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Mitarbeit aller Faktoren der Landwirtschaft und dazu gehören be« sonders die Arbeiter, die verlangen können, dafj sie als gleichberech­tigte Staatsbürger und als wichtige Faktoren im WinichastSleben behandelt werden.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Minister v. Schorlemer bemerkt, daß doch auch die Sozialdemokratie einsehen werde, dag die Landwirtschaft nur bei lohnenden Preisen produzieren könne. Wenn sich diese Preise nicht anders herbeiführen lassen, müssen Zölle zu Rate gezogen werden, besonders dann, wenn eine schwache Produktion vor der Konkurrenz des Auslandes geschützt werden muß. Der Verband der Deutschen Gärtnereigehilfen hat eine Antwort vom Ministerium erhalten. Die weitere Kor- respondenz wurde mit der Brandenburgischen Landwirtschaftskammer geführt, und als dann nochmals an mich das Ersuchen nach einer Antwort gerichtet wurde, habe ich sie nicht gegeben, weil der Ver- band bereits unterrichtet war. dad von seiner Zuziehung zu den Gartenbauausschüssen keine Rede sein könne.(Hört! hörti links.) Die Ausfährungen des Abg. Braun in politischer und staatsrecht- licher Hinsicht und über die Zustände und Begebenheiten in anderen Länder» auberhalb und innerhalb Deutschlands kann ich mit dem Hinweise kurz übergeben, dag wir uns hier in Preutzen be­finden(Abg. Adolf Hoffmann : Sehr wahr! Heiterkeit.) und daß wir unser Verhalten nach unsere», und nicht nach den Grundsätzen anderer Staaten einzurichten haben.(Sehr richtig I rechts.) Nach den bekannten Grundsätzen, die stets dieselben sind und die ich jetzt nicht zu wiederholen habe.<Beifall rechts.) Hätte ich eS unternommen, den Wünschen des zweifellos fozialdemo- kratischen Gärtnergehilfenverbandes stattzugeben, dann würde die Wirkung doch jedenfalls eine negative geweien sein, denn darüber kann erfreulicherweise kein Zweifel obwalten sowohl die Land- lvirtschaftskammern Wie sonstige landwirtschaftliche Kölperschaften sehen von einer Mitarbeit der Sozialdemo- krati« und sozialden, akratischer Verbände ab! (Bravo ! rechts.) Im übrigen hoffe ich, dast die Land» winschaftskammern Arbeitnehmervsrtreter zuziehen werden; denn eS gibt Gott sei Dank im Preuben und Deutschland noch Tausende von Landarbeitern und Gärtnergehilfen, die nicht daran denken, der sozialdemokratischen Organisation beizutreten.(Stürmische Zurufe der Sozialdemokralen. Heiterer Beifall rechts.) Abg. Wachhorst de Wente(natl.): Dl« Obst- und Gcmüsepflanzungen in Holland können für uns vorbildlich sein. Das Interesse, das Dr. Hahn dem Bauernbund schenkt, ist für diesen sehr ersprießlich. Ich habe in seinem Wahl- kreise auch über den Gcmüiezoll gesprochen und erkläre mich auch hier für eine Schutzzollpolit'tk; aber nicht für eine extreme, wie sie der Bund der Landwirte propagiert, da wir nicht nur das Interesse der Produzenten, sondern ebenso auch das der Konsumenten im Auge haben.(Beifall bei den Nationalliberalen.) Abg. Beltin(Z.) glaubt aus statistischen Angaben der Firma Krupp schließen zu können, daß die Löhne für die Arbeiter in höherem Maße als die Lebensmittelpreise gestiegen sind. Abg. Haemsch(Soz.) widerlegt zunächst mit statistischen Angaben die Behauptungen des Vorredners und beweist, daß in den letzten Jahren selbst bei den Kruppschen Arbeitern nach den offiziellen Ziffern der Krupp- schen Konsumanstalt die Lebensmittelpreise weit schneller ge- stiegen sind als die Löhne. Selbst die.Franks. Zt.*, welche doch die Interessen der Bourgeoisie vertritt, hat zugegeben, daß sich die Lehenshaltung der Arbeiter andauernd verschlechtert hat. Die mitgeteilten statistischen Zahlen sind in dem Be- triebe von Krupp festgestellt worden und ihre Beweiskraft für meine Behauptung erhöbt sich noch, wenn man berücksichtigt, daß in der betreffenden Zeit Krupp außer Nr deutlich gut beschäf- tigt gewesen ist, so daß die Löhne im Durchichnttl hoch standen, während andererseits die Lebensmittelpreise in de» Konsumanstalten verhältnismäßig niedrig waren. Die Differenz zwischen Lohn» und Lebenshaltung ist also noch größer, als sie hier erscheint. Auch die.Norddeutsche A l l g e nr Zeitung*, die Sie doch gewiß nicht für sozialdemokratisch beeinflußt hallen, hat zugegeben, daß "SfF Lohnerhöhung nicht m l tder Lebenshaltung der Arbeiter Schritt gehalten hat. Wir werden bei der Be- Handlung der Gewerbeinspektion auf diese die Lage der Arbeiter be- treffenden Fragen noch näher eingehen. Ter Minister sagte von oben herab, daß man sich in Preuße» mit sozialdemokratischen Or- ganisationen nicht einlassen werde. Aber der Gärtnereiverband, der der ministeriellen Antwort nichi gewürdigt worden ist, ist keine politische Organ iiation der Sozialdemokratie, sondern eine gewerkschaftliche Organisation. Diesen Unterschied sollten die Herren von der Regierung doch schon kennen. Aber selbst Iveml dieser Verband eine sozialdemokratische Organisation wäre, so werden sich doch die Herren gewöhnen müssen, mit solchen zu verhandeln, genau so wie sie sich daran haben gewöhnen müssen, mit der sozialdemokratischen Fraktion im Hause zu rechnen. Sie sollten daher in Ihren Aeußerungen vorsichtiger sein. (Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Ohne Hilfe der sozial- demokratischen Fraktion wäre in der vorigen Session das Feuer- bestattungsgesetz nicht angenommen worden, und vielleicht kommt noch in dieser Session der Tag, wo die Regierung für eine ihrer Vorlagen unsere Hilfe gebraucht. So etwas kommt zwar sehr selten vor, aber man darf doch nicht alle Hoffnung aufgeben. Das arbeitende Volk kann mit dem Ausgang dieser Landwirtschaftsetats- debaite sehr zufrieden sein. Sie war nichts als ein einziger Schrei der agrarischen Rechte» nach Zöllen. Als gestern über die Forderung des Jmkerstandes gesprochen wurde, wurde ein H o n i g z o l l verlangt, ein S e e f i s ch z o l l wurde verlangt, heute wird ein Gemiisezoll verlangt. Sie sind mit den bestehenden Zöllen nicht einverstanden, Sie wollen diese Zölle noch erhöhen, Sie wollen den lückenlosen Zolltarif. Was werden Sie anderes damit erreichen, als daß Sie den Wtoer- stand der Arbeiterschaft und des Mittelstandes wachrufen!(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es ist Zeit, das Volk auf die dunklen Wege des Wuchers aufmerksam zu machen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Indem Sie Gemüse, Honig, Fische dem Zoll unterwerfen, verschlechtern Sie die Lebenshaltung des�Volkes. Sie setzen es der Gefahr der Volks- krankheiten aus, Sie treiben eS der Schwindsucht in die Arme, Sie schlagen der Volksgesundheit die schwersten Wunden und kleben nachher kleine Pflästerchen auf, aber damit ist dem Volke nicht gedient, sondern lediglich mit einer V e r b i l l i g u n g der Lebensmittel und einer großzügigen Sozial- Politik. Wir werden deshalb das ganze preußische Volk zum Kampf gegen Ihren Lebensmittelwucher ausrufen. Das preu­ßische und das ganze deutsche Volk wird uns dafür dankbar sein. (Widerspruch rechts. Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Hahn(k.): Das Gegenteil von dem, was dep Abg. H a e y i s ch behauptet, ist richtig. Unter dem Segen des Schutzzolls hat sich die Lage der Arbeiter wesentlich gehoben, ebenso der allgemeine Wohl- stand und auch vor allem unsere heimische Industrie. Wenn sich in Holland eine Industrie nicht entwickelt hat, so ist das Fehlen des Schutzzolles allein daran �schuld. Selbst bei den Fort- s ch r i t t l e r n haben sich jetzt Stimmen zugunsten des Schutzzolls erhoben. Vor allem hat sich unsere Industrie infolge des Schutz- zolls entwickelt, so daß sie ihre Kapitalien auf dem inländischen Markt anlegen kann und die Arbeiter nicht gezwungen sind, in großen Massen, wie es in England der Fall ist, auszuwandern. (Lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Die Frei- sinnigen sollten sich bei den Sozialdemokraten bedanken, denn diese hqben durch ihre Agitation gegen den Schutzzoll Klarheit in der ganzen Lage geschassen.(Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Wachhorst de Wente(natl.)' polemisiert gegen den Abg. Hahn und verteidigt den Bauernbund. Abg. Hirsch(Soz.): Es gehört zu den Gewohnheiten dieses Hauses, den Rednern der Linken und namentlich uns Sozialdemokraten den Vorwurf zu machen, daß sie durch ihr Eingreisen die Verhandlungen in die Länge ziehen und die rechtzeitige Erledigung des Etats verhindern. Wenn bei nächster Gelegenheit, woraus wir ja gefaßt sind, das wieder gesagt wird, dann brauchen wir uns nur auf das Protokoll der heutigen Sitzung zu berufen iSehr gtu! bei den Sozialdemo. kraten), und Sie werden dann sehen, wer daran schuld ist. daß die Verhandlungen in die Länge gezogen werden. Ich bin der letzte, der Herrn Dr. Hahn seine zollpolittschen Reden übel- nimmt, denn er hat uns nicht nur alles das erzählt, was er eigent- lich im Reichstag sagen wollte, aber zu meinem Bedauern don nicht sagen kann(Heiterkeit links), sondern er hat auch alles das ausgeführt, was er uns in den nächsten zwei bis drei Monaten, wo er wahrscheinlich verhindert sein wird, hier zu erscheinen(Sehr gut! links), auch nicht sagen kann. Er nimmt ja stets bei diesem Etat das Wort, um über alles mögliche zu reden, aber seine Argumente bilden immer einen Gegensatz zu den Tatsachen. Uns wirft man vor, daß wir hier so sprächen wie in einer Volks- Versammlung, indeffen hat hier Dr. Hahn nichts wie Worte ge- sagt, von denen nichts stimmt. Er hat ein Loblied gesungen von der Tüchtigkeit der K a p i t a l i st e n. denen der ganze Wohl- stand in Preusten und Deutschland zu danken sei. Dann hat Dr. Hahn auch die Geschichte mehrfach aufgewärmt, die seit Wochen durch alle reaktionären Zeitungen geht, daß angeblich bei dem großen Schneesall in Berlin sich nicht genügend Arbeits- lose zum Schneeschippen gemeldet hätten, und daß es daher keine Arbeitslosigkeit gäbe. Es ist festgestellt worden, daß sich nur in den ersten Stunden nicht genug Leute gemeldet haben, weil sie nicht wußte», wo das zu geschehen hatte, im übrigen aber waren die Meldungen so zahlreich, daß sie lange nicht alle berücksichtigt werden konnten.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Nach Dr. Hahn will die Sozialdemokratie nichts von dem Schutz der heimischen Arbeit wissen. Wir sind vielleicht die einzige Partei, die die heimische Arbeit wirtlich schützt. (Lachen rechts), aber wir wehren uns dagegen, daß unter dem SchlagwortSchutz der heimischen Arbeit* eine Politik getrieben wird, die nur darauf hinausgeht, die Lebenshaltung des gesamten Volkes zu verteuern. Wir halten einen Schutz der heimischen Arbeiter für nötig. Sie richten fortgesetzt Angriffe auf die win- zigen Rechte der heimischen Arbeiter, um sie, an Händen und Füßen geknebelt, dem Zollwucher auszuliefern!(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Herr Hahn hat sich gewundert, daß Abg. Haenisch die Sozialdemokratie als eis« Klasssnpartei be- zeichnet hat. Daraus haben wir nie ein Hehl gemacht. Sie sind es noch viel mehr! Wenn wir aber sagen, daß wir eine Klassenpartei sind, dann ist damit nicht gesagt, daß wir die Jnter- essen oersenigen Bevölkerungsschichten/ die nicht zur Arbeiterklasse gehören, etwa vernachlässigen wollen. Wir glauben, der Arbeiter- klasse am besten dadurch zu nützen, daß wir der Gesamtheit nützen! Es ist Tatsache, daß seit Beginn der Schutzzollära, 1879, der all- gemeine Wohlstand sich gehoben hat. Sie widersprechen aber immer, wenn wir bei der Etatsberatung nachweisen, wie un- geheuer sich der Wohlstand gehoben hat nämlich, wie sich die großen Vermögen vermehrt haben, während die Arbeiter und der Mittelstand nur sehr wenig, wenn überhaupt, etwas davon haben. Die Steuerstatistik beweist das. Sie übersehen auch, daß die Einkommen der unteren Steuerklassen heute weit schärfer erfaßt werden, als die der Besitzenden, und daß die Stei- gerung der Löhne durch die Verminderung des Geld- wertes wettgemacht ist. Sie betrachten nur die nackten Zahlen, statt dies zu berücksichtigen. Wenn aber die Löhne absolut, nicht relativ, gestiegen sind, so trotz der Schutzzölle und einzig uno allein mit Hilfe der Gewerkschafte», gegen die Sie nach einem neuen ZuchthauSgesetz rufen.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Herr B e I t i n hat sich ein paar Lebensmittel der Krupp- magazine herausgesucht, die zufällig nicht teurer geworden sind; die Gesamtziffern der amtlichen Feststellungen zeigen aber, saß selbst bei Krupp die Löhne nicht so gestiegen sind. wie die Preise der Lebensmittel! Trotz alledem wollen Sie die Zölle noch weiter erhöhen. Wir werden aus den Debatten von gestern und heute Kapital schlagen und die Gesamt- bevölkerung ausklären über die Z o l l w u ch e r e r und ihre Pläne! (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Hahn(k.): Wer hat denn diese Zolldebatte verschuldet?(Abg. Ad. Hoff- mann: Hahn kam, sah und krähte! Heiterkeit.) Das war bei der Frage des Honigzolls, wo Abg. Varenhorst über die Zollpolitik der Nationalliberalen sprach. Der Redner polemisiert eingehend gegen den Wachhorstschen Bauernbund, der die Kleinen demokratisch gegen die Großen aufhetze und damit immerhin Er- folge erziele. Gewiß, wir haben auch unter den Nationalliberalen vortreffliche Agrarier gehabt, wie O r i o l a, haben sie noch, wie Hehl und Schifferer; abÄ die Linksnationalliberalen machen Extratänze mit den Freisinnigen und selb st Sozialdemokraten. Der gegebene Anschluß der Nationalliberalen ist aber bei den Konservativen! Der Redner spricht schließlich vom Befitzsteuerantrag Bassermann-Erzberger. (Präsident Graf Schwerin : Aber die Besitzsteuer gehört doch nicht mehr zum Obst- und Gemüsebau! Heiterkeit. Beifall links. Abg. Ad. Hoffmann: Faules Obst! Abg. Hirsch: Steht aber im Konzept!) Ich kehre zurück zur Landwirtschaft! (Zurufe links: Zum Kohl!) Dr. Hahn redet dann über die Wahlen in der Provinz Hannover . Abg. Dr. Pachnrcke(Vp.): Gestern fing Varenhorst mit der Zollpolitik an heute Dr. Hahn, daran ist nicht zu rühren! Er ist höchst selten hier wir werden nicht dann zollpolitische Debatten führen, wenn es Herrn Hahn paßt. Wir verlangen übrigens gleiche Liberalität für uns (Sehr wahrl links); schneiden Si« uns dann nicht das Wort ab! Abg. Wachhorst de Wente(natl.): Wo und wann haben wir Kleine gegen Groß« aufgehetzt? Das weisen wir entrüstet zurück! Die Debatte schließt. Die Resolution der Budgetkonnnisfion wird angenommen Abg. Richtarsky(Z.) weist auf die Reformvcdürftigkeit der Be- stimmungen über die landwirtschaftliche Unfallver- s i ch e r u n g hin. Das Haus vertagt sich. Montag H Uhr: sreikonservative Interpellation über Dienst- böte»Versicherung. Schluß nach 4 Uhr._ Fiskalische plusmacherei. Die von der preußischen BergwerkSverwaltung dem Landtage vorgelegte» Nachweisungen über die Betriebsergebnisse des fiskalischen Bergbaues für das Jahr 1912 lassen die Kunst staatlicher Plus- mackierei stark heraustreten. Von Vertretern des privaten Berg- baueS war der königlichen BergwerkSverwaltung schon mehrmals der Vorwurf gemocht worden, sie wirtschafte nicht gut, hole zu wenig Profit heraus. Dabei tat sich besonders der Syndikus der Essener Handelskammer, Abg. Hirsch, ein Schwiegersohn des bekannten Herrn Buek, hervor. Mit den Angriffen war zweierlei geplant: der Anschluß der fiskalischen Gruben an das Kohlensyndikat und die Unterstützung seiner Preispolitik, ferner sollte die fiskalische Ver» waltung angereizt werden, spatsam zu sein, recht niedrige Löhne zu zahlen, damit sie dem Privatbergbau keine Arbeiter fortlocke. Nach dieser Richtung hat der FiskuS denn auch gehorcht: er hielt die Löhne niedrig, auf einem viel niedrigeren Niveau als die Privatindustrie, und er mächte trotz einiger Scheingefechte gegen das Kohlensyndikat dessen Preispolitik getreulich mit. Wo sich die Ge- legenheit dazu bot, ging die königliche Bergwerksverwaltung mit ihren Preisforderungcn sogar noch über öie der Privatgrubcn hinaus. In Wirklichkeit waren die Ueberschüsse der Staatswerke auch nie niedrig. Die ausgewiesenen Reingewinne waren nur rechnerisch zurückgegangen, seitdem der Fiskus die Erweiterung seines Bergwerks- besitzes durch die Anlage neuer Gruben in Westfalen begonnen hatte. Große Summen für Betriebsanlagen wurden aus Betriebsmitteln gedeckt und das gesamte für die neuen, noch nicht betriebsfertigen Gruben- aufgewendere Kapital auf die erzielten Ueberschüsse ver« rechnet. Auf solche Weise kann man bei den lukrativsten Unter- nehmen Verluste ausrechnen.' Auch jetzt erfordern die Werke in West- falen noch große Zuschüsse, wenn auch die Förderung schon auf- genommen worden ist. Von größter Bedeutung für die Betriebsergebnisse des JahrcS 1912 war die Gunst der Verhältnisse am Kohlenmarkt, die der FiSkuS auszunutzen verstand. Kein Wunder daher, daß nun die preußiich-fiskalische PluSmacherkunst wieder in der schönsten Beleuch- tung ersirahlt. Der im Betriebsjahre 1912 erzielte Reingewinn be- trägt 10,8 Proz. vom buchmäßigen Betriebs- und Anlagekapital, gegen nur ö,9 Proz. Reingewinn als Ergebnis des voraufgegangenen Jahres. Mit einem Hinaufschnellen des Weingewinne» von 23,4 Millionen Mark auf 46,2 Millionen Mark ergibt sich eine Steigerung von fast 100 Proz. An der Gewinnsteigerung sind alle Bergbauunternehmen be- teiligt, aber der Steinkohlenbergbau steht dabei doch weitaus an erster Stelle. Obgleich der staatliche Steinkohlenbergbau in West- falen immernoch mit einem Defizit in dem Abschluß erscheint, schließt die Verwaltung der Steinkohlenbergwerke trotzdem mit einer Steigerung de? Reingewinnes ab, der mit>8 Millionen Mark gegen das Vor- jähr die Kleinigkeit von rund 150 Prozent ergibt. Daß die Plusmacherei wenigsten« zum Teil auf Kosten der Ar- beiter erfolgte, wenn sie auch wesentlich aus der Preiswucherei resultiert, das lassen folgende Angaben erkennen: die Gesamtzahl der in den fiskalischen Werken beschäftigten Arbeiter stieg im Jahre 1912 um 2124 auf 10S S62 oder um 2,02 Prozent bei 100 Prozent Gewinnsteigerung. Inwiefern gesteigerte Leistung der Arbeiter, resp. erhöhte Förderung bei der Gewinnzunahme beteiligt war, läßt diese Uebersichl erkennen. Es betrug: Mitbin Steigerung 1911 1912 in Proz. Die Steinkoblenförderung Mill. To.. 20.2 23.3 12,8 Zahl der beschäftigten Grubenarbeiter 90 267 92 436 22,2 Der erzielte Reingewinn Mill. Mark. 12,1 30,2 150, Welcher Gewinnsegen wird erst der fiskalischen Plusmacherei entquellen, wenn die westfälischen Gruben aus dem Stadium der Zuschüsse in die schöne Zeit der Ueberschüsse eintreten! Dafür werden auch die Staatsarbeiter von den Junkern die sich aus den Ueber- schüssen selbst sehr reichlich alimentieren, als Hörige, als Staats- bürger 4. Klasse behandelt. Man verbietet ihnen die Ausübung de» KoalitionsrecktS und bei den Wahlen sollen sie, bei Gefahr gemäß- regelt zu werden, den Sieg der Koalitionsrechtsräuber gegen Arbeitervertreter durchletzen helfen. Auch in dieser Beziehung gibt eS keine Aenderung, solange in Preußen daS TerroriSmus-Wahlrecht besteht, daS die Junker zu Herren und Gebietern macht. Gerichtszeitung. Wenn Liebe sich in Haß verwandelt. Zu recht ledhaften GefühlSauSbrüchen, die wiederholt den Vor- fitzenden zu einem Einschreiten zwangen, kam eS in einer Berhand- lung, welche gestern unier Borsitz des LandgerichtsdirektorS Jacob die 2. Strafkammer des Landgerichts II beschäftigte. Aus der Untersuchungshast wurde der frühere Gastwirt Wilhelm Lamv vor- geführt, um sich wegen Betrug» und Unterschlagung bezw. Untreue in Gemeinschaft mit der Aufwärterin Frida Waldt geb. Weber vor den Strafrichtern zu verantworten. Ter Angeklagte Lamp hat eine sehr ereignisreiche Vergangenheit hinter sich. Wenn er zufällig nicht im Gefängnis saß, betätigte er sich als Agent. Reisen- ver, Gastwirt, Gutsbesitzer und Terrainspetulant usw. Zuletzt eröffnete er eineEdelbananenkakao-Fabrik". DaSFabrikgebäude* bestand aus zwei leeren Stuben und einer Küche. Um die nötigen Betriebsmittel zu erlangen, trat L. mit einem Kellner M. in Ver- bindung. dem er einen Hypothekenbrief über 8000 M. für 600 M. verkaufte. Mit diesem Hypothekenbrief hatte es eine eigene Be. wandtnis. Der Angeklagte war auf irgend eine Weise in den Besitz eines irgendwo an der Nordbahn gelegenen Terrains gelang», welches einen Wert von zirka 25 000 M. haben soll. Dieses Grund- stück trug eine 1. Hypothek von 20 000 M., zu welcher noch eine zweiteSchornsteinhypothe!" von 3000 M. kam. Einige Zeit nach. dem M. die Hypothek gekauft hatte, erschien der Angeklagte wieder bei ihm und erzählte, er könne den Brief jetzt für 1500 M. ver» kaufen, sodaß M. 900 M. verdienen würde. In der Hoffnung, ein gutes Geschäft zu machen, gab M. denwertvollen" Hypothekenbrief heraus. Einige Tage später erschien die jetzige Mitangeklagl« Waldt, die mit Lamp im Konkubinat lebte und sich alsFrau Lamp" ausgab, bei einer Frau Vorpahl und lieh sich aus den Hppo- thekenbries hin 440 M. Als Frau V. später ihr Geld nicht zurück- erhalten konnte, verklagte sie dieEheleute Lamp*. Di« Angc. klagte Waldt ließ sich auch ruhig alsFrau Lamp* verklagen, erst als der Gerichtsvollzieher bei ihr erschien, kam sie damit heraus, daß eS eineFrau Lamp" gar nicht gebe. Aus den beidenEhe- leuten" sind inzwischen grimmige Feinde geworden, die sich vor Gericht gegenseitig belasteten. Sie bezichtigten sich vor Ge- richt gegenseitig aller möglichen Schandtaten und um ein Haar wäre es sogar zu Tätlichkeiten auf der Anklagebank, gekommen, wenn nicht der Vorsitzende rechtzeitig eineEhescheidung* vorge. nommen hätte, indem er anordnete, daß die Frau Waldt von dem Sachverständigentisch aus ihre Erklärungen abgeben sollte. Da» Gericht sprach Lamp von der Anklage der Unterschlagung in einem Falle frei. Im übrigen lautete das Urteil gegen ihn auf 5 Monate Gefängnis unter Anrechnung von 4 Monaten der Untersuchungs- hast, dagegen wurde die Angeklagte Waldt zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt._ Adoptionsschwindel. Ein von Holland aus inszenierter Adoptionsschwiudel lag einer Anklage zugrunde, welche gestern den Kaufmann Walter Albcrti, zuletzt in Rhenen (Holland ) ansässig, vor die 1. Strafkammer de? Landgerichts II führte. Ter Angeklagte, der wegen ähnlicher Schwindeleien, zuletzt von derRechtSbank", dem holländischen Ge- richtshof in Dortrecht, schon wiederholt vorbestraft ist, erließ vor einiger Zeit in Berliner und auswärtigen Zeitungen Inserate, in denen er Leute suchte, die gewillt wären,«inKind diskreter Ge- burt* gegen eine einmalige größere Abfindung als eigen anzu- nehmen. Es meldeten sich zahlreiche Personen, darunter auch viele, die es hauptsächlich aus die Abfindung abgesehen hatten, die dann von dem Angeklagten ein hektographischcs Schreiben bekamen, in welchem sie aufgefordert wurden, 2 M.Annahmegebühr" und ö M. für die einzuziehende Auskunst einzusenden. Mit der Ein. sendung dieser 7 M. schloß zumeist das Geschäft ab. Zu einer größeren Entfaltung dieses Schwindels kam es nicht. da der Angeklagte, gegen den verschiedene Strafverfahren wegen