Provinzen bei der Prüfung der GefangniSarbeit keinerlei Anständegemacht und alles in zufriedenstellendem Zustande gefunden. Wirkönnen es nicht billigen, dah die Heeresverwaltung grotzeAufträge an die Z u ch t h ä u s e r abgibt und ihren Austrägen dieZuchthauspreise zugrunde legt. Die arbeitslosen Arbeiter werdendurch die Gcfangenenarbeit gleichfalls geschädigt.(Beifall rechts.)Justizminister Beseler:Die Regierung verfährt nach dem Grundsatz, daß die Gefangenenzwecks Ausscheidung der Konkurrenz mit dem freien Gewerbe nurfür den Staat beschäftigt werden sollen. Ein Lohn muß den Ge-sangenen als Ansporn ausgesetzt werden: dabei wird zwischen gc-lernten und ungelernten Arbeiterit unterschieden. Fast überall ist dieInstitution der Beiräte eingerichtet worden. Wo von dieser SeiteVerbesserungen vorgeschlagen worden sind, haben wir uns damitbeschäftigt. Falls der Minister des Innern zustimmt, soll die an»geregte Denkschrift ausgearbeitet werden.(Beifall.)Abg. Wcnke(Vp.)begründet den fortschrittlichen Antrag. Eine Denkschrift, wie wir siefordern, ist keineswegs überflüssig. Z. B. sind die Angaben überdie Löhne, dt: den Gefangenen gezahlt werden, in den Berichtenbisher nicht enthalten. Man hat die Gefängnisarbeit benutzt, um aufdie Preisbildung der Handwerker einen Druck auszuüben. Auchdie Vergebung von Aufträgen an die Gefängnisie durch die Militär-Verwaltung wirkt schädlich. Während die Gefängnisarbeit auf deinGebiet der gewerblichen Arbeit eingeschränkt werden sollte, ist sieandererseits noch bei weitem nicht ausreichend für die Boden-kultur nutzbar gemacht worden. Man hat eingewendet, daß vieleGefangene für schwere körperliche Arbeit nicht geeignet sind. Dasist eine Sache der Gewöhnung.(Beifall links.)Abg. Dr. Liebknecht(Soz.):In den russischen Gefängnissen hat man die Zwangsarbeit be«seitigt, uin die Gefangenen durch Beschästigungslosigkeit zu quälen.Eine sinn- und zwecklose Arbeit ist aber eine eben-solche Lual. Wir find durchaus dafür, daß auf das Handwerk Rück-ficht genommen werde, aber auch auf die Arbeiter muß Rücksichtgenommen werden, die ein berechtigtes Jnteresie daran haben, daßihre Löhne nicht durch Schmutzkonkurrenz der Gefängnis-arbeit herabgedrllckt werden. Warum hat man in die Ge-fängnisbeirätc nicht auch Vertreter der Arbeiter be-rufen? Ich habe schon in stüheren Jahren die Einführung derMaschinenarbeit in den Gefängnissen und Zuchthäusern gefordert.Wenn die Strafvollstreckung«ine sozialisierende Wirkung haben soll,dann inuß sie den Gefangenen eine bessere Befähigungfür das Leben in der Freiheit geben. Die Handwerks-inäßige Ausbildung gibt keine solche Befähigung. Durch die Einführungder MaschinMarbeit würde die ganze Gefängnisarbeit nur»och zueinem Tropstn in dem Meer unserer Großindustrie, mit der sich daSHandwerk zum großen Teil abgefunden hat. während es die Handwerks-mäßige Gefängnisarbeit als schwere Konkurrenz empfindet. Er-freulicherweise wird in den Gefängnissen der Standpunkt des der-storbenen Geheimrats Krahne, der, gewiß aus sehr wohl-erwogenen pädagogischen Gründen die Handwerksarbeit nicht be-seitigen wollte, nicht überall geteilt, und man hat in dem G e-fängnis zu Tegel durch Einführung verschiedener Arbeitszweigeund durch Individualisierung erreicht, daß die Gefangenen tüchtigfür einen Beruf ausgebildet werden. Manche vonihnen haben auch eine bessere Existenz gefunden, als sie sievorher hatten und natürlich wird ein Arbeiter mit aus-kömmlichem Lohn viel seltener zu einem Verbrecher werden,als ein heruntergekommener, unglücklicher Mensch. Ichhoffe, daß in dieser Richtung weiter vorgeganpen werdenwird.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.— Abg. Hammersk.): Hört I hört I) Die Entlohnung der Gefängnisarbeit könnte sehrwohl erhöht werden. Tatsache ist, daß die Arbeit den Gefangenenangenehm gemacht wird, wenn sie nützlich wirken sollen, und dazugehört, daß jeder Gefangene an die Stelle gestellt wird, wohin eram besten paßt. Auf diese Weise werden wir dahin kommen, daßdie Klagen über die Gesängnisarbeit verstummen. Wenn die Re-gierung aber in den Gefängnissen nach Möglichkeit nur für Staats-etriebe arbeiten läßt, so ist das kein Ausweg, denn dadurch gehtdem freien Gewerbe doch auch Arbeit verloren. Die G e-winnbeteiligung von Ge fängnisbe am ten würde doch.bei aller Anerkennung für die in Betracht kommenden Persönlichkeiten,die Gefahr in sich bergen, daß in unzweckmäßiger Weise auf diewillenlosen Arbeiter eingewirkt werden könnte. Der Arbeitsverdienstmüßte voll angerechnet werden, man kann doch nicht dieStrafvollstreckungSkosten dagegen rechnen, denn die Strafvollstreckungist doch«ine soziale Handlung der Staatshoheit, für die man dochnicht den einzelnen Gefangenen schadenersatzpflichtig machen kann!ES ist ein Schutz vor dem Rückfall ins Verbrechen, wenn die Ge-fangenen etwa« Geld anfaimneln können. Die Bemühungen derFürsorgevereine für entlassene Strafgefangene in allen Ehren, abersie sind doch nur ein Tropfen auf einem heißen Stein.(Sehr wahr Ibei den Sozialdemokraten.)Die unschuldigen Familien der Strafgefangenen ent-behren jeglicher Fürsorge und geraten oft genug ins Elend. Danützen Vereine nichts, die Hilfe kann nur darin bestehen, daß mandem Gefangenen durch lohnende Beschäftigung die Möglichkeit gibt,Geld an sein« Angehörigen zu schicken. Es scheint ja nun doch einsozialer Geist in die Gefängnisverwallung einzuziehen,Krahnes Wirken an der Spitze der Gefängnisse des Ministeriums desInnern gestattete diese Hoffnung— der an sich bedauerliche Dualismus,daß die Justizverwaltung neben der deö Innern Gefängnisse ver-wallet, kann wenigstens nach der Richtung günstig wirken, daß einelöbliche Konkurrenz zwischen beiden Verwaltungen einsetzt.(LebhafterBeifall bei den Sozialdemokraten.)Der fortschrittliche Antrag wird angenommen.Die Generaldebatte wird beim Titel M i n i st e r«geholt geführt.Abg. Jtschert(Z.)wünscht die bestmögliche Borbildung der Richter und eine möglichstunabhängige Stellung der Justizbeamten, besonders auch der Unter-beamten. Zu der theoretischen und praktischen Ausbildung derReferendare muß eine starke Eharakterbildung treten. Der Studentmuß lernen, objektiv, ohne jede Rücksicht auf gesell-schaftliche, politische, religiöse Meinungen, seinUrteil zu finden. Aber wir finden auf den Universitätenzumeist den Zustand, daß diejenige» Studenten, die sich eine selb-ständige Meinung bilde», von denjenigen, die einen gesells chaft-lichen Anspruch aus den richterlichen Berus haben, verhöhntund mit dem Knüttel traktiert werden. Wer schon als Studentkeine andere Ansicht als die seinige duldet, der eignet sich nicht zumRichter. Es darf nicht vorkommen, daß ein Assessor wegenseiner politischen oder religiösen Anschauungen zurückgewiesenwird. Der Fall K n t t t e l, der großen Staub auf-gewirbelt hat, ist geeignet, das Vertrauen des Volkes in unsereRechtsprechung zu erschüttern. Der Borsitzende des Gerichts hatsich in diesem Fall dazu hinreißen lassen, den Angeklagten zuverletzen, statt sich lediglich mit der Urteilsfindung zu befassen, undso lebhaftes Befremden erregt.(Zustiinmung im Zentrum). Er hatweder seine eigene noch die Würde des Gerichts-Hofes zu wahren gewußt, indem er z. B. dem Angeklagtenvorwarf, sich in eine lächerliche Idee verrannt zu haben und Aus-drücke wie.unsinnig, gewissenlos und unwahr" gebrauchte. Fernerhat er sich in so verächtlicher Form über die Reservisten undLandwehrleute geäußert, daß wir das entschieden zu-ruckweise» müssen. Da ich nicht, wie jener Vorsitzende,auf einen Wehrlosen losschlagen will, so widerstehe ich derVersuchung, sein Verhalten mit noch schärferen Worten zugeißeln. Jedenfalls dürfte diesem Gerichtsvorsitzenden durch seineVorgesetzten eine schwere Mißbilligung erteilt werden.Der Minister muß dem Richterstande die Pflicht der Objekti-vität einschärfen. Der Fall Knittel beweist wiederum die Rot-wendigkeit einer möglichen Berufung gegen hie Urteile der Straf-kammer. Andererseits hat dieser Prozeß gezeigt, daß eS bei unskeinerlei Klassenjustiz gibt, sondern daß der Richter selbst vor demRichter gleich jedem anderen behandelt wird. Ja die EigenschaftKnittclS als Richter hat womöglich seine schärfere Behandlung durchden Gerichtshof veranlaßt.(Sehr wahr! im Zentrum.) Die Aus-bildungSkurse für Richter und die Richtertage haben derfrüher so oft gerügten Wcldfremdheit der Richterentgegengewirkt. Mit dem Vorgehen der Gerichte gegendie u n s i t t I i ch e n P o st k a r t e n, sind wir völlig einverstanden.Solche Afterkunst untergräbt die Sittlichkeit.— In seinen weiterenAusführungen zieht der Redner gegen den bekannten SchriftstellerAlfred Kerr, den Herausgeber der literarischen Zeitschrift„Pan"zu Felde. Kerr wurde in einem Prozeß freigesprochen, lvicwohlobjektive llnsittlichkeit in einer seiner Veröffentlichungen festgestelltwurde. Es bestände nun die Gefahr, daß Kerr einmal in einemProzeß über sittliche Fragen der Kunst als Sachverständiger hinzu-gezogen werden würde.— Ferner wendet sich der Redner gegenden Mißbrauch der Privatdetektivin st itute in Ehe-scheidungsverfahren. Diese Institute werden mit der Aus-gäbe betraut, den„anderen Teil" in diejenige Lage zubringen, die die Scheidung ermöglicht.Justizminister Beseler:Die Regierung wird hinsichtlich der Anstellung von Assessorennach den bisherigen bewährten Methoden verfahren. Was denFall Knittel betrifft, so gebe ich anstandslos zu, daß der Vorsitzendegefehlt und seine Befugnisse überschritten hat. Er hat in der Formerheblich gefehlt: der Angeklagte ist in der Tat verletzt worden.Aber man darf den einzelnen Fall nicht verallgemeinern.(Beifallrechts.)Abg. BoiSly(natl.)fordert eine Reihe von Verbesserungen namentlich auf dem Gebietedes S t r a f r e ch t s. Das neue Strafrecht sieht eine größere Frei-heit für den Richter vor. Wir bezweifeln aber, ob diese Freiheitfür das Schwurgericht und die Laienrechtsprechung von Borteil seinwird.Abg. Grundmauu(k.)wünscht Gehaltsaufbesserungen für die I u st i z-beamten und schließt sich hinsichtlich der Gesängnisarbeit den Ausführungen des freikonscrvativen Abg. Viereck an.Justizminister Beselerantwortet kurz auf einige die Justizverwallung betreffenden Anfragender Vorredner. Eine Erhöhung der Strafe für Be-l e i d i g u n g e n ist Sache der Reichsgesetzgebung. Eswerden' aber schon jetzt sehr hohe Strafen verhängt.Das Haus vertagt sich auf Donnerstagvonnittag 11 Uhr: Fort-setzung des Justizetats.Schluß 1'/« Uhr.__parlamentarisches.Schutz vor Verrat militärischer Geheimnisse.In der ReichStagSkommission für den Gesetzentwurf über denVerrat militärischer Geheimnisse wurde am Mittwoch die Frageweiter behandelt, ob sich eine feste Begriffsbestimmung für daS, lvasmilitärisches Geheimnis heißt, finden läßt, und inwieweit auch dieMitteilung von Nachrichten unter das Gesetz gestellt werden soll.Ein Zenttumsantrag besagt:„Als militärische Geheimnisse im Sinn«de« Gesetzes gelten nicht: 1. Gegenstände, welche öffentlich sichtbarsind und deren Besichtigung gewohnheitsmäßig gestattet wird;2. Gegenstände, soweit sie bereits in Schriften oder Zeitungen ver-öffentlicht worden sind." Die Regierungsvertreter wenden sichgegen diesen Antrag als viel zu weit gehend. Von sozial-demokratischer Seite wird betont, daß die Militär-bchörden darauf ausgehen, viel mehr zu schützen alswirkliche militärische Geheimnisse. Nach längerer Debatte wird inprovisorischer Abstimmung 8 1 Abs. 1 des Gesetzes in folgenderFassung einstimmig angenommen:„Militärische Geheimnisse im Sinne dieses Gesetzes sindSchriften, Zeichnungen und andere Gegenstände, deren Geheimhaltungim Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist."Damit ist die in der Regierungsvorlage geforderte Einbeziehungvon bloßen. N a ch r ich t e n" in den grundlegenden Paragraphendes Gesetzes gefallen. Es folgten Mitteilungen des Vertretersdes ReiwsmarineamtS über einige Fälle, in denen«ine Bestrafung,obschon sie erforderlich sein soll, auf Grund deS jetzigen Gesetzesnicht eintreten konnte._Eine Zeutrums-Schnapswahl.Die WahlprüfungSkommifsion des Reichstage« setzte am Mittwoch,den 4. Februar, die Prüfung der Wahl deS im Kreise Kasel-Groß-Slrehlitz gewählten Abgeordneten G l o w a tz t i(Z.) fort.Glowatzki wurde in der Stichwahl mit 11484 Stimmen gegen denpolnischen Pfarrer B a j d a, der 11 vöö Stimmen erhielt, gewählt.In dem Protest wird mehrfach S t i m ni e n k a u f durchSchnap»,Bier, Zigarren, teilweise auchGeld behauptet, worüberBeweis zu erheben beschlossen wurde. Eine längere Diskussion rief dieauch in anderen Wahlkreisen schon gemachte Wahrnehmung hervor,daß in amtlichen Wahlku Verls bereits bei ihrerAb-gäbe an die Wähler Stimmzettel enthalten waren.In zwei Bezirken diese« Wahlkreises trugen die Stimmzettel sonderbarer-weise die Namen eines früheren Kandidaten desgleichen Wahlkreises. Es konnte bisher noch in keinemFalle aufgeklärt werden, bei welcher Gelegenheit die Stimmzettel indie Kuverts gekommen sind, da bereits früher benutzte Wahlkuvertsallgemein nicht mehr zur Verwendung kommen. Die Kommissionbeschloß einstimmig, den Reichstag zu ersuchen, diesemll e b c l st a n d e bei kommendes» Wahl«« durch g e e i g-nete Maßnahmen entgegenzutreten. Die Wahl Glo-watzkis wird voraussichtlich in der nächsten Sitzung der Kommisstonb e a n st a n d e t werden._Die Grundzüge zur Regelung des Submisfiousweseus.Durch den von den Nationalliberalen und Fortschrittlern in derReichstagskommission eingebrachten Gesetzentwurf sollen in Zukunftdie Handwerker bei der Vergebung öffentlicher Arbeiten gegen dieKonkurrenz der großen Unternehmer geschützt werden. Die Resultateder bisherigen Beratungen entsprechen auch vollkommen diesenWünschen der Mittelständler. Der Entwurf geht an jeder sozialenund wirtschaftlichen Schntzbesiinimung der Arbeiter vorüber, berück-sichtigt aber die einseiligen Unternebmerforderungen, zum Beispieldie Streik- und Aussperrungsklauscl in der reaktionärsten Form.Bei Beratung des ß 40 kamen die Arbeiterforderungenzur Verhandlung, die von den sozialdemokratischenKommiksionsmitgliedern deantragt wurden. Unter allgemeiner Zu-ftimmung wurde beschlossen, daß die Unternehmer von der Zuschlags-erteilung auszuschließen sind, die den Arbeitern und An-gestellceil das Koalitionörecht nicht gewähre»,die die A r b e i t e r s ch n tz b e st i m in u n g e n nicht durchführenund die wiederholt gegen die Bestimmmungen dersozialen Gesetze verstoßen haben. Die sogenannte„an-ständige Lohnklausel"(Sicherung der tariflichen ortsüblichenoder vereinbarten Löhne, der Arbeitszeiten und sonstigen Arbeits-bedingungen wurde gegen die Zentrums stimmenangenommen. Abgelehnt wurden dagegen von allen bürgerlichen Kam-miisionsmitgliedern die Verpflichtungen, bei den in Frage kommendenArbeilen nur Lehrlinge in angemessener Zahl zu be-schäftigen und zunächst orlsangesessenc und inländische Arbeiter ein-zustellen, bevor Ausländer angestellt werden. Abgelehnt wurde auchdie Auferlegung der Pflicht, bei Neueinstellung von Arbeitskräftendie paritätischen Arbeitsnachweise zu benutzen. Dadiese Forderungen von den christlichen Gewerkschaften und den Hirsch-Dunckerschen ebenso entschieden vertreten werden, wie von den freienGewerkschaften, so war es sehr erbaulich, zu hören, daß dieHerren vom Zentrum und den beiden liberalen Parteien theoretischmit den Gründen der Sozialdemokraten vollkommen übereinstimmten,dagegen erklärten, sie müßten aus„praktische» Erwägungen" zur Ab-lehnuug kommen IGerichtszeitung.Der Raubanfall auf den Gcldbricftrngcr Hoffmann,der im Dezember 1912 im Stadtteil Moabit so großes Aufsehenerregte, beschäftigte gestern noch einmal das Schtvurgcricht desLandgerichts I, Es handelt sich um den bekannten Ueberfall, deram 4. Dezember 1912 im Hause Altmoabit 94 auf HoffmaiM aus-geführt worden ist. Dieser tvar durch eine fingierte Postanweisungüber 1 M. in die im Seitenflügel vier Treppen hoch gelegeneWohnung des Arbeiters Robert Wolff gelockt worden. Nach einemzwischen dem dort tovhncnden Diener Johannes Freiholz und demKellner Franz Rost genau verabredeten Plan wurde der Briefträger beim Betreten der Wohnung plötzlich von hinten gepackt,gewürgt und auf den Kops geschlagen. Es entspann sich ein Ringen,der Beamte kam zu Fall, und als er um Hilfe rief, wurde ihmvon einem der beiden Verbrecher— es tvar Rost— der MundKUgedrückt. Da biß ihm Hoffmann mit allen Kräften in den Fingerund befreite sich auf diese Weise von seinem Angreifer. Nun ließHoffmann aufs neue laute Hilferufe ertönen, und dies hatte zurFolge, daß beide Verbrecher schleunigst davonliefen und nicht mehrgesehen wurden. Freiholz hatte sich spater auf Rat seiner Mutterin Hamburg der Polizei freiwillig gestellt, auch lllost wurde balddarauf in Berlin festgenommen. Der Ueberfallene hatte beimRingen mehrere Kopfbeulen davongetragen; als er dem Rost kräftigin den Finger gebissen hatte, hatte dieser so nachdrückliche Versuchegemacht, den Finger wieder frei zu bekommen, daß dem Hoffmannein Zahn herausgebrochen tvurde; außerdem hat Hoffmann einenNervenchok erlitten, der ihn längere Zeit dienstunfähig machte..— Wegen dieses Verbrechens standen Frciholz und dessen Schlaf-stellenwirt Wolff am 19. April v. I. vor dem Schtmirgericht, das,de» Freihol» zu 4 Jahren Zuchthaus und 9 Jahren Ehrverlust, denWolff, von dem angenommen wurde, daß er mit den beiden untereiner Decke steckte und deren verbrecherischen Plan begünstigte, zu9 Monaten Gefängnis unter Anrechnung von 3 Monaten Unter-suchungShaft verurteilte. Gegen Rost konnte damals nicht ver-handelt werden, weil er in der Haft geisteskrank geworden war.Er tvar der zuständigen Provinzialirrenanstalt in Stralsund überwiesen worden. Er ist inzwischen wieder verhandlungsfähig gc-Ivorden. Nach dem Gutachten des SanitätSrats Dr. Horstmann-Stralsund, das mit dem des Medizinalrats Dr. Hoffmann über-einstimmt, ist Rost als geistig minderwertig zu bezeichnen, dochliegen keine Ntomente vor, die auf eine Willensunfreiheit des An-geklagten deuten.— In der gestrigen Schwurgerichtsverhandlungbefolgte Rost die Taktik, zu erklären, daß er unschuldig sei und sichauf gar nichts besinne. Durch die Beweisaufnahme, in welcherauch der aus Sonnenburg vorgeführte FreiKolz als Zeuge vernommen Wurde, tvurde die Schuld des Angeklagte» voll erwiesen;Staatöanlvaltschaftsassessor Schumann behandelte ihn sogar als denHauptschuldigen, während Rechtsantvalt Selle die Frage der Zu-rechnungsfähigkeit des Angeklagten zurzeit der Tat für nicht ge-klärt hielt.— Die Geschworenen sprachen Rost des versuchtenRaubes schuldig und versagten ihm mildernde Umstände.— TerStaatsanwalt beantragte 6 Jahre Zuchthaus und 19 Jahre Ehr-Verlust. Dieser Antrag löste bei dem Angeklagten ein lang an-haltende» krampfartiges Geschrei au« und in ununterbrochenerWiederholung tönte der Ruf„Mutter! Mutter!" durch den Saal.Der Angeklagte mußte vorübergehend zu seiner Beruhigung ab-geführt werden. Als er wieder in den Saal geführt worden war,hielt er noch eine lebhafte Rede über die Schlechtigkeit der Men-scheu, die ihn so lange ins Zuchthaus stecken wollten.— Das Gerichtverurteilte den Angeklagten zu 4 Jahren Zuchthaus und 9 JahrenEhrverlust, wobei berücksichtigt wurde, daß es sich hier um einenheimtückischen verbrecherischen Plan handelte, und daß die Geld-briefträger im öffentlichen Interesse gegen solche Ueberfälle geschütztwerden müssen._Der Herr Professor.Der in Deuffchland nichtapprobierte Heilkundige Westphalwar vom Landgericht Berlin zu einer Geldstrafe verurteilt worden.weil er den§ 360 Ziffer 8 des Strafgesetzbuches und den§ 147der Getverbeordnung übertreten habe. Es wurde angenommen, erhabe sich unbefugt den Titel Professor beigelegt und sich dadurchzugleich, ohne in Deutschland approbiert zu sein, einen arztähnlichcnTitel beigelegt. Er hatte nämlick seinen Patienten und anderenBekannten durch Zirkular mitgeteilt, daß er wegen seiner Ver-dienste und Erfolge um die medizinische Wissenschaft von derAkademie zu Larino zum korrespondierenden Mitgliede und Pro-fessor ernannt worden sei. Er behauptete auch, er hätte dort ein«Prüfung bestanden. Eine Anfrage beim italienischen Kultusministerhatte aber ergeben, daß es in Larino seit 29 Jahren keine Akademiemehr gebe. Es werde dort allerdings von getoissen Leuten einHandel mit Diplomen betrieben.,>Das Kamniergericht, bei dem der Angeklagte noch Revision ein-legte, vertvarf jetzt das Rechtsmittel als unbegründet.Wie wir von anderer Seite hören, dürfte es sich bei dem Unter-nehmen in Larino, das jetzt noch Diplome ausstellt und natürlichGeld dafür nimmt, um eine Privatgesellschaft handeln, die sich„Circolo frentano di Larino" nennt.Sittlichkeitsverbreche«.Die Strafkammer in Straßburg verurteilte nach dreitägigerVerhandlung den ffühercu Direktor der Straßburger Nniversitats-Augenklinik, Profesfer Dr. Schirme«, gebürtig aus Greifswald,jetzt in New Uork Ivohnhaft, wegen Verbrechens gegen ß 174 Ziffer 3des Reichsstrafgesetzbuches zu einer Gefängnisstrafe von sechs Mo-naten bei Annahme mildernder Umstände. Außerdem wurde, demAntrage des Staatsanwalts entsprechend, die sofortige Verhaftungwegen Fluchwerdacht« verfügt. In einem weiteren Falle lvurdcdas Verfahren abgetrennt und auf unbestimmte Zeit vertagt.rvttteruugsüberstcht vom 4. Februar 1914.Wetterprognose für Donnerstag, den 5. Februar 1911.Zeitweise aufklarend, vielsach nebelig oder wollig, am Tage«lild beimäßigen jäd westlichen Winden, keine wesentliche« Niederschläge.Berliner Wetserbureau.