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Ms öer Frauenbewegung. wahrt Eure Interessen! Unter dem Eindruck der 4>/« Millionen sozialdemokratischer Wählerstimmen im Jahre 1912 haben Regierung und bürger- liche Parteien es nicht gewagt, der Arbeiterschaft neue Volks- feindliche Gesetze aufzuerlegen. Selbst bei der Einbringung der Wehrvorlage mutzten die herrschenden Klassen wenigstens die Konzession machen, im wesentlichen selbst die Kosten dieser wahnsinnigen Wstungsvermehrung auf sich zu nehmen. Aber was sie durch offenes Vorgehen nicht wagen, das suchen sie auf Umwegen zu erreichen. Militär- und Zivilbehörden benutzen ihre ganze Macht zur Knebelung der Arbeiterklasse. Kann man ein neues Ausnahme- und Zuchthausgesetz zur Beseitigung des wahrlich nicht aus- gedehnten Koalitionsrechtes nicht erlangen, so sucht man durch schnellere und schärfere Anwendung der geltenden Strafbestimmungen und Polizeiverbote die praktische Aus- Übung dieses Rechts unmöglich zu machen. Kann man nicht durch Gesetz das Faustrecht des Militärs über das Zivilpack proklamieren, so dient die Aufstöberung verstaubter. mit der Verfassung in Widerspruch stehender absolutistischer Ver- ordnungen dem gleichen Zweck. Den Forderungen nach ver- mehrtem Arbeiterschutz setzt die herrschende Klasse den Willen zumStillstand in der Sozialpolitik" entgegen. Das Ver- langen nach ernsthafter und energischer Durchführung bestehender Schutzgesetze findet Widerstand in der passiven Resistenz der Auf- sichtsorgane. Man braucht dabei nur an das Kapitel Kinder- schütz auf dem Lande und in der Stadt zu erinnern. Die politische Gleichberechtigung versagt man den Frauen; aber angebliche Vergehen bei der Teilnahme an den freiheitlichen Bestrebungen der Arbeiterklasse straft man ebenso mit Ge- fängnis wie bei den Männern. Mütter trennt man von ihren Kindern, denn sie müssen die Wirkungen der Zollwuchcrpolitik durch eigene Lohnarbeit abzuschwächen suchen: aber der Säugling mutz mit hinein ins Gefängnis, weil seine Mutter den Verrätern der Arbeiterklasse ein Pfui! zurief. Dem versteckten Vorstotz aller scharfmacherischen Be- strebungen kann die Arbeiterklasse nur wirksam begegnen, indem sie ihre eigenen Reihen festigt. Die Zahl unserer Anhänger mutz grötzer werden. Unsere Presse mutz in noch weitere Kreise dringen. Die Arbeiterfrauen müssen sich noch zahl- reicher als bisher der proletarischen Bewegung anschließen. Die rote Woche und der Frauentag, die Anfang März von unserer Partei in ganz Deutschland   veranstaltet werden, sollen dieser Agitation einen besonderen Impuls ver- leihen. Kein Arbeiter und keine Arbeiterin darf dieser Arbeit fernbleiben, denn es handelt sich dabei um die Förderung der wichtigsten Interessen der Arbeiterschaft selbst. Das Zrauenwahlrecht in europäisihen Staaten. Ms fünf australische und vier amerikanische   Staaten das Zrauenwahlrecht eingeführt hatten, wurden fast könnte man sagen unerwartet im Norden zwei Länder für die politische (Gleichberechtigung der Frauen gewonnen. Finnland   ging voran. In den Versassungsiämpfen des Volkes wurde zugleich mich das Frauenwahlrecht mit durchgesetzt. Das Grotzsücstentum Finnland   ist in Personalunion mit Rußland   verbunden. Selb  - ständige Regierung und Verwaltung waren dem Lande durch den Zaren zugesichert worden. Das hinderte jedoch die russische Re- gierung nicht, mit allen Kräften die Russifizierung Finnlands   zu betreiben, und diese Politik erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 18L9, als die Konstitution schlankweg aufgehoben wurde. Gegen die erdrückende Uebermacht des russischen Reiches suchte sich das finnländische Volk durch passive Resistenz zu wehren, bis im Jahre lüOS die russische Revolution auch nach Finnland   übergriff. Das Volk erhob sich und es setzte seine Rechte durch. Unter dem Druck der inneren und äußeren Schwierigkeiten mußte Rußland  schließlich die Wiederherstellung der konstitutionellen Rechte be- willigen, und im Jahre 1906 wurde eine allgemeine Wahlrechts- reform, die auch das Frauenwahlrecht aufnahm, durchgeführt. Im wirtschaftlichen Leben hatten sich die Finnländerinnen bereits seit langem eine geachtete Stellung errungen. Schon 1870 wurden die Frauen zum Universitätsstudium zugelassen, seit 1883 ist die ge- meinsame Erziehung der Geschlechter an den öffentlichen und den meisten privaten Schulen durchgeführt. Im Post- und Telegraphen- dienst beziehen Männer und Frauen die gleichen Gehälter. In Norwegen   wurde zunächst das allgemeine Wahlrecht für die Männer im Jahre 189ö durchgesetzt. 1901 erhielten die weiblichen Steuerzahler das kommunale Wahlrecht. Die Volks- bewegung, die die Trennung von Schweden   herbeiführte, das bis 1906 mit Norwegen   in Personalunion verbunden war, riß auch die Frauen mit sich und brachte sie in enge Berührung mit den politischen Fragen. Ms den Frauen die Teilnahme an der Volks- abstinnnung, die die Trennung beschloß, verweigerte wurde, ver- anstalteten sie eine eigene Abstimmung und stellten den 100 000 Männern 300 000 Frauen gegenüber, die sich ebenfalls für die Zrennung von Schweden   aussprachen. Zweifellos hat diese Tat- fache dazu beigetragen, um die Stimmung des Bürgertums dem politischen Frauenwahlrecht gegenüber freundlicher zu gestalten. Bei den Wahlen von 1906 erhielten Liberale und Sozialdemokraten die Mehrheit im Parlament. 1907 wurde ein beschränktes Frauen- Wahlrecht eingeführt, obgleich natürlich die sozialdemokratischen Ab- geordneten für das allgemeine Wahlrecht plädiert hatten. Bald darauf erweiterte das Storthing das beschränkte Kommunalwahl- recht, und 1913 erhielten die Frauen das volle parlamentarische Wahlrecht, so daß sie jetzt den Männern ganz gleichgestellt sind. Bisher ist aber nur einmal auf kurze Zeit eine Frau, die Lehrerin Anna Rogstad, Storthingsmitglied gewesen. Dänemark   gab den Frauen 1908, ohne daß größere Kämpfe oder eine laute Propaganda� voraufgegangen wäre, das kommunale Wahlrecht, und zwar allen Steuerzahlerinnen mit 800 Kronen Ein- kommen in Kopenhagen   und etwas geringeren Einkommen in den ländlichen Distrikten. Eine demokratisch-sozialdemokratische Mehr- heit saß im Foliething. Sie war bereit, den Frauen das politische Wahlrecht zu gewähren, zugleich mit einer Erweiterung des Wahl- rechts überhaupt. Eine radikale Verfassungsreform wurde ein- gebracht: alle Männer und Frauen über 21 Jahre sollten das Wahlrecht haben und gleichzeitig sollte das Oberhaus reformiert weroen. Das radikale Ministerium konnte jedoch die Verfassungs- änderung nicht durchführen. Eine liberale Regierung gelangte ans Ruder, die die Versassungsreform wieder aufnahm. Sie wurde vom Folkething mit großer Mehrheit angenommen, von Landsthing jedoch abgelehnt. Bei den Neuwahlen 1913 erhielten Sozialdemo- kraten und Radikale wieder die Oberhand. Die radikale Regie- rung ist nun entschlossen, die Versassungsreform mit allen Kräften durchzuführen. Die Gleichberchtigung der Frauen in Dänemark  ist also nur noch eine Frage der Zeit. I s l a n d hat sie inzwischen gesetzlich anerkannt. In S ch w e d e n ist die politische Situation ähnlich, wenngleich dort die radikale Richtung nicht so stark vertreten ist wie in Däne- mark. Dort wurde im Jahre 1908 eine Wahlreform durchgeführt, m der jedoch die Gleichberechtigung der Frauen nicht enthalten war. Vorwärts" Nr. 13. Freitag, den 13. Februar 1911. Bei den Wahlen von 1911, bei denen die Frauen eine gewaltige Agitationsarbeit übernommen hatten, gewannen Liberale und So- zialdemokraten die Mehrheit in der Zweiten Kammer. Im Ja- nuar 1912 brachte die liberale Regierung einen Frauenwahlrechts- gesetzentwurf ein, der von der Zweiten Kammer angenommen, von der Ersten Kammer aber abgelehnt wurde. Nun versucht man auf dem Umweg über die Kommunalvertretungen im Oberhaus eine den Frauen günstigere Zusammensetzung herbeizuführen. Die französischen   Frauen haben Aussicht, in absehbarer Zeit das kommunale Wahlrecht zu erhalten. Augenblicklich ver- suchen sie, die Eintragung in die Wählerlisten durchzusetzen. Wo sie auf Widerstand stießen, ließen sie durch einen Gerichtsvollzieher ein Protokoll aufnehmen, und sie wollen ihre Sache falls die Friedensrichter zu ihren Ungunsten entscheiden vor den Kassa- tionshof bringen. Einige Kantone der Schweiz   haben das kommunale Frauen- Wahlrecht bereits durchgeführt. In den übrigen Ländern, mit Ausnahme von England und einigen österreichischen Gebieten, existiert noch kein Frauenwahlrecht. Die proletarierin unö der Alkohol. Aus Aerztekreisen kommt in letzter Zeit immer wieder die Klage, daß der tückische Menschheitsfeind Alkohol immer mehr Einfluß auch in Frauenkreisen fände. Besonders in England und Amerika   ist der Genuß von Alkohol in den verschiedensten Formen bei der vornehmen Damenwelt Modesache geworden. Man ge- nießt Eau de Cologne   aus Zucker und andere alkoholartige Toilettenwasser. In England pflegen Modistinnen, Schneiderinnen, Wäscherinnen, zu deren Kundschaft die Damen der großen Welt zählen, sich Schankerlaubnis zu verschaffen, damit die Kundinnen ungestört nach ihrer Neigung Champagner, Wein, Branntwein, Likör oder Bier zu sich nehmen können, was dann alsGarnitur" auf die Rechnung kommt. Aber auch in anderen Ländern erobert sich der Alkohol in Verkleidungen die Frauenwelt: so besonders durch das Alkohol k o n f e k t, das immer mehr in Aufnahme kommt. Vom regelmäßigen Alkoholgenuß in dieser oder jener Form bis zur Alkoholkrankheit ist für viele ein kurzer Weg. Besonders un- befriedigte Frauen werden leicht eine Beute der berauschenden Wir- kung des Giftes. So stellte Frank durch eine Statistik in der Schweiz   fest, daß unter den trunksüchtigen Frauen die Unver- heirateten, Witwen und Geschiedenen, bedeutend öfter anzutreffen sind als Verheiratete, während es bei den trunksüchtigen Männern umgekehrt ist. Die meisten Alkoholistinnen sind Frauen ohne Be- ruf, dann kommen Handelsfrauen, Dienstboten und endlich Ar- beiterinnen. Bei dieser Statistik sind die Arbeiterfrauen, die keinen eigenen Verdienst haben, als Frauen ohne Beruf eingerechnet. Wir haben also keine klare Scheidung in Proletarierin und bilr- gerliche Frau. Die klassenbewußte Proletarierin aber sollte in Gesinnung und Tun so weit von diesen Kranken entfernt sein, daß sie nicht Ge- fahr läuft, eines Tages in solcher Statistik aufzutauchen. Aus wirtschaftlich-politischen Gründen hat die sozialdemokratische Partei den Branntweinboykott erlassen, aus wirtschaftlich- politischen Gründen wird die zielbewußte Proletarierin aus dem Schnapsboykott einen Alkoholboykott machen. Sie weiß, daß Selbst- Hilfe der Weg zur Erreichung unseres Endziels ist, des Ziels, das freie und starke Menschen, keine Knechte will. Die Kinder, die diesem Ziele näher kommen sollen als wir. sollen stark an Leib und Seele in den Kampf ziehen, und die Sorge der Genossin muh eS sein, sie so kraftvoll wie möglich zur Welt zu bringen. Nicht nur die Mutter selbst wird das Gift meiden, sie wird auch den Vater ihres Kindes so wählen, daß sie es vor ihrem Kinde. bor   ihren Klassengenossen verantworten kann. Den Kindern Al- kohol zu geben, hat Genossin Zetkin   ein grausames Verbrechen genannt. Das jugendlichste Wesen ober ist die Keimzelle des Mannes, deren Verderben durch Alkoholgenuß Professor Forel ein- wandftci nachgewiesen hat. Kinder aber, die im Alkoholrausch gezeugt sind, haben weniger Widerstandskrast, werden leicht Epileptiker, Trinker, Verbrecher, Idioten. Der Leiter einer Privatirrenanstalt war von der Keimverderbnis nicht über- zeugt, da viele seiner Patienten Kinder nüchterner Eltern waren. Zwecks Feststellung dieser Tatsache machte er eine Um- frage, und siehe da die große Mehrzahl der unglücklichen Kranken war nach einer Feier gezeugt, so daß die Eltern sich zur Zeit der Konzeptwn zwar nicht im Rausch, wohl aber iman- geheiterten" Zustande befanden. In diesemangeheiterten" Zu- stände Pflegen sich viele Männer auch eine Geschlechtskrank- heit zu holen, unter der Frau und Kinder oft schwerer leiden als der Mann. Auch die Prostituierten haben häufig im alkoholi  - fierten Zustande den ersten Schritt zum Abgrund getan. Ein paar Gläschen Bier, ein wenig süßer Wein und der Mädchenwille ist besiegt. Der Abscheu vor dem Alkohol kann bei Kindern nicht groß genug sein. Während sich die schädliche Wirkung des täglichen Alkoholgenusses bei Kindern an den minderwertigen Schulleistungen nachweisen läßt, ist die moralische Wirkung des seltenen Genusses schwerer ziffernmäßig festzuhatten. Aber wird nicht das Mädchen, das den Alkohol als Delikatesse kennen lernt, als Krönung von schönen Tagen, mit großer Freude sich in jenen Zustand ver- setzen lassen, der es leicht zum willenlosen Werkzeug macht? Im Kind muß durch das Beispiel der Eltern der Willen zur Ent- haltsamkeit gestärkt werden. Ihren Kindern ein solches Elternhaus zu schaffen, ist Auf- gäbe der kämpfenden Proletarierin. Sie hat ihren Kindern viel zu geben, ein hohes Ziel ihrem Streben zu setzen: Befteiung aus geistiger und wirtschaftlicher Knechtung. Deshalb wird sie von ihnen die falschen Freuden des Alkoholgenusscs fernhalten. Im April 1912 wurde auf der Konferenz der sozialdemokratischen Frauen Württembergs ein Beschluß gefaßt, der es den Prole- tarierrnnen ans Herz legt, ihren Kindern keinen Tropfen Alkohol zu geben, und selbst das Vorbild vollständiger Enthaltsamkeit zu üben. Wie sehr muß aber die Abstinenz der proletarischen Haus- f r a u am Herzen liegen! Von dem kargen Lohn des Mannes dürfte nichts für die schädlichen Genußmittel, Alkohol und Tabak, sondern nur für die wahren Nahrungsmittel ausgegeben werden. So ist das viel zu wenig geschätzte Obst, das durststillend und gesund ist, im Arbeiterhaushalt selten zu treffen. Die Frau kann durch geschickt« Haushaltführung dazu beftragen, die Enthaltsam- keit ihrer Angehörigen zu fördern. Denn, wenn es eine ver- ächtliche Schwäche ist, sich zu betrinken, so ist es, besonders für den Arbeiter, bei dem heutigen Anreiz sozialer und geselliger Art, oft genug eine Kraftprobe, stets enthaltsam zu bleiben. So achte die wollende Frau in der Küche darauf, daß keinerlei scharfe Gr- würze Verwendung finden. Auch vermeide sie Alkohol in Speisen zu verwenden. Er verliert seine schädliche Wirkung erst nach stündigem Kochen bei offenem Kochtopf. Nach demAufwallen", das bei Herrichtung von Bier- oder Weinsuppen angewandt wird, hat er nichts von seiner Schädlichkeit eingebüßt. Auch Mostrich und Essig sind besonders für Kinderspeisung nicht zu verwenden. Eine Nahrung, die sich in der Hauptsache aus Ge- nrüsen, Obst, Mehl- und Milchspeisen zusammensetzt, ist die ge- eignete für den abstinenten Menschen. Die bewußte Proletarierin wird in ihrem Kreise mit zur Aufklärung wirken. Als Persönlichkeit, Hausfrau und Mutter stelle sie sich in den Kampf. Fort mit dem Junkerfusel, fort auch mit demMedizinalwein", demAmmenbier", demLikörkonfekt", und wie all die schönen Namen heißen mögen, mit denen das Alkohol- kapital auf die gutgläubige Dummheit der Frau spekuliert. Ammenbier besonders ist eine geradezu frivole Bezeichnung, denn niemand muß sich mehr vor Alkohol hüten, als die hoffende und stillende Mutter. Wir kämpfenden Frauen sind uns dessen bewußt, und der Satz jener Württemberger Resolution ist uns gewärtig: Die körperliche, geistige und sittliche Gesundheit der Jugend gehört zu den wichtigsten Faktoren, die den Sieg des Proletariats für die Zukunft verbürgen." G. M. Wir geben die Ausführungen der Genossin G. M. wieder, ohne die Absicht zu haben, eine Diskussion über Abstinenz oder Tcrnperenz zu eröffnen.(D. Red.) Frauen im Kampf gegen den Alkohol. Im russischen Reichsrat wurde bei der Beratung des Gesetzentwurses betreffend Regelung des Verkaufes von g e i st i g c n Getränken(mit 77 gegen 43 Stim- men) ein Artikel angenommen, der Müttern und großjährigen weiblichen Familienoberhäuptern Stimmrecht in den Versamm- lungen von Landgemeinden verleiht, in denen über das Verbot des Verkaufes geistiger Getränke bestimmt wird. Rußland   folgt damit mehreren nordischen Staaten, in denen den Gemeinden das Recht der Selbstbestimmung bei der Zulassung von Schankstättcii zusteht. Große Bedeutung wird aber der Paragraph falls er überhaupt Gesetz wird nicht haben, da die Einnahmen des russischen Staates zu einem Viertel aus dem Branntweinmonopol gedeckt werden. Der Staat selbst hat also ein Interesse an der Steigerung des Alkoholverbrauchs. Die Säuglingssterblichkeit ist im Jahre 1912 erfreulicherweise gesunken, sie betrug 14,7 Prozent gegen 19,2 Prozent im Jahre 1911. Nun war im Jahre 1911 die Säuglingssterblichkeit außergewöhnlich groß, weil der heiße Sommer die Gefahr sür Säuglinge wesentlich er- höhte. Aber selbst gegen das Jahr 1910(mit einer Sterblichkeit von 16,2 Proz.) bedeutet der Prozentsatz von 14,7 im Jahre 1912 eine» unleugbaren Fortschritt. Dennoch steht Deutschland   mit seiner Säuglingssterblichkeit noch weit hinter den meisten europäischen  Staaten zurück. Nur Rußland  , Oesterreich-Ungarn   und einige Balkanftaaten weisen noch höhere Ziffern auf. In den skandinavischen Staaten dagegen sinkt die Säuglings- sterblichkeit bis auf 7 und 6 Prozent I Recht traurig sieht es weiter aus, wenn man die Sterblichkeit in den verschiedenen Landesteilen untersucht. Sämtliche o st elbischen preußischen Provinzen bleiben nach der Höhe der Sterblichkeit weit über dem Durchschnitt. Am ichlimmsten steht eS damit in Westpreußen  ; hier sterben von 100 Lebendgeborenen 19,1 Säuglinge. Dann folgen Oschreutzen und Schlesien  (je 17,3 Proz.), Pommern  (17,0), Posen(16,8), B r a n- denburg(16.1). Provinz Sackisen(IS, 7). Alle übrigen preußische» Provinzen haben eine unter 13 Proz. stehende Säuglingssterblichkeit. Auch Berlin  (mit 14,2 Proz.) bleibt unter dem Reichsdurchschnitt. Von den außerpreußischen Staaten ist die Sterblichkeit groß in Bayern  (17,7), Reutz j. L.(17,2), Sachsen-Altenburg(17,1), Mecklenburg-Strelitz  (16,8) und Mecklenburg-Schwerin  (16,3). Die höchsten Ziffern also wistzerum in Gebieten mit vorwiegend agrarischer und Haus« industrieller Bevölkerung. Bayern   rechts des Rheins hat(mit 18, ö Proz.) hinter Westpreußen  (19,1) die höchsten Ziffern im ganzen Reich. Sie nähern sich denen Rußlands   und auch in dieser Be- ziehung kann man sagen, in We st Preußen herrsche« russische Zustände._ Zrauenstlmmrecht. Spaltung im Suffragettenlagcr. Fräulein Silvia Pankhurst scheidet au» der von ihrer Mutler uud ihrer Schwester JEHnstaDel geleiteten Wornen's Social and Politioal Union"(der Suffragetten-OrganM sation) aus; sie führt eine von ihr gegründete Zweigorganisation des alten Verbandes als neue Organisation weiter. Wahrscheinlich liegen dieser Trennung nur private Differenzen zugrunde. Ursprüng- lich hatte man geglaubt, die Differenzen seien dadurch entstanden, daß Frau Pankhurst   friedlichere Wege einschlagen möchte, während Fräulein Silvia an der alten kriegerischen Taktik festhalte» wolle. Eine eigenartige Demonstration für das Frauenstimmrccht hat die französische   Liga der Frauenrechte, wie uns aus Paris   gc- schrieben wird, anläßlich des Abschlusses der Wählerliste veranstaltet. Sie entsendete nämlich auf alle Mairien(Bezirksämter) Frauen- delegationen, die die Eintragung in die Liste forderten. In drei von den zwanzig Bezirken wurde sie tatsächlich bewilligt, in zwei davon mit ausdrücklicher Zustimmung der Maires. In den anderen Bezirken wurden die Frauen, zumeist mit großer Höflichkeit, ab- gewiesen. Die Eintragung in die Liste bedeutet noch nicht, daß die Frauen wirklich das Wahlrecht bekommen. Es wäre in der Tat widersinnig, das Stimmrecht der Frauen vermittels Eritschei- dung niederer Verwaltungsbehörden bezirksweise einzuführen. Die eingetragenen Frauen werden zweifellos voO der Rcvisionskom- Mission gestrichen werden. Aber die Kundgebung hat wenigstens gezeigt, daß sich auch in den bürgerlichen Kreisen ein merklicher Umschwung zugunsten der politischen Gleichstellung der Frau voll- zogen hat. Die Frauenrechtlerinnen werden übrigens bis an den Kassationshof gehen. Das Gesetz spricht nämlich da? Wahlrecht allen Franzosen zu, die das gesetzliche Alter erreicht haben. Anderer- seits heißt es:Alle Franzosen sind vor dem Gesetz gleich." Da nun in diesem Satz zweifellos auch die Französinnen mit ein­bezogen sind, wollen die Frauenrechtlerinnen geltend machen, daß auch die erste Bestimmung keine auf das Geschlecht bezügliche Ein- schränkung enthält, so daß das Frauenwahlrecht durch eine neue Gesetzesinterpretation Eingang finde. Es ist indes nicht anzu- nehmen, daß die Frauen ihr Recht, ohne Organisation und Kampf, nur durch eme juristische Finesse durchsetzen werden. Eine Kundgebung für Katharina Breschkowsky. Man schreibt uns aus Brüssel  : Am letzten Freitag ver- anstalteten die hiesigen Vertreter der russisch-revolutionären Gruppe im Volkshaus des Brüsseler Vorortes Saint Gilles ein Meeting zu Ehren des 70. Geburtstages einer der verehrungswürdigstcn Gestalten des russischen Befreiungskampfes: Katharina Brcsch- kowskys, derGroßmutter der russischen Revolution", die, noch- dem sie 22 Jahre in Sibirien   geschmachtet, nach wenigen Jahren der Freiheit und des erneuten Kampfes für die Sache des russischen Volkes, 1907 als ein Opfer des Schurken Azew aufs neue, diesmal auf LebepSzeit deportiert wurde. Den Vorsitz in der Versammlung führte Genosse W a u t c r s, Vorstandsmitglied der belgischen Arbeiterpartei. Ansprachen hielten die Vertreter der verschiedenen russischen Fraktionen, ferner Ge- nossin Sargue, der radikale Deputierte L o r a n d sür die Liga der Menschenrechte und Camille Huysmans   sür das Internationale Bureau. Begrühungstelegramme von Vaillant. Vandervelde, Mac- donald, vom Deutschen Arbeiterverein in Brüssel  , Hyndman u. a. Zum Schluß wurde eine Resolution angenommen, die der Ver- ehrung für die im Gefängnis schmachtende Kämpferin Ausdruck gibt und gegen die schmachvolle Behandlung der russischen Gefan- genen und die zaristische Reaktion protestiert. Frauen-Wahlrechts-Zeitung. Zum diesjährigen Frauentag gibt der Verlag derGleichheit" wioderum eine reich illustrierte Frauen-Wahlrechts-Zeitung heraus. Den Organisationen ist bereits mitgeteilt, daß sie zum Preise von 4 Pf. pro Exemplar bei Massenbczügen abgegeben wird. Wo bislang die Bestellungen nicht erfolgten, sind sie schleunigst zu vollziehen beim Verlag von I. H. W. D i c tz, Stuttgart  .