nicht ber Fall war, welche MaHregeln empfahlen sich,«m ein« einheitliche HandhaKung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Koalitionsfreiheit und zur Abwehr des Koalitions zwanges herbeizuführen? 4. Empfiehlt es sich, eine zwil-rechtliche Haftung der Koali- twmen für Schaden, den dieselben im Widerspruch mit den Ge. setzen und guten Sitten durch Beauftragte herbeiführen, einzu führen? 8. Welche Erfahrungen liegen bezüglich deZ wirtschaftlichen und politischen Boykotts vor? 6. Wie ist die Lage der ausländischen Gesetzgebung und welche Erfahrungen sind im Auslande bezüglich der uitter Ziffer 1 bis 5 aufgeführten Materien gemacht worden? Eine gleichzeittg eingebrachte Resolution der Führer der christ- Iichen Arbeiterbewegung, der Abgg. Behrens, Giesberts und Schift scr wünscht die Ausdehnung der Tenkfchrift auch„auf die Ersah- rungen über solche Auswüchse des Koalitionswesens im Wirtschaft� lichen, gesellschaftlichen und politischen Leben, die nicht von Ar> heitern und Angestellten und deren Koalitionen, insbesondere aber auf die Erfahrungen und Maßnahmen, die von Arbeitgebern und deren Organisationen durch Beschränkung der gesetzlich gewährlei- steten Koalitionsfreiheit, ArbeitSaus-schluß von Angehörigen bc sttmmter Vereinigungen und Verbände, Zwang zum Eintritt in Weriverein«, Führung schwarzer Listen, geheime Abmachungen über Annahme oder Nichtannahme von Arbeitnehmern, Streikbrecher� vermittelungSwescn usw. veranlaßt wurden". Damit steht fest, daß die Zahl der Stimmen, die auf den konser, vativen Antrag entfallen werden, wohl nicht größer als im Vor fahr sein wird. Wer es wirklich ehrlich mit dem KoalitionSrecht meint, der wird für den sl�iaidemokrattschen Antrag stimmen muffen, politische Ueberficht. Die Abrechnung. Je länger sich im Reichstage die Aussprache über unsere .Handelspolitik hinzieht, um so eifriger wiederholen die Redner der Zollwucher-Parteien den Vers von dem Segen des Zoll' Wuchers. Arn Freitag produzierte sich in dieser Kunst zunächst ein edles Paar: der Stöckerjüngling Behrens und der— einst so wütige Sozialistenfresser Dr. Becker(Hessen ). Ihnen folgte Genosse M o l k e n b u h r. Er widerlegte die allgemeinen Redensarten der Zollwucherer, indem er auf die wirtschaftliche EntWickelung, ihre Gründe� und ihre Folgen an Hand der amtlichen Statistik einging. So konnte er aufs klarste darlegen, daß der Zollwncher durchaus nicht die guten Wirkungen gehabt hat, die ihm die Zollwucher-Parteien zu schreiben, daß er vielmehr die Arveiter aufs schioerste ge schädigt hat. Ebenso wirksam wies Genosse Molkenbühr die Behauptung zurück, als ob es dem Zollwucher zu danken sei, daß die Arbeiterversichcrungen durchgeführt werden konnten. Besonders unangenehm war es den Gegnern, als unser Redner aus-der Geschichte unserer sozialen und wirtschaftlichen Gesetzgebung in Erinnerung brachte, daß die Zoll. lvucher-Parteien vor jedem Raubzug auf die Taschen des arbeitenden Volkes versucht haben, die Arbeiter durch ein Zuchthausgesetz zu knebeln. Dies hinderte freilich nicht den Abg. E m m i n g e r vom Zentrum, den Nachfolger des Freiherrn von T h ü n e f e l d, 'die alten zollwucherischen Redensarten noch einmal zu.wieder- holen und im Anschluß daran die besonderen Zollwucher- wünsche seiner Wähler vorzutragen. Damit zeigte er aber Äur, daß es auf der Bahn des Zollwuchers kein Halt gibt. Die Herren mögen den Zollwucher noch so weit treiben, das Geschrei nach Verschärfung des Zollwuchers hört nicht auf. Zu Anfang der Sitzung brachten die Abgg. Wein- hausen(Fortschrittliche Volkspartei ), D o m b e k CPole) und W a r m u t h(Reichspartei) noch einige sozialpoliftsche Wünsche vor.— Nach einer rein sachlichen Rede des Präsidenten der Reichs- bank H a v e n st e i n über die Bankpolitik wurde die VerHand- lung auf Sonnabend vertagt_ Abgeordnetenhaus. Am Freitag hat das Abgeordnetenhaus den Etat der D o m ä n e n- Verwaltung zu Ende beraten. Die Debatte bewegte sich aus- nahmSweise einmal in rein sachlichen Bahnen. Unter den zahlreichen Anregungen verdienen besondere Beachtung die unseres Genossen H o f e r, die darin gipfelten, daß der Staat die Domänen heute viel zu billig verpachte und daß bei der Neuverpachtung Wert darauf gelegt werden müsse, daß solche Zweige der Landwirtschaft betrieben werden, die dem vorhandenen Boden entsprechen. Mit Nachdruck be- tonte er die Notwendigkeit, durch sachgemäße Aufsicht die Pacht- ertrage zu steigern, da daS durch die hohen Lebensmittelzölle aus- geplünderte Volk ein Recht habe, zu verlangen, daß der Staat aus seinen Domänen höhere Einnahmen zieht. Im weiteren Verlauf seiner von wahrer Liebe zur Landwirtschaft getragenen Ausführungen besprach er die Frage, ob der Großgrundbesitz oder der Kleingrund- besitz rentabler sei, wobei er sich im Gegensatz zu David und Schulz und auch zu den Liberalen gegen die Zerschlagung des Großgrund- besitzeS aussprach und sich für einen von Arbeitern genossenschaftlich geführten Domänenbetrieb ins Zeug legte. In den sozialistischen Arbeiter» und Bauerngenossenschaften, so schloß unser Genosse seine interessanten Ausführungen,- wird die deutsche Landwirtschaft ihre Wiedergeburt feiern, wenn der heutige landwirtschaftliche Großbetrieb untergegangen sein wird. Die Hofersche Rede ist ein Beweis dafür, welches Interesse die Sozialdemokratie der Landwirtschaft entgegenbringt, sie wird denen die Waffen aus der Hand schlagen, die uns fortgesetzt als Feinde der Landwirtschaft hinzustellen belieben. Am Sonnabend wird der Forstetat beraten. Ter Seuiorenkonveut des Reichstags traf am Freitag Anordnungen über die Beratungsgegenstände in der nächsten Zeit. Bis zu den Osterserien find noch 41 SitzungStage. Zunächst soll am Sonnabend der Titel.Staatssekretär deS Innern' zu Ende gebracht werden. Arn DtenStag werden dann einzelne Titel de» Etats des Innern zur Beratung gelangen. Am Mittwoch soll die Debatte stattfinden über das BereinSgefetz; außerdem sollen an diesem Tage die Abstimmungen über die Resolutionen zum Etat deS Innern borgenommen werden. Auf Anregung von sozial- demokratischer Seite wird man auch versuchen, baldmöglichst Wahl» Prüfungen auf die Tagesordnung zu dringen. Nach der zweiten Beratung des Etats des Innern soll die zweite Beratung des Reichs» justizetat« folgen, dann des Reichspostetats, der ReichSdruckerei und der ReichSeifenbahn. Die elsasfische Krise. Der Statthalterlvechsel ist vorläufig vorschoben worden. Tie„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" teilt mit: Wie wir hören, hat sich der 5teiserliche Statthalter Gras d. Wedel J&erett erklärt, noch einige Monat« auf feine« Posten zu bleiben, um die Nachfolger des Staatssekretärs Frciherrn Zorn v. Bulach und anderer aus ihren Aemtern scheidender Mit- glieder der reichSländischen Regierung in die Geschäfte einzu- führen. Politisch wird durch diesen Aufschub nichts geändert. ES bleibt bestehen, daß die elsässische Regierung der Soldateska als. Sühneopfer geschlachtet wird, daß sie gehen muß, weil selbst die spärlichen Garantien, die ihr in Donau - e s ch i n g e n geboten worden sind, wieder zurückge n o m m e n wurden. Und damit diesem lieblichen Gemälde auch der letzte Strich nicht fehle, können die„Straßburger Neuesten Nachrichten" noch mitteilen, daß die Reichsregierung auf die Durchdringung der beabsichtigten Ausnahme ge setze für Elsaß-Lothringen nicht verzichtet hat! Generalleutnant v. Deimling aber steht vor seiner B e- förderung zum General der Infanterie-, er soll mit der Führung des 14. Armeekorps in Karlsruhe betraut werden und dann allerdings Straßbnrg verlassen— als Sieger Neue militärische Uebergriffe im Reichslande. Ter Ausgang des Reuter- und Forstner-Prozesses scheint in manchen Offizieren die Ansicht noch mehr befestigt zu haben, daß sie die über allem Gesetz stehenden Beherrscher des Zivilistenpacks sind und dieses ganz nach ihrem Belieben mißhandeln können Wie dem„Berliner Tageblatt" aus Straßburg i. E. berichtet wird, hat sich in Sablon bei Metz bei der dortigen Kaisergeburtstagsfeier des Pionierbataillons«in Vorfall zugetragen, der fast die Zaberner Uebergriffe des Militärs noch übertrifft. Den Aufführungen der Musik hatten zwei französisch sprechende Lothringer zugehört, als ein Leutnant mit der Aufforderung zu ihnen getreten sei, entweder deutsch zu sprechen oder das Lokal zu verlassen. Die Loth- ringer seien dieser Aufforderung nachgekommen und hätten sich in das bor dem Feftsaal gelegen« Restaurant begeben, wo sie sich mit zwei hinzukommenden Lothringern weiter in ftanzösischer Sprache unterhalten hätten, aber in ganz ruhiger Weise. Der Leutnant sei jetzt auch in das Restaurant gekommen, und da er hörte, daß die Lothringer nicht deutsch sprachen, habe er sie in der energischsten Weise aufgefordert, das Lokal zu verlassen, da sie durch ihr Benehmen die Kaisergeburtstagsseier absichtlich störten, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Die Lothringer erwiderten in Deutsch , so gut sie es konnten, daß sie sich in ihrer Unterhaltung nicht stören laffen würden und daß sie in der Wirtschaft bleiben würden. Der Leutnant habe dann den Major herbeigeholt, der ohne jegliche Verhandlung die vier Lothringer durch Unteroffiziere und Mannschaften habe verhaften lassen. Da die Lothringer ihre Mützen aufbehielten, habe sie der Major folgendermaßen an- gefahren:„Nehmen Sie die Mütze ab. Sie stehen vor einem königlich preußischen Major!" Bevor die Leute der Aufforderung nachkommen konnten, habe der Major einem von ihnen die Mütze mit einer derben Ohrfeige vom Kopfe geschlagen. Das sei geschehen, während die Unteroffiziers den Mann bereits festhielten. Mit der Bemerkung: Verzeihen Sie, Herr Majori" habe einer der Männer Aufklärung von dem Major zu erlangen»ersucht. Der Major habe es jedoch nicht so weit kommen lassen sondern angeblich gerufen:„Ihre Mutze kennzeichnet Sie schon, die guten Franzofen sind alle ausgc- wandert, was noch hier ist, ist bloß die Hefe vom Volk." Darauf eien die vier Leute, von Offizieren und Unteroffizieren begleitet, guf das Bürgermeisteramt von Montignh gebracht und dort der PolizeigeUXtlt übergeben worden, worauf sie dann auf freien Fuß gesetzt worden seien. Metz , 30. Januar. Zu dem im heutigen ersten Morgen- blatt der„Frankfurter Zeitung " aus Metz gemeldeten Vor- all bei der Kaisergeburtstagsfeier des 20. Pionierbataillons gibt das Generalkommando des 16. Armeekorps folgende Richtigstellung: Die vier Lothringer erregten im Vorderzimmer des Lokals den Unmut der dort anwesenden Offiziere, Unter- osfiziere und Mannschaften, weil sie ihre französisch geformten Mützen auf dem Kopfe behielten und sich laut in französischer Sprache unterhielten. Dieses Benehmen mußte gerade am Geburtstage Seiner Majestät als eine Herausforderung an- gesehen werden, und der höflichen Aufforderung eines Offi- ziers, das Lokal zu verlassen, weil es in allen Teilen von dem Bataillon für den Abend gemietet sei, wurde nicht nachge- kommen. Der sodann herbeigeeilte Bataillonskommandeur hat nicht, wie angegeben, den: einen dieser Leute die Mütze vom Kopfe geschlagen, fondern sie ihm abge- n o m m e n, weil er der Aufforderung, die Mütze abzunehmen, nicht nachkam. Auch von einer Ohrfeige durch den Bataillons- kommandeur ist keine Rede. Darauf sind die Leute in durch- aus ruhiger Form aus dem Lokal herausgebracht und der Polizei zugeführt worden. Die Unrichtigkeit der Schilderung i)es Vorfalles durch die„Frankfurter Zeitung " beweist ferner ,Zec Umstand, daß schon heute eine schriftliche Erklärung der vier beteiligten Lothringer vorliegt, in der sie bedauern, die Feierlichkeit gestört zu haben, und ausdrücklich erklären, daß ihnen Beleidigungen ferngelegen haben. Tie vier Leute haben sich außerdem bereit erklärt, mündlich bei dem Ba- taillonskommandeur um Entschuldigung zu bitten. Eine Aufklärung dieser Angelegenheit ist entschieden not- wendig. Wie erwähnt, wird versichert, daß die Lothringer sich in keiner Weife etwa über die Kaisergeburtstagsseier des Bataillons lustig gemacht, noch auf dem Wege zum Bürgermeisteramt sich irgendwie unanständig benommen oder zur Wehr gesetzt hätten. Die Erklärung des Generalkommandos bestätigt demnach im wesentlichen die Meldung der„Franks. Zeitung" und des„Berl. Tageblatts". Die Zustände in Elsaß-Lothringen werden immer unhaltbarer. Das Urteil gegen die Zeugfeldwebel hat Rechtskraft erlangt. Die Angeklagken wie der Gcrichtsherr haben auf die Etulegung der Revision verzichtet. Noch billiger als mit etlichen Wochen Stubenarrest davonzukommen, konnten allerdings die Schleuder, Hinst und Genossen nicht hoffen. Und offenbar wollte es auch der Gerichtshcrr„nun genug des Skandals" sein lassen. Was freilich die Sozialdemokratie nicht hindern wird, die Absonderlichkeiten des Krupp-Pro- zefses im allgemeinen und des letzten Prozesses gegen die Zeugleutnants im besonderen noch recht scharf unter die Lupe zu nehmen. Und wenn vollends Herr Brandt durch Be- treibung des Wiederaufnahmeverfahrens eine nochmalige Wiederaufrollung des Krupv-Prozesses herbei» zuführen bemüht sein sollte— um so besser! Unserer Teil- nähme am Prozeß kann er sicher sein! Wahlrechtsdemonstration in Brannschweig. In Braunschweig ist gestern der 32. ordentliche Land» tag im Thronsaale des Schlosses durch den Herzog mit einer nichts- sagenden Thronrede eröffnet. Als Einleitung zur Eröffnung veranstalteten die Braunschweiger Arbeiter am Donnerstag eine Wahlrechtsdemonstration. Die Parteiorganisation hatte die Arbeiter zu nachmittags ö Uhr zu fünf Volks- Versammlungen zusammenberufen, in denen die Rechtlosigkeit deS braunschweigischen Volkes kritisiert wurde. Alle Versammlungen faßten eine Resolution, in der gegen diese Rechtlosigkeit protestiert und das freie gleiche Wahlrecht zum Landtage gefordert wird. Da es sich herumgesprochen hatte, daß die Landtagsabgeordneten im Schlosse beim Herzog seien, sammelte sich gegen 6 Uhr abends eine große Menschenmenge vor dem Schloß und brachte dort brausende Hochs auf das gleiche Wahlrecht auS. Auch die Marseillaise wurde gesungen. Die gesamte Tag- und Nachtpolizei war zusammengezogen, bewaffnet mit Gummiknüppeln, Revolvern und Säbeln, und ging bald von verschiedenen Seiten zum Angriff vor. Unbarmherzig wurde mit den Gummiknüppeln drauflosgehauen, sodaß es zahlreiche Verwundete gab. Die berittene Polizei ritt rücksichtslos auf dem Bürgersteig entlang und verwundete gleichfalls mehrere Personen. Auch die bürgerlichen Stratzenpassanten, die sich um Liese Zeit besonders zahlreich auf dem in der Nähe des Schlosses befindlichen Sleinwege, Bohlwege, der Danlwardstraße und dem Ruhfäutchenplatze befanden, erhielten Hiebe und wurden niedergeritten. Die Polizei holte die Leute sogar aus den Hausfluren heraus und schlug auf sie ein, wobei sich besonders die Nachtwächter sNachtschutzleute) hervortaten. Die Menschenmenge zog schließlich vor das Landtagsgebäude und brachte dort Hochs auf das fteie Wahlrecht aus. Sie wurde durch die Gummiknüppel der Polizei durchaus nicht entmutigt; aber- sin Bürgertum machte sich steigende Entrüstung gegen die Polizei wegen ihres Vorgehens gegen die Arbeiter bemerkbar. Der Wahl- rechtSgedanke wird in Braunschweig trotz Polizeirevolver, Säbel und Gummiknüppel nicht zur Ruhe kommen; im Gegenteil, je schroffer die Polizei die Arbeiterschaft mißhandelt, um so bester marschiert die Wahlrechtsbewegung. Die Gummiknüppel der Polizei sind die beste Agitation.__ Die Nachwahl im 14. sächsischen Reichstagswahlkreise ist auf den 17. März angesetzt. Bekanntlich Hai die Nachwahl für den bisherigen Abg. Reichsverbändler und Generalleutnant v. Lieber! tattzufindeu. Tie bayerische Reichsratskammer und der Preustenbund. In der heutigen Sitzung der ReichsratZkammer kam bei dem Referat über die AuSschußverhandlungeN zum Etat des Staats- Ministeriums des Königlichen Hauses und des Aeußeren der Zweite Präsident Graf Crailsheim auch auf die Verhandlungen des Preußentages zu sprechen, welche sich als eine versuchte Ab- schwächung des föderalistischen Charakters des Reiches deuten ließen. Der Redner erklärte, daß die Süddeutschen niemals vergessen, daß in der großen Zeit vor hundert Jahren der Auffchwung des bayerischen Volkes von Preußen ausging. Sie erkennen auch gerne an, daß das, was die Reichsgründung dem deutschen Volke an Macht, Einigkeit und Wohlstand brachte, in erster Linie Preußen zu danken sei; Bayern lasse sich aber seine Stellung im Reiche nicht verkümmern, die ihm alS dem zweitgrößten Bundesstaat zukomme, und sei nicht gesonnen, auf den ihm durch die Reichsverfassung eingeräumten Einfluß zu verzichten. In der Achtung der Rechte der Einzelstaaten liege die beste Gewähr für die Festigkeit des Reiches und die Voraussetzung für die Erhaltung der Reichs- frcudigkeit. Eine ernste Gefahr für das Reich wäre der Versuch, eine Scheidewand zwischen Nord und Süd aufzurichten, und die Betonung eines Gegensatzes von preußischen und Reichsinteressen. Immer langsam vora«! Eine hohe Regierung fühlt sich wieder mal veranlaßt, um die Erörterungen über die bekannte Kabinettsorder von 1820 und die Dienstvorschrift von 18SS zu besänftigen, dem guten Bürgertum ein Beruhigungsmittel zu überreichen. Die„Rordd. Achgem. Ztg.' ch reibt nämlich: Für die an dieser Stelle angekündigte und vom Reichskanzler in seiner letzten ReichStagSrede erwähnte Nachprüfung der Dienst- Vorschrift von 1899 über den Waffengebrauch des Militärs im Frieden sind zunächst beim Kriegsministenum die notwendigen Vorarbeiten erledigt worden. Gegenwärtig finden unter Zuziehung der preußischen und der ReichSresiortS der Justiz und des Innern kommissarische Beratungen statt. Auch hat sich der Kriegsminister mit den zuständigen Stellen für die nichtpreußischen Kontingente in Verbindung gesetzt, um möglichste Uebereinstimmung in der Fassung der Vorschriften herbeizuführen. Gegen die Fahrkartensteuer. Die sozialdemokratische Frattion des badischen Landtages brachte einen Antrag ein. der die Regierung ersuchte, beim Bundesrat einen Antrag auf Beseitigung der Fahrkartensteuer zu' stellen. Blaue und Schwarze. Konservative und Zentrum waren in der letzten Zeit manchmal aneinandergeraten. Besonders des Zentrums später ja freilich so kläglich abgeschwächte Stellungnahme zu der Zaberner Affäre hatte die Junker verdrossen. Doch wäre es sehr töricht, aus diesen kleinen Häkeleien auf eine dauernde Verstimmung und ein Abrücken de« Zentrums von den Konservativen schließen zu wollen. Schon ist die Zenlrumspress« auf der ganzen Linie am Werk, den Konservativen eindringlichst klar zu machen, daß geringfügige Zugeständnisse de« Zentrums an den Geist der Massen doch nicht als Kriegserklärung an die Junker aufzufassen seien, dieweilen im Grunde doch eine ttefe Seelenverwandlschaft die Blauen und die Schwarzen verbinde. So meint die„Schlei . Bolksztg.':„ES hieße Selbstzerfleischung treiben, wenn zwei Parteien, denen gemeinsam so der Haß de» ganzen Radikalismus gilt, sich wegen Kleinigkeiten herum- zanken wollten". In demselben Geiste redet auch die„Köln . Bolksztg.' der Junkerpartei zu. Und im Grunde haben ja die Zentrums» blälter so recht. Es sind ja wirklich nur„Klemigkeiten', die da» Zentrum von den Junkern trennen. Die berühmte Sozialpolitik de» Zentrum? läuft ja nur auf den Arbeiterfang hinaus, durch den die konservative Politik der agrarischen Ausbeutung und reattionären Volksknebelung geschützt werden soll. Sozialpolitisch hält es da» Zentrum schließlich nur mit der weißen Salbe, und wie eS mit den demokratischen Forderungen des Zentrums steht, das wissen ja die Konservativen aus eigenster Erfahrung. Erinnert sie doch zum Ueberfluß die„Germania ":„Bezüglich der Wahl reform in Preußen hat das Zentrum vor einem Jahre mit den K o n s e r v a- t i v e n ein� Wahlkompromiß abgeschlossen, und diese sind dock gewiß nicht„demokratisch". Das vorjährige Wahlkompromiß zwischen Blauen und Schwarzen hatte also in der Hauptsache die Vereitelung einer auch nur bescheidensten Wahlreiorm in Preußen zu» Zwecke! Wenn die Junker der Regierung einmal gestatten, zur Ein- lösung des bereits vor einem halben Jahrzehnt verpfändeten Königs- worts eine neue Wahlrechtsvorlage einzubringen, so haben sich die Schwarzen bereits darauf festgelegt, wiederum nur eine solche Refor« zuzulassen, die den Junkern genehm ist und der Herrschaft der .Edelsten' in keiner Weise gefährlich wird l
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