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Nr. 18. 31. Jahrgang.

Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt. Die Gehilfen.

Montag, 19. Jaunar 1914.

A.Lalbe

Der Arbeitslose.

Schürt nur immer feste das Feuer, um so härter wird mein Stahl!"

Dürr und elend steh'n die Bäume, waren einst voll schöner Blätter- doch die heitergrünen Träume holte sich ein schlimmes Wetter. An den dunklen Vorstadtstraßen stehn die hölzernen Gerippe,

doch ich bin noch mehr verlassen als des Waldes dürre Sippe.

Dürr und leer steh' ich im Leben- träumte einst von einem Garten, träumte einst von Früchtegeben und von freudigem Erwarten.

Ja, es warten viele Hände,

viele harte Sungerarme auf des dürren Baumes Spende, der sich ihrer Not erbarme. Kämen nur die Frühlingszeiten! Doch jetzt schneit der kalte Winter seine harten Grausamkeiten auf die unversorgten Kinder. Meine Hoffnung ist erfroren in dem bitterbösen Wetter meine Träume sind verloren wie der Bäume grüne Blätter

Giftmord.

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Mar Barthel

I alle Stärke so vermorscht, daß es seine Schreckensherrschaft nicht| hinkam. Er brachte seine sadistischen Neigungen aus England, mehr durch offene Gewalt, sondern nur durch die bleiche Furcht seine verbrecherische Kenntnis der Gifte vom afrikanischen Riff, vor den unaufhörlichen, geheimen Vergiftungen aufrecht erhalten und so belastet mit allem Schlechten machte er fleine abgelegene konnte. Aber von Zukretia Borgia bis zu der Marquise von Brin- Dörfer im Taunus zum Schauplatz von Verbrechen und Orgien, willier, und den zwei deutschen Giftmischerinnen, der frommen trug er in weltverlorene mitteldeutsche Bauernhöfe den bösen Keim­Bremer Bürgersfrau Geesche Gottfried und der Nürnberger Dirne stoff der großen Welt und fiel ausschließlich nur der Sorglosigkeit Zwanziger, die alle ihre Dußend Opfer auf dem Gewissen hatten, zum Opfer, die ihn seine stets erfolgreichen Verbrechen durch waren es immer nur Frauen, die gewissenlos und kaltblütig mit Jahre hindurch gelehrt hatten. Gift mordeten und meist die Reihe ihrer Untaten unter dem Schein frömmster Kirchlichkeit verbargen.

Während der ganzen Verhandlung gab es im Gerichtssaal nur einen Menschen, den nichts erregen zu können schien, und der Nun stand in Frankfurt a. M. ein Mann vor dem Schwur- immer gleichmütig saß und sprach, und das war Hopf. Man gericht, der all diese geschichtlichen Erfahrungen umstößt. Er ist weiß nicht, war es Selbstbeherrschung, war es ein Nachlassen fast der erste Mann, der ob solcher Straftaten des Urteils harrt. aller seelischen Kräfte, das all die Antworten auf die schlimmsten Es ist kein verweichlichter, entnervter Schwächling, sondern ein Beschuldigungen so gleichmütig und unverändert herauskommen Hüne, der bis in die letzte Zeit auf dem Varieté sein Kraft- ließ. Beugen und Zeugen traten gegen ihn auf, seine eigene Frau stück zeigte, einen Hammel mit einem Hieb entzwei zu spalten, beschuldigte ihn des Mordversuchs an ihr, eingehend wurde dar­und der zwischendurch Fechtlehrer war, und dennoch hat er das gestellt, wie jede Mordtat und der auf sie folgende Geldgewinn typische Beispiel jener Giftmischerinnen wiederholt und ist ihm fast gerade zur rechten Zeit kam, um den mit Schulden Ringenden in all seinen Merkmalen gefolgt: er hat trotz aller zeitweiliger wieder einmal frei zu machen, aber Hopf erhob die Stimme kaum, anderer Versuche immer dasselbe Mittel angewandt, mit der wenn er sich verteidigte, er warb um kein Mitleid und um keine gleichen sorglosen Gedankenlosigkeit wie sie; er hat seine Mord- mildere Beurteilung, er war wie erstarrt, als sei alle Kraft gus taten auf einen ganz kleinen, eng zusammenhängenden Kreis be- ihm gewichen, seit die Verbrechen ans Tageslicht tamen und er schränkt, was natürlich die Entdeckung wiederum erleichtern mußte; nicht mehr links noch rechts aus dieser schrecklichen Reihe von er hat ziel- und zwecklos gemordet, ganz wie jene Frauen, die nach lebenden und toten Zeugen ausbrechen konnte. anfänglichen Untaten aus Habsucht von dem verbrecherischen Reiz des Tötens so ergriffen wurden, daß sie Menschenleben ver­nichteten, nicht anders, als man Fliegen tötet. Hopf hat seine drei Frauen hoch versichert und dann vergiftet oder zu vergiften ver­sucht, weil er in den Besitz der Lebensversicherungssumme kommen wollte. Auch Vater und Mutter hat er beiseite zu räumen ver­sucht oder beiseite geräumt, weil seine bedrängten Geldverhält nisse eine Erbschaft notwendig machten, aber zwischendurch hat er feine zwei kleinen Kinder getötet, ohne daß der geringste Grund einzusehen ist, einfach um des Tötens willen. Eine Beleuchtung dieser zwecklosen Taten gewinnt man vielleicht, wenn man Hopfs Geschlechtsleben in die Beurteilung mit einbezieht. Man hat bei der Untersuchung seines Hausrats eine Menge obszöner Bilder und sadistische Instrumente gefunden, und darf daraus wohl eine erotische Grausamkeit ableiten, die auch eine der Grundlagen seiner Giftmorde waren.

Russenkultur.

Der Großfürst Konstantin Konstantinowitsch von Rußland hat ein religiöses Drama verfaßt. Es heißt Der Judenkönig" und ist bor einigen Tagen im klassisch- kühlen Theater der Eremitage in Gegenwart der Großen des Reiches" probeweise aufgeführt worden. Das Tageblatt" ist in der beneidenswerten Lage, eine Analyse des Werkes zu bringen, die der Großfürst Konstantin höchstselber durchgesehen und zum Abdruck im Berliner Tageblatt" autorisiert hat.

Natürlich ist die ganze in Musik, Blumenduft und Sonnen­schein getauchte, Frömmigkeit durchwehte Dichtung, die auf dem farbenglühenden Hintergrund des Orients das größte Drama der Weltgeschichte widerzuspiegeln sucht, das Werk eines Poeten. Alles

Giftmordprozesse sind in Deutschland nicht häufig. Der Gift­mord scheint. andere klimatische Verhältnisse vorauszusetzen oder Länder, wo das Gift leichter und ohne weitere Umstände zu er- Hopf hat allerdings eine neue Spezialität in das Verbrechen in allem: ein poetisches Werk, in der Nähe des Thrones geboren, halten ist; einen Revolver oder ein Messer kann jeder kaufen; der eingeführt. Er hat versucht, mit Bazillen zu morden und hat aber ein Werk fürs Wolf". Das Kotowzew Interview ist überboten. Hurra! Weg zum Gift führt nur über einen Apotheker oder einen Arzt. seinen Opfern Typhusbazillen und Tuberkeln in die Speisen ge= Aber der Giftmord scheint auch einen besonderen Volkscharakter mischt. Es fonnte aber nicht nachgewiesen werden, ob diese faft Man hat die Grinnerung an die Blutbäder, die der Zarismus dent borauszusehen; er berlangt tein rohes Draufgehen, er bedarf wissenschaftliche Art des Mordes auch den Tod herbeigeführt hat. geknechteten Volfe bereitet hat, abgestreift wie ein unbequemes feines Muts und keiner Körperkraft, um sein Opfer zu treffen. Hopf selbst scheint der Ansicht gewesen zu sein, daß dieser Weg und unmodernes Gewand, die teuflischen Schreden der Pogrome Der Giftmord ist das feigste Verbrechen, dem all die persönliche zu langsam sei, denn er hat immer wieder zum Arsen gegriffen, find vergessen, man weiß nichts von den Folterungen Unschuldiger Stärke fehlt, die sonst, wie eine irre geleitete Menschlichkeit, in den um den Tod zu beschleunigen. In allen Leichen ist hoher Arsen- in russischen Gefängnissen, man erwärmt sich nicht mehr für das meisten Gewalttaten stedt. Die Geschichte kennt nur Giftmische- gehalt nachgewiesen worden, und wenn Hopf bei seiner Kenntnis Schicksal der Verbannten und Verfolgten, aber man schmachtet rinnen und eigentlich nur ein Geschlecht, bei dem auch die Männer der Chemie auch in jenem Fall das Vorhandensein des Arsens nach der Ehre, einem Großfürsten zu Willen zu sein. so bös, verdorben, weibisch und hinterhältig waren, daß sie das Gift anders erklären wollte, so liegt doch gerade darin der Hauptbeweis

Ein Werk, in der Nähe des Thrones geboren, aber fürs Volk

zu ihrem Lieblingsmittel machten, die Familie Borgia . Der für eine systematische Verbrechenskette. Dieser Frankfurter bestimmt." Ein Erbauungsstoff für das gläubige Volf der Tage. pfäffische Einschlag dieses Geschlechts, in dem die Tochter die Ge- Bürgerssohn, aus einer redlichen bescheidenen Familie, hat die blatt"-Abonnenten, aber nur eine Verhöhnung jenes Volkes, das liebte des Vaters Papst und des Bruders Kardinal war, hatte Raster und bösen Triebe überall in sich aufgenommen, wo er man im Kampfe um Menschenrechte unbedenklich sterben läßt.