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schonen, so ist sie am größten bei den Katboliken, dann folgen die Juden, die aber bei Abrechnung der Gewerbevergeben die geringste Kriminalität aufweisen, dann die Evangelischen. Un- endlich besser aber ist die Kriminalität der K o n f e ss i o n s- losen sLachcn rechts und im Zentrums und der Angehörigen der Ileinen Sekten. (Widerspruch rechts.) Sie bestreiten es? Der Redner beweist durch die Zahlen der amtlichen Statistik die Richtigkeil seiner Behauptungen. Ich folgere daraus nicht, dah die Katholiken weniger widerstandsfähig gegen die Versuchung seien, sondern, dast das Religionsbekenntnis dafür unerheblich ist. Sozialreform allein kann die Verbrechen wirksam bekämpfen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir leiden unter einer Uebcrfüttcrung mit Strafen, die auch der Leiter des Gefängniswesens im Ministerium des Innern, Herr Finkelnburg, festgestellt hat. Um so dringender not- wendig ist die Einsührung eines Rechts auf Rehabilitation, auf Löschung der Strafen im Register, was jetzt eine Sache der Gnade ist. Die Weltfremdheit der Richter glaubt man zu bekämpfen durch Besichtigungen von Fabriken und durch praktische Verwendung in Industrie oder Landwirtschast. Ich warne vor allzu großer Uebersckätzung dieser Maßregeln. Es ist unmöglich, daß alle Richter Universalgenies sein sollen. Eine Allerweltswisierei kann noch swlimmer werden als die Wellfremdheit. Das wichtigste für den Richter ist Rückgrat» festigkeit und soziales Verständnis, Erziehung zur Achtung' vor der Kompliziertheit unseres Lebens und zu der Er- kenntnis, daß der Richter nicht berufen ist, autoritativ über alles und jedes zu urteilen und die ehrliche Anerkennung der Unvoll- komnienheit des Wissens auch der Richter. Wenn Richter Sachver- ständige nicht anerkennen, namentlich in wissenschaftlichen Einzel- fragen, so ist das eine große Kurzsichtigkeit. Auch für das Gebiet der K u n st trifft das zu, denn wir wissen' doch alle, welches Banausentum sich gerade auf dem Gebiet der Kunst in höheren und akademischen Kreisen breit macht. Ein Beweis dafür ist dieser ganze widerwärtige Kampf gegen das Nackte. Logisch kann man alles beweisen. Die Logik ist die bestechlichste Art der menschlichen Geistesbetätigung, besonders die juristische, das zeigt sich in dem Zutodehetzen des Begriffs des relativ Unzüchtigen. Mit Logik kann man diese Jurisprudenz nicht bekänipsen, sondern nur mit dem Nachweis der Rückständigkeit unserer I u st i z, die auf dem Verwaltungswege die angeblich begrabene Lex Heintze und den Antrag Roeren in Kraft setzt. Zwei Berliner Staatsanwälte haben nichts anderes zu tun, als st e t s nach U n s i t t l i ch k e i t zu schnüffeln. Ran verfolgt ja auch Phonographenplatten und mit einer Beharr- lichkeit, die einer besseren Sache würdig wäre und einmal hat ein Staatsanwalt den steigefprochenen Angeklagten in öffent- licher Verhandlung gebeten, ihm doch die Platte für fein Museum zu überlassen!(Große Heiterkeit.) Ein sittliches Volk freut sich am Nackten, am Schönen, der Dunkelmännergeist aber mag von der Schönheit der.Schöpfung' nichts wissen. Mit Kultur freilich hat diese SiltlichkeitSfexerei nichts zu tun. Man will ja jetzt auch die empfängnisverhütenden Mittsl als.unsittlich' verbieten, unbekümmert daruni, daß dann die Geschlechtskrankheiten zunehmen würden. Der Staat, der die Kuppelei so streng verfolgt, leistet selbst shstematisch Beihilfe zur Kuppelei.(Zurufe rechts: Wo denn?> Der Senatspräfident Schmölder» Hamm hat es ja letzthin veröffentlicht. Ist die Gefundheitskontrolle der Dirnen nicht eine.Förderung der Unzucht", da sie doch ein- gestandenermaßen die Gefahren im Umgang mit der Prostitution vermindern soll! Ich habe das Vertrauen zur Menschheit und sogar zur p r e u ß i» scheu Menschbeit(Heiterkeit), daß man den Wahnsinn nicht tun wird, die Anlikonzeptionsmittel zu verbieten. Gegen die Ausdehnung des Wiederaufnahmeverfahreus hat sich sogar ein so achtenswerter Richter wie der Abg. BoiSly ausgesprochen, der mit vielen anderen Richtern das Wiederauffrahme» Verfahren als etwas Verdächtiges betrachtet. Er hat einen Einzel» fall, in dem die Manöver eines Privatdetektivs hier in Berlin eine Rolle spielten, zur Begründung angeführt. Aber wie schwer wiegt dagegen das von cincin Prof. Liepmann- Kiel und einem Prof. v. L i S z t» Berlin als höchst wichtig anerkannte Buch deS Rechts- onwalts Dr. Alsberg- Berlin mit seiner Fülle von Materiol, die die unausweichliche Notwendigkeit einer Ausdehnung des Wieder- aufnahmeverfahrens beweist. Im Interesse der Staatsautorität wird beute die Rechtskraft über die Gerechtigkeit ge- st e l l t! Denken Sie z. B. an den Essener Meineidsprozeß, an den Fall der Witwe Hamm aus Flandersbach, die wegen Gaitenmordes auf Grund der Ermittelungen des Kriminal- koinmiffarS a. D. v. T r e Z ck o w zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist. Dieser v. TreSckow , der unter Vorspiegelung einer langen Praxis er war vorher Schreibmaschinenhändler! eine so einflußreiche Stellung erlangre und jetzt an dem Ehemänuerauslciheinstitut beteiligt sein soll. Das ist die Hauptstütze des Urteils über Frau Hamm , das von aktiven Kriminalkommissaren als falsch erklärt und durck das von den Verwandten beigebrachte Material aufs schiverste erschüttert wird. Mein Parteigenosse Reichstagsabgeordneter D i t t m a nn hat mir dieses Material übermittelt die Spur geht nach einer ganz anderen Richtung, es handelt sich wahrscheinlich um Körperverletzung mit Todesfolge bei der Verfolgung eines flüchtigen Diebes. Ich werde bei einem späteren Trtel den Fall noch be- sprechen, aber ich muß jetzt bei den vielen gravierenden Tatsachen die Wiederaufnahme fordern. Die Staatsanwaltschaft hat zwar von neuem Verdächtige in Untersuchungshaft genommen, aber sie hat die arme Frau Hamm nicht aus der Hast entlassen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Der Fall ist dringend, jeder Tag, den Frau Hamm im Zuchthaufe zubringt, ein Justizmord! (Sehr wahr I links.) Die Unabhängigkeit unserer Richter steht zwar in der Verfassung, aber die Beförderungs- und Anstellungsverhältnisse machen sie immer abhängiger. Freilich, ein General v. Pelet- N a r b o n n c, der wird für treue Dienste für dir Militärpartei glänzend belohnt. Wie sollte das nicht korrumpieren, wie sollte es nicht verlocken, aufzublicken zur Gnadensonne, die da oben keuchtet!(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten. Pfuirufe und Lärm rechts.) Der Reichstag hat die Abschaffung des Vermögensnachweises der Referendare verlangt, Ihnen freilich ist die Reserve- offizierSeigenschaft des Richters die Hauptsache. Ein Richter hat angeregt, daß Richtern keine Orden und Titel verliehen werden, sie dürften auch nicht militärisch befördert und dadurch noch mehr abhängig gemacht werden, als sie es schon bei der Zu- lassung, Anstellung und Beförderung in Zivil und Militär sind. Das ist heute die Unabhängigkeit der Richter!(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Auch die politische Unabhängigkeit der Anwälte sucht man anzutasten. Was daraus beim uumerus clausus würde, wissen wir! Als vor einigen Jahren dieFreie Bollsbühne" unter Polizeiaufsicht gestellt wurde, erklärte der Minister des Innern, man denke nicht daran, sie kleinlich zu schikanieren. Und nun wird sie schikaniert, wo es nur geht. Das sind die Zusicherungen der preußischen Re- gierung! Freilich ein anderes Verhalten wäre ja gegen ihre Natur! Und darum wissen wir auch, was wir von den Versicherungen über die Unantastbarkeil deS Anwaltstandes zu halten haben. Die Nicht- vcrfolgimg der AnwaltSbeleidigungen in Dortmund ist bezeickmend! (Sehr wahr! links.) Man kann ja nun Anwälte wegen politischer Dinge nicht maßregeln, aber man schikaniert sie. Hätte ich wegen Duells auf der Festung gesessen, ich hätte einen Substituten sofort eventuell sogar telegraphisch bekommen; ich bekam ihn nicht. (Hört l hört! bei den Sozialdemokraten.) Und meinem Parteigenossen Landsberg wurde der Substitut trotz schwerer Krankheit� verweigert.(Stürmische Pfui-Rufe bei den Soz.) Dem Sozius des Rechtsanwalts Dr. Artur Schulz- München , des bekannten Revisionisten undagrarischen" Sozialisten hat man die Nieder- lassung in Preußen gestattet, dem Dr. Schulz aber nicht, obgleich Preußen seine Heimat ist und die bayerische Regierung die besten Berichte über ihn erstattet hat.(Zuruf rechts: Wir haben schon zu viele!) Dieser Zuruf ist ein offenes Eingeständnis Ihrerfach- lichen' Gründe.(Zuruf rechts: Zu viele Agrarier!) Ach so? Ich dachte, Sie meinten am Endezu viel Sozialisten"?(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) In Frankfurt a. O. sagte ein Re- gierungsassessor Frölich zu einem Klienten meines Parteigenossen Rechtsanwalt Falkenfeld:Warum nehmen Sie sich einen sozial- demokratischen Anwalt? Das wird Ihren Jntcrrffc» kaum dienlich sein!"(Stürmisches Hört! hört!) bei den Sozialdemokraten.) Rechtsanwalt Falkenfeld nannte dieses Vorgehen mit Recht hinter- h ä l t i s ch und einen Mangel an Mut. Er wurde dafür zu 50 M. Geldstrafe verurteilt, Fröhlich aber freigesprochen, weil das Gericht seine Aeußerung nicht für beleidigend hielt!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) So setzen unsere Richter den Stempel im Namen des Königs unter Akte krassester Willkür und Vergewaltigung und das heißt man dann unabhängige Justiz! Daß es bei uns Klasse>r j u st i z gibt, bestreitet ja keiner mehr. (Oho I rechts.) Auch das Zentrum hat das Bestehen einer Klassen- justiz schon anerkannt. Kritik an der Justiz dürfen wir jetzt wohl üben, nachdem sie auf der rechten Seite so ungemein lebendig geworden ist zmd in der Presse der Rechtsparteien manchmal erpresserische Formen angenommen hat.(Sehr gut! links.) Ich erinnere da an die Ausführungen derPost", wonach die Staatsanwaltschaft in Zabern jetzt alle Händevoll mit Meineidsprozessen gegen die Zeugen zu tun haben müßte.(Hört! hört! links.) Es handelt sich hier um die Staatsanwälte, die selber als Zeugen aufgetreten sind. DiePost" hat ja auch von dem Unterstaatssekretär P e t r i be- hauptet, daß während seiner Amtszeit die Rechtsprechung manchnial beeinflußt worden ist(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten) und daß die Verwandten Pelris zu Aemtern und Würden gekommen sind. Eine so schmutzige Auffassung, wie sie hier von der Möglichkeit der Amtsausübung eines Staatsmannes zum Ausdruck kommt, ist noch von keinem Sozialdemokraten jemals geäußert worden. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Da müssen wir doch auf die Idee kommen, daß solche Dinge bei uns in Preußen auch möglich sind, da die staatserhaltenden Blätter es doch wissen müssen. Von der Auffassung dieser Herren über die Korruption unserer Staatsverwaltung heben wir Sozialdemokraten uns wie eine liebe weiße Unschuld ab.(Heiterkeit.) Bei der Kritik der Justiz hat sich Herr v. Jägow gewisscrinastcn als Eisbrecher bewährt. Ein Redakteur desVorwärts" hat wegen einer Kritik des Abgeordnetenhauses sechs Wochen Gefängnis erhalten. Daß die Kritik trotzdem richtig war, beweist das Zeugnis derKölnischen Zeitung ', die damals von einer Spiegel- fechterei sprach. Der Fall K n i t t e I soll als Beweis dafür dienen, daß es leine Klassenjustiz gäbe. Ich möchte einmal sehen, was ein Sozialdemokrat für eine Strafe erhalten hätte, wenn er das Gleiche geschrieben hätte. Der Prozeß Knittel ist das typische Beispiel eines politi- schen Prozesses reinsten Wassers, soweit ein politischer Prozeß unter den Differenzen zwischen den bürgerlichen Parteien überhaupt noch möglich ist. ES ist lein einzelner Fall; in B r e S l a u hat sich ein ähnlicher abgespielt. Dort hat Herr Mundry einem Redakteur der Vollswacht' gegenüber, der auf der Anklagebank vor ihm saß, ge- sagt, daß höhere Beamte und Offiziere, die den Schutz der sozialdemokratischen Presse nachsuchen, Schweinehunde seien, und die Zuschauer bei der Beerdigung eines Sozialdemokraten hat er als Janhagel, arbeitsscheues Gesindel und Faulenzer bezeichnet. Wird der Herr Justizminister, falls sich dies als zutreffend herausstellt, Mundry in der gleichen Weise preis- geben?(Ein Ministerialdirektor nickt mit dem Kopse.) Das genügt nicht, Kopfnicken kommt nicht ins Stenogramm hinein.(Heiter- keit.) Gegen den Landgerichtsdirektor Unger, der seinerzeit im Moabiter Krawallprozeß in der Rechtsbelehrung von der Not- wehr ausführte, jeder Bürger habe das Recht, auf einen Polizeibeamten zu schießen, der ihn ungerechtfertigt an- greiser, wurde mobil gKnacht, und er ist nicht m e h r bei der Strafkammer.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das wird sich ja wohl nicht wiederholen nach Jagows Briefen und nachdem der Begriff der Notwehr die Straßburger Interpretation er- fahren hat. Im Kölner Polizeiprozeß hat der Redakteur Soll- mann einen niederschmetternden Wahrheitsbeweis erbracht. Trotz- dem hat er eine sehr hohe Geldstrafe bekommen. Man sollte annehmen, daß hier, wo ein Mann sich ein Verdienst um die Auf- deckung eines Skandals erworben hat, höchstens die Verhängung einer ganz geringen Geldstrafe von 6 bis 10 M. wegen formaler Beleidigung genügt hätte. Wie nimmt sich dagegen die Bestrafung des Direktors E c c i u s mit 1000 M. wegen Beihilfe zur AuS- Nutzung der Krnppschen Bcstcchungsfabrik in Berlin aus. ES war ein vollendetes Spionagesystem. Wieviele Menschen hat nicht Brand ins Unglück gebracht! Aehnlich wie in Straß- bürg hat ja auch hier das Oberkriegsgericht die Strafen g e- mildert. Während der Verhandlung gegen den Zeugfeldwebel Linke wurde Bränd von dem Staatsanwalt Dr. Welt gefragt, ob er alle Namen genannt habe, was Brand verneinte. Daraus sagte Welt: Also gibt es doch noch welche. Es ist erstaunlich/ daß andere Quellen, an denen noch zu bohren gewesen wäre, vollständig versagt haben. Bestechungen sind bei uns jetzt verflucht billig geworden. Während nian einem Schutzmann, dem drei Studenten je Li) Pfennig für Nichterstattung einer Anzeige wegen ruhestörenden Lärms gaben, nenn Monate Gefängnis zuerkennt, und einem Bezirksfeld we'bel, weil er eine Kleinigkeit zwecks Befreiung von der Kontrollversammlung annahm, sechs Monate Gefängnis zu- diktiert, ist Herr E c c i u s heute noch Direktor bei Krupp . Und für Brand ist natürlich auch gesorgt. Die Verbindungen mit Krupp sind selbstverständlich nicht abgebrochen. Wenn K i n d t a u s e ist oder ein Orden fällig ist, geht man hin und gratuliert. An den wesentlichsten Zeugen v. Metze», der natürlich in vieler Beziehung eine unerfreuliche Erscheinung war, aber sonst nicht schlimmer als Zeugen, mit denen die Justiz täglich arbeitet, richtete der Ober- staatsanwalt Chrzesinski zu Beginn der Verhandlung eine einschüchternde Aeußerung, wobei es einen wundern muß, daß der Zeuge nicht ganz zusammen- krachte und überhaupt noch wagte, den Mund aufzutun. Die Geld- strafe, die Eccius bekommen hat, bedeutet bei ihm so viel, wie bei einem Arbeiter 50 Pfennig G e l d st r a f e. Das Gericht hat ja angenommen, daß das ganze Direktorimn um die Sache wußte. Wo sind die übrigen Herren, die noch auf die Anklagebank gehören, Herr D r e g c r, v. Metze»? Wo die anderen Herren, die wegen Verdachtes der Mittäterschaft nicht vereidigt worden sind, deren Mittäterschaft bereits erwiesen ist und deren Mitschuld die Spatzen von den Dächern pfeifen? D r c g e r hat der Staats- anwalt vorgeworfen, daß zur Zeit seiner Amtsführung noch ein weiteres Opfer gefallen ist. Immerhin hat in Anbetracht der Umstände das Gericht seine Sache recht gut gemacht. Gleichwohl muß man hier sagen: Welch eine Wendung durch Gottbcrgs Fügung! (Beifall links, Unruhe und Pfuirufe rechts. Vizepräsident Dr. Porsch rügt den Ausdruck: Sie haben diesen sehr bekannten Satz in einer Weise travestiert, die beim Hause Mißfallen erregt I) Herr v. G o t t b e r g ist doch der bekannte Kruppagent in dem Krupp -offiziös gewordenenLokal-Anzeiger". Was ist aus dem guten deutschen Gretchen der Beamtenunbestechlichkeit geworden? Ein geradezu blutiger Zynismus steckt in der Rede einer verfolgten Unschuld, die Herr Krupp v. B o h l e n- H a l b a ch vor kurzem gehalten hat. Man könnte fast aus ihr entnehmen, daß er alle« ioußte und billigte. Jetzt fehlt nur noch, daß Brand im Wieder- ausnahmeverfahren freigesprochen wird. Was dem Reuter und F o r st n e r recht ist, muß für ihn billig sein. Man wird mir vielleicht vorwerfen, ich urteile hier einseitig. Da kann ich auf einen neueren Fall hinweisen, der große internattonale Erörte- rungen verursacht hat und noch verursacht und von dem ich genaue Kenntnis habe. Er wird an anderer Stelle noch zu erörtern sein. Die Staatsanwaltschaft hat im Interesse der betreffenden großen Firma die Hauptbelastungsdokumente sorgfältig in ihren Privatschränken eingeschlossen. Sie sollten gestohlen sein und wegen des Diebstahls tvar Anklage erhoben worden. Dem Verteidiger sogar wurden die Papiere vorenthalten(Hört! hört! b. d. Soz.) Dabei handelte es sich um strafbare Handlungen der Inhaber und Leiter der Firma, die im Inlands begangen find. Statt aber nun diese Bcstechcr zu fassen, hat die Staats- anwaltschaft Vertreter der Firma und zwar einen derer, die ins Gefängnis hineingehörten, bei den Durchsuchungen mit hinzugezogen.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Bis zum heutigen Tage ist noch kein Versuch unternommen worden, gegen die Leute einzuschreiten. Man hat versucht, da man den Prozeß nicht hinter verschlossenen Türen verhandeln konnte, die Sache in der frühen Morgenstunde im Verlaus weniger Minuten abzumachen. Der Staatsanwalt erklärte nachher, wenn der Liebknecht nicht dazwischen gekommen wäre, wäre die Sache schon längst vorbei.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das Auswärtige Amt ist in diese ganze Aktion verwickelt. Die inhaltreiche Rede meines Parteigenossen Heine im ReickiS- tag, die die Verlegenheit des Geschreis nach noch mehr Schutz für Arbeitswillige nachgewiesen hat, werden Sie ja bei Ihrem großen Interesse sicher genau lesen. Die vom Minister des Innern viel- gerühmte Justiz des Reichsgerichts ist ja drauf und dran, mit Hilsc der sich immerfort verschlechternden polittschen Justiz auf Grund der Straßenordnung das Streikpostenstehen zu verbieten. Die fünf Monate für das WortStreikbrecher", die hunderte Jahre Gefängnis für die Streikenden im Ruhrgebiet das alles zeigt, daß unsere politische I u st i z unser Vertrauen nicht verdient. Der Mörder Brandenburg , ebenso ein Mörder, wie der des Arbeiters Hermann, ist auf die Zeugenaussagen seiner Mit- streikbrecker freigesprochen worden. In die Schuld an der Nichtergreifung der Mörder des Hermann teilen sich der Minister des Innern, der der I u st i z und der Polizei- Präsident. Der Minister sagte uns, wir dürften auf Grund von Zeitungsberichten die Stettiner Verhandlung nicht kritisieren. Und hat der Dr. jur. v. I a g o w und dieKreuz-Zeitung " nicht nur auf Grund von Zeitungsberichten in ein schwebendes Verfahren ein- gegriffen?(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Und der Minister spricht von den Volksrichtern des Schwurgerichts, das genau so ein Volksgericht ist, wie Sie eine Volkskammer!(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ja. dieser Brandenburg ist nicht der einzige hie guet Branden- bürg allewege!(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) und Ersatz Brandenburg" gibt es überall, wo bewaffnete Hintze- g a r d i st e n die sich in Disziplin zurückhaltenden Arbetter(Lachen rechts) straflos provozieren dürfen.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Die K l a s s e n j u st i z ist kein leerer Wahn. So wahr es ist, daß die Richter in ihrer großen Anzahl hochachtbare Männer sind, so wahr ist, daß sie unter den bekannten Einflüssen stehen und daß es Ausnahmen gibt. Nicht einen Schutz für Streikbrecher brauchen wir, sondern einen Schutz vor Streikbrechern!(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Minister Dr. Beseler: Ich habe oft genug die Beschuldigung zurückgewiesen, daß die Justizverwaltung die Richter beeinflusse. Die Geschworenen im Hamm - Prozeß in Elberfeld haben sieben Tage gefessen, äußerst gründlich ist vorgegangen worden und nun soll die Aussage des einen Kriminalkommissars unwahr sein, weil ein anderer, der gar nicht dabei war, dagegen geschrieben hat? I(Abg. Dr. Lieb» kriecht: Dieser andere Komnrissar war doch dabei!) Sind wir denn hier ein Gericht, können wir hier eine Untersuchung führen? I (Sehr wahr I rechts.) llnd was ist denn beim Krupp-Prozeß herausgekommen? Im Verhältnis zu dem, was der Vor- redner behauptet hat. so wenig, daß ich wohl sagen kann, nichts! (Stürmisches Hört I hört! bei den Sozialdemokraten. Beifall recht? und bei den Nationalliberalen.) Es scheint, als ob dem Abgeordneten die Felle fort- geschwommen wären und er jetzt darüber klagt.(Heiterkeit rechts.) Die Nichter in Breslau sind sehr ernstlich vermahnt und auf das Unrichtige ihres Verhaltens aufmerksam gemacht worden. Gegen den Landgerichtsdirektor Unger hat absolut kein Verfahren stattgefunden. Daß Dr. L i e b k n e ch t den hier nicht anwesenden Minister v. Dallwitz angreift, ist von Taktgefühl sehr weit ent- fernt. Der Vorwurf gegen den General v. Pelet-Narbonne , daß er aus Liebedienerer unr Gunst gebuhlt und sie nun erreicht habe(Abg. Dr. Liebknecht: Das habe ich nicht gesagt!), ver- dient die allerschärfstc Zurückweisung. Der General hat als Ge- richtsvorsitzender pflichtgemäß entschieden und gesprochen. (Hört I hört I bei den Sozialdemokraten. Beifall rechts.) Abg. Kloppenborg(Däne) klagt über Parteilichkeit der Justiz gegen die Dänen in der Nordmark, wo man die Leute, die nicht deutsch sprechen können, benachteiligt und sogar mit Ordnungsstrafen belegt. Wir nehmen den uns aufgedrungenen Kampf auf. Sic werden unsere Rattonalität nicht vernichten.(Beifall links.) Sin Vertagungsantrag des Zentrums wird gegen die Rechte angenomnien. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.) fpersrnilichf: Ich freue mich, daß der Minister auf den Breslauer Fall eingegangen ist, bedauere aber, daß er nicht auch auf den Fall S cd u l z eingegangen ist. Es ist ein Irrtum des Ministers, daß der Polizcibeamtc, der die Untersuchung v. Tresckows als falsch erklärt hat, nicht bei dem Prozeß in Elberfeld anwesend gewesen wäre. Zwei Beamte haben die Untersuchung Tresckows verworfen, der eine davon tvar bei dem Prozeß anwesend. Mit der Be- merkung, daß mir die Felle weggeschwommen seien, wollte der Minister meine Ausführungen ins Lächerliche ziehen. Ich erwidere darauf, daß die Antwort des Ministers(Präsident Graf Schwerin - Läwitz: Das können Sie in einer persönlichen Bemerkung nicht ausführen!) Ich stelle fest, daß mir meine Felle nicht weg- geschwommen sind, sondern daß mir noch manche Felle dazu geschwommen sind, die ich früher noch gar nicht gehabt habe(Hört l hört!). Darüber reden wir ein ander Mal. Meine Aeußerung über den General v. P e I e t hat der Minister unrichtig dargestellt. Ich habe gesagt: Nach der provokatorischen Art der Prozeßführung durch diesen General ist er befördert worden und diese Tatsache muß korrumpierend wirken auf die gesamte Rickterschast und muß sie geneigt machen, nach Gunst zu buhlen(Sehr richtig I links). Sachlich werde ich bei anderer Ge« legenheit erwidern.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten). Das Haus vertagt die Weiterberatung auf Freitag 11 Uhr vorinittag. Schluß: 4'/« Uhr. parlamentarisches. Budgetkommissio» des Reichstags. Die Beratung des Marineetats wurde anr Donnerstag fortgesetzt. Die Einstellung von sechs neuen Jntendantursekretären entfesselte die alljährlich Iviederkehrende Jntendanturdebatt«. Bon verschiedenen Seiten wurde die wiederholt verlangte Vereinfachung