Kl. 56. 81. Jahrgang.3. KtllU des Jomitts" Acelim WldsMFreitag. ö.FebrnarlM.Die Mißhanölung öes Vereinsrechts.Reichstag.206. Sitzung. Donnerstag, den 6. Februar 1K14,nachmittags 1 Uhr.»m Tische des Bundesrats: Dr. Delbrück.Die Beratung desEtats des Reichsamts des Inner«wird bei der Frage des BereinSrechtS fortgesetzt.Abg. Dr. Juuck(natl.):Wenn auch nur ein Teil der vorgebrachten Beschwerden überdie Handhabung des BereinsgesetzeS richtig ist, so läßt diese Hand«habung die n o l w en d i g e Ruh e und Würde vermissen.Aber zur Aufhebung des Sprachenparagrapheu liegt keinAnlaß vor, es würde das ein Zurückweichen bedeuten. Auchdie Klagen L e g i e n S über die Drangsalierung von Turn-vereinen und Gewerkschaften sind unberechtigt; dieseVereine sind doch nun einmal sozialdemokratische Organisationen.Bömelburg hat seinerzeit ausdrücklich gesagt.Sozialdemokratie undGewerkschaften ist eins". Es ist ein Mangel an Offenheit, wenn Siedas immer bestreiten.— Ich bin diesmal nicht in der Lage wiefrüher vor dem Reichsvereinsgesetz eine Fülle von einzelnen Miß-griffen unterer Verwaltungsorgane vorzutragen. Gewiß hat sichdas Gesetz noch nicht überall eingelebt, aber eine gewisseBesserung ist doch zu verzeichnen. Es wäre verkehrt, eine großeBewegung, wie sie die Sozialdemokratie ist— ich meine das nichtim bewundernden, sondern im konstatierende Sinne(Heiterkeit)—mit Nadel st ichen zu bekämpfen. Der Fall Amundsen bedeutetzweifellos einen Fehlgriff. Bedauern würde ich es auch, wenn wirklichein Gericht den Satz aufgestellt hätte, das Vereinsgesetz gebe nur dieFreiheil Bereine zu bilden aber nicht die Freiheit der Betätigungfür dieie Vereine. Ich kann mir vorläufig nur denken, daß hier einMißverständnis des Abg. L e g i e n vorliegt. Wenn Reichsgerichtund Oberverwaltungsgericht verschieden urteilen, muß eine gemein«same höhere Instanz geschaffen werden. Jedenfalls muß dieFrage, die der Antrag Spahn durch Aenderung deS Gesetzes lösenwilß vielmehr den Gerichten zur Entscheidung überlassen werden.An eine Aufhebung der Bestimmungen über die Jugend-l.ichen denken wir gar nicht. Die Beschäftigung mitder Politik ist wirklich nicht so etwas arg Schönes,daß wir sie auch unseren Kindern.gönnen" sollen.Ich gebe zu. daß in den u n b e m i t t e lt e n Klaffen das Be-d ü r f» i S, sich an volkswirtschaftlichen Fragen zu beteiligen,früher er tv acht als bei den Kindern bemittelterEltern. Aber die Grenze deS 18. JahreS ist immer noch frühgenug. Wir wollen unsere Jugend von allem.Gift" möglichst fernhalten. Dann ist gestern der Fall Jagow erwähnt worden.Der Reichstag ist zu seiner Kritik zweifellos kompetent. Herr Jagowist ein typischer Verwaltungsbeamter und seine Ent«scheidung ist vom preußischen Minister deS Innern gebilligt worden.Wir wissen, daß das Vereinsgcsetz nicht alle Einflüffe aus-schließt, die auf. sich Vereinende und Versammelte ausgeübtwerden können. Aber diese Maßnahme gegen einen Verein,der die Pflege königötreuer Gesinnung, kameradschaftlicherGeselligkeit und ähnliches als seine Ziele bezeichnet und politischeund wirtschaftliche Betätigung— im Unterschied von dem LondonerBerein— ausschließt, richtet sich doch gegen den Gedankender Koalition als solchen und das würde nach dem Reichs-vereinsgesetz nicht zulässig sein. Wir hoffen von der zu-nehmenden Vorurteilslosigkeit aller Behörden, daßdaö Gesetz sich immer mehr einleben wird. Eine schikanöse und spitz-findige Auslegung billigen wir keinesfalls. Jedenfalls zeigt sichjetzt, daß toir einen schweren politischen Fehler begangen hätten,ivenn wir seinerzeit dem Kompromiß nicht zugestimmt hätten, denndas jetzige Gesetz ist zweifellos günstiger als der frühere Zustand.(Bravo! bei den Rationalliberalen.)Abg. Dr. Müller-Meiningen(Vp.):ES gibt keine beffere Rechtfertigung der Haltung der freisinnigenParteien im Jahre 1908 als die Bezeichnung des Reichsvereins-gesetzeS von konservativer Seite als.bitterste Frucht der Blockpolitik".Tatiache ist leider, daß die unteren nachgeordneten Behörden zumTeil auf einzelne Bestimmungen deS Gesetzes geradezu pfeifen.Ist die RechtSauSlegung eine systematisch falsche, so müffen wir zueiner Aenderung des Gesetzes kommen. Seine Vorteile werden wrrnatürlich nie aufgeben. Zu den falschen Rechts- resp. Verwaltungö-auSlegungen rechne ich den Mißbrauch der Polizeistunde, denMißbrauch bei Auswahl der Zeitungen zur Bekanntmachungder Versammlungen usw., vor allem auch den Mißbrauch de«Disziplinarrechts. Einer Aenderung der Bestimmungen überdie Jugendlichen können wir dagegen nicht zustimmen. Hierspielt der große Konkurrenzkampf um die Seele der jugendlichenArbeiter zwischen Zentrum und Sozialdemokratie eine Haupttolle.Auf beiden Seiten dieselben Reden über die.Vergiftung" derJugend. Wer hat nun die richtige Weltanschauung?(Zuruf beiden Sozialdemokraten: Wir!— Heiterkeit.) Innerhalb deS Zentrumsklagt man ja auch über»VergiftungS'crscheinungen. Also mit diesemBegriff sollte gerade das Zentrum sehr vorsichtig sein. Wir wollenunsere Jugend nicht zu Versuchskaninchen für die verschiedenen Giftemachen.Auch in die Jungdeutschlandbewegung darf keinepolitische Betätigung hineingetragen werden. Ich gebe zu, daß auchsie mißbraucht wird. Aber die deutsche Turnerschaft istkein politischer Verband(Zuruf bei den Sozialdemokraten:Die Arbeiterturnvereine auch nicht I). Wir wollen dieJugend weder zur Abwehr noch zum Angriff benutzt wissen. HerrL e g i e n sagte ja selbst, wir wollen die Jugend nicht mit Politikvollstopfen. Aber ihre Anträge stehen im Gegensatz dazu. Aufdas schärfste ist e« natürlich zu brandmarken, wenn Jugendlichezu Spitzeln benutzt werden oder wenn dt« Bestimmungenüber Jugendliche zu Schikanen gegen die Erwach-s e n e n benutzt werden.(Sehr richtig I link«).— Wa«die Beamtenvereinigungen angeht, so sieben wir da aufdem Standpunkt, daß Reichsrecht über Disziplinarrecht geht. Herrv. Jagow fürchtet ja alles, nicht nur.Die im«chatten leben".(Sehr gut I links.)In England hendelte eS sich um da« S t r e i k r e ch t, dasauch wir für die Staatsarbeiter und Beamten nicht wollen. Hieraber handelt eS sich um das einfachste VereinSrechl der Beamten.Der RegierunaSvertreter wies auf das Bestehen großer Beamten«vereine hin. Welche Arbeit und Mühe hat eS nicht gekostet, sie zu-stände zu bringen! Auch die Schutzleute werden noch zu ihremRecht kommen. Herrn v. Jagow« Vorgehen kommt lediglich derSozialdemokratie zugute.(Lebh. Zustimmung b. d. BolkSp.)Der mit Versetzung an die polnische Grenze bestrafteSchutz«mann hat in der Schutzmannsversammlung die sechs Richtpunktefür das Programm verlesen»vorbehaltlich der Genehmigung desHerrn Polizeipräsidenten", und hat die � Versammlung mit einemdreimaligen Hoch auf den Kaiser und König vonPreußen geschlossen. Und dafür ist er an dt« polnischeGrenze versetzt. Wa» soll denn dieserunglaubliche Mangel an Vertrau«»m den Beamten! Wir haben die Präventivverbote ausdrücklich ausdem Gesetze herausgebracht. Die Reverse aller Art sind aber nichtsanderes als Präventivverbote. Die Erklärung geschlossener Vereins-Versammlungen zu öffentlichen ist ein fortgesetzter Miß-b r a u ch des Vereinsgesetzes.(Sehr richtig! links.) Den Sprachen-Paragraph wird die preußische Regierung nicht fallen lassen, ohneihn wäre das Gesetz nicht zustande gekommen, deshalb habenmeine Freunde diesem Kompromißparagraphen zugestimmt. Damitsind wir aber nicht für immer an ihn gebunden. Natürlich läßt diepolnische Bewegung sich durch diesen Paragraphen nichtunterdrücken, und nun kommt die Auslegung, daß geschlossene Ver-sammlungen öfentliche seien. Wir müssen daher statt der Auf-Hebung des Paragraphen, die wir doch nicht erreichen, eine authen-tische Interpretation durch Aenderung des GesetzestextcS geben.Ein Schulfall für die mißbräuchliche Anwendung deS Gesetzes istder' Fall A mundsen. Ganz abgesehen von der ungeheurenBlamage, die Deutschland dadurch erfahren hat, verbietet der§ 12des Vereinsgesetzes die.Verhandlungen" in öffentlichen Verfamm-lungen in anderer als deutscher Sprache. Ein Vortrag ohnejede Diskussion ist aber keine Verhandlung(Sehr richtig!links), wenn auch verschiedene Gerichte, allen voran das Ober-landesgericht Marienwerder, gegenteilig entschieden haben. DieKonsequenzen dieser Judikatur sind staunenswert. Auch alleTheateraufführungen und Konzerte fallen danach unter den§ 12,Ein solcher Mißbrauch ist nicht nur ein Unrecht, sondern aucheine politische Torheit.So stützt man nicht das Deutschtum, sondern stellt es bloß. ESist ein verderblicher Köhlerglaube, daß man jeden Mißgriff derBehörden in den Grenzbezirken aus.nationalen Gründen" deckenmüsse. Man erregt dadurch nur Mißstimmung in den nordischen,germanischen Ländern und da» Auswärtige Amt hätte alle Ver-anlassung, solcher Durchkreuzung seiner Taktik entgegenzutreten.Das Vereinsgesetz selbst ist an allen diesen Mißbräuchen nichtschuld. Der beste Beweis für die Güte deS Vereinsgesetzes istder Umstand, daß aus allen süddeutschen Staaten nicht eine einzigeKlage darüber kommt. Da» beste Gesetz wird schlecht durchschlechte Anwendung, wie sie in O st e l b i e n herrscht.Durch diese Art der Bekämpfung von nicht deutschen Bestrebungenruft man nur Feindschaft, Haß und Verachtung bervor. Wirwerden nicht ruhen und rasten» bis diese russische Verwaltung?»maxime vom deutschen und preußischen Boden verschwindet.(Bei«fall bei der Volkspartei.)Abg. Dclsor(Elsäsier):In Afrika sucht man die Muttersprache der einzelnenStämme sorgfältig zu erhalten. Wa» in den Kolonien recht ist,muß auch im Mutterlande billig sein. Bei der Beratungdes Sprachenparagraphen verwies uns Herr v. B e t h m a n nH o l l w c g auf da« Wohlwollen der elsah-lothringischen Re-gierung. Gesetzliche Garantien sind uns aber lieber als daS Wohl-wollen einer von Berlin abhängigen Regierung.(Sehr richtig!bei den Elsässern.) Auch kleinen Minoritäten sollte man den Ge-brauch der Muttersprache nicht beschränken; man schließt sie dadurchgeradezu vom öffentlichen Leben aus. Die Sprache ist auch keines-wegs ein Symbol der politischen Gesinnung; eine polnischeRede deS Fürsten R a d z i w i l l ist sicher loyaler und königstreuerals eine im schönsten Deutsch gehaltene Rede eines Sozial-demokratcn. Mit dem Sprachenparagraphen bewirkt man nurGroll und Erbitterung. Wir stimmen für seine Abschaffung, auchwegen der Unklarheit de» Begriffes öffentliche Versammlung. Auchfür die Beseitigung de»<| 17 stimmen wir, denn wir wollen unsereJugend der Politik zufuhren. Politik ist nicht notwendigerweiseParteipolitik und Parteigezänk, sondern Politik ist vor allemBürgerkunde.— Auch in den anderen Punkten sind wir mitden Antragstellern einig und werden für die Anträge stimmen.Abg. Hansen(Däne):Ich bitte Sie, allen vorliegenden Anträgen zuzustimmen.Bei uns wird sogar der Bortrag dänischer Kirchen-lieber in Kirckicnkonzerten verboten.(Hört! hört! bei denSozialdemokraten.) Auch die norwegische Sprache wird bei unsverfolgt. Das Absingen eines berühmten norwegischen Liedeswurde mit SO M. b e st r a f t. Ein norwegischer Leutnantwurde ausgewiesen, weil er einen wissenschaftlichen Bortrag überseine Reisen in China und Japan halten wollte. Aufdiesem Hintergrund ist da» Verbot des Vortrages Amundsen er-klärlich, das endlich der weiten Oeffentlichkeit die Augen über diebei uns herrschenden Zustände geöffnet hat und daS von.allenRednern hier im Hause zu unserer Genugtuung aufs schärfstemißbilligt worden ist. Um die Genehmigung des Vortrags hat dieveranstaltende Konzertagentur deshalb nachgesucht, weil ihr früherda» Konzert eines berühmten SünßerS in Flenöhurg verbotenworden war, weil dieser auch einige dänische Volkslieder singenwollte. DaS wurde damals erst gestattet, nachdem nachgewiesenwurde, daß die Lieder aus dem 12. Jahrhundert stammten.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) All diese Vorgänge be-weisen, welcher Mißbrauch von einigen Verwaltungsbehörden mitder sogenannten danischen Agitation getrieben wird. Die Be-hauptung der»Rordd. Allgem. Ztg.", daß seinerzeit der Bortragdänischer Volkslieder in dem erwähnten Fall zu deutschfeindlichenKundgebungen mißbraucht worden sei, ist eine grobe Unwahr-heit und wenn diese Behauptung de» offiziösen Blatte« sich aufBerichte von Verwaltungsbeamten stützt, eine wissentliche Un-Wahrheit.(Hört! hört!) Die Aufrechterhaltung des Sprachen-Paragraphen kann nur Haß und Erbitterung erzeugen, wirdaber nie zur Germanisierung der Grenzländcr beitragen.(Sehrrichtig! bei den Sozialdemokraten.) Geschlossene Vereine imeigentlichen Sinne gibt es auch bei un» nicht mehr. Schon dieMöglichkeit, daß Jugendliche anwesend sein können, gibt der Polizeidie Handhabe, ist solche Versammlungen einzudringen. DieAutorität der Behörden wird durch solches Lorgehen nicht gestärkt.Das Ansehen Deutschlands im Ausland wird dadurch geradezu ge-schädigt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)Abg. Landsberg(Soz.):De- Regierungsvertreter hat sich die Sache gestern kehr leichtgomacbt. Er meinte, gegen die Gerichte und der Exekutwbeamtender Einzelstaaten hätten die Verbände der Regierungen kein«Macht. Herrn Junck gebe ich ohne weiteres zu. daß z. B. fürMecklenburg das Reichsvereinsgesetz Fortschritte gegen denfrüheren Zustand gebracht hat. Aber das ReichSvercinsgesetz hatdoch zwei Flecken, die so schwarz sind, daß die gewiß vorhandenenFortschritte viel glänzender sein müßten, um die Flecken auSzu-gleichen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)Das frühere preußische Gesetz war zweifellos besser als da»Reichsvereinsgesetz. Gewiß legte es Vereinen, die sich mit öffem-lichen Angelegenheiten beschäftigten, die Verpflichtung auf, da»Verzeichnis ihrer Mitglieder der Polizeibehörde zu überreichen. DaSwar gewiß eine Belästigung für die Vereine, aber eine noch vielgrößere für die Polizei. So wurde der Fabrikarbeiterverbandin Hannover eines TageS für einen öffentlichen Verein erklärt.Der Vorstand reichte darauf ein Verzeichnis der Namen seiner Mit-glieder bei der zuständigen Polizeidirektion ein. Es standen daraufüber loovvo Namen. Sie Lünen sich denken, was für ver«zweifelt« Gesichter die Polizeibeamte» in Hannover machten.(Heiterkeit.) Alst, von dieser Bestnmmmg hätte die Polizei zweisel-los bald ebenso wenig Gebrauch gemacht, wie mau daS in Englandgegenüber nicht brauchbaren Gesetzen tut. Ferner war im. preußischen Gesetz ein schwerer Mangel die v ö l l i g c p o l i t i s ch« E n t-rechtung der Frau. Aber da bei der wachsenden politischenBetätigung der Frau alle Parteien ein Interesse<m der Beseiti-«ung dieser Bestimmung hatten, hätten sie sich doch nicht mehr langealten können. Demgegenüber stehen nun im ReichsvereinSgesetzdie beiden bedenklichen Bestimmungen des Sprachen-Para-graphen und des Jugendlichen-Paragraphen. Ichnehme von Ihnen allen an, daß Sie Ihre Muttersprache lieb haben.Aber wer das hat, muß sich auch vergegenwärtigen können, wieeinem anderen zumute ist, dem der Gebrauch seiner Muttersprachean irgendeiner Stelle verboten ist.(Sehr wahr! bei den Sozia!-demokraten.)Bei allen Brutalitäten, die deutschen Minor, tätengegenüber im Auslande verübt werden, beruft man sich auf diesenSprachenparagrapheu. Wir angeblich antinationalcn Sozialdemo-kraten stehen auf dem Standpunkt: Jeder muß seineMuttersprache lieben, aber er mutz die Mutter-spräche jedes anderen achten. Deshalb werden wir nichtruhen, bis der Sprachenparagraph, der die Muttersprache von natio-nalen Minderheiten nicht achtet, fällt.(Sehr wahr! bei den Sozial-demokraten.) Dieser Paragraph ist nicht etwa, wie Herr v. Veitmeinte, aus nationalen Erwägungen hervorgegangen, sondern erist in das Besetz gekommenauf Bettribcn der westfälischen Grossindustticllc»,die damit erreichen wollten, daß man an die unglücklichen fremd-ländischen, schlechtbezahlten und kein Wort deutsch verstehenden Ar-bciter, die Sie, die nationalen Männer, im Interesse größerenProfits nach Deutschland bineinschleppen, nicht mit der Aufklärungherankäme, damit sie nccht höhere Lohnforderungenstellen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wären die dcnt-schen Arbeiter sämtlich wirtschaftLftiedlich, Gelbe, sie könnten sichm alle Ewigkeit in ihren Versammlungen unterhalten, in welcherSprache sie wollten. Herr Junck meinte, es wäre politisch bedenk-lich, den Sprachenparagraph jetzt zu beseitigen. Ich bin überzeugt,daß seine staatsmännischen Fähigkeiten die meinigen ganz erheblichüberschreiten, aber ich bin doch(roh darüber, daß ich kein Staats-mann bin, wenn das wirklich Staatskunst ist.(Sehr gut! bei denSozialdemokraten.) Für mich ist die beste Staatsknnst, g e r e ch tzusein.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) l HerrMertinmeinte, die Aufrechterhaltung deS Sprachenparagraphen sei notwendig, weil die Polen sich vor Gericht verstellten, als ob sie nichtdeutsch verständen. Ich weiß nicht, ob er irgendein« fremde Sprachespricht. Aber er mag sie noch so sehr beherrschen, wenn er alsZeuge oder gar als Angeklagter vor Gericht stände, würde er dochden größten Wert darauf legen, in seiner Muttersprachereden zu dürfen. Das wird keine Verstellung, sondern einsehr begreiflicher Wunsch sein. Und wenn wirklich die �Verstockt-heit der Polen die Wirkung deS Sprachenparagraphen wäre, dannwäre dies der beste Beweis, daß der Paragraph nichts taugt.(Sehrrichtig! bei den Sozialdemokraten.)Dann zu den I u g e n d l i ch e n. Ich teile den StandpunktLegienS, wir wollen die Jugend nicht politisieren. Nun meintegestern der Regierungsvcrtreter, das sei ganz der Standpunkt derNegierung, man merkt ihm ordentlich die Freud« darüber an,einen Gesinnungsgenossen auf der äußersten Linken zu finden.(Heiterkeit.) Aber eS besteht doch zwischen uns und der Regierungein kleiner Unterschied.(Heiterkeit.) Ich Imbe vor cmiögen Jahren eine sehr gute Auslassung über diese Frage gelesen.Da hieß eS, es sei nicht angebracht, daß die Jugend allzu früh mitPolitik beschäfttgt werde, aber noch weniger, mit Strafbc-stimmungen die trotzdem politisierende Jugend zu verfolgen.Da» Verbot des Versammlungsbesuchs und des Anschlusses an Ver»eine sei gang nutzlos, denn cS gäbe noch viele andere Möglichkeiten,die Jugend politisch zu beeinflussen, und solche Bestimmungen führ-ten nur zu hoch st lästigen Eingriffen in daS Fa-milienleben. Diese höchst verständige Auslassung hat bestandender Begründung zum Entwurf deS Reichs-inVereinsgesetzes.(HörtI hört! bei den Sozialdemokraten.)Die Regierung hat auf diesem Gebiete gründlich umgelernt. DasEingreifen, das ihr 1007 so lästig erschien, wird heute kräftig geübt.Junge Leute, die politische Versammlungen besuchten, sindgefesselt auf dir Polizei gebrachtworden, mit Polizeihunden verfolgt, als Angeklagte borGericht gebracht worden.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Ich bin uberzeugt, solche jungen Leute werden den Haß gegen die-jenigen ihr Leben lang nicht loS werden, die sie in dieser Weisedrangsalieren. Unsere freien Jugendorganisationen wollen dieJugend nicht politisieren. Sic wollen das Wissen der jungenMenschen vermehren. DaS haben diese ehemaligen Volksschülerwirklich nötig, von deren Wisse» daS Goethesche Wort gilt:'.Wasman mcht weiß, das eben braucht man, und was man weiß, kannman nicht brauchen."(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)Wir wollen die jungen Leute fernhalten von derStraße, vom Besuch der Kinotheater, von der Kneipe.Wir wollen die Kunst in ihr Leben hineinleuchten lassen, wollenihnen die Kenntnis der Werke unserer unsterblichen Denker undDichter vermitteln, die heute für sie begrabene Schätze sind.Wir wollen die Freude an der Natur in ihnen wecken. Diefiele Jugendorganisation unterscheidet sich dadurch sehr vorteilhaftvon den bürgerlichen Jugendorganisationen, inShesondere vomJungdeutschlandbund. Gewiß, auch dieser führt die jungen Leutehinaus in Wald und Feld. Ich habe sie auch draußen gesehen,aber ich habe den Eindruck gehabt, daß sie sich das Feld nur darauf-hin angesehen haben, ob irgendeine Terrainfalte Deckung gegeneinen fingierten Feind bot, und den Waid daraufhin,ob man unter dem Schutz seiner Bäume an den Fcindheran»schleichen könne.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Diese militärischen Uebungen halte ich für«inen ganz nnglaub-lichen Unfug. Die fielen Jugendorganisationen wollen die prole»tarische Jugend allerdings auch stark und mutig machen; sie wolle».daß die jungen Leute, wenn sie herangewachsen sino, lachenddurch da« Leben ziehen, wollen ihnen freiheitlicheGesinnung beibringen und proletarische Weltan-schau un a. Das heißt aber nicht sozialistische Weltanschauung,leider sind durchaus nicht alle Proletarier Sozialisten. Die prole-tarische Weltanschauung besteht darin, daß der einzelne sich bewußtwird, daß er allein völlig machtlos ist und nur im Anschlußan seine Klassengenossen eine Macht bedeutet. In denbürgerlichen Organisationen liefert man die jungen Leute denMuckern aus und den elenden Hetzern, deren perverse Phantasienach Krieg und Massenmord lechzt.(Sehr wahr! bei den Sozialdem.)Die Judikatur über das ReichSvercinsgesetz rechtfertigt alle Be-fürchtungen, die wir früher ausgesprochen haben. Das schlimmstefind die Entscheidungen über das Verhältnis des Landespolizeirechtszum Reichsvereinsgesetz. Die Väter des Gesetzes haben zweifellosgeglaubt, den(j 1 so gefaßt zu haben, daß Vereine und Versamin-lungen gegen ein Einschreiten auS landespolizeilichen Gründen ge-schützt sind. Mit dürren Worten verkündet der Absatz 1 des tj 1die Ausschließlichkeit deS Reichsvereinsgesetzes, d. h. den Grundsatz,«tz das Vereins- und Versammlungswcsen in polizeilicher Be-zchung nur den in diesen und anderen ReichSgesetzen enthaltenenSeschrankungeu unterliegt. Zur Borsicht hat man im Absatz 2