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Die DcBnite wird geschlossen. DnS Kapitel wird genehmigt. Die sozialdemokratische Resolution, die die Besser- stellung des KrankenpflcgepersonalS fordert, wird abgelehnt, die n a t i o ii a l I i b e r a l e, die einheitliche Grundsätze zur Regelung der Verhältnisse dieses Personals verlangt, wird angenommen. Die sozialdemokratische Resolution auf reichs- gesetzliche Regelung des Heb a m men Wesens, die Resolution Graf PosadowSky auf Verbot der Nachtarbeit für Jugendliche unter lL Jahren, die Resolution Behrens, die die Regelung der Arbeitszeit in der Binnenschiff- fahrt und Flotzerei verlangt, die Resolution Behrens, die Maßnahmen fordert, um gesundheitliche Schädigungen der im Weinbau beschäftigten Personen zu verhindern, und' die Re- solution Frommer, welche Mittel für die wissenschaftliche Er- forschung der M a u l- und Klauenseuche in den Etat ein- zustellen verlangt, werden sämtlich a n g e n o m m e n. Hierauf vertagt das HauS die Weiterberatung auf Mittwoch 1 Uhr. Schluß I'/« Uhr. Mgeorönetenhaus. ?3. Sitzung, Dienstag, den 10. Februar 191�, vormittags 11 Uhr. Am Ministcrtisch: v. Dallwitz. Zur Beratung steht zunächst eine Zentrum s-Jnter- h e l l a t i o n, durch welche die Regierung um Auskunft ersucht wird über die Ursachen des Slutomobilunfalls, von welchem am 4. Februar zwei Reichsiagsabgeorduete betroffen wurden, und über die Maßnahmen, welche die Regierung zur Verhütung der Automobilunfälle bei den: steigenden Verkehr vor- zunehmen gedenkt. Abg. Freiherr v. Stcinäckcr-Trier(Z.) begründet diesen Antrag. Die Statistik beweist, daß die Unfälle sich beständig vermehren. Eine erstaunliche Zahl von Menschen fällt Jahr für Jahr in der Reichshauptstadt und besonders in den Hauptverkehrsstraßen dem steigenden Verkehr zum Opfer. Die Autofahrer fahren hier gewöhnlich mit einer größeren Ge- s ch w i n d i g k c i t als ihnen erlaubt ist. Zuweilen rasen sie wild durch die Straßen, um einen Fahrgast zu erwischen. Die Privat- a u t o s eS ist ja gleich, wem sie gehören! gehen den Droschkenautos mit schlechtem Beispiel voran. Ferner wendet sich der Redner gegen die Rücksichtslosigkeit der R a d f a h r e r und gegen den Unfug des Rollschuhlaufens in belebten Straßen. Die Kraftfahrzeuge werden von den Behörden nicht genügend kontrolliert. Diese Kontrolle muß in Zukunft schärfer durchgeführt werden. Wir brauchen ferner eine sorgfältigere Ausbildung der Chauffeure. Die elektrische Industrie leidet dadurch, daß die Benzinautos wegen ihrer größeren Schnelligkeit vom Publikum den elektrischen Autos vorgezogen werden.(Beifall im Zentrum.) Minister v. Dallwitz: Im Vergleich mit anderen Weltstädten ist die Zahl der Unfälle in Berlin verhältnismäßig gering, viel geringer z. B. als in Paris . Die größere Zahl der durch Kraftdroschken herbei- geführten Unfälle findet dadurch ihre Erklärung, daß diese Kraft- fahrzeuge den ganzen Tag und die halbe Nacht hindurch in Bewegung find, während die Privatautos und Equipagen nur ein, zwei Stunden unterwegs find. Trotz der Vermehrung der Kraftfahrzeuge ist die Zahl der tödlichen Unfälle im Berliner Straßenverkehr gesunken. Eine Aenderung der Bundesrats- bcstimmungen zur Ausführung dxS Automobilgesetzes wird gegen- loärtig erwogen. Ich werde dafür sorgen, daß auf den Straßen diejenige Sicherheit herrscht, auf die das Publikum Anspruch hat. Auf Antrag des Abg. Herold(Z.) tritt das HauS in eine Be- sprechnng der Interpellation ein. Abg. v. Gescher (£.): Wir haben das Vertrauen zur Regierung, daß sie geeignete Maßnahmen zur Abstellung der Mißstände treffen werde. Abg. Just(natl.): Bei der EntWickelung des modernen Verkehrs können wir ans das Auto nicht mehr verzichten. Wir besitzen ein gut ausgebildetes Fahrpersonal; die Zahl der Unfälle hat sich verringert. Die Klagen über die Pferdekutscher erscheinen mir berechtigter. Für die Automobilisten bis in die höchsten Stellen hinein muß die Rücksicht auf den Nächsten die ausschlaggebende Rolle spielen.(Sehr richtig! links.) Durch ihre Unvorsichtigkeit schaden sie ihrer Autorität. Es lyüssen Geschwindigkeitsmesser eingeführt werden, die eine genaue und leichte Kontrolle der Ge- schwindigkeit ermöglichen. Wir lehnen eine weitere Einschrän- kung des Verkehrs durch Polizeibestimmungen ab und legen Wert auf ein gutes Wagenmaterial und eine sorgfältige Ausbildung der Chauffeure. Abg. Roscnow(Vp.):. Der Verkehr ist ein unbarmherziger Geselle, der seine Opfer fordert. Das Material der Kraftwagenführer bat sich in der letzten Zeit wesentlich gebessert. Unsere Automobilindustrie hat einen großen Aufschwung genommen. Die polizeiliche Verkehrsregulierung in Berlin nach Pariser und Londoner Muster ist ausgezeichnet. Wir wünschen eine einheitliche Regelung des Umfahrens der Ecken und deS Ueberbolens von Straßenbahnen. Warum ist der V e r- kehrSminister nicht da? Vielleicht könnte man Motoren mit der Höchstleistung von 25 Kilometer konstruieren. Keine Verkehrs- Hemmung, aber Anpassung an den bürgerlichen Wer- kehr.(Beifall links.) Abg. Hofer(Soz.): Auch wir sprechen unser Bedauern über den Unfall der beiden Zentrumsabgeordneten aus. In Berlin gibt es sechzig Chauffeurschulen, die durch allerhand Versprechungen Schüler heran- ziehen und sie vielfach unausgebildet schon fahren lassen. Die Aus- b ildungszeit dauert o f t n u r a ch t T a g e, sie sollte aber vier bis fünf Wochen dauern. Zwei Automobilwerke haben eigene Schulen errichtet und ihre Schüler werden besonders gern eingestellt. Die Arbeitsverhältnisse der Autochauffeure können allerdings Unfälle verschulden. Bei den Lastkraftwagen in Berlin kommen Arbeitszeilen bis zu 17 und 18 Stunden vor.(Hört! hört I bei den Sozialdemo- kraten.) IS Stunden Arbeitszeit ist der Durchschnitt bei den Chauffeuren der L a st w a g e n a u t o s, 12 Stunden bei denen der D r o s ch I e n a u t o s. Genau so wie im Eisenbahnwesen verursacht auch hier U e b e r m ü d u n g manchen Unfall. Auch die ständige Arbeitszeit mancher Droschkenchauffeure, besonders derjenigen, die bei einem Grundlohn von l.öv M. auf Akkordverdienst angewieien sind, ist für das Publikum wie für die Autoinsassen gefährlich. DeS- wegen muß der Grundlohn gesteigert und die Arbeits- zeit verkürzt werden. Die hohen und häufigen Strafen gegen die Chauffeure, die man infolge des Aufsehens, das sie er- regten, nicht mehr veröffentlicht(Hört! hört! bei den Sozialdemo- kraten), können das nicht ersetzen, was ausreichender Lohn und mäßige Arbeitszeit bewirken würden. Herr v. S t e i n ä ck e r aber klagt noch über zu wenig Strafen. Nach den amtlichen Veröffent- kichungen wurden im Jahre 1910 lOOOV Strafen gegen Automobilführer allein in Berlin verhängt. Von 1910 ab ist nichts mehr ver- öffentlicht worden. Wir fragen den Minister, warum die Veröffent- lichungen eingestellt worden sind. Die Polizei sollte in der Haupt- fache Uebertrelungen verhüten. Aber mit Recht beklagen sich die Chauffeure darüber, daß die Polizisten sich hinter d i e B ä u m e verstecken, den Autos auflauern und sie aufschreiben, während c§ doch angebracht wäre, daß sie die Chauffeure auf da? zu schnelle Fahren aufmerksam machten, um ein Unglück zu verhindern. Manche Vororte machen sich eine Einnahme daraus, daß alle am Sonntag von Berlin hinauskommenden Autos aufgeschrieben und mit Strafmandaten bedacht werden, ob sie nun schnell gefahren sind oder nicht. Nun hat die Automobilliga diesen mit Strafmandaten Beglückten geraten, eo ipso Widerspruch zu erheben und kurz vor der gerichtlichen Verhandlung den Widerspruch zurückzuziehen. Das Strafgeld fiel jetzt der S t a a t s k a s s e zu und die Anzeigen ließen merklich nach. Wenn die Geschwindigkeit zu sehr beschränkt wird, so haben die Führer ja nur mit Schalten zu tun, ihre Aufmerksamkeit wird dadurch in Anspruch genommen und von der Beobachtung der Straße abgelenkt. Was soll ein Motor mit der Höchstgeschwindigkeit von 25 Kilometer nützen? Jedes Berliner Auto muß doch auch in der Lage sein, sofort Landfahrten anzu- treten und da kann es auf eine größere Schnelligkeit ankommen. Es wäre auch zu erwägen, ob für das weit ausgedehnte Berlin nicht 30 Kilometer Schnelligkeit zulässig wären bei einer guten, ver- nünftigen Verkehrsregelung. Die Chauffeure wünschen G e- s ch w i n d i g k e i t s m e s s e r für jeden Wagen, damit die Anzeigen eventuell nachgeprüft toerden können. Die kaiserlichen Automobile können rasen, wie sie wollen, und es ist wahrlich kein Wunden, wenn immer wieder Kinder und Erwachsene von prinzlichcn Autos überfahren werden, nicht nur in Berlin , sonderu auch in Potsdam , D a n z i g usw. Deswegen interpelliert man aber nicht. Mir ist mitgeteilt, daß die Prinzen, ohne ein Examen gemacht zu haben, Auto fahren. Passiert dann ein Unglück, so müssen die Chauffeure für die hohen Herrschaften einspringen und deren Un- Vorsichtigkeiten ausbaden.(Hört! hört! b. d. Sozialdem. Abg. Dr. Liebknecht: Wo bleibt das Strafverfahren gegen den Prinzen?) Alle Verkehrsmittel, die Eisenbahnen, die elektrischen Bahnen fordern Un- fälle, das läßt sich nicht vermeiden, aber mit Rücksicht besonders auf die Animosität, die im Landvolk gegen die Automobile und die Chauffeure herrscht, ist eine Beschränkung der Autounfälle dringend erwünscht. Diese Animosität darf nicht noch vergrößert werden, denn unsere Autoindustrie, die beständig im Wachsen ist und sich in großem Maße zu einer A u s f u h r i n d u st r i e entwickelt hat, ist zu einer wichtigen Erwerbsquelle für die deutschen Arbeiter geworden und muß als solche erhalten bleiben. Wir sind also gegen alle Maßnahmen, die diese aufstrebende Industrie und ihre Tausende von Arbeitern schädigen würden.(Lebhafter Bei- fall bei den Sozialdemokraten.) Abg. v. Tramprzhnsti(Pole): Ein Notgesetz wäre nötig. Eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometer wäre überall ausreichend. Diejenigen, die am raschesten fahren, haben meist den ganzen Tag nichts zu tun. Sehr leicht ließe sich an allen Autos eine Uebersetzung einbauen, die die Geschwindigkeit begrenzt. Abg. Frhr. v. Steiuäckcr(Z.) hätte eine Erklärung des Ministers gewünscht, daß die Polizei- Verordnungen gegen jedermann rücksichtslos angewendet werden. Die Besprechung schließt. Der Etat öes Innern. Minister v. Dallwitz: Dem Abg. Dr. S e y d a muß ich doch erwidern, daß die der- werfliche Mordtat eines einzigen Fanatikers nicht dem ganzen ruthe- nischen Nationalkomitee zur Last zu legen ist(Abg. Korfanty: Die Ruthenen im Reichsrat zu Wien haben den Mord gebilligt!), mir dem der Ostmarkenverein nur zur Beschaffung von Saisonarbeitern in Verbindung getreten ist. Ganz unrichtig ist es, daß die Anwendung des Enteignungsgesetzes auf eine Einwirkung v. Tiedeinann S auf den Minister v. Schorle m er zurückzuführen sei. Dergleichen bcschließr nur das Staatsministcrium auf Grund allseitiger Information und Berücksichtigung aller Verhältnisse. Wenn wieder polnischer Terro- rismuS die Bauern und Grundbesitzer hindert, an Deutsche zu ver- kaufen, so wird wieder enteignet werden unbekümmert um Tiedemann oder Korfanty.(Bravo ! rechts.) Ein privater Meinung»- auStausch mit Herrn v. I a g o w untersteht nickt dem Parlament (Beifall rechlS), das erwidere ich Dr. P a ch n i ck e. Schon Bülow hat da» festgestellt. Legislative und Exekution müssen getrennt werden. Eine Erörterung des kleinen Borfalls würde die Autorität erschüttern und die Stellung des Beamten von Strömungen des Parlaments abhängig machen. (Beifall rechts.) Abg. Ad. Hofstnauu(Soz.): Mit dem Abg. v. Kardorff stimme ich in der Frage der zu späten Einberufung des Landtages überein. Aber wenn er von den langen Reden spricht, soll er sich doch mal an seinen Blockbruder Diederich Hahn wenden, der hier über alles reden darf. Im übrigen war die diesjährige Scharfmacherrede v. Kardorffs nur ein schwacher Aufguß vom Vorjahre. Wenn Sie übrigens ein Tänzchen mit uns wagen wollen nur �u, das Volk wird antworten. Sie sind am Ende Ihres Lateins, Sie appellieren wieder an G e w a I t und Unrecht. Dafür versuchten Sie, die Nationalliberalen einzufangen. Hinter Herrn v. K a r d o r f f sitzt schon der Fuchs(Abg. Frhr. v. Zedlitz), der die Nationalliberalen verspeisen will.(Heiterkeit.) Zwiscoen K a r d o r s f und Loh- mann flog gestern der Reichskanzler hin und her, wie der Ball auf dem Sportplatz, den jede Partei haben und keine behalten will. (Heiterkeit.) Freilich, manchmal war es wie ein Fußballspiel, zu dem Herr v. H e y d e b r a n d schmunzelte.(Abg. v. Kard orff: Unerhört!) Finde ich auch! Daß das Parlament kein Mädchen- Pensionat sein soll, ist uns ganz sympathisch. Aber die Herzens- b i l d u n g, die Herr v. Kardorff unseren Genossen im Reichstag absprach, bewies er selbst, als er den Abg. Müller- Meiningen dem Psychiater überweisen wollte, Werl der Abgeordnete nicht der Meinung des Herrn Landrats ist, der ja freilich mit Scharf- macherei erblich belastet ist. Mit der Zeit wird er es ja auch so gut lernen wie es sein Vater konnte!(Heiterkeit.) Wir sollen gegen Personen aufhetzen, sagt Herr v. K a r da r f f. Keine Ahnung von unserer Partei und ihrem Wesen! Wir bekämpfen das System, die Gesellschaft und nur d i e Perionen, die sich für sie besonders in den Vordergrund stellen! Und nach Dr. Lohmann soll dieBremer Bürgerztg." die Königin Luise beleidigt haben. Sie hat nur b ü r g e r li ch e Schriftsteller zitiert. Welch ein Vorwurf, wenn die Polizei und die Gerichte dagegen nicht eingeschrirten wären. Aber sie wollten sich nicht blamieren. Und dann unserHaß gegen die Kirche", den wir nicht haben. Wir bekämpfen sie nur, wenn sie Volksunterdrück u n g unterstützt und sich mißbrauchen läßt zur Ausbeutung der Massen. Beweisen Sie doch Ihre Geschichten vom Zwang zum Kirchen- austritt, N a m e n, lllamen! Aber davon wird geschwiegen. Gerade sehr fromme Leute, Sektierer usw. treten auS der Kirche aus. Manche davon wollen ihr Kind trotzdem taufen lassen. Freilich, wenn der Äirchenaustritt so fortgeht, werden die Pfarrer froh sein, wenn sie noch hier und da ein Kind zu taufen kriegen.(Heilerkeit.) Mit Ihrem Gewissenszwang gegen die Dissidentenkinder fördern Sie den Kirchen- austritt, verharren Sie dabei, so wird bald die halbe Million voll sein! Als die rechtsstehenden Blätter sahen, wie die von ihnen ge- brachte Nachricht von derallerhöchst" gewünschten I00-M.-Slrafe für den Kirchenausirrtt wirkte, sagte» sie, es sei eine s o z i a l d e m o- k r a t i s ch e Erfindung. Die Unmöglichkeit, die Kirche zu reformieren, die Behandlung JathoS, Traubs und K r a a tz', die Nichtexistenz der Religions- freihert, die Vergewaltigung der Eltern und der Kinder, die fördern den KirchenauStritt! UnterReligions- freiheit" versteht das Zentrum, daß die Jesuiten hereingelassen iverden. Nur immer rein mit ihnen, wo so viele Jesuiten sind, können auch noch die paar dazu!(Heiterkeit.) Mer jetzt, wo China Religionsfreiheit gegeben hat, schöpfe ich doch Hoffnung, daß wir sie in Preußen auch kriegen!(Heiterkeit.) Herr Linz erklärte den Geburtenrückgang und den Gebrauch der Mittel dazu als Krankheit der Moral. Nun, wie krank müßten die Besitzenden sein, sie, die auch weit früher als die Massen diese Mittel kannten und gebrauchten. Wollen Sie den Geburten- rückgang bekämpfen, so schaffen Sie den Massen billige Lebensmittel, bessere Existenz, statt durch Ihre W u ch e r p o l i t i k die Lebens» mittel zu verteuern!(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) War es nicht die Herrenhaus mitgliedsgattin von V o P c l i u s, die einst den Arbeitern daS Antikonzeptionsmittel der Waschbütle empfahl?(Heiterkeit.) Schaffen Sie dem arbeitenden Volle die Möglichkeit, seine geliebten Kinder zu erhalten, und Sie werden keinen Geburten- rückgang zu beklagen haben, der seine Hauptursachen in der Not hat. Wollen Sie aber nicht angesichts dieser Gefahr das Zölibat aufheben(Heiterkeit), nicht nur das der katholischen Geistlichen, sondern auch das höchst unwürdige der Lehrerinnen(Heiterkeit), das doch gegen die Gesetze der Natur. Gottes, verstößt. Der M i n i st e r ist ja nicht hier aber wir wissen seinen Namen und brauchen nicht seine Nummer im Schema d e s O st m a r k e n v e r e i n s zu wissen, die hoffentlich nicht unter Nummer 175 ist.(Stürmisches Pfui! recht». Vizepräsident Dr. Krause rügt den Redner, der erst fragt, was denn die Enltüsieten meinen. NeueS stürmisches Pfui! Neue Rüge des Vizepräsi- deuten, auf die der Redner energisch erklärt, was er meine, könne nur e r selbst wissen.) Eine echt patriotische Geschmack- losigkeit, die böchstgestellten Männer im Staat, den Kaiser, den Kanzler, die Minister mit Nummern zu bezeichnen, wie die ZnchthauSgefangencn. Der Minister hat die privatkapitalistischen VersicherungSgesell- schaffen gewarnt, wenn sie sich nicht einigten, würden sie von derVolksfürsorge" gestessen, die weil sie sich nicht bereichern will wie so vieles andere Gute gleich als s o z i a l d e m o- kr a tisch hingestellt wird. Run unsere Landrätc! Zu allem haben sie Zeit, für konservative Partei» tätig! eit, fürLotterieveranstaltungen für Luft- schiffbillettverkauf. In Ostpreußen verlangte ein Gemeinde- Vorsteher im Auftrage des LandratS von den P o st- beamten, welche Zeitung jeder bezieht. Was sagt zu diesem Versuch der Verleitung zum Eidbruch der Minister, der so schnell mit dem WortEidbrecher" zur Hand ist!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Unser Kollege Landrat v. Maltzahn ist vom Schöffengericht Waren zu 50 M. verurteilt worden, weil er zum Gericbtsschreiber gesagt halte, er lasse sich von einem solchen Jungen nicht vernehmen.(Zuruf rechts.) Na, wenn es ein anderer Maltzahn ist, sie sehen ja einer so auS ivie der andere. (Heiterkeit.) Und wie verfügen die so vielseitigen Landräte über die Kreisblätler über Redaktion, wie über die Inserate. Auch ins Privatleben greifen sie nach Herzenslust ein, z. B. bc- stimmen sie über den Warenbezug von Privaten.(Der Redner verliest einige solcher Briefe.) Auf solche Weise unterstützt man den ortsansässigen Mittelstand. Ein solcher Landrat gehört hier der freikonservativen Fraktion an, wenn Sie Näheres wissen wollen, fragen Sie Herrn v. K a r d o r f f.(Heiterkeit links.) Diese Landräte sitzen hier als Richter iu eigener Sache! Als ich letzthin erzählte, daß ein konservativer Gutsbesitzer seinen Bullen nicht zur Deckung der Kühe eines liberalen Be- sitzerS hergeben wollte, hielt mau das für einen Witz. Der Ritter- gutsbesitze'r v. H i l d e b r a n d im Kreise K ö s l i n hat aber in der Tat nichlkonservativen Küstenbewohnern gedroht, daß er ihnen die Unter st Ltzung für Sturmschäden nicht gewähren und seinen Bullen nicht für ihre Kühe leihen würde. Ja. fürchten Sie (nach rechts) denn nicht, daß, wenn die freisinnigen Kühe von dem liberalen Bullen des Nachbarorts gedeckt werden, in jener Gegend ein bedenklicher Rückgang des konservativen Rind» Viehs eintritt?(Stürmische anhaltende Heiterkeit.) Zum Wohnungswesen will ich nur auf eine Eingabe der Haus- und Grundbesitzervereine hinweisen, worin maßlose Schikanierungen der kleineren Hausbesitzer auf dem Lande gerichtet sind. Gestern hat sich Herr v. K a r d v r f f furchtbar über den angeblichen Diebstahl der Dokumente des Ostmarkcnvereins eut- rüstet. Als aber im vorigen Jahr die Polen hier mitteilten, daß in Oberschlesien Polizeibeamte mit Nachschlüsseln HauS- b r i e s k ä st c n aufgeschlossen und die Briefschaften gestohlen, wenn auch nachher zurückgegeben haben, und als Abg. Korfanty dieses Jahr in der Budgetkommission erzählte, daß der Polizeikommissar Klan» in Bochum den Druckereileiter der polnischen Druckerei Brejski zum Dieb st abl von Manuskripten angestiftet hat, da entrüsteten Sie sich nicht, offenbar lagen diese Verbrechen in der Staalsräson, während der Inhalt der nicht gestohlenen, sondern nur abgeschriebenen Dokumente des Ostmarkcnvereins Ihnen sehr unangenehm ist. Will Herr v. K a r d o r f f die Herzensbildung, von der er sprach, nicht lieber dem Ostmarkenverein predigen, der sich ganz gegen seine sonstige Ueberzeugung mit den rutheni- schen Agrarstreiklern und Attentätern in Verbindung gesetzt und dabei ein gerüttelt Maß von Lug, Trug und Heuchelei bewiesen hat.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten und Polen .) Da ich in diesem Hause noch nicht die Rechte des Dr. Diederich Hahn besitze, gehe ich jetzt auf Dr. L o h m a n n s Angriffe gegen meinen Freund H o f e r in Sachen der inneren Kolonisation nicht ein und wende mich zum Kapitel Zensur. Wenn Herr v. Kar- dorff über die zunehmende Unfittlichkeit in Berlin klagt, so ist die landwirtschaftliche Woche allerdings die geeignete Zeit dafür. Da sollten Sie in die Nachtlokale und BarS gehen, die schon gerüstet sind, die Provinzonkels zu empfangen die Berliner fallen doch nur selten drauf herein(Heiterkeit), Sie sollten hingehen, einmal um Ihre Brüder vor den sittlichen Ge- fahren zu warnen und dann, um einmal einwandfreie, glaub- würdige Zeugen festzustellen! Wenn Herr v. Kardorff gesagt hat, die konfiszierten Postkarten hätten uns aufgeregt, so war das doch etwas zu viel. Wenn er das auf seine Fraktion meint, dann will ich das mit Ausnahme einiger älterer Herren noch hingehen lassen(Große Heiterkeit), aber sonst l-bue ich dasuns" ab. Die Ver- breitung solcher Reproduktionen wirklicher Kunstwerke hat die Sittlich- keit gehoben und die Schmutzprodukliou gewaltig zurück- gedrängt, wie ich aus meiner Erfahrung als Buchhändler jagen kann. Uebrigens, wer sind denn die Käufer der Schweinereien im Preise von 100, 150 M. und noch mehr? Doch nicht die kleinen Leute? Dem Reinen ist alles rem den Schweinen ist alles Schwein, hat einmal mein Freund Stadthagen im Reichstag gesagt. Die Jagd auf unzüchtige Schriften und Bilder ist geradezu ein Sport geworden und die Kriminalbeamten sind die Sachverständigen dafür! Es ist geradezu eine Beleidigung der hervorragendsten Künstler, was da verbrochen wird. Letzthin wurde sogar ein Kunsthändler verurteilt, der die Bilder zur Polizei geschickt hatte. um siÄ zu vergewisser», daß man dagegen nichts eiiizuivcnden hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte die Bilder für unzüchtig erklärt, aber ausdrücklich von einer Verfolgung abgesehen, weil die Ein- reichung bei der Polizei beweise, daß nicht die Absicht eines Ver- triebs unzüchtiger Bilder bestanden hatte. Einige Monate darauf wird der Mann v e r u r t e i l t.(Hört! hört! links.) Das brutale Verbot der Aufführung eines großen, sogar religiösen Chorwerks an einem Feiertag durch die Berliner Freie Volks- bühne" machte die monatelange selbstlose Arbeit aller Mitwirkenden mit einem Schlage zu Nichte.' In der diesbezüglichen Entscheidung hieß es, daß auf Grund der Entscheidung des Ministers dieNeue Welt" in der Hosenheide nickt zu den Lokalen gehört, in denen am Karfreitag geistliche Musik w ü r d i g zur Aufführung kommen