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Nr. 17. 31. IahrgavH. 3. ökiligk des Jotmürts" Jetlinet öoltetilatt. Diellstag. 17. Februar ISl�. Reichstag. 21S. Sitzung, Montag, den IS. Februar ISIt, nachmittags 2 Uhr. Am Tische des Bundesrats: Dr. LiSco. Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung des> Etats üer Reichsjustizverwaltung. Auf Borschlag deS Präsidenten wird beschlossen, den Fall der Witwe Hamm   am Schluß der Generaldebatte beim Titel.Staats- sekretär" besonders zu verhandeln. Abg. Dr. Cohn(Soz.): ES handelt sich heute darum, die Bilanz für das abgelaufene Jahr zu ziehen, unerfreuliche Erscheinungen, die im Zustizwesen hervorgetreten sind, zu kennzeichnen. Keime einer neuen EntWickelung auszudecken und der Gesetzgebung und Praxis neue|Jiele zu zeigen. Die Ausbeute des letzten Jahres an neuen Justizgesetzen ist nicht gerade groß. Ich erinnere an die Tagegelder für Schöffen und Geschworene. Durch ein doppeltes und dreifaches Sicbungsverfahrcn sind weite Kreise der Bevölkerung von dem Amt der Schöffen und beschworenen ausgeschlossen, vor allem die Arbeiter, die Privat- beamten usw. ES ist zu begrüßen, daß der Staatssekretär des Rcichsjustizamts sich dahin ausgesprochen hat, daß cS das Vertrauen zur Justizpflege heben würde, wenn auch Arbeiter in die Laiengerichte als Schöffen hineinkommen. Daraus kann man folgern, daß bei dem jetzigen System der Justizpflege nicht das volle Vertrauen zu- gewendet werden kann. Die bürgerlichen Parteien, die ja sonst immer siir Versöhnung der Arbeiterklaffe mit dem heutigen Staate schwärmen, hätten hier eine Gelegenheit, die Vorwürfe über die Klassenjustiz abzuschwächen. Eine ausreichende Heranziehung von Arbeitern zu Schöffen und Geschwornen wird sreUich nur erreicht werden können, wenn der Ausschuß, der sie wählt, auf Grund des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts zusammengesetzt wird. In der dringend der Regelung bedürstigen Frage der Kon- k u r r e n z k l a u s e l liegt ein Entwurf vor. der leider viel zag- hafter vorgeht, als das österreichische Gesetz auf diesem Ge- biete und den berechtigten Wünschen der Beteiligten keineswegs entspricht. Ein unerträglicher Zustand ist, daß das Gesetz über die Jugendgerichte noch immer nicht eingebracht ist, obgleich diese Reform von hervorragenden Männern der Praxis, wie zum Lclspiel dem Direktor der öffentlichen Jugendfürsorge in Ham- bürg, Dr. Herz, als äußerst dringend bezeichnet worden ist. Sollten etwa die Schwierigkeiten darin liegen, daß die Kommission, die die Materie bearbeitet, auch Heraufsetzung der Strafmündigkeit ans das H. Jahr vorgeschlagen hat, während die Regierung diese Konzession an die Forderung aller wahr- hasten Pädagogen und Juristen bei der Reform des ganzen Strafgesetzbuches zu machen vor hat und sich jetzt nicht die Rosinen aus dem Kuchen nehmen lassen will. Es wäre ein imer- träglichcr Zustand, wenn eine von allen Seiten als dringend er- kannte Besserung so als Tauschobjekt behandelt »vcrdcn sollte. Man könnte neidisch sein auf die Entschlußkraft, mit der in Frankreich   die größten Umwälzungen auf dem Gebiete der Gesetzgebung und Verwaltung in wenigen Monaten vollzogen werden. Aber auch in Deutschland   kann man ja unter Umständen sehr schnell Gesetze machen. Ich erinnere daran, wie kurz nach der Verabschiedung des B. G.-B. in der Frage der Hastpflicht der Tierhalter die Regierung sofort auf das Pfeifen der Rechten parierte und apporlierte.(Präsident Kacmpf rügt diesen Ausdruck.) Unser Strafgesetzbuch ist heute beinahe 60 Jahre alt. denn das jetzige enlspricht fast ganz dem früheren preußischen Gesetz, und in dieler Zeit hat eine stürmische Umwertung aller wirtschaftlichen und politischen Werte statt- gefunden. Aber der Staatssekretär erklärt, vor 1917 könne mit der Reform nicht begonmm werden. Warum gerade 1917? Ist dieser Termin vielleicht schon 1912 bestimmt worden mit Rücksicht auf den Ausfall der Wahlen? Will man vielleicht warten, ob sich nicht die rote Wolke verzieht, von der ein fataler Widerschein auf daS neue Kleid fallen könnte, das man der Dame mit der Binde vor den Augen anmessen will. Welche Pläne für das neue Strafgesetzbuch seitens der Regierung bestehen, hat ja der Reichskanzler vor kurzem enthüllt. DaS Konlitionsrccht soll nach dem Willen der koalierten Scharfmacher rrdroffelt werden. Neben einigen Verbesserungen werden ungeheuere Attentate gegen die Arbeitcrllasse und damit gegen die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft geplant. Die organisierte Arbeiterschaft muß und wird sich mit allen Mitteln dagegen wehren.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wäre es anders, dann wären die Arbeiter wirklich die Hundsfotte, als die sie von den gewalttätigen und gewissenlosen Scharfmachern angesehen werden, denn ein freies Köalitionörecht ist für die Arbeiter tu der kapitalistischen  Gesellschaft eine Lebensnotwendigkeit, die Lust, in der sie allein atmen können. Wenn ein Mörder seinem Opfer die Kehle zupreßt, so kommt es zu krampfhaften Bewegungen und Stößen, die stark genug sein können, um den Mörder selbst über den Haufen zu werfen. Aus einer Aeußerung derAltnational« liberalen Korrespondenz" ist ganz klar geworden, wohin der Weg geht. Man spricht vom Schutz der Arbeitswilligen und man meint den Kampf gegen jede Demokratisierung in Deutsch  - land oder in Preußen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Bei der Versumpfung der großen Reformwerke aus dem Gebiete der Justiz ist es erklärlich, daß sich an zahlreichen Stellen der Ruf nach Aus- besserung einzelner Teile erhebt. Die Entwickelung des wirtschaftlichen Lebens stellt jeden Tag neue Forderungen, so daß ohne Novellengesetzgebung gar nicht aus- kommen ist. Der bescheidene Anfang mit der Strasgcsetzbuchnovelle von 1912 ermutigt zu weiterem Vorgehen auf diesem Gebiete. Sie hat g ü n it i g gewirkt. Neuerdings ist ja unter dem Eindruck des Erfurter Urteils eine Novelle zum Militärstrafgejetzbuch eingebracht worden und ihr werden hoffentlich andere Novellen auf weiteren Gc- bieten folgen. Es fehlt nur der entfchloffene Wille des Reichstags und der Regierung. Ich erinnere an den Zeugniszwang gegen Redakteure, die EdeSformel, Berufung der Lehrer als Schöffen. Fragen, die Abg. Müller- Meiningen auf eine Umfrage der.Deutschen   Juristenztg." als besonders reformbedürftig bezeichnet hat. Hat doch neulich ein Gericht in einer Diebstahls- fache das Zeugnis zweier konfessionsloser Zeugen nicht an- erkennen wollen und die Vernehmung neuer Zeugen angeordnet. Gegenüber den vielen Zehntausenden, die aus der Kirche ausgetreten find, wird sich die Eidesform für Zeugen unter Anrufung Gottes ohne schwere Gewissenskonflikte nichtaufrechterhalten lassen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Mein Freund Haase hat bei der schon erwähnten Umfrage der.Deutschen Juristenzeitung" daS Recht der Zeugnisverweigerung der Parlamentarier, serner die Zeugnisvcrweige- rung gegenüber Fragen nach der politischen Gsinnung und der A b st i m m u n g bei Wahlen als Fragen bezeichnet, die für eine Novellengesetzgebung in Betracht kommen( in der Tat würde sich hierüber leicht eine Verständigung erzielen lassen. Graf W e st a r p hat Gründe gegen eine Novellengesetzgebung angeführt; aber die sind in der Tat nicht ernst zu nehmen.(Präsident Kaempf rügt diesen Ausdruck.) Für die Novellengesetzgebung eignet sich ferner die Frage der Äonkurrenzklausel. die des Existenzminimums, das höher bemeffcn werden muß als 1S09 M, die Frage des Zwangsvergleichs bei Kon« k u r s e n; ganz dringend ist eine Neuordnung des Wiederaus- na hm �Verfahrens in Strafsachen. Wie steht es serner mit einem Strafvollzugsgesetz? Es ist gar kein Grund ein- zusehen, mit ihm bis nach der allgemeinen Revision des Strafgesetz- buches zu warten. Aber nicht nur die Mängel der Gesetze haben wir zu rügen, auch die Mängel der Gesetzesanwendung, wie wir es immer wieder nennen müssen, die Klassenjustiz. Nicht eine bewußt verschiedene Rechtsprechung verstehen wir darunter, aber eine objektiv ungleiche Behandlung der verschiedenen Klassen, hervorgerufen u. a. auch durch das Bestreben der Richter, sich als einen Teil der Staatsautorität zu fühlen. Ich erinnere auch an die außerordentlich milde Beurteilung von Studenten- e x z c s s e n gegenüber den schweren Urteilen bei gleichen Vergehen von Arbeitern. Bezeichnend sind in dieser Richtung auch die außerordentlich milden Strafen für llebertretnngen von Arbeiterschntzgesetzen. So erhielt ein Arbeitgeber für Nichtein- Haltung einer Bestimmmrg des Kinderschutzgesetzes felbst im Wieder­holungsfalle nur die Mindeststrafe von!Z M.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch der Ausgang der Ares  - lauer Sittlichkeitsaffäre ist charal.eristisch. Nicht die mißbrauchten Kinder wurden vom Vorsitzenden des Ge- richts, Mundrh, als die Opfer bezeichnet, sondern die er- wachsenen Männer(Hört! hört!); bei der Begründung der sehr niedrigen Strafen sagte derselbe Herr, das Gericht müsse einen Unterschied machen, ob es sich um bescholtene oder unbescholtene Mädchen handelt, obwohl im Gesetz nichts davon steht(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten), denn der Gesetzgeber habe diesen Fall nicht vorgesehen. In einem Falle, in dem Berufung eingelegt war, mußte das OberlandeSgericht Herrn Mundry attestieren, daß seine Begründung die Grenzen der Objek- tivität überschreite. Durch krasse Urteile bei sogenannten Streikvergehen zeichnet sich auch die Erfurter   Strafkammer aus. Ein Arbeiter, der mit Bezug auf einen Streikbrecher gesagt hatte:Laßt ihn gehen, er mutz wissen, was er tut," wurde wegen Beleidigung mit drei Monaten Gefängnis bestraft.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) In Breslau   wurde ein Arbeiter wegen.eines beleidigenden Blicks" gegen einen Schutz- mann zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt.(Hön! hört! bei den Sozialdemokraten� Auch S ü d d e u t s ch l a n d ist von dieser Art Rechtsprechung nicht frei. Auffallend dabei ist auch die geringe Achtung der Gerichte vor der persönlichen Freiheit, indem ganz leichtfertig ungerechtfertigte Untersuchungshaft verhängt wird.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Richter fühlen sich eben nicht als Hüter des Rechts, sondern als Hüter der Staatsräson. Hat doch der Abg. Röchling   im preußischen Abgeordneten hause, auch ein Richter, dem Reichskanzler zum Vorwurf gemacht, er habe im Zaberner Fall zu sehr die abwägende Gerechtig- keit und zu wenig die Staatsräson im Auge gehabt. Gnade Gott dem.Streiksünder", der vor einem Richter mit solchen An schauungen steht. Der Abg. Haas gab im vorigen Jahre zu, daß ganz unobjektive, unerfreuliche Urteile gefällt werden. doch seien daS Ausnahmen. Nur zeigen sick diese Aus- nahmen in ganz Deutschland   gegenüber.Streiksündern", also gerade in solchen Zeiten, in denen volle Objektivität des Richters erst reckt Pflicht wäre. Nicht mir in Straffachen zeigt sich die Unobjektivität des Richters. In Berlin   wurde ein Werkmeister, dem der Wochenlohn nicht ausgezahlt wurde und der deshalb die Arbeit niedergelegt hatte, mit der Klage auf den Lohn für die sechs wöchentliche Kündigungsfrist abgewiesen, das Urteil sagt, der Kläger   darf sich nicht auf den starren Rechts st andpunkt stellen(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten), er war moralisch verpflichtet, das Geschäftsinteresse wahrzunehmen. Wo das Gesetz bleibt, sagt dieser Richter nicht, auch die Sittengesetze.jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert",wer dem Arbeiter seinen Lohn nicht zahlt, ist ein Bluthund", scheinen ihm unbekannt. Ebenso kümmert er sich nicht um das Handelsgesetzbuch und die Gewerbeordnung, die ausdrücklich sagen, wem der Lohn nicht bezahlt wird, der kann gehen. Ein besonderes Kapitel bildet die Polizei im Strafprozeß. ES zeigen sich da bedenkliche K o r r u p t i o n s e r f ch e i n u n g e n. In Köln   wurden Bestechungsgelder an Polizeibeamte als wahr er wiesen. Unter den Augen der Polizei verstößt man gegen den Kuppelerparagraphen; in Altona   erschien ein Inserat eines Bordellbesitzers, das ausdrücklich auf das große Eni gegenkommen der Polizei hinwies.(Hört! hört! bei den «Sozialdemokraten.) Ich spreche nicht von der Korruption der politischen Polizei und dem Spitzelwesen; in diesem Zusammenhang will ich nur auf den Fall in E s s e n hinweisen, wo ein Polizeibeamter ein bezahltes Subjekt, einen Achtgroschenjungen, angestiftet hat, in das Lokal des Steigerverbandes einzubrechen, dort die M i tg Ii e d e r- l i st e zu stehlen, die er dann der Unternehmerorganffatjon aus- bändigte. Ein aus demselben Gebiete liegender Fall wird aus Bochum   berichtet. In Berlin   mußte ein Schutzmann verurteilt werden, weil er, um besonderen Ruhm als Einbruchsentdecker zu erlangen, einen Einbruch bei sich bestellt hatte und dabei einen Menschen niedergeschoffen hatte. Aehnliche Fälle häufen sich. Eine stärkere Beaufsichtigung, eine Resormierung der Polizei ist dringend notwendig, sie ist eine der wichtigsten Aufgaben der Rechts- pflege und der Justizverwaltung; der Justizminister sollte sich hier- über mit dem preußischen Minister des Innern in Verbindung setzen, und Herr v. I a g o w sollte über seine juristischen Studien nicht die Pflichten seines Amtes vergessen und sich erst dann als Herkules feiern lasten, wenn er den Augiasstall der Polizei gründlich gereinigt hat.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Einen unerhörten Fall politischen Mißbrauchs der Für s o r g e e r z i e h u n g hat neulich mein Freund Rühle erzählt. In Westfalen   wurde über einen jungen Mann die Fürsorgeerziehung verhängt, weil erschon viel von der Sozialdemokratie spreche". (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Als weit mehr als die Richter, dünken sich bei uns noch die Lerwaltungsbeamren, und welche Geringschätzung unsere Rickter unter Umständen in diesen Kreisen genießen, die politisch an der Spitze des Staates stehen, be- weisen die Aeußerungen derPost" und derKreuz-Zeitung  " über die Vorgänge in Zaber«.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kralen.) Die Gründung der Richterorganisation wird hoffentlich den Richtern ein besseres Verständnis für gewerkschaftliche Vorgänge und Ideen beibringen. Die Richter sollten Seite an Seite mit den Anwälten für die Hebung des Ansehens der Justiz kämpfen. Was ihnen vorgeworfen wird, ist ihre geringe Widerstandsfähigkeit gegen- über politischen und sozialen Einflüssen. Zu den stolzesten Traditionen der europäischen   Gerechtigkeitspflege gehört das Wort: üat. justiüa et pereat mundus(Gerechtigkeit muß geübt weiden und wenn dabei die Welt zu Grunde geht). Nach unserer Anschauung muß die Justiz auf die breiteste Mitwirkung aller BolkSkreise gestellt werden, die Richter müssen vom Volke frei gewählt werden. Wir sind der Meinung in Umkehrung des zitierten Wortes: pereat mundus, fiat justitia: erst muß die jetzige Gesellichasts- ordnung zu Grunde gehen, und durch eine neue ersetzt werhen, ehe wirkliche Gerechtigkeit geübt werden kann.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Präsident Kaempf ruft den Redner nackträglich wegen einer Aeußerung zur Ordnung, in der von der Möglichkeit eines W a h l schwind e ls der Regierung mit den bürgerlichen Parteien die Rede war. Abg. Dr. Belzer(Z.): Wenn wir alle mit der Ausführlichkeit de? Vorredners sprechen wollten, würden wir bis Ostern mit dem Justizetat nicht fertig. Von den Z a b e r n- Prozessen können wir nur sagen: o rühret, rühret nicht daran. Auf der Streichung des neuen Reichsanwalts werden wir bestehen. Der vorliegende Luft- schiffahrtrechtsentwurf bedarf noch wesentlicher Abänderungen. Leider scheint eine internationale Regelung noch nicht möglich. Darüber, ob ein Entwurf betr. den Zwangsvergleich außerhalb des Konkurses zu erwarten ist, wird der Staatssekretär jedenfalls Auskunft geben. Der nationalliberale Airtrag auf Verbesserung einzelner Teile des Reichsrechts geht uns zu weit, er würde die Reform unseres gesamten Strafrechts und Strafprozeßrechts nur noch mehr hinausschiebe». Dringend notwendig ist allerdings die Beschleunigung unserer Zivilprozeffe. Wie steht es mit der Frage der Neuregelung der An- gc st eilten der Rechtsanwälte und mit der Aeliderung der Gebührenordnung der Rechtsanwälte? Vielleicht ließe sich eine Zentralstelle für ein Generalschuldenregister errichten, wo die Interessenten Auskunft erhielten, wer den Offen- barungseid geleistet hat. DieDeutsche Richterzeitung", das Organ des Deutschen Richterbundes  , hat einen unqualifizicr- baren Angriff auf unseren Kollegen Spahn gebracht, weil er airgeblich die Unparteilichkerr des Kolmarer Ober« landesgerichts angezweifelt hat. Der Deutsche   Richterbmrd sollte solche Entgleisungen seines Organs nicht dulden. Ein Krebsschaden ist die S e n s a t t o n S p r e s s e, die private Angelegenheiten in die Oeffentlichkeit zieht und SensationSartikel mit geschlechtlichem Einschlag bringt. Ich freue mich, daß der. Vorwärts" gegen diese ekelhafte, sensationslüsterne Presse Front gemacht hat, und daß bei den Angriffen auf den General- inteiidanten Grafen Haeseler das Gericht einmal ein Exempel statuiert hat. Sehr bedauerlich ist, daß der Prozeß der Hedwig Müller von der Presse sensationell aufgebauscht wurde. Das Versahren des Staatsanivalts, der besondere Rücksicht auf die junge, hübsche Angeklagte genommen hat, ist ja erfreulicherweise vom preußischen Justizminister gerügt worden. Aber der Schade, den der Prozeß angerichtet hat, kann da« mit nicht gut gemacht werden. Im Volke zieht man Vergleiche zwischen der Behandlung der jungen hübschen Dirne und etwa der einer alten häßlichen, ivegen Forstfrevels angeklagten Frau. In bezug auf die Bekämpfung der Schundliteratur erwarten wir möglichst bald eine Novelle. Mit dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen schmutzige Postkarten sind meine Freunde einverstanden; dicS Borgehen richtet sich nicht gegen die Kunst, sondern gegen den Mißbrauch der Kunst. Das Volk ist mit diesem Vorgehen auch ganz einverstanden. Aber nicht einverstanden ist daS Volk mit dem Ausquetsche» der Zeugen vor Gericht, namentlich auch mit den Fragen nach den Vorstrafe», die oft große? Unglück über die Jeugen bringen. Ein besonderes Kapitel bildet die Behandlung der Geisteskranken überhaupt und vor Gericht. Die Forderung einer Reform des Jrrenrechts ist dringend. Mit einem großen Teil meiner Freunde halte ich eine einheitliche, rcichsgesetzliche Regelung dieser Materie für wünschenswerter als eine laiidesgesetzlicke Regelung. Das Volk versteht es nicht, daß bei jedem großen reichen B e r- b r e ch e r der Einwand erhoben wird, er war bei Begehung der Tat geisteskrank und oft genug wird er freigesprochen. Der kleine Mann hat nicht'daS Geld, sich in einer Anstalt auf seinen Geistes- zustand untersuchen zu lassen. Zu oft werden auch mildernde Ilm  - stände wegen des sogenannten Dämmerzustandes bewilligt, wie es bei Hedwig Müller geschah. Sehr merkwürdig sind oft auch die Gutachten bei Eni« mündigungsversahren, wo Gutachten gegen Gutachten steht. In solch zweisclhaften Fällen sollte es stets heißen: In dubio pro reo(im Zweitelsfall für den Angellagten). Im Falle Versen erkannte das Amtsgericht Eberswalde   auf Entmündigung auf Grund eines Gutachtens des Leiters einer Jrrenaiistalt, der auch die Geistes- krankbeit aus dem Umstände schloß, daß Herr v. Versen gegen seine Zurückhaltung in der Irrenanstalt protestierte.(Heiterkeit und Hört! hört!) Glücklicherweise hat das Landgericht Prenzlau   die so begründete Entmündigung aufgehoben. Ueber die Unterbringung in eine Irrenanstalt sollte stets eine Kommission eiitschelden. in der neben Juristen und Psychiatern auch Laien sitzen. Gegen gemeingefährliche Geisteskranke muß die Menschheit allerdings geschützt werden. Allerdings ist die Frage der Feststellung der.gemeingefährlichen Geisteskrankheit" sehr schwierig. Den Lehrer W a g n e r hat vor seiner Tal niemand für geisteskrank gehalten. Ich will die Feststellung der GeisteSgestvrtheit in diesem Falle nicht anzweifeln. Aber Widerspruch muß ich erheben dagegen, daß gleich nach der Tat behauptet worden ist, die Tat könne nur von einem Geisteskranken begangen sein. Das Volk versteht es nicht, daß der Mann, bei dem nie etwas be- merkt worden ist, seit 19 Jahren geisteskrank sein soll. Er ist jetzt als unheilbar geisteskrank in einer Irrenanstalt untergebracht; aber wer bürgt dafür, daß er nicht eines Tages als geheilt entlassen wird. In dem Prozeß Änittel, in diesem im Lande de» Hakatismus geborenen Prozeß, hat der Vorsitzende durch sein Ver- halten weit Schlimmeres sich zuschulden kommen lassen als der An- geklagte.(Sehr richtig! im Zentrum.) Solche Vorkommnisse können das Vertrauen zur Rechtsprechung nicht erhöhen, das unter allen Umständen erhalten werden muß.(Beifall im Zentrum.) Abg. Schiffer(natl.): Den von den Sozialdemokraten erhobenen Vorwurf der Klassenjustiz nehmen wir nicht leicht. Glücklicherweise teilt die Masse diese Anschauung vpn der Parteilichkeit der Richter nicht, sondern sie treten vor den Richter mit Vertrauen.(Zustimmung bei den Nationalliberalen.) Ein großer Teil dieser Vorwürfe trifft übrigen? gar nicht die Richter, sondern die Gesetze, nach denen sie urteilen müffen. Ich er- innere an die Nichtvereidigung des einen Kruppdirektors, weil er angeblich der Teilnahme an der Straftat verdächtig war, obgleich seine Glaubwürdigkeit gar nicht bezweifeil wurde. Das ist eine Barbarei, zu der der Richter durch das Gesetz gezwungen ist, das kann man, ganz abgesehen von der Person, um die cs sich handelt, anerkennen, denn es kann jedem von uns passieren. Wir müffen eben die Gesetze in Einklang bringen mit der modenren Zeit. Und da die Strafgesetz- resp. Strafprozeßrcform erst nach vielen Jahren zu erwarten ist. sind wir zu einer Novellengesetzgebmrg ge- zwungen. Der Weg, den wir mit der kleinen Strafgesetznovelle begonnen haben, dieser geräuschlose schnelle Weg, der sonst im Reichstag   so selten üblich ist. soll unser Vorbild sein. Eine Einigung über die wich- tigsten Punkte wird leicht möglich sein. Wir sehen heute, daß der Wahrheitsbeweis meist erhoben wird, wo es nicht notwendig ist und nicht erhoben wird, wo eS notwendig wäre. Wir sehen eine Ueberwucherung der Privatklageverfahren, wie sie unseres Volkes unwürdig ist. Unhaltbar ist auch der Zustand, daß obgleich der Wahrheitsbeweis vollständig erbracht wird, wegen reiner formaler Beleidigung verurteilt wird.(Sehr richtig! links.) Wichtig ist ferner der Schutz des Gläubigers gegen böswillige Schuldner. Vollständig spruckreissind die Fragen derEinschränkung der Eidesleistung, die Beschleunigung des Verfahrens im Zivilprozeß und Strafprozeß, die Zulassung der Volksschullehrer als Schöffen und Geschworene. Weiter wün)chen wir Beschleunigung und Vereinheitlichung der Rechtspflege. Die Zahl der Instanzen muß nach unten beschränkt werden, das heißt, es muß häufiger gleich die oberste Instanz an- gerufen werden. Hier sollte man einen raschen energischen Schritt tun, wie er in England und Amerika   bereits getan ist.