Negerfuhr« derhSngte TadcSurteile aufgeschoben wissen und daZMinisterium Natals reichte darauf deui Gouverneur sofort seineDemission ein. Aber, hat man entgegnet, gesetzt den Fall, die Zopi-talistcnfeindlichc und antiimperialistische Partei des General Hcrtzogläme in Südafrika ans Ruder und konfizierte die Goldgruben:würde dann die Reichsregierung auch untätig dastehen und nichtstun? Und diese Frage bringt uns zum Kern der ganzen Angelegen-feit. Es handelt sich ja nur um Arbeiter.Die englische Regierung irrt sich, wenn sie annimmt, daß sie ineinem Nebel mehr oder minder stichhaltiger konstitutioneller Argu-mente der Schwierigkeit entfliehen kgnn. Das Gerechtigkeitsgefühlund der Freiheitssinn des Volkes ist zu tief verletzt. Mit jedemTage wächst das Gefühl der Empörung. Man mutz bedenken, datzdie weißen Arbeiter in Südafrika, die von der Soldateska nieder-getrampelt worden sind, die Söhne und Brüder englischer Arbeitersind. Zu Hunderten laufen hier die Briefe ein, die den Verwandten:n der Heimat die Gewaltherrschaft schildern und um Hilfe bitten.Ob die englischen Imperialisten im Interesse ihrer eignen Politikklug handeln, dem Entrüstungssturm zu trotzen? Wenn sie wiedereinmal Lust verspüren,„im Juteresse der britischen Freiheit' ineinen Krieg zu ziehen, kann es ihnen passieren, daß sie vom Volkehohnlachend abgewiesen werden.«Uittrrhausmanövcr.Man schreibt uns auS London vom 13. Februar: Tiegestrige Unterhaussitzung lieferte ein recht unerquickliches Beispieldafür, in wie wenig beneidenswerter Lage sich die Arbeitersraktionin dieser Parlamentssession befindet. Sowie sich ihre Taktik seitden letzten zwei Jahren gestaltet hat. steht sie vor der Aufgabe.gegen reaktionäre RegierungSmatznahmen und für Arbeiterinter-essen entschieden zu kämpfen, gleichzeitig aber sucht sie auch ängstlichzu verhüten, datz der Regierung irgend ein Unheil widerfahre. Dasletztere mutz sie tun, um erstens die Homerule nicht zu gefährden,und zweitens um nicht die Raöbe der Liberalen bei den nächstenWahlen auf sich zu ziehen. Und weil Macdonald der einzigeMann ist, der diese Taktik, koste es, was es wolle, bis in alleKonsequenzen zu verfolgen entschlossen ist, ist er in dieser Sessionfür die Fraktion als Führer unentbehrlich.Gestern verhandelte das Unterhaus ein Amendement derArbeiterfraktion zur Antwortadresse über die ungenügendenSchutzmatz egeln auf Eisenbahnen und in Kohlen-gruben. Die Regierung kam der Fraktion einigermaßen ent-gegen: sie versprach eine Vermehrung der Grubcninspektoren undeine Untersuchung über die Eisenbahnunfälle. Unter gewöhnlichenUmständen hätten diese Versprechungen die Fraktion ganz gewißnicht befriedigt. Jetzt aber ging plötzlich ein Gerücht um, datz dieKonservativen«inen Coup vorbereitet hatten. Sie wollten für dasAmendement der Arbeiterfraktion stimmen, um die Regierung zuüberrumpeln und ihr eine Niederlage zu lwrciten. Um dieses ge-fürchtete Manöver zu vereiteln, stimmte ein Teil der Arbeiter-ftaktion g?gcn ihr eigenes Amendement.politische Ueberficht.Klaffeajustiz und anderes.NuS dem Reichstag, 16. Februar. Bei der Beratungdes Reichsjustizetats befindet sich der Verantwortliche Beamte,der Staatssekretär des Reichsjuftizamts, niemals in einer be-neidenswerten Lage, denn auf seinen Buckel hageln all diegerechten Nonuiirse über die Handhabung der Justiz in denEinzelnen Bundesstaaten, zumal in Preußen, dem Dorado derKlassenjustiz, während ihm die Möglichkeit, nun wirklich inder Rechtsprechung der Einzelstaaten nach dem Rechten zusehen, auf dein Papier und noch mehr in den Tatsachen argbeschnitten ist. Herr Dr. L i S c o hörte denn auch mit ememleidlich verlegenen Lächeln zu, als Genosse Dr. Cohn, dieprinzipiellen Forderungen der Sozialdemokratie zur Rechts-pflege an die Spitze semer Ausführungen stellend, sein reich-haltiges Material' zu dem Thema Justiz und Klassenjustizauspackte. Die häufigere Berufung von Arbeitern zu Schöffenund Geschworenen. vor allem ihre Abordnung durcheinen auf Grund des allgemeinen, gleichen, ge-Heimen und direkten Wahlrechts gewählten Ausschuß,bezeichnete der sozialdemokratische Redner mit Recht alsein Mittel für die bürgerlichen Parteien, die Porwürfe überKlassenjustiz abzuschwächen. Er tadelte es, daß der Gesetz-cntwurf zur Regelung der Konkurrenzklausel viel zaghaftervorgehe als das österreichische Gesetz, und verglich die bureau-kratische Langsamkeit in der Schaffung dringend notwendigerGesetze in Deutschland mit der anerkennenswerten Schnellig-kcit auf gleichem Gebiete in Frankreich. Aber vielleicht er-kläre sich die Verschiebung der Strafgesetzreform bis in dasJahr 1917 mit dem Wunsch der Regierung, das Werk miteinem minder roten Reichstag zuwege zu bringen. Dannrechnete Genosse Dr. Cohn kräftig mit den Scharfmachern ab,die gegen das Koalitionsrecht anstürmen, und ließ eine Reiheungeheuerlicher Urteile gegen Streiksünder und andere„Per-bracher" aufmarschieren, deren harte Bestrafung sich aus demKlassencharakter unserer Rechtsprechung erklärt. Zum Schlußlegte der Redner noch eine der wundesten Stellen unsererJustizhandhabung, nämlich die Rolle der Polizei im Straf-Prozeß, bloß und Pflanzte die Standarte auf: Freie Wahl derRichter durch das Volk, damit die Justiz eine Pflegestätte derGerechtigkeit werde!Der Staatssekretär schwieg sich aus.Auch der Zentrumsjurist Dr. B e l z e r fühlte nicht denBeruf in sich, die Justiz gegen die vorgebrachten Beschwerdenin Schutz zu nehmen, sondern verbreitete sich in einer nichtgerade kurzweiligen Horm über eine Anzahl nicht gerade kurz-welliger juristischer Materien wie den Zwangsvergleich außer-halb des Konkurses und die Behandlung der Geisteskranken.Auch auf den Fall Knittel ging er ein und sprach bei der Be-Handlung des Kapllels Sensationspresse dem„Vorwärts"seine Anerkennung aus, weil er gegen diesen ekelhaften Aus-wuchs des Preßwesens Front mache.Tann kam der Nationalliberale Schiffer. Von seinenAusführungen gilt: Wenn man's so hört, möcht's leidlichscheinen. Aber man hat seit je gelernt, zwischen liberalenWorten und liberalen Taten zu unterscheiden.Nachdem der Pole Dr. v. Laszewski Beispiele fürdie Schwester der Klassenjustiz, die Nationalitätenjustiz inPosen und Westpreußen beigebracht, schloß die Sitzung.Morgen kurze Anfragen, Weiterberatung des Justizetats/Abgeordnetenhaus.Das Abgeordnetenhaus beendete am Montag in Fortsetzung derGeneraldebatte zum Etat des Ministeriums des Innern zuerst dieBesprechung über die Dänenpolitik der preußischen Regierung. Diescharfmacherischen und Hakatistischen, jedem Gerechtigkeitsgefühl insGesicht schlagenden Treibereien der Regierung und der in ihremFahrwasser segelnden Chauvinisten fanden scharfe Verurteilung durchdie Abgg. W i t t r o ck(fr. Vpt.), Kloppe»borg(Däne) und ganzbesonders durch unseren Genossen Ströbel, der in großangelegterRede die Entstellungen geschichtlicher Tatsachen seitens des offiziellenPreutzentumS festnagelte, die Gewaltpolitik der Regierung an denPranger stellte und auch die schmachvolle Ausweisung des sozial-demokratischen Vizepräsidenten des dänischen FolkethingS, Stauning,aus Flensburg zur Sprache brachte. Die Erwiderung des MinistersDallwitz war wie immer bei diesem Herrn im Polizeijargon ge-halten. Sachlich konnte er die gewaltigen Anklagen StröbelS nichtwiderlegen, und so wählte er denn diejenige Art der Diskussion, inder er besonders groß ist, er schimpfte über den Tiefftand deS natio-nalen Empfindens unseres Redners, und ähnlicher Ausdrücke bedienteer sich gegenüber unserem dänischen Genossen Stauning.Nach Beendigung dieser Debatte wandte sich das Haus zur Be-ratung der Sparkassenfrage. Hierzu waren eine Reihe vonAnträgen auf Abänderung deS erst im vorigen Jahre erlassenenGesetzes über die Anlegung von Sparkassenbeständen in Inhaber»papieren gestellt, die im wesentlichen darauf hinauslaufen, daß esden Sparkassen gestattet sein soll, die Einstellung ihres Pflicht-bestandes an Jnhaberpapieren in die Bilanz nach dem AnschaffungS-werte vorzunehmen, die buchmäßigen Kursverluste io lange vomReservefonds abzuschreiben, als dieser nicht unter 2 Proz. der Einlagen sinkt und die Zinsen des Reservefonds den Jahresüberschüssenhinzuzurechnen.Die Debatte soll am DienStag beendet werden. Dann willdas Haus die Besprechung der Interpellation über die durch dieSturmflut an der Ostküfte verursachten Schäden vornehmen. NachBeendigung dieses Punktes soll der Etat des Ministeriums desInnern weiter beraten werden.Aus der sozialdemokratischen Reichstagsfraktiou.In der Fraktionssitzung, die am Montag stattfand, wurden alsRedner für das Lustverkehrsgesetz die Genossen Dr. Landsbergund Bender bestimmt. Zu der Abänderung des Militär-Straf-gesetzbuchS werden die Genossen Dr. Frank und NoSke sprechen.Die neue Regierung in Elsaß-Lothriuge»hat, wie osfiziös bekannt gegeben wurde, als Termin für die Wahlenzu den Gemeinderäten im Lande, deren sechsjähriges Mandat erstE»de Juni abläuft, den 17. und— für die Nachwahlen— den24 Mai bestimmt. Als Grund für diese frühere Anberaumung derWahlen wird angeführt, daß in diesem Jahre auf Sonnlag. den30. Mai, das Psingstfest und auf Sonntag, den lt. Juni, dasFronleichnainSsest sällr, so daß sich vor dem 21. und 28. Juni„diebeiden von der Gemeindeordnung für die Wahl und Nachwahl ge-forderten aufeinanderfolgenden Sonntage nicht finden lassen'. Dertiefere Grund dürste der Wunsch der„neuen Herren" sein, den Land-tag für Elsaß- Lothringen schon Ende März zu schließen oderwenigstens zu vertagen._Tie Zabern-Kommisfiou.Am Mittwoch tritt die Kommission zusammen, der der Reichstagdie zur Zabern- Angelegenheit gestellten Anträge und Resolutionenüberwiesen hat. Entgegeri anders lautenden Meldungen versichernnationalistische Blätter, daß das Kriegsministerium leine Vertreter indie Kommission entsenden wird.Geistlichkeit uud Lebeusmittelteucrung.In de» beiden lippischen Fürstentümern verlangen die Pfarrerunter Berufung auf„die sorrschreitende Teuerung der allgemeinenLebensbedingungen' höhere Löhne, und im Fürstentum Schaumburg-Lippe ist ihrem Verlangen bereits glatt entsprochen worden: dieLandeSlirchenbehörde und das landeskirchliche„Parlament" habendie Vorlagen fast ohne jede Debatte angenommen und damit denGeistlichen eine Gehaltserhöhung von rund 20 Pro-zent gewährt.Im Fürstentum Lippe ist es zwar soweit noch nicht: aber dieGehaltsvorlage liegt sozusagen fertig im Schubfach des Konsistoriums. Nachdem hier den Staatsbeamten eine Gehaltserhöhung(von rund 2ö Proz.) zuteil geworden war, besannen sich auch dieGeistlichen darauf, daß die Lebensverhältnisse teurer geworden sind,obgleich die Beamten- und Psarrergehälter erst vor sechs Jahren um20 bis 2ö Proz. erhöht worden sind.Die neue Erhöhung kann nicht durchgeführt werden, ohne daßdie Bevölkerung eine wesentliche Steuererböhung träfe: und dasAngenehme in diesen Kleinstaaten ist dabei, daß auch der, der keinekirchlichen Bedürfnisse hat, bezahlen muß. weil es ein Kirchen-auStritlSgesetz nicht gibt. Jeder Landesbewohner— mag er Christ,Jude oder Heide sein— ist kirchensteuerpflichtig. Er kann sich beimbesten Willen nicht davon befreien.Was würde die Geistlichkeit sagen, wenn die Arbeiter ihrVorgehen zum Muster nähmen und innerhalb sechs Jahrenzweimal 20 bis 2S Proz. Lohnerhöhung verlangten? Die Teuerungder Lebensverhältnisse spürt jedenfalls der- Arbeiter weit rnehr-olSder Geistliche.____Ter Kampf der Richtungen im klerikalen Lager.Von Zentrumsanhängern unter furchtbarem Tumult gesprengtwurde am Sonntagabend eine Kalhplikenversammlung. die. vomschlefischen Führer der katholischen Aktion, dem Pfarrer NieborowSki.in das St. Elisabethhaus in Breslau einberufen war. Der Vortragdes geistlichen Herrn wurde durch Lärm fast unmöglich gemacht, undals er eine ErgebenheitSreiolution für dm Kardinal Kopp mit derZustimmung zur Enzyklika Liuxulsri quaäam verknüpfen wollte,entstand ein großer Tumult. Die Anhänger der christlichen Gewerk-schaften sprangen auf die Stühle und schrien dem Priester zu:„Demagoge! Gemeinheit! Reden Sie endlichdie Wahrheit!" Schließlich beantragten sie eine Zu-bis an die Knöchel in ihrem Blut." So mutzte, da man der Ge-Walt nicht die Gewalt entgegensetzen konnte, den Bütteln desSozialistengesetzes auf �schritt und Tritt ein«chnippchen ge-schlagen werden. Da Zusarnmenkünste und Versammlungen verboten waren, hielt man eben ungesetzliche Zusammenkünfte undVersammlungen ab, und da die Herausgabe einer sozialdemokratischen Presse untersagt war, gab man eben ein ungesetzlichesBlatt beraus. Zahlreich sind die Anekdoten des dritten Bandesder Lebenserinnerungen, an denen von Nasen erzählt wird, dieder Polizei gedreht wurden,«o beschloß man einmal, eine säch-fische Landeskonferenz in Pillnitz abzuhalten. Auf einem Elb-dampfer fuhren vierzig bis fünfzig Genossen stromaufwärts, be-gleitet von vier Geheiinpolizisten, die gehört hatten, datz Fahr-karten bis Pillnitz gelöst waren. Vor dem unfreundlichen Wettereines trüben Rovembersonntags verzogen sich die Geheimen baldin die Kajüte und, wälaend sie hier mit Eifer den vier Wenzelnhuldigten, stiegen die Teilnebmcr der Landeskonferenz an derHaltestelle vor Pillnitz aus und begaben sich nach der Maixmühlc,einer betannten AuSflugSwirtschaft der Dresdener Bürger. Hierschritten die Verbandlungen munter fort, indes die der polizeilichenBeobachtung Entronnenen ab und zu ein fröhliches Lied sangen,um den Wirtslcuten einen harmlosen Gesangverein vor-zutäuschen. Ein andermal hielt die sozialdemokratische Reichs-tagsfraktion mit einer Anzahl Berliner Vertrauensmännereine geheime Zusammenkunst in dem damals noch wenigbebauten Lichtcrfelde-Qst ab.„Es regnete," schreibt Bebel.„in Strömen. Wir standen im dichtesten Gebüsch, wobei dieRegenschauer auf unsere Schirme niederprasselten, datz wirkaum unsere Worte verstehen konnten. Als wir nachts 2 11h r bisauf die Haut durchnäßt den Rückweg nach Berlin antraten und ineiner an der Straße liegenden Restauration Ernkehr hielten, stießenwir auf unsere Berliner Geheimpolizisten, die uns offenbar gefolgtwaren." Da Bebel der gehaßtestc und gefürchtetfte aller sozial«demokratischen Führer war. folgten ihm nicht nur in Aerlm aufSchritt und Tritt die Spitzel Puttkamcrs und Bismarcks.sondern auch auf feinen Geschäftsreisen wurde er telegraphischavisiert, so daß bei seiner Ankunft in der nächsten Stadt sorgendePolizeiseelen schon am Bahnhof standen und sich ihm wie seinSchatten �an die Fersen hefteten. Auch diesen Trabanten einenlustigen Streich zu spielen, gelang Bebel so manchesmal, aberdoch erbitterte und verbitterte ihn so schmähliche Hetze.„Nochheute", schreibt der Zweiundsiebzigjäbrigc,„steigt mir das Blut zuKopfe, gedenke ich jener Zeiten." Nur eins brannte ihm nochätzender auf der Seele: seine Ausweisung, als der BelagerungS»zustand über Leipzig verhängt wurde:„Daß man uns wie Baga-bunden oder Verbrecher ausgewiesen und ohne eine gerichtlicheProzedur von Weib und Kind gerissen hatte, empfand ich als einetödliche Beleidigung, für die ich Vergeltung geübt, hätte ich dieMacht gehabt. Kein Prozeß, keine Verurteilung hat je bei mirähnliche Gefühle des Hasse» hervorgerufen." Und mit diesem Ge-fühl unauslöschlichen Hasses im Herzen sind damals Hunderte indas Schneegestöber und Kälte hinauSgeirrt, und die Machthaber»die ste jagten und hetzten, können sich Glück wünschen, daß ihreSaat nicht furchtbar ausgegangen ist.Ms Sebels Leben.LWenn in den letzten Jcchren seines Lebens in stillen Stundenzu August Bebels Herzen so etwas wie ein kalter Hauch ausder nahenden großen Nacht drang, dann ließ eine Hoffnung undein Wunsch das Blut wieder rascher durch seine Adern strömen:die Sehnsucht nämlich, den Schlußpunkt noch unter die Erinne-rangen setzen zu dürfen, in denen er die reiche Fülle seiner Er-sahrungcn der Partei zu Nutz und Frommen hinschüttete. TerGlaube, datz ihm dieses Werk noch gelingen werde, hielt den un-ermüdlichen Kämpfer aufrecht, und es war wohl nur eine Vorsichts-Maßregel, wenn er in einer dieser stillen Stunden für den Fallseines Todes Karl Kautsky mit der Herausgabe des drittenBandes seiner Memoiren betraute. Das war am 21. Juli 1013und nicht vier Wochen gingen danach ins Land, als in allen fünfErbteilen die roten Jahnen auf Halbmast sanken: das lebendigsteHerz, das je für den Emanzipationskampf der arbeitenden Klassengeschlagen, stand still. Und jetzt, secb» Monate nach dem Tode desGroßen, nimmt Teutschlands Arbeiterklasse auS K a u t S k y SHänden Bebels Vermächtnis, eben den dritten Band der Lebens-erwnerungen, dankbar und erwartungsvoll entgegen.")*) AuS meinem Leben. Von August Bebel. Dritter Teil.Herausgegeben von Karl Kautsky. Verlag von J. H. W. DietzNachf.. G. m. b. H., Stuttgart 1014Was an dieser Stelle von den beiden ersten Bänden derBebel schen Memoiren gesogt wurde, gilt in demselben Matzevon dem dritten Bande: es handelt sich mer nicht um geschwätzigeBekenntnisse einer ofsenbarungSfrohen Seele, die sich von allenSeiten bespiegelt und der Oeffenttichkeit zuruft: Seht, so bin ich!.sondern eine karge Zurückhaltung waltet in den Teilen des Buches,da Bebel das Wörtchen: Ich häufiger als ihm lieb ist, hinschreibenmuh. Auch in diesem dritten Bande enthüllt sich ganz und gardas Wesen eines Mannes, der seine Person in jedem Augenblickvöllig hinter der Sache zurücktreten läßt, und dem das eigene Er-l-bnis nicht durch stch selber wertvoll ist. sondern nur wertvoll wirddurch die Beziehungen, die es zu der allgemeinen EntWickelungder Partei hat. Was der Mensch Bebel außerhalb der Sozial-demokratie liebte und litt, wie sein Verhältnis zu privaten, zu nicht-politischen Dingen war» davon erfahren wir so gut wie gar nichts,weil ev für Bebel kein„außerhalb der Sozialdemokrane" gab undweil er nichtpolitische, private Dinge kaum kannte: Bebel und diePartei waren ganz«ins. Dadurch sind seine Lebenserinnerungenweniger„interessant" im wochentäglichen Sinne des Wortes als dieanderer Memoirenschreiber, die vor dem neugierigen Leser dieDecke des Ehebettes abheben und den Deckel des Wasserklosettslüfien. aber sie gewinnen an historischer Größe und lassen eherdie historische Größe dessen ahnen, der sie schrieb und der, indemer sie schrieb, noch eine historische Aufgabe erfüllte.Der Stoff aber, der in dem eben erschienenen dritte» Bandeabgehandelt wird, bringt e» mit sich, daß Anekdoten und Genre-bildchen sich hier häufig« einstellen als m dem vorangegangenenzweiten Bande und daß derart das Ganze bunteren und bewegterenEindruck hinterläßt. Der drttte Band nämlich umspannt die erstenJahre des Sozialistengesetzes—„ich habe," schrieb Bebel anjenem 21. Juli an Kautsky,„noch wenig zu tun, so ist der Bandbis mit 1882 abgeschlossen und so weit reichen in der Tat die sichin den Lebenserinnerungen drängenden Zeitereignisse.Am 10. Oktober nabm der Reichstag mit 221 gegen 143Stimmen das fluchwürdige Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemo-kratie an, die Session wurde geschlossen und Bebel fuhr nachHaufe, fressenden Ingrimm im Herzen und entschlossen, alles daran-zusetzen, um die Wirkung des Gesetzes zu durchkreuzen. Er hieltredlich Wort und das bedeutete eine Anspannung aller Kräfte biszum äußersten, denn Schlag auf Schlag prasselte es jetzt auf diePartei nieder. Schon nach der ersten Lesung des Sozialistengesetzes.im September, war in Hamburg der ParteiauSfchutz in keineswegsgebobener Stimmung zusammengetreten und beschloß notgedrungenauf Antrag des Kassierers G c i b. der alles andere als einKämpfertempcramcnt und noch dazu schwer herzletdend ipar. diePartei formell aufgelöst zu erklären: die Kasse und den Kassierer-Posten übernahm Bebel, der während des ganzen Sozialisten.gesetzeS die Stelle de» sozialdemokratischen Finanzministers mitviel Geschick innehatte. Als nun die Organisationen zersprengt, dieZeitungen verboten, die Kassen gelert, die Agitatoren gehetzt und dieVersammlungen unmöglich gemacht wurden, ritz zunächst Ver-wirrung in den Reihen der Partei um sich. Unter den Führerngab cS mehr Marodeure und Hasenfüße, als den Unverzagten vomSchlage Bebels lieb war: der eine flüchtete zurück unter dasschützende Dach der bürgerlichen Gesellschaft, der andere setzte seinenStab über das große Wasser nach Amerika, der dritte verlor sichauf andere Weise. Fahnenflüchtige! Aber der als„Fanafiker"verschriene Bebel ruft ihnen kein Wort der Verachtung nach, son-devn er zeigt auch hier die Güte seine» großen Herzens, das sichMenschliches immer menschlich zu verstehen mühte:„die materielleNotlage der meisten", beißt es,„entschuldigt vieles". Es war auchnicht so, wie man es hier und da darzustellen liebte, daß nur dieFührer versagten und die Massen den Fuß beim Male hinten. ImGegenteil! Auch uitter den Massen brach eine Panik aus, als, wersich Sozialist nannte, wie ein rechtloser Hund gejagt wurde, auchunter' den Massen herrschte Niedergeschlagenheit, Verzagtheit undVerzweiflung, und der Energie der Führer bedurfte es, jie zu wage-mutigem Handeln wieder anzustacheln. Bei dieser Arbeit nun warBebel unter den Unermüdlichen der Unermüdlichste: er sammelte,warb, munterte auf. und da er so ziemlich der einzige war, den seinGeschäft vor materieller Sorge schützte, so fiel fast die ganze Lastder Parteiarbeit auf seine Schultern, eine sechzehnstündige Arbeits-zeit wurde für ihn zur Regel und durch immer neue Schwierig-ketten kämpfte er sich durch diese sorgen- und mühevollsten Jahreseiner Lebens hindurch.Den Machthobern wäre eS natürlich am liebsten gelvesen, dieSozialdemokratie hätte nch zu einem Putsch gegen ihre Unterdrückerhinreißen lassen. Bismarck lechzte nach einem Blutbad und vonder Schwester des Philosophen Mainländer erfuhr Bebel.daß auf einer Gesellschaft in Berlin die Offiziere d« Garde Giftund Galle gegen die Partei gesprüht hätten— einer davonäußerte:»Hätten die Kerls den Mut loszuschlagen, wir wateten