. Dochauch von der anderen Seite, wo die Straße aus dem Walde trat,kam Leben daher. E» war ein« Gruppe Bauern mit zwei öderdrei Weibern, die jetzt im Sonntagsstaat den Heimweg suchten.Tie Köpfe waren wirr vom Dunst und Rauch in der engenWirtSstube, wo sie gesessen hatten, seit die Messe zu Ende gewesen.Di« ganze Breite der Straß« nahmen sie ein mit ihren schwerenTritten und dem stickigen Geruch der alten Truhen, in denen ihreFeiertags!! eider während der Woche ruhten..Ja, ja," sagte die alte Sckiadin und wackelte mit dem silber.weißen Kopf; sie sprach von ihrem medizinischen Nebenberuf:„keine sonst kann„abwenden" wie ich, und ich kann's auch niemandlehren. AnS Köpfend' vom Kranken stellen und ein schnellcS Vater-unser beten, ohne Amen, und dann schnell hinterdrein ein Vater-unser und dreimal daS Kreuz machen und zweimal Amen sagen,das hat noch jeden gesund gemacht, dem ich'? getan Hab'. Slbcr dieAugen darf man nicht vom Kranken lassen, sonst Hilft'S nicht."Der Kornbauer wollte noch immer nicht glauben:„Und wenndie Gesundheit dann nicht kommen will, so Hilft'S erst recht nichts?"Tie Schadin bekreuzigte sich„Um Jesu willen! Du bist auchso ein Neumodischer, der nichts glaubt."Der Kornbaucr war ängstlich besorgt, kein„Ncumodiscber"zu sein:„Geh' ich'leicht nicht geradeso in die Kirchen wie Ihr?Geb' ich nicht geradeso meine Eier und Butter dem geistlichenHerrn wie Ihr?" eiferte er und faßte den Hollensteiner beimflatternden Rock.„Tu sag'. Tu mußt's ja wissen, als Vorbeter!"Der Hollensteiner hielt die ausgegangene Pfeife mit den braunenZehnen fest und wiegte den Kops. Erst ein Rippenstoß de» Korn-baner» löste seine Zunge.„Na ja, ist ja wahr." begann er politisch, als einer, der sich'Sals armer K'einhäuSler mit einem Großbauern nicht verderbendurfte,„da kann kein Mensch nicht gegen Dich aussagen. AberDu solltest in der Kirchen bei der Predigt nicht so ungläubig drein.schauen: denken iz was anders als dreinschauen! Ich Hab' mir'»erst heut' denkt, wie Du Dir den Kopf kratzt hast, als der HerrPfarrer gesagt hat:„Sorget nicht ängstlich für Euer Leben, waiIhr ess n werdet, noch für Euren Leib, waß Ihr anzi-ben werdet!Ist nicht da« Leben mehr als die Speise und der Leib mehr alsdie Kleidung? Betrachtet die Vögel des Himmels: sie säen nicht,sie ernien nicht, sie sammeln nicht in die Scheuer, und Euer himm-lischer Vater ernähret sie." Gewohnheitsmäßig, in gleichemTonfall, wie er zu beten gewohnt war. wenn er an der Spitzeeines Leichenzuges zog, hatte er die Sätze de» Evangeliums indie Dämmerung geleiert und sah nun mit scheu abwartendem Blickunter den Wimpern seiner Augen hervor aus den Kornbauer. Derwar vor Ausregung krebsrot geworden.„Alle Achtung und Demut vor dem geistlichen Herrn: aberwer gebet denn mir Geld und ein Gewand, wenn ich nicht selbermein« Scheuern füllen tat?"Sie zogen schweigend weiter, stolpernde Flecke im Wend, bi»der Winller Sepp, der erst vor drei Wochen geheiratet hatte unddoch schon drei Buben hatte, stehen blieb und auf die dunkelndeStraß« zeigte:„Wer ist denn da?"Die Gestalt war näher gekommen und war darum besser zuunterscheiden: wie sie mit langsamen Schritten der Gruppe derBauern entgegenzog, erwieö sie sich als ein alter, hagerer Mann,der einen Werkelkasten über der schiefen Schulter trug.„Die Gendarmen sollten schärfer aufpassen; geradeso hat derausgesehen, der meine Erdäpfel vor zwei Jahren vom Felde ge-stöhlen hat," murrt« der Kornbauer.Der Winkler Sepp blies die breit« Brust aus und pfiff einuralt Soldatenlied, da» er in der Großstadt beim Militär gelernthatte; eS wollte nicht recht gelingen, weil ihm der Weindunst imSchädel saß, so hob er einen Stein aus und schmiß ihn nach denKrähen am fernen Woldrand. Sie blieben sitzen. Dann nahmer den Sengstschmied unter den Arm und brüllte einen Juchzerdurch die stille Abendluft.Der Hollensteiner schlug in die hornharten Hände:„Habt'sschon recht, Buben, seid'» nur lustig!"Nun halten sie den Fremden, der. verschlossen wie die nahend«Nacht, herankam, fast erreicht und begannen ihn zu mustern.Ein langer, zausiger Bart flog um die mageren, sonnver-brannten Wangen, der Leierkasten schlug dmmps bei jedem dermüden Schritte auf. Am linken Arm trug er einen zusammen.geplappten Sessel, und ein kugelrunder brauner Kopf mit glänzen.den schwarzen Augen sah auS dem bis oben zugeknöpsten grobenLodcnrock, auf dem eine militärische Denkmünze schwankt«.„Haderlump, hergelaufener!" knurrte der Kornbauer.Ohne die gaffenden Blicke der Bauern zu beachten, zog deralte Mann an ihnen vorbei; dem finsteren Tann entgegen, auSdem die Bauern kamen.„Guten Abend, der Herr!" grüßte der Sengstschmied, mithöhnischem Lächeln und beleidigender Demut.Der alte Mann gab keine Antwort, seine Blicke hingen imStaub der Straße; er sah trostlos und ergeben drein.»Ist Dir'leicht's Maul zugewachsen?" schrie der Winkler.Vom alten Kirchlein 6er begann die W-ndglocke zu läuten.daß sich die zitterigen Klänge über die Felder schwangen und mitdem Abendwind davonzogen. Rosiwlden sank die Sonne über demRand der Berge und lieh dunkle,'satte Farben dem fernen Wald.Die Bauern rissen die Hüte vom Kopf, mit der hastigen, vonKindesbeinen geübten Bewegung, die, ohne zu denken, Verrichtun-gen des Glaubens unternimmt. Di« alte Schadin zog klappernddie Holzperlcn des Rosenkranzes durch ihre Zahnlücken und hieltdie Hände gefaltet.So standen sie schweigend, derweil die friedliche Glocke weiter»schwang und die Grillen am Wegrain ihre eintönige Weise sangen.Als sie fertig waren, sagte der Kornbauer:„Hat der Lump viel-leicht kein' Herrgott?"Der alte Mann war weitergegangen, den Hut auf dem Kopf.Er achtete nicht aus die Rufe der Bauern.„Hut runter!" brüllte der Kornbaucr. sonst hau' ich Dtr'nrunter!"Ter Fremde wendete sich nicht um und ging gleichmäßig weiter.Auch als ein spitzer Stein neben ihm in den Sand saust«, drehteer nicht den Kopf.„So eine Tedsünd' für ein' Christenmenschen." jammerte diealte Sckiadin,„nimmt den Hut nicht ab beim heiligen Abendläuten!"Der Wind hob einen Zipfel vom Rock de» alten Manne», daßeine rote gestickt« Gurdbinde sichtbar wurde.„Ah, ist'S um die Zeit!" johlte der Winkler,„ein.Roter",ein Sozialist 1"„Einer, der kein Herrgott hat und'S Geld von den andernwill?" schrie der Kornbaucr.„Wart, Haderlump, verdächtiger."Und gebückt fuhr er mit den Händen in den Straßengraben nachWurfsteinen. Vorher schrie er noch einmal:„Hut'runterl*Schon flogen andere Steine und trafen.LautloS fiel der alte Mann zu Boden, während de? kleineAffe, der bisher aus dem Lodenrock de» Alten gesehen hatte, aufdie Straß« sprang und grinsend in den mißsarbigen Feldern dasWeite suchte.„Marie und Joses." kreischte die Schadin.„Mannerleut' Ihrhabt'S ihn'troffen!"Noch standen sie mit den zackigen Steinen in den Händen«die Hüte unter den Armen eingeklemmt.„DaS muß Dein Stein g'wesen seilt, Sengstschmied!" ntut«melte der Winkler.„Und Deiner ch' auch!" gab der zurück.Mit Holpern unv Beten kam die alte Schadin zum Gestürzten,der regungslos lag. In dünnem Bach floß das Blut au» dseStirnwunde. Mit ihren zitterigen, gichtifchen Fingern nestelt«dt« Alte am Halse de» Gestürzten herum.Di« Abendglocke Nong friedlich.DaS alte Weib schrie auf. Der geöffnete Rdk de» Bewußt.kosen ließ im letzten Licht des Tage» eine kleine Blechtafel sehen.die über der Brust hing. Mit weihen, verkratzten Lettern stanttzgerade noch zu lesen, aus dem schwarzlackierten Grunde:„Manbittet um milde Gaben für den taubstummen Ludwig Huber�Veteranen von Custozza".Jäh sank die Nacht, die Mendgsocke klang weiter.