die vom Christentum beleckten Stämme, wenn ihnen Blutrache undBlutdurst zum Borwurf gemacht werden, fröhlich erwidern:.Wozu hatuns denn die göttliche Borfehung die Gewehre überhaupt gegeben?"Aber die Albaner in ihrer Masse wollen gar keinen Fürsten oderbielmehr sie wissen nichts von ihm. Wo man sich von Europa die sagen«hafte Borstellung macht, dast es drüben hinter den Bergen liege und vonsieben in einem prächtigen Thronsaal nebeneinander sitzendensKönigenbeherrscht werde, hat man natürlich von einer Londoner Botschafter-konferenz und einem Prinzen zu Wied erst recht keine Ahnung.»nd selbst wenn man von seiner Niederlassung in Valona Kundeerhielte, erregte das keinerlei Aufsehen im zustimmenden oder ab-lehnenden Sinne. Was geht die Leute der Malissia von Skutarioder der Miridita an, was sich an der Küste abspielt! Ein albanischesNationalgefühl gibt es ja nirgendwo bei den Massen des albanischenVolkes, sondern was sie zu Sippen und Verbänden zusammen-schweißt, ist im Norden das patriarchalische Stammesgefühl und inMittel- und Südalbanien das Bewußtsein der Abhängigkeit von ein-und demselben Feudalherrn. Erst wenn der neue Fürst sich an-schicken wollte, Eisenbahnen zu bauen, Steuern einzutreiben oderRekruten auszuheben, würden die biederen Bergsassen mit scharfenSchüssen gegen eine Regierung protestieren, die sie nicht gerufenhaben und von der sie sich nicht einmal einen klaren Begriff zubilden vermögen. Was der Prinz zu Wied hinter sich hatte,war lediglich die famose.provisorische Regierung" in Valona.die nichts andere? darstellte, als einen verfrühten Fast-nachtsscherz. Diese.provisorische Regierung", an der Spitzeder mit allen Hunden gehetzte Ismail Kemal Bey, begrüßtnatürlich den Prinzen zu Wied stürmisch, weil er nicht nur mitder Billigung der Großmächte, sondern auch mit einem ansehnlichenMillionenvorschub auf der Bildfläche erscheint, und nur nach diesenMillionen strecken sich die paar Dutzend schmutziger Hände aus, überdie die.provisorische Regierung" verfügt. CS war ein Schauspielfür Götter, als zum Jahreswechsel der alte Gauner I S m a i IKemal würdevoll Glückwunschtelegramme mit dem k. k. MinisterdeS Aeußern, Grafen Berchtold, austauschte und von der.Dank-barkeit de» albanischen Volkes für die Unabhängigkeit" faselte, wobeies mit dem Volk, das der.Diktator" von Valona hinter sich hat,genau so bestellt ist, wie mit seiner Unabhängigkeit. DaS Schönsteaber ist, daß dieser Kemal selber jetzt als der Begünstigung derKandidatur I z z e t s verdächtig, in der Versenkung verschwindet.Daß aber die mohammedanischen Grundherren in Mittelalbanienvon dem Prinzen zu Wied alles andere als erbaut sind, vielleichtmehr aus sozialen als aus religiösen Gründen, wird nicht erst durch denPutsch Jzz et Paschas bekannt. Diesen Grundherren MittelalbanienS.deren Pächter fast im Zustand der Leibeigenschaft dahinvegetierenund brutal ausgesaugt werden, muß nichts unerwünschter sein, alseine Agrarreform, die unvermeidlich wird, wenn sich unter demSchutz der Großmächte und ihres Beauftragten, deS P r i n z e n z uWied, das ausländische Kapital im Lande festsetzt und die über-nommenen Verhältnisse auflöst. Darum ging der Schrei deralbanischen Feudalherren nach einem mohammedanischen Großen,der mehr Verständnis für die überlieferten Interessen mittelaller-licher Ausbeutung mitbringen mußte als ein von westeuropäischenKapitalsmächten geschobener Prinz, darum entfalteten sie eine regePropaganda für einen Kandidaten dieser Art und darum hoben siejetzt Jzzet Pascha kurz vor der Ankunft des Vertrauensmannesder Großmächte auf den Schild.Mag diese Schilderhebung auch vorläufig mißglückt sein, derPrinz zu Wied erscheint doch als höchst unerwünschter Gast ineinem Lande, das voller Wirren und Gefahren steckt, und wennWilhelm II. dem deutschen Thronkandidaten von seinem Abenteuerabgeraten hat, so mit vollem Recht, denn der Prinzzu Wiederscheint, unbesonnen, wie er sich in unbekannte Dinge hineinstürzt,geradezu als Selbstmordkandidat. Wenn deshalb ein paar nationa-listische Organe dem Prinzen, der hinausgeht, um.deutsche Kultur-arbeit" zu leisten, aus zweifelhaften Vorschußlorbeeren Kränzewinden, so können das sehr leicht die Totenkränze auf seinem frühenSarge werden._politische Ueberslcht.Die Sonntagsruhe.Aus dem Reichstag, 16. Januar. Die Vorlageüber die Neuregelung der Sonntagsruhe ist heute abend nachSchluß der Generaldebatte einer Spczialkommission über-wiesen worden. Der zweite und letzte Tag dieser Erörterunghat das Bild vervollständigt, das der erste Tag bereits bot:alle Parteien außer der Sozialdemokratie geschlossen gegeneine weitsichtige und weitherzige Sozialpolitik. Es war nurdie Bestätigung der Regel, wenn die einzige Ausnahme desNationalliberalcn Herrn M a r q u a r t zu verzeichnenwar, der das Recht gerade noch hatte, für seine Person— wieer besonders hervorhob— die von unseren Rednern vertreteneAuffassung zu unterstützen. Herr Marquart ist, das muhzur Erläuterung beigefügt werden, der Führer einer dergroßen Handlungsgehilfenverbände. Sein durchaus ver-einzeltcs Vorgehen wird aber auch kaum die Angestellten vonder Üeberzeugung abbringen, die ihnen diese Debatte un-erbittlich aufzwingt: daß ihre Interessen allein bei der Partei'deS Proletariats Schutz finden.Das zeigte übrigens gleich zu Beginn der Sitzung mitunzweideutiger Klarheit Genosse Dr. Q u a r ck, der in ge-wandter Weise die Scheinargumente zerstörte, die von allenbürgerlichen Rednern am Vortage zugunsten weitreichenderAusnahmen vorgebracht waren. Besonders wirkungsvolllvandte sich Genosse Ouarck gegen den Versuch, die Gesetzgebungüber die Sonntagsruhe zum Tummelplatz oberflächlicherMittelstandsretterei zu machen. Er sowohl wie auch GenosseFeuerstein, der noch im Laufe der Debatte das Wort er-griff, zeigten übrigens, daß der kleine Kaufmann durchausnicht an einem solchen Gefetz gegen die Sonntagsruhe inter-cssiert ist.Die anderen Parteien blieben bei ihrer rückständigenAnschauung stehen. Der Herr Birkenmaycr vom Zen-trum und Herr P a u l h von derselben Partei sowie derElsässer T h u m a n n sprachen ganz im Sinne und im Tonedes Herrn Erzberger, so daß es Herrn Giesberts etwasschwer wurde, den Eindruck zu verscheuchen, den diese neuesteSozialpolitik des Zentrums hervorrufen mußte. GrafPosadowsky machte einige ganz allgemeine Ausfüh-rungen über die Sonntagsruhe, wobei man sich auch überseine eigentliche Schlußfolaerung nicht ganz klar werdenkonnte. Er vemerkte jedoch ganz zutreffend, daß der Grund-fehler des Entwurfes die Ausdehnung der Ausnahmen fei,durch die jede Willkür in der Auslegung geradezu provoziertwird.Zu Beginn der Sitzung war einstimmig ein Antrag an-genommen worden, die Deklarationsfrist für denWehrboitrag bis Ende Februar zu verlängern. HerrK ü h n hatte vergeblich seine Bedenken geäußert.Morgen beginnt die Debatte über den Etat de? Reichs-amts des Innern.Heydebrand als Agent provocateur.Hchdebrands"Rebe im preußischen Landtag hat die Lösunggebracht.„Machen Sie mit Ihrer Revolution Ernst, dann gehtwenigstens alles drunter untz drüber." Als er diese Worte unserenVertretern im preußischen Landtag zurief, hat er den Kurs ge-zeigt, den Preußens Junker der preußischen Regierung aufzwingenwollen. Das Volk— besonders die Arbeiterschaft— soll in eineRevolution getrieben werden; der Militarismus wird, so hoffensie, das Volk niederzwingen— und dann blüht der Weizen derJunker in Preußen und in Deutschland! Alle diplomatischeHeuchelei, womit Heydebrand seine Anreizung zu Putschen ver-brämte, ändert nichts an der Absicht des Führers der Konservativenim preußischen Landtage, das deutsche Volk in eine Revolutionhineinzuhetzen! Und mit welchen Mitteln der UnWahrhaftigkeitarbeitet dieser Provokateur.„Der Besitz kann in Deutschland nichtmehr weiter."„Er ist umschwärmt von den Behörden, die ihmjeden Tag neue Lasten auflegen."„Der Besitz in Deutschland istheutzutage minderen Rechts."„Man braucht bloß ein Arbeiterzu sein, um heute Recht zu haben." Das sind Worte desvon Heydebrand. Freilich behauptet er, es seien nicht seine Worte,so rede der Besitz; derselbe Besitz, der wohl in keinem Lande derErde rücksichtsloser durch Verwaltung, Justiz und Militarismusvertreten wird, als in Deutschland! Aber das ist läppische Spiegel-fechterei. Heydebrand sagt es für sich und seine Partei» die kon-servative Partei, die eben jetzt wieder daran ist, eines der wichtig-sten Rechte der Arbeiter— das Koalitionsrecht— zu unterbinden—auch unter einer Heuchlermaske, der Maske des Arbeitswilligen-schutzes!Die alte Leier: Erst durch Ungesetzlichkeit und Brutalität dieVölker zu Schritten der Verzweiflung treiben, um sich hinterherals die Staatsretter aufzuspielen und im Trüben zu fischen.Wo blieb der Herr Reichskanzler?Der Kommandeur der 30. Division in Straßburg hat also kein«Berufung gegen das freisprechende Urteil des Kriegsgerichts ein-gelegt, obwohl sogar große Pessimisten es für selbstverständlichhielten, daß ein Prozeß, in dem für die Allgemeinheit so überauswichtige Fragen zur Entscheidung gelangten, auch noch vor dasReichsmilitärgericht gebracht würde. Warum hat der Reichs-kanzler nicht dafür gesorgt, daß eS geschah? Während die Militärgerichtshöfe unabhängig sind urtd keineBefehle erhalten dürfen, können die Gerichtsherren vonhöherer Seite Weifungen bekommen, z. B. darüber, daß sie Be-rufung zu ergreifen haben.Die Institution der Gerichtsherren wird ja damit begründet,daß man durch sie im Interesse der militärischen Disziplin aufdie Militärgerichtspflege einen Einfluß ausüben wolle.Warum ist also der Reichskanzler beim oberstenKriegsherrn der preußischen Armee, dem Kaiser,nicht vor st ellig geworden, um die nötigen Weisungen fürden Kommandeur der 30. Division zu erwirken? Oder hat er einensolchen Versuch doch unternommen und ist e r d a b e i abgeblitzt?Oder ist er selbst so von der Krankheit deS Militarismus befallen,daß er die sonderbare militärische Rechtsprechung in Straßburg fürtadellos hält?Es hätten noch verschiedene Fragen sehr der Aufklärung be-dürft, z. B., o-b der Oberst v. Reuter die jetzt so berühmt gewordeneOrder von 1820 schon vor seiner Wsetzung der Polizeibehörde inZabern kannte? Das hätte die höhere Instanz sehr leicht erforschenkönnen, wenn sie den Adjutanten des Oberst, die Stäbsoffizieredes 99. Regiments und die Beamten, die an der Spitze der ZabernerPolizei stehen, darüber vernommen hätte, ob der Oberst die Kabi-nettsorder ihnen gegenüber erwähnte? Hat er sie gekannt, so hat erauch sicher den Offizieren, die ihm am nächsten standen, gesagt, daßer von der Kabinettsorder Gebrauch machen werde, wenn die Dingenicht anders würden. Und bei seiner an die Ztvilbehörd« gerichtetenAndrohung des Belagerungszustandes hätte er sich zweifellos aufdie Order berufen. Die höhere Instanz hätte sich auch damitbeschäftigen sollen, daß das Kriegsgericht die Garnisonsdienstvor-schrift bei der Verhandlung gegen den Oberst v. Reuter außerBetracht ließ. Aber diese Notwendigkeiten bleiben unerfüllt, weilder Kommandeur der 30. Division keine Berufung ergriff— undHerr v. Bethmann Hollwog wahrscheinlich wieder einmal den Wageneinfach laufen ließ.Reichsgesetzliche Regelung des militärischen Waffen-gebrauchs.DaS„Berliner Tageblatt" teilt mit, daß von fortschrittlicherSeite ein Initiativantrag ausgearbeiter worden ist, durch den einGesetzentwurf über den Waffengebrauch des Militärs und seinePolizeibefugnisse angestrebt wird. Durch die Uebernahme desArtikels 36 der preußischen Verfassung und des preußischen Gesetzesüber den militärischen Waffengebrauch vom Jahre 1837 soll dieFrage eine reichsgesetzliche Regelung erfahren. Sowohl von national-liberaler wie von Zentrumsseite sei die Bereitwilligkeit ausgesprochenworden, den Antrag als gemeinsamen Initiativantrag der dreiMittelparteien einzubringen._Der„verfluchte" Wehrbeitrag.Die sächsische Zweite Kammer verhandelte über den nationalliberalenAntrag Gleisberg auf Verlängerung der zur Abgabe der Vermögens-erklärung für den Wehrbeitrag festgesetzten Frist bis Ende Februar.Finanzminister von Seydewitz erklärte, die Regierung habe denBeitragspflichtigen von vornberein das größte Entgegenkommen be-wiesen und die Frist, die in Preußen nachträglich bis zum 31. Januarverlängert worden sei, für Sachsen sogleich auf diesen Tag festgesetzt.Die Regierung sei daher außerstande, den Antrag auf allgemeineFristverlängerung bis Ende Februar im Bundesrat zu vertreten.Trotzdem nahm die Zweite Kammer nach längerer Debatte den An-trag an, die Regierung möge im Bundesrat dafür eintreten, daßdie Frist zur Abgabe der Vermögenserklärung zum Wehrbeitrag bisEnde Februar verlängert wird.Je näher der Zahlungstermin heranrückt, desto schwüler wirdes den Wohlhabenden. Die große Vaterlandsliebe, mit der imvorigen Jahre bei der Beratung der Heeresvorlage die Patriotenprunkten, hat sich völlig abgekühlt.Die Polizei im deutschen Rom.Die„Köln. Zeitung" äußerst sich ausführlich über den KölnerPolizeiprozeß und obgleich sie die Trinkgelderpraxis der Herren Ober-und Unterpolizisten teilweise mit der Eigenart und Gemütlichkeit derBewohner des deutschen Roms entschuldigt, kommt sie doch zurForderung einer gründlichen Säuberung der Kölner Wohllöblichen:„WaS hat die Beweisaufnahme im Prozeß ergeben? Ganzunzweideutig, daß es unter den Kölner Polizeibeamten üblich ist,Geldgeschenke oder Belohnungen— wie man es nennen mag,halten wir jetzt für sehr unwesentlich— anzunehmen. Zuerst beider Kriminalpolizei. Es ist nach den Aussagen der Zeugen beider Kriminalpolizei nichts Außergewöhnliches, sondern mandarf sagen, geradezu üblich gewesen, bei dcr Ermittelung vonVerbrechen— vor allem wird es sich um Diebstähle handeln—Geschenke oder Belohnungen anzunehmen. Noch in der gestrigenSitzung, am sechsten Verhandslungstage, erklärte ein Zeuge aufdie Frage deS Vorsitzenden:»Wie ist es nun, wenn jemand leinGeld hat?", mit dürren Worten:»Dann kann man eben den Fallnicht aufklären."...Die»Rheinische Zeitung" hat mit ihrer Ansicht recht, daß eineVerschiedenartigkeit in der Behandlung des Publikums sich ent-wickeln muß, wenn die Kriminalbeamten sich Bargeld zahlen lassen,sei es zur Deckung ihrer Auslagen oder wie es auch genanntwerden möge. Es muß Sache der Verwaltung sein, ihre Be-amten mit solchen Mitteln auszustatten, daß sie alle Auslagen,die erforderlich sind, leisten können. Der Herr Polizeipräsidentbetonte auf die Frage des Redakteurs mit großem Nachdruck, daßfür politische Zwecke reiche Mittel zur Verfügung ständen, undwenn die vorhandene Summe nicht reiche, würde eine Ergänzungin Berlin beantragt und Anstandslos gezahlt. Die Bürgerschaftmuß verlangen, daß die Polizei mit Mitteln nicht nur ausgestattetwird für ihre Täligkeil in politisiben Angelegenheiten, sondern esist eine ganz selbstverständliche Pflicht des Staates, daß er obneUnterschied der Person seine Bürger schützt und ihre Interessengegenüber denen verlritt, die das Gesetz verletzen."Tie badische Regierung und der Groffblock.In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer des Landtagserklärte Staatsminisier Frhr. v. Dusch, daß er hinter die Behauptungdes sozialdemokratischen Redners Dr. Frank-Mannheim, daß allegroßen Gesetze Früchte des Großblocks seien, ein Fragezeichen setzenmüsse. Die Regierung, s o erklärte der Staats-minister weiter, werde mit allen Parteien ar-Veiten und müsse es ablehnen, die Arbeit mit demGroßblock allein gegen das Zentrum zu machen.Finanzminister Dr. Rheinboldt erklärte bezüglich der Verlänge-rung der Frist zur Abgabe der Vermögenserklärung zum Wehr-beitrag, daß als Endtermin der 31. Januar bestehen bleibe. Vonneuen Militärvorlilge» sei ihm nichts bekannt und hierzu liege auchkein Anlaß vor.Keine Verletzung des Telegraphengehcimnissesin Ltraflburg.Die.Post" teilt mit, daß die Untersuchung über die angeblicheVerletzung des Telegraphengeheimnisies bei dem TelegraphenamtSlraßburg(Bekanntgabe der an Herrn v. Jagow und Herrn vonOldenburg gesandten Telegramme des GerichlSvorsitzenden) ergebenhabe, daß keine Pflichtverletzung der Telegraphenbeamten in Straß-bürg vorliege. Der Berichterstatter eines auswärtigen Blattes habesich die Kenntnis von den Telegrammen und ihrem Inhalte selbstverschafft, und zwar bei der durch den Offizierburschen bewirktenAuflieferung. Der Offizierbursche hatte die Telegramme nämlicham Schalter ausgebreitet, bevor sie ihm der Beamte abnahm, sodaß die Umstehenden den Inhalt lesen konnten.Eine Notstandsaktion.Unter dem gewaltigen Eindruck der Arbeitslosendemonstrationvom Mittwoch stellte das Gemeindekollegium in München amDonnerstag auf Antrag der sozialdemokratischen RathauSfrakiionmit allen gegen zwei Stimmen zunächst die Summe von 60 000 M.zur Unterstützung der Arbeitslosen zur Verfügung.' Ebenfalls an-genommen wurde auch ei» liberaler Antrag, daß aus dieser Summe10 000 M. zur Unter st ützung notleidender Hand-w e r k e r und Kleingewerbetreibender bereitgestellt werden.Voraussichtlich werden die ersten Unterstützungssätze bereits in derkommenden Woche ausbezahlt.Mit dieser Mittelbewilligung allein ist es noch nicht getan. Manwird sich endlich notgedrungen dazu verstehen müssen, die Vor»arbeiten zur Schaffung einer Arbeitslosenversicherung unverzüglich inAngriff zu nehmen.Die Stadtverordneten von Mainz bewilligten 10 000 M. zurUnterstützung der Arbeitslosen.�_Eine Landtvirtschaftskammcr für Lohnerhöhungen.Der letzijährige Bericht derHannoverslben LandwirlschaftS-kammer enthält einen bemerkenswerten Paffus über die Notwendig-kcit einer Lohnerhöhung für die auSländisckien landwirtschaftlichenArbeiter. In dem Kapitel über die Beschaffung der ausländischenArbeiter an der russischen Grenze heißt es nämlich u. a.:»Die Erledigung der kleinen Aufträge wird von Jahr zu Jahrschwieriger, da sich die Arbeiter weigern, zu ein, zwei oder dreiPersonen einen Vertrag anzunehmen; sie ziehen Vertröge zu mehrPersonen vor. Es stellt sich immer mehr die Notwendigkeit her-auS, bei diesen Verträgen einen besonderen Anreiz zurAnnahme zu schaffen, der eventuell in einer Lohn-erhöhung be st eben müßte. Dieses wird um so drin«g e n d e r, als die Organisation der Vermittelung in Galizienmehr und mehr durchgeführt ist..Vorsichtiger konnte die Landwirtschaftskammer sich nicht auS-drücken, um die in dieser Frage cmpfindlicvcn Agrarier nicht zukränke». Wie elend aber müssen die Lohnverhältnisse der Land-arbeiler in Wirklichkeit sein, wenn selbst die Landwirtschaftskammereine Lohnerhöhung für notwendig hält, um überhaupt Arbeiter zubekommen!Krisengerüchte.In parlamentarischen Kreisen verdichteten sich die schon seit Tagenumlaufenden Gerüchte über eine Kanzlerkrise zu der Behauptung,Herr v. Bethmann Holl weg habe bereits sein Entlassung«-gesuch eingereicht. Zugleich würden auch der StaatssekretärdeS Auswärtigen v. Jagow und der Unterstaatssekretär Dr.Zimmermann zurücktreten. Als künftiger Reichskanzler wurdeHerr v. Tirpitz genannt. Herr v. Bethmann solle Statthalter inElsaß-Lothringcn werden, an Stelle des Grafen Wedel, dcr inBerlin eingetroffen ist und vom Kaiser empfangen wurde.Alle diese Gerüchte erklärt jedoch das Wolffsche Bureaunach Erkundigung bei den zuständigen Stellen als müßige Er»f i n d u n g._Berichtigung.Zum Fall Eulert erhalten wir vom Landeshauptmann derProvinz Pommern, Herrn von Eisenbart-Rothe, folgende Zuschrift:„Die Redaktion des„Vorwärts" ersuche ich aus Grund des Z 11des PretzgesetzeS in der nach Eingang dieses Schreibens erscheinen-den nächsten Nummer folgende Berichtigung zu bringen:„In der Ausgabe des„Vorwärts" vom 7. Januar 1914(Nr. 8des 31. Jahrganges) ist in dem Artikel:„Eine behördliche Maßregelung wegen der politischen Üeberzeugung" behauptet worden:1. daß dem bei der Pommerschen Provinzial-Lebensversiche-rungsanstalt als Hilfsarbeiter beschäftigt gewesenen Referen-dar a. D. Dr. Eulert von dem Landeshauptmann von Eisenhart-Rothe zugemutet sei„er solle sich als Opfer sozialdemokratischer Ucberrcdungs-künste hinstellen und, um seine Stellung zu retten, als be-kehrter Sünder gegen die Sozialdemokratie kämpfen",2. daß Herrn Dr. Eulert»eine Bedenkzeit von 43 Stundenbewilligt sei."Diese Behauptungen sind unrichtig. Der Sachverhalt ist viel-mehr nach der protokollarisch festgelegten Aussage des Dr. Eulertfolgender:1. Dr. Eulert gab, nachdem seine Zugehörigkeit zur sozial-demokratischen Partei gerüchtweise bekannt gewoüen ivar,bei seiner Vernehmung durch den Landeshauptmann von Eisen-art-Rothe der Wahrheit zuwider an. daß er zwar früherer sozialdemokratischen Partei angehört habe, daß er aberbereits vor seinem Eintritt in den Provinzialdienst freiwilligau» innerer llcberzeugung aus der Partei ausgeschieden sei.