lt. 31. 31. ZahtMg.3. KeilM des Jotmörts" Kerlim JoMlirtt.Somtag. 1. Februar 1914.Reichstag.203. Sitzung: Sonnabend, den 31. Januar, mittags 12 Äyr.Am Bundesratstisch: Tr. Delbrück.Die zweite Lesung desEtats des Reichsamts ües Innernwird beim Titel„Staatssekretär" fortgesetzt.Mg. Bassermann(natl.):Als erster Redner aus dem Hause will ich zunächst der herz-lichen Teilnahme des Reichstags Ausdruck geben für dieOpfer des Unglücks auf der Zeche„M i n i st e r A ch e n-bach" und ihre Angehörigen. Wir erwarten, daß der Staats-sekretär noch nähere Mitteilungen darüber machen wird.— DasKoalitionsrecht der Arbeitet anzutasten, wäre sittlichverwerflich und politisch ein Wahnsinn.(Lebhaftes Sehrrichtig! links.) Man würde dadurch die nichtsozialdemokratischenArbeiterorganisationen dem Staatsgedanken abwendig machen undden Prozeß der Abkehr der Arbeiter von der Sozialdemokratie auf-halten. Gibt man den Arbeitern das Koalitionsrecht, so muß manihnen auch überlassen, wie sie sich koalieren wollen.«Sehr richtig!links.) Der Reichskanzler hat sich zum Koalitionsrecht bekannt undals Gegner von Ausnahmegesetzen. Er hat eine neue Prüfungder Frage des Schutzes der persönlichen Freiheit bei der Revisiondes Strafgesetzbuchs in Aussicht gestellt sowie eine Denkschrift. Wirenthalten uns deshalb besonderer Anträge und werden den konser-vativen Antrag auf Verbot des Streikpostenstehens ablehnen.Das steht auch im Einklang mit den Ausführungen meines Partei-freundes Röchling im preußischen Abgeordnetenhause; auch erlehnt ein besonderes Gesetz gegen Streikposten ab, denn die Polizeihat bereits heute das Recht, einzuschreiten in allen Fällen, wo diepersönliche Freiheit angetastet wird, wo die Ordnung und öffent-lichc Ruhe gestört wird; sie darf auch, wo diese Gefahr vorliegt,vorbeugend eingreifen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Zu wünschen wäre, daßunsere Justiz in Streikfällen schneller arbeitet(Hört! hört!bei den Sozialdemokraten), wie ich überhaupt den Wunsch habe,daß unsere Justiz prompter arbeitet.— Die Frage der Rechts-fähigkeit und der Berantwortungsfähigkeit der Berufsvereine solltevon neuem geprüft werden.— Auch die Fragen des wirtschaftlichenund politischen Boykotts sollten in einer Denkschrift geklärt werden.— Entgegen den gestrigen Ausführungen des Abg. Molkenbuhrerblicken wir in unserer Wirtschaftspolitik die Grundlage unsereswirtschaftlichen Aufschwunges. Krisen lassen sich nichtvermeiden, doch verlaufen sie dank der Wirksamkeit gelinderwie früher.— Bei der Verlängerung der Handelsverträge mußder Wirtschaftliche Ausschuß die Regierung beraten. Es solltendeshalb in ihm die größeren wirtschaftlichen Verbände vertretensein, und er sollte in Unterabteilungen zur Beratung von Spezial»fragen geteilt werden.(Bravo! bei den Nationalliberalen.)Staatssekretär Dr. Delbrück:Im Anschluß an die ersten Ausführungen des Vorrednersmöchte ich auch im Namen der Verbündeten Regierungen den Emp-findungen des Schmerzes, des Bedauerns und der herzlichsten Teil-nähme Ausdruck geben, die uns alle erfüllt aus Anlaß der Kundevon dem erschütternden Unglück im Ruhrrcvier.(Der Redner verliest die Depesche, in der das Unglück auf der Zeche„Minister Achenbach" gemeldet wird. Die Mitglieder des Hauseshaben sich hierbei von den Plätzen erhoben.) Sobald mirweiteres Material zugegangen sein wird, werde ich es dem Hausemitteilen.— Den Wunsch des Vorredners auf stärkere Vertretungder großen industriellen Verbände im Wirtschaftlichen Ausschußkann ich nicht für zweckmäßig halten. Der Wirtschaftliche Ausschußwürde sich dadurch leicht zu einer Art Neben- oder Zoll-Parlament umgestalten; dies würde ich nicht für zweckmäßighalten und werde in dieser Richtung keine Schritte unternehmen.Abg. Wendorf(Vp.)polemisiert gegen Abg. Dr. Becker- Bingen, der wohl als Hospitantder neuen FraktionHestermann beitreten werde.(Heiterkeit.)Herr H o e s ch meinte, unser Hinweis aus die ausländischen Ar-heiter gefährde den Handelsvertrag mit Rußland Vielmehr abersind zur Gefährdung der Handelsverträge geeignet die fortgesetztgeäußerten Wünsche der Rechten auf mehr Zollschutz.—Herr H o e s ch hat sich dann das Wort des Frhr. v. Wangenheimangeeignet: die innere Kolonisation sei für die Demokratie einhohles Schlagwort. Ich kann dies Wort nur als junkerliche Ueber-Hebung bezeichnen.(Präsident Kaempf rügt diesen Ausdruckeinem Abgeordneten gegenüber.) Ich habe die Worte des Frhr.v. W a n g e n h e i m als junkerliche Ueberhebung bezeichnet undihm gegenüber halte ich meinen Ausdruck aufrecht. Die Aeuße-rung des Frhr. v. Wangenheim ist um so auffallender, weil ersonst immer bedauert hat, daß gerade seine politischen Freundesich als Hinderungsmoment für die innere Kolonisation erwiesenhätten,(«ehr richtig! links. Zuruf: Oldenburg!)'— Zwei Rednerder Rechten haben die Landflucht anerkannt, sind aber nichtauf ihre Ursachen eingegangen. Ein wichtiges Mittel gegen dieLandflucht wäre die Aufteilung von Domänen und dasVerbot der Bildung neuer Fgmilien-Fideikommisse.Die G ü t e r s ch l ä ch t e r e i hat auch Graf Posadowsky seinerzeitaufs schärfste verurteilt. Der Kleinbetrieb, der neu geschaffen wird,muß selbstverständlich existenzfähig sein. Deshalb treten wir auchgegen jede unnötige Verteuerung der landwirtschaftlichen Produk-tion, z. B. gegen die Futtermittelzölle, auf.(Beifall links.)Abg. Gras Westarp(k.):Die Erfolge des Herrn Reichsbankpräsidenten auf dem Gebietedes Bankwesens erkennen wir an. halten aber ein Depositenbank-gesctz trotzdem für notlvendig. Das Koalitionsrecht wollenwir den Arbeitern nicht nehmen. Wir stehen den Arbeiterorgani-sationen, die sich auf dem Boden der bürgerlichen Gesell-s ch a f t bewegen, durchaus sympatisch gegenüber. Den rechtlichenAusführungen Basiermanns, daß ein Verbot des Streilpostenstebensnicht nötig sei, weil die Polizeibehörde heute bereits zum Ein-schreiten befugt sei, kann ich mich nicht anschließen. Esmüssen immer im konkreten Falle besondere Tatsachen vorliegen,die die Besorgnis der Gefährdung der öffentlichen Ordnung undSicherheit rechtfertigen. Diese Befugnis der Polizei ge-nügt eben nicht zur Unterdrückung des Streik-p 0 st e n st e h e n s, das über das Verkehrsinteresse hinaus dazudient, die Arbeitswilligen einzuschüchtern und zu bedrohen. Dergegenwärtige Zustand ist unzureichend, und deshalb müssen wirauf einem Verbot des Streikpostenftehens bestehen.Der nationalliberale Antrag wünscht, daß die in Aussicht gestellteDenkschrift pch auch mit dem Koalitionszwang von Arbeit-gebern gegen Arbeitgeber beschäftigt.Diese Frage liegt auf einem ganz andern Gebiet und ist keines-wegS brennend.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Durch Beschäftigung mit dieserFrage würde die Erledigung der brennenden und spruchreiftnFrage de» Verbot» de» Streikposten stehen» nur ver-scheppt werden.(Bravo! recht».)Abg. Spiegel(Soz.):Wenn da» ReichSamt de» Innern unseren Wünschen mehrRochnung getragen hatte, so würde Loben und Gesundheft der Ar»beiter weit besser geschützt sein.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Nach den neuesten Meldungen sind bei dem Unglück aufder Zeche Minister Achenbach 22 Tote, 18 Schwerverletzte und 5 Ver-mißte zu beklagen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Vonden Schwerverletzten befinden sich mehrere in hoffnungslose inZustand. Allerdings liegen über die speziellen Ursachen des Un-tflücks noch keine näheren Nachrichten vor. Jedenfalls muß eifrigdarauf hingearbeitet werden, daß die durch das Gesetz vorgeschrie-denen S ich e r h e it s m än n er in die Lage versetzt werden, ihregesetzliche Pflicht zu erfüllen. Statt dessen macht man ihnen diegrößten Schwierigkeiten, man löst die Steigerreviere auf,wenn der Sicherheitsmann sie revidieren will, und später werdensie erst wieder ins Leben gerufen.(Hört! hört! bei den Sozial-demokraten.) Mit Recht verlangen die Bergarbeiter überallein einheitliches Reichsberggcsetz.Auch der Reichstag hat diese Forderung zu der seinen gemacht, nurder Bundesrat stellt sich ihr entgegen.(Sehr ivahr! bei den Sozial-demokraten.)Herr B a s s e r m a n n hat sich zwar gegen den Antrag Westarperklärt, aber nur, weil er meint, die heutige Gesetzgebung und dieVollmachten der Polizei genügen gegen die„Auswüchse" des Koali-tionsrecksts. Es handelt sich hier gar nicht um eine V e r t e i d i-gung des Koalit.onsrechts, sondern es mutz ein wirk-liches Koalitionsrecht überhaupt er st geschaffen werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Heute werden die Ge-werkschaften in jedem Kampfe durch Polizeiverordnungen und Poli-zeischikanen geschädigt, wobei von den Polizeibehörden bis zumLandrat und höher hinauf eine ganz erstaunliche Gesetzes un-kenntnis an den Tag gelegt wird.(Sehr wahr! bei den Sozial-demokraten.) Schon heute müssen die Gewerkschaften ihre Kämpfeunter einem Ausnahmezustand führen. Das gilt auch von denchristlichen Gewerkschaften, wenn sie einmal genötigt sind, in denKampf zu ziehen. Ein großer Teil der christlichen Arbeiter wirdsich deshalb bedanken, seine gewerkschaftliche Tätigkeit unter k o n-servativem Schutz auszuüben.(Sehr wahr! bei den Sozial-demokraten.) Der krasseste Terrorismus wird von den U n t e r-n e h m e r n ausgeübt. Wie die Herren mit dem Koalitionsrechtder Arbeiter umspringen, zeigt ein vertrauliches Zirkular des Ber-eins der O s n a b r ü ck e r M e t a l l i n d u st r i e l l e n, worindavor gewarnt wird, Leute, die freiwillig aus einer Arbeits-stelle gegangen sind, wenn sie auch ordnungsmäßig'gekündigt haben,wieder einzustellen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Nur wenn ein Uebevtveisungsschein seitens der Firma gegeben wird,bei der der Arbeitsuchende früher in Arbeit war, darf eine Ein-stellung erfolgen. Ein Arbeiter, der deswegen gegen seine frühereFirma, die den Ueberweisungsschein verweigerte, auf Schaden»e r s a tz klagte, bekam vor dem Amtsgericht Recht, weil ein solcherVertrag gegen die guten Sitten verstoße. Das Landgericht dagegengab. ihm Unrecht, denn eine sfttlich verwerfliche Handlung stellees nicht dar, wenn den Arbeitern nur vorübergehend auf einigeZeit die Evwerbsmöglichkeit abgeschnitten wird.(Lebhaftes Hört!hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Herren rechts haben alsowirklich keine Ursache, das Koalitionsrecht noch einzuschränken. Wiewissen recht gut, woher der Wind weht. Zeter und Mordio wirdin allen Unternehmervcrsammlungen über den Terrorismus derArbeiterorganisationen geschrien. Dabei terrorisieren diese Herrennicht nur die Arbeiter, sondern auch die t e ch n i s ch e n B e a m t e n.Ich erinnere nur an dieMaßregelungen gegen den Bund der technisch-industriellenBeamten.Gewiß brechen auch wilde Streiks aus, so bei dem Streik aufder Zeche„Union" bei Dortmund, wo nur sieben meiner Verbands-kollegen beteiligt waren, die anderen gehörten dem Verband derMaschinisten und Heizer an. Wie elend müssen aber die Zuständesein, wenn in einer Versamml'H»7g die Leute selbst über dieKöpfe der Bezirksleitung hinweg in den Streiktreten. Als das geschah, sollten unsere Leute da etwa den Streik-brccher machen? Nein, nein, alle Arbeiter sind noch nicht von derGelbsucht angesteckt.(Sehr gut bei den Sozialdemokraten.)Auch bei manchen anderen Leuten ist noch Gefühl für Standesehrezu finden. Manche der Herren hier sollten sich ins Gedächtnisschreiben, was der Kaplan Hitze von der Pflicht der Arbeitersagt, nicht entgegen ihrer Standesehre die Stellen ihrer streikendenKollegen zu besetzen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wirmüssen verlangen, daß in der zugesagten Denkschrift auch die V er-stöße der Unternehmer gegen das Koalitions-recht mit vorgelegt werden. Die Arbeiterorganisationen werdendabei gewiß nicht schlecht fahren. Herr Bassermann rief pathetischaus. Tausende von deutschen Männern sind bereits in den Wirt-schaftsfriedlichen Organisationen. Aber er kann natürlich nichtsagen, wieviel Blutapfelsinen darunter sind.(Sehr gut!bei den Sozialdemokraten.) Eine Maschinenfabrik im Rhein-l a n d schließt von der PensionSkasse jeden aus, der dem DeutschenMetallarbeiterverband, der christlichen Gewerkschaft oder den Hirsch-Dunckerschen angehört.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Man braucht aber nicht in die Ferne schweifen, hier in Berlinbei Siemens sind alleinsieben gewe Sekretäreangestellt, die die Arbeiter in die gelben Vereine pressen. Das istnatürlich kein Terrorismus! Eine Hütte hatte ihren gelben Organi-sationen in einem Jahre ein Geschenk von 150 000 M. gemacht;sie konnte es sebr leicht, denn sie verdiente durch Lohnabzüge,die ihr ja gerade das Bestehen der gelben Organisation ermöglichte,in deknselben Jahre 434106 M.(Hört! hört! bei den Sozialdemo-kraten.) Nicht umsonst heißt es also: Zurückhaltung in der Sozial-Politik! Nicht nur die Arbeiter, auch die Beamten sollen dergelben Gesinnungslosigkeit preisgegeben werden. Esmutz wahrlich um die nationale Sache schlecht stehen, wenn dieorganisierte Gesinnungslosigkeit identisch sein soll mit nationalemGefühl.(Sehr gut! bei dem Sozialdemokraten.) Die Regierungsucht nach Mittel und Wegen, um der Sozialdemokratie das Wasserabzugraben. Sie braucht nur die berechtigen sozialen Wünscheder Arbeiter zu erfüllen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Die Nationalliberalen verlangen von neuem eine Enguete, die auchauf die Uebergriffe der Unternehmer ausgedehnt werden soll. Vorallem muß dann auch dargestellt werden, wie die Kartelle undRinge den eigenen Unternehmern gegenüber einenungeheuerlichen Gesinnungszwangausüben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Und die Recht-sprechung hilft ihnen. Als ein Solinger Unternehmer die Forde-rungen seiner Arbeiter bewilligt hatte, entzog sein Stahlticferantihm das Rohmaterial, weil seine anderen Kunden ihm sonstdie Kundschaft zu entziehen drohten. Bei einem Gewerkschafts-führer würde bei einem solchen Akt des Terrorismus sehr schnelleingeschritten sein.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Zum Schluß möchte ich noch mich der Arbeiter im Gast-Wirtsgewerbe annehmen. Die Bundesratsverordnung von1902 findet keine Anwendung auf Portiers. Sausmädchen, Zimmer-mäd-hen usw. Nicht nur der Deutsche Gastwirtgehilsenverband ver-langt die Erweiterung und Ausdehnung dieser Verordnung, auch dernationale Gastwirtgehilfenverband steht auf demselben Boden. ESliegt eine Ueberfülle von Material über die unhaltbaren Zustände vor,unter denen diese Arbeiterkategorien leiden. Ihre sckleunige Ein-b e z i e h u n g in die BundeSratSverordnung von 1902 ist eure dringende Notwendigkeit.(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Abg. Faßbender(Z.)Esrdert Regelung de» Waffenhandels und Schaffung. einer beson»eren Tiefbaukammer., Unterstaatssekrctär Richter:Ein Gesetzentwurf über den W a f f e n g eb r a u ch�ist in Bor-1 bereitung und wird hoffentlich noch im Laufe dieser Session vor-� gelegt werden können. Die interessanten Anregungen betreffend� Errichtung einer T i e f b a u k a m m e r für das Reich werden vonder Regierung in Erwägung gezogen werden. Mir scheint die Er-richtung solcher Kammern mehr Landessache zu sein.Abg. Dr. Böhme(natl.)polemisiert gegen einzelne Aeußerungen des Abg. Hoesch. Daßweitere Kreise der Konservativen von der inneren Kolonisationnichts wissen wollen, haben hervorragende Männer der Praxis,� wiePräsident Metz und Regierungspräsident v. S ch w e r i n, selbsthervorgehoben. Professor S e h r i n g hat nachgewiesen, daß vielmehr Land zu Fideikommissen geschlagen wird, als an Renten-gittern geschaffen wird. Ein Parzellierungsgesetz haben wir wieder-holt gefordert. Ein Verbot des Ankaufs von Bauernland durch denGroßgrundbesitz wäre durchaus angebracht. Es würde das den alt-preußischen, friderizianischen Traditionen entsprechen. Aber Sie(nach rechts) sind offenbar für die altpreußischen Tradi-tionen nur dann, wenn sie Ihnen angenehm sind.— Daß derBauernbund mit Güterschlächtern zu tun hat, wie Herr H e st e r-m a n n andeutete, muß ich bestreiten. Als Beamter de» Bauern-bundes hat Herr H e st e r m a n n mir auch nichts derartiges be-richtet. Graf Westarp hat Anstoß genommen an unserer For-derung, auch den wirtschaftlichen Boykott zu untersuchen. Dasist mir sehr verständlich, da gerade ihre Anhänger im Lande, dieAmtsvorsteher usw., die Waffe des wirtschaftlichen Boykotts imWahlkampf besonders anwenden.(Sehr wahr! links.) Daß nochLücken im Zolltarif bestehen— ich erinnere an den Hopfenzoll—,erkennen wir an und werden für ihre Ausfüllung Wirten. ZurAufrechterhaltung unserer Schutzzollpolitik ist eine V e r st ä n d i-gung zwischen Industrie und Landwirtschaft not-wendig.Abg. Schwcickhardt(Vp.)wendet sich gegen einige Aeußerungen des Abg. Vogt- Hall.Abg. Peus(Soz.):Man hat vielfach in der Debatte auf eine Aeutzerung von mirhingewiesen, in der ich von der Verdrängung der Klein»betriebe durch die Mittel- und Großbetriebe sprach, und meinte,man müsse sich an diese EntWickelung gewöhnen. Man hat dabeiaber immer getan, als handle es sich vornehmlich um die Ver-drängung der Kleinbetriebe, insbesondere der kleinen Bäcker-m e i st e r durch die Genossenschaften. In der Tat aber gibt es neben81 Genossenschaftsbäckereien 4ö1 große Bäckereien inHänden von Kapitalisten.(Hört! hört! bei den Sozial-demokraten.) Also die Konkurrenz dieser kapitalistischen Groß-bäckereien für die kleinen Bäckermeister ist sechsmal so groß wie dieder Konsumvereine. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten, dennsie ist nicht Mcnschenwerk, sondern hängt mit der E n t w i ck e l u n gder Technik zusammen. Trotzdem werden ähnliche Behauptun-gen wie die von mir zurückgewiesene immer weiter erhoben werden,denn die verlogene Demagogie wird auch in Zukunft das Bedürfniszur Betätigung finden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Abg. Hcstcrmann(b. k. F.)polemisiert gegen den Abg. Böhme. Die Ausführungen desAbg. Böhme standen vielfach im Gegensatz zu den sonstigen An-schauungen der nationalliberalen Partei. Vielleicht kommt HerrBöhme auch noch aus der nationalliberalenPartei heraus.(Heiterkeit.— Als der Redner sagt: EinMitglied der Zentrumspartei hat sehr richtig gesagt, wird ihmzugerufen: Gehen Sie doch zum Zentrum! Darauf fährt derRedner fort:)' Ich habe tatsächlick im Reichstag erkannt, d a ß_d i cZentrums Partei viel besser ist als ihr Ruf.(Stür-mische Heiterkeit.) Es wird ja bei den Wahlen leider so g e w a l-tig viel Schwindel betrieben.(Erneute schallende Heiterkeit.)Bei den Wahlen wurde uns immer gesagt: der schwarz blaueBlock, das ist die größte Gefahr, und jetzt habe ich bei denNationalliberalen erfahren, daß man mit der Zentrumspartei eineganz vorzügliche Politik machen kann.(Stürmische,andauernde Heiterkeit.)Damit ist die Rednerliste zum Titel„Staatssekretär" erschöpftbis auf die Beratungen über das Vereinsrecht, die am Mittwochstattfinden sollen.Das Haus vertagt sich. Weiterberatung dcS Etats amDienstag, pünktlich 2 Uhr.Schluß 5 Uhr._Mgeorönetenhaus.16. Sitzung. Sonnabend, den 31. Januar 1914,vormittags 11 Uhr.Am Ministertisch: v. Schorlemer.Zu Beginn der Sitzung macht Präsident Graf v. Schwerin-Läwitz Mitteilung von der schweren Grubenkatostropheim westfälischen Kohlenrevier und spricht unter demVerfall aller Parteien die Teilnahme des Hauses aus.Der Zorftetat.Abg. Meyer-Tawellningken(k.):Die neueingeführte Entlohnungsart der Waldarbeiter bewährt sichvor allem dadurch, daß sie eine wirtschaftlich unentbehrliche Statistikder Erwerbsverhältnisse der Arbeiter ermöglicht. Die Verwaltunghat eine Erhöhung der Tantieme für die Vorarbeiter freigestellt.Sie hätte diese Erhöhung anordnen sollen. Denn wenn wir mitunseren Wohltaten zu spät kommen, so wird von den Arbeiterndas, was wir ihnen hätten zubilligen sollen, als i h r R e ch t g e-fordert und wir gehen ohne Dank aus. Der Domänenfiskus,dessen Einnahmen bedeutend geringer sind als diejenigen des Forst-fiskus, hat für Arbeiterhäuser eine viel größere Summe als dieserin den Etat eingestellt. Gerade auf diesem Gebiete muß die Forst-Verwaltung noch viel mehr tun. Das Streben der Waldaroeiternach guten Wohnungen soll man wirksamer unterstützen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wenn der Wald«arbeiter eine gute Wohnung hat, hat er auch eine zufriedeneFrau, und wenn er eine zufriedene Frau hat, geht er nicht in denDorfkrug, sondern fteul sich seines Heimes— und dann ist er(nach links) unser.(Lachen bei den Sozialdemokraten.)Abg. Luders(fk.):Auch wir treten für Waldarbeiterhäuscr ein.Abg. Dr. Ehlers(Vp.):Die ungenügende Holzverwertung durch die Verwaltungführt uns von der Prosa zur Poesie des Waldes. Wir fordern einebessere kaufmännische Ausbildung der Forstassessoren. Da» Gehaltder unteren Forstbeamten muß aufgebessert werden.Präsident Graf v. Schwerin-Löwitzbringt eine Nachricht zur Verlesung, derzufolge auf der Grube.Achenbach' heute morgen die übrigen 60 Arbeiter gerettet wurden.(Beifall.)Während der weiteren Beratungen bringen eine Reihe weitererRedner spezielle Wünsche zum Forstetat ein. Ein Vertreter der Re«gierung verspricht eineqe höheren Betrag für Arbeiterwohnungenm den kommenden Etat einzustellen.