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zurzeit herrschenden Anschauungen über die kirchliche und politische Lage in Deutschland kennt, dann muß man zu-> gestehen, daß wenigstens der Aufruf des Reichsausschusses mit großem Geschick verfaßt ist. Einerseits fürchtet man im Vatikan die agitatorische Wir- kung der deutschen Sozialdemokratie auf die katholische Arbeiterbevölkerung und glaubt mit Sicherheit annehmen zu dürfen, daß, wenn der katholischen Jndustriearbeiterschaft Westdeutschlands die Vereinigung in gewerkschaftlichen Or- ganisationen unmöglich gemacht wird, die sozialdemokra- tische Propaganda in jenen Kreisen noch weit schnellere verfolge erzielen wird als bisher; andererseits möchte man in Rom in keinem Fall die deutsche Zentrumbpartei schwächen, devn nachdem Frankreich , Spanien , Oesterreich sich immermehr dem Politischen Einfluß des Vatikans entzogen haben, rechnet man dort um so mehr auf die Macht der deutschen Zentrums- partes und hofft durch diese wenigstens die deutsche Re- giernngspolitik im römisch-hierarchischen Interesse beeinflussen zu können. Nur aus diesen Gründen hat auch Rom den deutschen katholischen Arbeitern die Teilnahme an den kon- fessionell gemischten Gewerkschaften gestattet, während bekannt- lich den französischen, belgischen, österreichischen, italienischen Arbeitern die Teilnahme an solchen Vereinen streng verboten ist, wie denn auch die Gewerkschaftsenzyklika Pius X. aus- drücklich betont, daß es nurmit Rücksicht auf die besondere Lage der katholischen Sache in Deutschland " geduldet werden könne, wenn katholische Arbeiter nicht remkatholischen Vereinigungen angehörten, und zwar hätte auch diese Duldung nur solange und insoweit Geltung, als sie nach Ansicht der Bischöfezweckmäßig oder zulässig" sei. Diesen römischen Befürchtungen und Hoffnungen paßt sich der vom Reichsausschuß des Zentrums erlasseneAufruf an die Zentrumswähler" mit einem gewissen Raffinement an, indem er zunächst auf die ständig wachsende Macht der .. staats- und religionslosen Sozialdemo- k r a t i e" hinweist, und darauf hinterher erklärt, daß das Zentrum nur dann dieser Macht wirksam entgegenzutreten und dengroßen Kampf" für die katholische Kirche z» führen vermöchte, wenn eS nicht durch Quertreibereien in seinen eigenen Reihen geschwächt werde. Heißt es doch in dem Aufruf mit einer' deutlichen Wendung gegen Rom : Diese grundlosen Verdächtigungen derIntegralen" weisen wir mit Entrüstung zurück. Sie führen zur Verwirrung der Geister und erschweren dem Zentrum die Erfüllung seiner großen Aufgaben, insbesondere auch den Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit der katholischen Kirche und die Gleichberechtigung des katholischen Volksteils." Diesem erneuten Bekenntnis gegenüber, energisch den Kampf für dieFreiheit und Unabhängigkeit", das heißt, für die Machtinteressen der katholischen Kirche fiihren zu wollen, hat es nicht den geringsten Wert, wenn der Reichsausschuß auch in diesem Aufruf wieder betont, daß das Zentrum eine politische, nicht eine bloße konfessionelle Partei sei. Liberale Blätter, die die römische Kirchenlehre und Terminologie nicht kennen, folgern ans solchen Redensarten regelmäßig, daß die Zentrumspartei oder Zentrumsfraktion sich damit von Rom lossage und gewillt sei, unbekümmert nni die Lehren und Forderungen der römischen Kirche ihre eigenen Wege zu gehen. Nichts falscher als solche Jnter- ppetation. Wenn die liberalen Blätter nur einige Ministen folgerichtig nachzudenken vermöchten, müßten sie sich selbst sagen, daß doch nicht gut der Reichsausschuß des Zentrums zugleich in demselben Atemzuge Roni den Gehorsam verweigern und er- klären könne, die größte Aufgabe der Zentrumspartei sei der Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit(das heißt Un- abhängigkeit von allen staatlichen GewaÜen) der katholischen Kirche . Tatsächlich besagt die Verleugnung des konfessionellen Charakters der Zentrumspartei weder, daß die Abgeordneten dieser Partei die katholische Lehre nicht als verbindlich für iich und ihre Politik anerkennen, noch daß sie sich der kirch- lichen Autorität entziehen wollen, sondern nur, daß sie sich nicht lediglich auf die Vertretung der kirchlichen Interessen beschränken, sondern auch an der Lösung anderer politischen , Fragen, die nichts mit der kirchlichen Autorität zu tun haben, initwirken wollen. Wer das noch immer nicht begriffen hat, sehe sich die Er- läutcrung an, die dieGe r m a n i a" dem Satz des Aufrufes über den nichtkonfessionellen Charakter der Zentrumspartei gibt. Sie hebt hervor, daß, da die Zentrumsabgeordneten katholisch seien, sie sich selbstverständlich auch nach den Grund- sähen ihrer Kirche zu richten hätten, und fährt dann fort: Was will man denn mehr, als daß jeder katholische Ab- geordnete in denjenigen Fragen, welche das religiöse Gebiet berühren, sich nach den Grundsätzen seines katholi- schen Glaubensbekenntnisses, wozu selbstverständlich auch das Gebiet der kirchlichen Autorität ge- hört, zu richten verpflichtet ist? Die Zeiten sind zu ernst, die Angriffe gegen die katholische Kirche und gegen die christliche Staatsordnung sind zu vielgestaltig und gelvaltig, als daß man ' sich den Luxus von Streitigkeiten um theoretische Dinge gestatten könnte, wobei die Hauptsache gar zu leicht aus den Augen ge- lassen wird. Grundsätze müssen freilich unverrückbar aufrecht- erhalten werden, politische sowohl wie kirchliche ' Grundsätze, und es darf nicht dahin kommen, daß eine dem Wechsel unterworfene Tatktik zur autoritären Alach t eines Grundsatzes gelangt und in das Fahrwasser des liberalen Opportunismus überleitet." Das ist richtig; dieGermania " verschweigt nur, daß nach katholischer Lehre zu dem sogenanntenreligiösen tssebiet" nicht mir die rein religiösen und rein kirchlichen Fragen gehören, sondern auch alle ethischen Fragen, die die orivate wie die öffentliche Lebensführung und Lebensbetäti- gung(auch das politische Verhalten) betreffen, und daß ferner darüber, welche Fragen ihrer Autorität unterstehen, ausschließ- lich die katholische Kirche allein zu entscheiden hat. Weniger Bedeutung als derAufruf an die Zentrums- Wähler" lsat die in Bochum von den Delegierten der chrjjt- lichen Gewerkschaften angenommene Resolution: eine Häufung leerer Ausfälle gegen die Quertreiber. Von Belang ist nur per an die Avresse der Integralen gerichtete Vorwurf:Für zutage liegende soziale Schäden, für die Verteidigung unent­behrlicher Rechte der Arbeiter fehlt ihnen jedes Gefühl; wäh- rend sie an der Organisationspolitik der übrigen Stände un- bekümmert vorübergehen, konstruieren s i e ein Aus- nahm erecht gegen die Arbeiter und ihre Or- ganisationen." Und zwar verdient auch dieser Satz nur infofern Beachtung, als er zeigt, mit welchen deniagogi- scheu Mitteln die Häupter der christlichen Gewerkschaften operieren. Wären sie ehrlich, sie müßten eingestehen, daß diese ungleich« Bewertung �der katholischen Arbeiterschaft und der sogenannten höheren Stände nicht von den Quertreibern & I» Oppersdorfs ausgeht, sondern zu den ältesten Lehren der katholischen Kirche gehört, und demnach die genannten Quer- treiber, wenn sie einAusnahmerecht" gegen die� Arbeiter und ihre Organisationen konstruieren, nur den Spuren des größten Kirchenlehrers Roms, des Thonias von A quin o, und einer ganzen Reihe V o n P ä p st e n f o l g e ii. Es ist eine Lüge, wenn dem katholischen Arbeiter von Geistlichen oder Gewerkschaftsführern vorgeredet wird, er hätte nach der Lehre seiner Kirche das gleiche staatliche oder kirchliche Recht wie die Angehörigen derübrigen stände". Wie schon Thomas von Aquino den Lohnarbeiter, der durch körperliche Arbeit seinen Unterhalt erwirbt, zu denschmutzigen Leuten" rechnete und ihm das Recht der Anteilnahnie am politischen Regiment absprach, so betrachtet auch heute noch hie katholische Kirche den Lohnarbeiter als minderwertig und verweigert ihm das Recht, sich zum Schutz und zur Förderung seiner Lebens- interessen mit andersgläubigen Arbeitsgenosseu zu verbinden, wie denn auch schon vorhin erwähnt wurde, daß für die katho- tischen Arbeiter Belgiens , Hollands , Frankreichs , Italiens , Oesterreichs das strenge kirchliche Verbot einer Teilnahme an gemischten Gewerkschaften und Arbeitervereinen besteht. Erst dieser Tage hat der Papst wieder den österreichischenKatho- lischen Volksbund" deshalb belobt, weil erdas System der interkonfessionellen Vereine" bekämpst. Leider ist gerade in den Kreisen der katholischen Arbeiter die Kenntnis der päpstlichen Enzykliken am wenigsten der- breitet. Kennten sie die EnzyklikaGtatk» de cornrnuni re" vom 18.Januar 1901 über die christliche Demokratie oder die bekannte Enzyklika über die ArbeitersrageKerum nevarum" vom 15. Mai 1891, sie würden gar bald herausfinden, wie niedrig die römische Kirchenlehre sie einschätzt und wie sie ihnen tatsächlich jenes Vereinigungsrecht vorenthält, das sie den Wohlhabenden gewährt. Besteht doch nach dieser Lehre zwischen der besitzenden und der von ihrer Hände Arbeit lebenden Klasse durchaus kein eigentlicher Gegensatz, sondern schönste Harmonie. Deshalb ist auch jede Arbeitseinstellung, die diese Harmonie dadurch zu schädigen vermöchte, daß sie Handel und Gewerbe stört, öffentliche Wirren herbeiführt, die Familienbande lockert usw., ein sittliches Vergehen, das der Staat berechtigt ist, jederzeit mit Gewalt zu unterdrücken. Der Arbeiter hat vielmehr die Pflicht, sich still in die ihm auf- erlegte gottgewollte Abhängigkeit zu fügen, und deshalb werden auch im Rundschreiben über die Arbeiterfrage die Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe angewiesen, denar- bettenden Ständen" folgende Pflichten einzuschärfen: Vollständig und treu die Arbeitsleistungen zu verrichten, zu welcher sie sich frei und mit gerechtem Vertrage verbunden haben; den Arbeitsherren weder an der Habe noch cm der Person Schaden zuzufügen; in der Wahrung ihrer Rechte sich der Ge- Walttätigkeit zu enthalten und in keinem Falle Auflehnung zu stiften; nicht Verbindung zu unterhalten mit schlechten Menschen, die ihnen trügerische Hoffnungen vorspiegeln und nur bittere Ent- täuschung und Ruin zurücklassen." Natürlich wird den katholischen Arbeitern das Recht nicht ganz verwehrt, sich zu vereinigen; denn dieses Recht ist nach ?er Lehre des Thomas von Aquino ein Naturrecht; aber Ar- beitervereine dürfen keine Kampfvereine sein, sondern lediglich Vergnügungs-, Hilfs-, Unterstützungs- und Betvereine. In jedem Fall aber ist die Religion und die stille Ergebenheit in die gottgewollte Ordnung die Hauptsache. Knecht soll Knecht bleiben!" hat vor einigen Jahren der Bischof Dr. Heule von Regensburg geäußert. Er hat damit die Stellung des Arbeiters in der Gesellschaft noch katholischer Lehre durchaus richtig bezeichnet. Die Verfassungskrise in Schweden . Das zweite liberale Ministerium Staaff ist am Dienstag zurückgetreten, nachdem es rund zwei Jahre amtiert hat. Dieses Schmsal der zweiten liberalen Regierung zeigt, wie wenig Anlaß vorliegt, sich mit denfreiheitlichen" Zuständen Schwedens zu brüsten. Denn beide Male ist Herr Staaff das Opfer seines d e- mokrati schen Wollens einerseits und der reaktionären Machtkonzentration auf der anderen Seite. Als er 190? von feinem ersten Versuch, eine liberale Entwickelungsperiode herbei- zuführen, ablassen mußte, fiel er als Verfechter des all- gemeinen Wahlrechts. Seine Vorlage fand nicht die Mehr- heit im Reichstage; er wollte die Erste Kammer auflösen, aber der König (damals noch Oskar II. ) widersprach, und Staaff ging. Diesesmal fällt cralsderWahrerderVolksrechte gegen das persönliche Regiment, das von einer militaristischen Hofkamarilla dirigiert wird, und er fällt auch als Verfechter der politischen Reinlichkeit gegenüber der unsauberen Zumutung, entgegen dem ausdrücklichen den Wählern gegebenen Versprechen neue Lasten zu beschließen. Die Demokratie ist in Schweden eben noch weit von der Erreichung ihres Zieles entfernt. Schweden ist freilich nicht Deutschland ; aber der Unterschied ist weniger ein grundsätz- licher als ein persönlicher. Im Deutschen Reich klappen die Minister wie Taschenmesser vor dem Naserümpfen des persönlichen Regiments zusammen, in Schweden finden sich aber noch Männer sogar unter den Liberalen , die den Mut haben, politische Grundsätze zu besitzen und danach zu handeln. Das Ministerium Staaff ist gefallen, weil es nicht Handlanger des persönlichen Regiments werden, sondern die mit dem Vertrauen des Parlaments ausgerüstete Regierung des Landes bleiben wollte. Die Regierung lehnte es ab, unter dem Einfluß der Rüstungshetze ihre demokratischen Grundsätze in die Rumpelkammer zu werfen. Sie hat die Frage der Landesverteidigung zum erstenmal einer gründlichen. Prüfung unterworfen, die sich nicht bloß auf die Forderungen des höheren Militärs bezieht, sondern auch auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes. Und auf Grund dieser Prüfung war sie zu der Auffassung gekom- men, daß eine bessere Ausrüstung der vorhandenen Streitkräfte, vor allem die'Schaffung einer ausreichenden Zahl von Unterofft- zieren und Instrukteuren, in erster Linie nötig wären. Die Mittel für die einmaligen Ausgaben sollten durch eine Wehrabgabe herbei- geschafft werden. Es liegt auf der Hand, daß diese beiden Probleme die wichtigsten in militärischer Beziehung sind. Denn nicht darauf kann es ankommen, die Zahl der ausgebildeten Wehrfähigen und die Zahl der Ausbildungsmonate ins Userlose zu erhöhen, sondern die Verwendbarkeit der ausgebildeten Kräfte für den Ernst- fall sicherzustellen. Herr Staaff hat hier den richtigen Griff gehabt, indem er für die Heranbildung einer genügenden Zahl von Unterführern und für die richtige Bewaffnung usw. der vorhandenen Kräfte sorgen wollte. Das konnte er nach seiner Auflassung diesem Reichstag vorlegen; aber darüber hinaus eine solche Neubelastung des ganzen Volkes, wie die Erhöhung der Dienstzeit der Infanterie auf 101� oder gar 12 Monate in sich schließt, das stand in vollem Widerspruch zu der im Jahre 1911 ausgegebenen Wahlparole, durch die erst eine liberal-sozialdemokratischc Mehrheit im Reichs- tag geschaffen wurde. Daher mutzte diese Frage den Wählern zur Prüfung vorgelegt werden. Unsere Parteigenossen vertraten zwar wiederholt die Auffassung, daß die ganze Militärfrage den Wählern zu unterbreiten sei; aber diese Differenz rn der Auffassung spielt bei der nun eingetretenen Sachlage keine Rolle. Der König wiederum erkennt die Pflichten gegenüber den Wäh» lern überhaupt nicht an; er dekretiert im Anschluß an die Staatsstreichler um Herrn Sven Hedin , daß die ganze Militärfrage sogleich gelöst werden muß, und zwar nicht etwa so, wie die Unter- suchungskommission und die Regierung eventuell die Lösung vor- schlugen, sondern nach den Vorschlägen'der Sachkundigen meines Heeres"! Die Regierung erkennt dieses einseitige Sachverständnis nicht an, sie will auch die politisch und wirtschaftlich Sachverstän- digcn hören. Die politischen Sachverständigen nun hielten auf politische Reinlichkeit und sagten: Wir dürfen nicht das Gegenteil von dem tun, was wir unseren Mandatgebern versprochen haben. Die wirffchaftliche Sachkenntnis aber sagte, daß die Opfer an Zeit und Geld bei einer Erhöhung der Uebangszeit der Infanterie so enorm sein werden, daß man erst das Volk befragen muß, ob es solche Opfer tragen will. So erwies sich die Theorie des Königs als fauler Zauber, der nur den Zweck hatte, einseitig die militärischen Jnterssen auf Kosten der Volksinteressen voran zu stellen. Die Bernadottes sind alle nicht mit staatsmännischem Geschick ausgerüstet gewesen, wenn man von dem Großvater der regieren- den Nummer absieht. Der jetzige Träger der Krone aber hat schon als Kronprinz seine Anlagen gezeigt. In den damals heftigen Differenzen mit dem demokratischen Norwegen griff er wiederholt ein, seine Neigungen zum persönlichen Regiment offenbarend. Er hat sein redliches Teil dazu beigetragen, daß die norwegische Krone seiner Dynastie entrissen wurde. Er gibt sich doch hoffentlich keiner Täuschung darüber hin, daß die schwedische Krone nicht fester auf seinem Haupte sitzt, als die norwegische auf dem seiner Vorfahren. Eine republikanische Agitation wurde bisher kaum in Schweden betrieben, obgleich die Zahl der Republikaner nicht gering ist. Jetzt, wo Königsmacht gegen Volksmacht steht, dürfte die republikanische Bewegung ganz andere Voraussetzungen im Volke finden. Gegen das zurückgetretene Ministerium und seine in manchen Fragen nicht einwandfreie Politik wäre vom sozialdemokratischen Standpunkt manches zu sagen. Dazu ist aber die Situation nicht angepaßt. Herr Staaff hat manches wieder gut gemacht dadurch, daß er die Volksrechte gegen das persönliche Regiment so energisch vertrat. Er ist gegangen, weil er nicht zum Verräter der Volks- rechte werden wollte. Die bisher genannten Männer bedeuten keine Lösung der Schwierigkeiten. Sie sollen, das ist augenscheinlich Absicht der Hof. kamarilla, die bisherige Mehrheit des Herrn Staaff zersplittern, illdem die Stechtsliberalen an den Karren der Konservativen ge- spannt werden sollen. Ob das j e tz t gelingen wird, ist indes fraglich. Denn jetzt sitzt Staaff wieder in der Fraktionsleitung. politische Uebersicht. Schutz des Weinbaues, Patentrecht, Arbeiter« Versicherung. Im Reichstage kam es am Mittwoch bei dem Haus- haltsplan der Biologischen An st alt für Land- und Forstwirtschaft zu einer längeren Aussprache über die Schädlinge der Kulturpflanzen, insbesondere des Weinbaues. Demgemäß wurden zwei Anträge, von Bau- mann(Z.) und Paaschs(natl.), angenommen, die im nächsten Etat einen angemessenen Betrag zur Erforschung und Be- kämpfung dieser Gefahren fordern. Der Haushaltsplan des Patentamtes gab dem Ge- nassen Giebel die Gelegenheit, für die Forderungen ein- zutreten, die in dem beabsichtigten Patentgesetz den An- gestellten einen möglichst großen Nutzen aus ihren Er- findungen sichern sollen. Ferner verlangte unser Redner eine Aenderung des Patentanwaltgesetzes. Ihm antwortete der Regierungsvertreter Direktor v. Jonquieres , daß der Entwurf eines neuen Patentgesetzes wahrscheinlich im nächsten Winter dein Reichstage zugehen wird. Hierauf begann die Beratung des Haushaltsplanes für das Reichsversicherungsamt. Genosse Bauer rechnete gründlich mit dem Staatssekretär Dr. Delbrück ab, der vor einigen Tagen das große Werk der Reichsversicherungs- ordnung gepriesen hatte. Er schilderte eingehend, wie sich die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes verschlechtert hat. Scharf rügte er, daß die Landesbehörden die Durch- führung der neuen Krankenversicherung so ungenügend und unzweckmäßig vorbereitet hat. Ganz besonders zeigte sich dies bei der Krankenversicherung der Hausgewerbetreibenden, bei der Bildung der Krankenkassen, bei den Krankenkassenwahlen. Die Verwaltungsbehörden haben sich ganz und gar nicht be- währt. Genosse Bauer führte fast unglaubliche Beispiele an für die kleinliche Art, mtt der so mancher Landrat gegen die Arbeiter vorgegangen ist. Auch viele Angestellte der Kassen sind von den Behörden rücksichtslos auf die Straße geworfen worden im Widerspruch zu den Versprechungen des Staats- sekretärs bei dem Erlaß des Gesetzes und zu den Anweisungen des Ministers. Das Selbswerwaltungsrecht, dies ergibt sich aus den ausführlichen Darlegungen des Redners, ist den Ar- beitern entrissen und hat unhaltbare Zustände hervorgerufen. Der Gegensatz zwischen den Arbeitern und Unternehmern ist dadurch sehr verschärft. Morgen geht die Verhandlung weiter. Die neue Aenderung deS Militärstrafgesetzes. Der Gesetzentwurf, der gestern dem Reichstage vorgelegt wurde, wirkte überraschend, weil kein Mensch mehr glaubte, der Reichskanzler habe noch andere Militärsorgen, als die Verteidigung derKommandogewalt des Kaisers". Wenn jetzt die Milderung der Mindeststrafen in den 66, 10 usw. des Militärstrafgesetzbuches vorgeschlagen wird, so muß nach- drücklich daran erinnett werden, daß die geplante Reform zweifellos zurückzufiihren ist auf sozialdemokratische Anregungen. Am 23. Mai 1913 während der Beratung der Militärvorlage beantragten die Sozialdemokraten in der Budgetkommission(Antrag Nr. 205), den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, baldtunlichst einen Gesetz- entwurf vorzulegen, durch den das Militärstrafgesetz im Sinne moderner RechtSanschauungen reformiert und namentlich eine Herabsetzung des Strafmaßes, insbesondere Ein- führung von Strafmilderungsgründen, vorgesehe« werde." Die bürgerlichen Parteien erklärten ihre Zustimmung mit Ausnahme der Konservativen. Für diese bekämpfte Graf Westarp den Anttag. Auch die Regierung verhielt sich ablehnend. Erst wenn das Zivilstrafgesetzbuch geändert sei. könne an eine Aenderung des Militärstrafgesetzbuches ge-