Kündigung. Mit einer Kündigung muß gerechnet werden. Tritt sie ein, so sind ernste Verlegenheiten i,u befürchten! zum mindesten ist eine erhebliche Steigerung der Miete zu erwarten." Wir wissen nicht, wie groß die Familie des Frankfurter Generals ist. Darauf Rücksicht zu nehmen, ist auch gar nicht nötig. Denn bis zum Jahre 1917 wird er vermutlich längst einen Nachfolger erhalten haben. Schließlich kann den Steuer- zahlern doch nichts zugemutet werden, auch noch dafür zu sorgen, daß die Söhne und Töchter der Generale möglichst angenehm wohnen möchten. Geradezu grotesk ist jedenfalls die Behauptung, daß in der schönen, reichen Stadt Frank- furt a. M. keine einzige Wohnung zu finden sein soll, die würdig und geeignet ist, einem Preußischen General Unter- kunst zu bieten. In einer Zeit, in der das Reich keine Mittel für die Arbeitslosen hat, Ivo Tausende heute nicht wissen, wo sie morgen das Brot für ihre Kinder hernehmen sollen, wäre es geradezu eine Gewissenlosigkeit, solche Ansprüche des Militarismus zu erfüllen, /irbeitgeberterrorismus. Tie„Neue deutsche Töpfer-Zeitung" vom 10. Februar enthält mehrere Bekanntmachungen des Vorstandes. In der einen werden die Mitglieder darauf hingewiesen, daß die Abnahme bestellter Waren aus den Fabriken, die aus dem„Verband deutscher Kachel- ofcn-Fabrikanten" ausgeschieden sind, mit Geldstrafen bis zu 1000 Mark geahndet werde. Eine andere Mitteilung lautet: Verband der Arbeitgeber des Töpfer- und TfensehgewcrbeS Deutschlands. Wir weisen unsere Mitglieder ernstlich auf die Bestimmungen des Gegenseitigkeitsvertrages hin. Die Verstöße gegen diesen Vertrag seitens unserer Mitglieder mehren sich dermaßen, daß mit besonderer Schärfe auf die Einhaltung zu achten ist und UebertrewngSfällc sofort zur Anzeige gebracht werden müssen. Unsere Mitglieder dürfen nach dem Vertrage-insbesondere: Kachelwarcn nur von Mitgliedern des Fabrikantenver- bandes oder von solchen Händlern, die unserem Verbände angehören, kaufen! Kachelwaren nur an unsere Mitglieder abgeben! Nur zu Verbandspreisen kaufen und abgeben! Nur gestempelte Kachelwarcn verarbeiten! Jede Uebertretung der Vertragsbe st immun- gen wird rechtsgültig mit hohen Strafen(bis zu 1000 M. eventuell noch höher) geahndet! Wenn Fabrikanten und Händler aus dem Verbände mit Jahresschluß ausgeschieden sind, braucht und darf vorher gekaufte Ware von diesen nicht mehr abgenommen werden l Geschieht dies dennoch, so wird dies als Uebertretung bestraft. Berlin , den 24. Januar 1014. Ter Vorstand Raumerstr. 13. H. Thiele, Vorfitzender. Es wird also das Nicht brechen eines Vertrages mit Geld- strafen bedroht. In ganz ähnlicher Weise geht eine Reih« anderer Arbeitgeberorganisationen vor. Und dennoch wird wegen solchen Terrorismus, der alle Tatbcstandsmerkmale der Erpressung ent- halt, nicht vorgegangen. Wird die Denkschrift der Regierung solche TecroriSmuSakte aus industriellen und landwirtschaftlichen Arbeit- geberkreisen enthalten? politische Uebersicht. Und noch einmal Klassenjustiz. Aus dem Reichstag , den 17. Februar: Zu Beginn der heutigen Sitzung wurde eine kleine Anfrage des Genossen D e i ch m a n n, die sich auf Fachausschüsse für die Tabak- industrie bezog, mit dem üblichen bureaukratischen Hinweis ans die noch nicht'geschlossenen Vorarbeiten„erledigt". Dann kamen die zurückgestellten Abstimmungen zum Etat des Reichs- amts des Innern an die Reihe. Zweimal mußte- zum nicht geringen Gaudium der Abgeordneten dabei von der segens - reichen Einrichtung des„Hammelsprungs" Gebrauch gemacht werden. Gegen die Stimmen der Sozialdenwkraten und einiger Zentrumsleute wurden die von der Budgetkommission gestrichenen 19 999 Mark zur Unterstützung der olympi- i'chen Spiele bewilligt. Sänitliche sozialdemokratischen _________ Ms Sebels Leben. il. Während das Schiff der Sozialdemokratie im Sturm des Aus- nahmegesetzes aus de» entfesselten Wogen umhergeschleudert wurde, entschied sich Bebel scharfen Blicks für jene Taktik, nach der noch heute die Partei ihre Schlachten schlägt: für eine praktische Politik, die aus dem Tag für den Tag herauszuschlagen sucht, was eben herauszuschlagen gelH, aber nie das Endziel aus dem Arge läßt und keinen Fuß breit vom Boden der Prinzipien abweicht. Dieser Taktik freie Bahn zu schaffen, galt es Widerstände von zwei Seiten zu überwinden. Links standen Leute wie Most und Hasselmann, die alles Augenmaß verloren hatten, die an jedem Morgen doppelt so rabiat aufstanden, als sie sich am Abend zuvor nieder- gelegt hatten und die statt des Parlamentarismus den Dolch und die Bombe der Propaganda der Tat empfahlen. Rechts dagegen hatte Bebel es mit ängstlicheren Naturen zu tun, die für das Tcmporisieren waren und von der Gründung eines Parteiblattes im Ausland ein verschärftes Vorgehen der Behörden gegen die Sozialdemokratie befürchteten und ihre Hoffnung auf schnelle Auf- Hebung des Gesetzes zu Wasser werden sahen. Endlich herrschte über wichtige Dinge eine bedenkliche Unklarheit in der Fraktion und Partei. So war, als es sich um die»stellung�zu Bismarcks Schutzzollgesetzgebung drehte, A u e r wütender Schutzzöllner, G cid und Blas ebenso wütende Freihändler, während Höchberg für unbedingten Freihandel, Bernstein für bedingten Schutzzoll ein- traten und K a h s e r sogar im Reichstag eine sehr unglückliche Rede für den Eisenzoll gehalten hatte. Einmal um ein Organ des Zusammenhalts in der Partei zu schassen, dann, um den Treibereien der von M o st in London herausgegebenen„Freiheit" entgegenzuwirken, und zum dritten, um für prinzipielle Aufklärung zu sorgen, wurde die Gründung eines offiziellen Parteiorgans in Zürich beschlossen: Das war der „Sozialdemokrat". Ueber die Redaktionsfühcung des neuen Blattes, über die Spaltung der Fraktion in der Schutzzollfrage wie über den Rechenschaftsbericht der Fraktion entspann sich bald ein Zwiespalt niit Friedrich Engels , mit dem Bebel in ständigem Brief- Wechsel stand. Engels befürchtete, daß Flaumacher wie Schramm und Höchberg auf das Züricher Blatt zu weit- reichenden und verhängnisvollen Einfluß ausübten, war ungehalten, daß die Fraktion, da fic nun einmal gespalten war. die Schutzzoll- frage nicht für eine reine Bourgeoisfrage erklärt und sich nicht der Abstimmung enthalten hatte und tadelte, daß der sonst gute Rechen- schaftsbericht der Fraktion vor der öffentlichen Meinung,„die in Deutschland stets die des Bierphilisters sein wird", den Hut ab- nehme und so den Klassencharakter der Bewegung verwische. Aus den abgedruckten Briefen von Bebel und Engels, die zu an- ziehendsten Teilen des dritten Bandes gehören, läßt sich in inter - ejsanter Weise das Verhältnis zwischen dem großen Taktiker und Resolutionen dagegen, die eine Erweiterung der sozialpoli- tischen Gesetzgebung ins Auge faßten, wurden von der„ar- beiterfrcundlichen" Mehrheit des Hauses abgelehnt. Bei der Fortsetzung der Beratung des Reichsjustizamts schwieg sich der Staatssekretär Dr. L i s c o auch heute aus, indem er in seiner hilflosen Art einiges und doch nichts sagte, es klüglich vermied, auf die vom Genossen Dr. Cohn er- hobenen Vorwürfe einzugehen und flehentlich um die Bewilli- gung des im vorigen Jahre abgelehnten Reichsanwalts bat. Dann kam der wackere Freisinnsmann Dr. Ablaß, der ein paar an sich gute Gedanken niit sejnem Fortschrittspathos übergoß, und es hat gerade keine überzeugende Beweiskraft, wenn dieser brave Spießer den Ruf„nach Freiheit der Kunst lind nach wahrer Durchbildung des Menschen zu höherer Sitt- tichkeit" erhebt. Der Konservative H o l t s ch k e. dem natür- lich der Vorwurf der Klassenjustiz in der eingeschränktesten Form unberechtigt erscheint, wirkte wie ein langweiliges Echo des langweiligen Dr. L i s c o, und der burschikose freikonser- vative Anwalt M e r t i n plädierte gegen die freie Advokatur und führte bewegliche Klage, daß der Staatsanwalt seinem Fraktionsfrennde— doch Halt! eine freikonservative Fraktion gibt es ja nicht—, also seinem Parteifreunde v. Liebert bei seiner Fehde gegen das„Berliner Tageblatt" nicht hilfreich beigesprungen sei. Wir sind durchaus keine Freunde jener Art parlamenta- rischer Berichterstattung, die allemal mit den; Auftreten des Redners der eigenen Partei die Debatte ihren Höhepunkt er- klimmen läßt. Aber wenn man feststellt, daß die Rede des Genossen Dr. Landsberg den Höhepunkt der heutigen Debatte darstellte, so ist das eben nur eine Feststellung und keine Uebertreibung. In einer klugen und überlegenen Art, dabeiJcharf in der Sache, maßvoll in der Form, sagte er, was zur Freiheit der Advokatur, zu dxn nationalliberalen Straf- rechts„verbesscrimgs'anträgen und zu dem unerschöpflichen Thema Klassenjustiz zu sagen war. Während seiner ganzen Rede hatte er das Ohr des Hauses, und als er mit geradezu niederwuchtenden Beweisen für das Walten einer Klassen- justiz aufwartete, wagte ihn auch nicht ein Zwischenruf der Herren von der Rechten zu stören. Desto flauer wurde die Stimmung— alles rennet, rettet, flüchtet—, als Herr Bell, ein unbedeutender Wichtigtuer des Zentrums, seine ollen Kamellen auszupacken begann und auch den Drang in sich fühlte, sich an der Sozialdemokratie zu reiben. Zum Schluß gab es ein paar persönliche Be- merkungen. Zwischendurch hatte, damit wir der Pflicht des Chronisten vollauf genügen, irgendein Antisemit irgendwann irgendwas gequasselt. Morgen: Fortsetzung der Beratung des Justizetats. Für die Sozialdemokratie wird Genosse Heine sprechen. Der Wahlkampf in Borna -Pega». Mit begreiflicher Spannung sieht man allenthalben dem Ausfall der auf den 17. März angesetzten Nachwahl im 14. sächsischen Wahl- kreise. Borna -Pcgau, entgegen. Der Wahlkampf ist bereits in größter Heftigkeit entbrannt, hat aber seinen Höhepunkt noch nicht erreicht. Ter Reichsverbandsgeneral v. Liebert zieht von Dorf zu Dorf und mimt in seinen Reden den gemäßigten Politiker. Die Aiipöbeluiig der Sozialdemokratie überläßt er seinen Trabanten, die sich rudelweise in dem Wahlkreise umhertreiben. Diese teil- weise sehr katilinarischen Existenzen bezeichnen sich mit Vorliebe als«Redakteure aus Berlin ". Der Reichsverband scheint sonach seine Helfershelfer zu„Redakteuren" zu ernennen. An Flegelei lassen es die meisten dieser„treu-deutschen Mitbürger" nicht fehlen. In Borna trieb es einer dieser Herren so arg, daß die Versammlung fast einstimmig beschloß, ihn nicht mehr weiter anhören zu wollen. Am wütendsten aber sind die Reichsverbändler auf die Nationalliberalen, weil diese einen eigenen Kandidaten aufgestellt haben, anstatt dem Herrn v. Liebert Schleppenträgerdienste zu leisten. Wie weit dieser Haß der Reichsverbändler geht, ist aus einer Fest- stellung zu entnehmen, die das Organ des nationalliberalen Landes- Verbandes für das Königreich Sachsen, die»Sächsische Umschau", getroffen hat. DaS Blatt teilt nämlich mit, daß konservative Groß- grundbesitzcr und andere Honoratioren bereits erklärt haben: wenn dem großen Theoretiker der Partei ableiten. So tiefe Ehrfurcht Bebel für die Altmeister des wissenschaftlichen Sozialismus hegte, so wenig dachte er daran, sich in allen Fällen ihrer Auffassung der Djnge ohne weiteres' anzupassen, sonLern er prüfte selbst und wo seine Anschauung von der ihrigen abwich, entschied er nach eigenem Ermessen, den»„Ihr", schrieb er nach London ,„könnt Euch eben dort von der Situation hier keine rechte Vorstellung machen, und da legt Ihr eben einen ganz anderen Maßstab an und kritisiert, wie innerhalb Deutschlands keinem zu kritisieren einfällt," und er, der sich in steter Fühlung mit den Massen wußte, murrte toohl gar ge- legentlich über die„Nörgelei" der Londoner . So beruhigte er denn auch in dem besonderen Fall Engels, was den Einfluß von Schramm und Höchberg anging, verteidigte die Stellung der Fraktion in der Schutzzollfrage:„Wir werden, solange wir parla- inentarisch mittun, uns in der reinen Negation nicht halten können, die Masse verlangt, daß auch für das Heute gesorgt werde, unbe- schadet dessen, was morgen kommt," und erklärte zu dem Vorwurf der Rücksichtnahme auf die„öffentliche Meinung", mit der Taktik, sich möglichst vorsichtig zu benehmen, um den Gegnern die Gelegen- heit zu wirksamen Angriffen zu verleiden, vergebe man sich gar nichts, nütze aber sehr viel. Dieser Zwiespalt, bei dem beide Recht hatten, Engels insofern, als er davor warnte, dem Teufel den kleinen Finger zu reichen und Bebel, als er genau wußte, wie weit er zu gehen hatte, wurde auch durch weitere Briese nicht über- brückt, aber als im Dezember 1880 Bebel mit Bernstein seinen „Kanossagang " nach London antrat, als ein Gleicher unter Gleichen aufgenommen von Marx und Engels, da waren die Unstimmigkeiten schnell ausgeglichen und auch an der Haltung des„Sozial- demokrat" unter Bernstein hatten die Londoner fürder nichts mehr auszusetzen. Der Vertrieb des„Sozialdemokrat" ging nun von Zürich aus unter der Leitung des„roten Feldpostmeistsrs" M o t t e l e r munter vonstatten. Von M o t t e I e r, dem er vor sieben Jahren die Trauerrede halten muhte, entwirft Bebel in seinem Buch eine liebevolle Federzeichnung als von einer geborenen Dichter- und Künstlernatur und einem genialisch angelegten Menschen, der die Welt stets anders sah, als die anderen. Daneben hatte sich ein ganzer Gcneralstab tüchtiger Kräfte eingefunden. Richard Fischer, Tau scher, Derossi, Kautsky und Heinrich Schlüter und im„Mohrenklub" fand man sich zuweilen auch mit Peter.Karagcorgewitsch zusammen, der heute auf dem serbischen Königsthrone sitzt. Während sich im Herbst 1880 50 Vertreter der deutschen Partei auf dem Schlosse Wydcn in der Schweiz zu einem Parteitag zu- sammenfanden, auf dem einmal die reinliche Scheidung mit den M o st und Hasselmann vollzogen und zum anderm die von Bebel vertretene Parteitaktit ausdrücklich gebilligt wurde, ging das Schandgesetz seinen Gang weiter. 1880 noch wurde der kleine Belagerungszustand über.Hamburg-Altona verdangt, im folgenden Jahre verlängert? die ReichstagsmehthCit das Gesetz um drei Jahre und der„Kleine" suchte Leipzig hetim Als Antwort auf die Aus- Herr V. Liebert in der Stichwahl ausfalle, nicht den von der Volkse Partei unterstützten nationalliberalen Kandidaten, sondern ent- weder den Sozialdemokraten wählen zu wollen oder Gewehr bei Fuß zu stehen. Das parteiamtliche Blatt erbietet sich, seine Be- hauptung durch Nennung der Namen eventuell zu beweisen. Daß die konservativen Staatsstützcn das gesagt haben, erscheint recht glaubhaft; daß sie aber auch so handeln werden, ist nicht wahr- scheinlich. Immerhin ist es interessant, zu hören, daß Reichs- verbändler den Nationalliberalen die Unterstützung der Sozial- demokratie androhen! Unsere Parteigenossen sind natürlich rastlos tätig. Säle stehen in großer Anzahl zur Verfügung, und man glaubt annehmen zu dürfen, daß wir den Kreis im ersten Ansturm erobern. Keine Neuauflage des Kölner Gewerkschaftsprozeffes. Wie bürgerliche Blätter melden, hat Rechtsanwalt Schreiber im Auftrage der christlichen Gewerkschaften die Berufung, die in dem bekannten Gewerkschaftsprozeß gegen sozialdemokratische Redakteure eingelegt wurde, zurückgezogen. Es ist begreiflich, daß den christlichen Gewerkschaften unter den jetzigen Verhältnissen an einer Neuauflage des Prozesses nichts gelegen ist.__ „Geschäftsführer der staatserhaltenden Parteien". In der hessischen Zweiten Kammer bezeichnete sich seinerzeit der Minister des Innern v. Homberg ! als den„Geschäftsführer der bürgerlichen Parteien". Diesem Beruf gerecht zu werden, bemüht sich nicht nur der Herr Minister selbst, sondern auch seine nach- geordneten Dienststellen. Einen Beweis dafür bietet die Mainzer Stadwerordnetenwahl. In Mainz siegte au, 4. Dezember bei der Stadtverovdnetenwahl die Liste der sozialdemokratischen Partei. Die unterlegene ultramontan-nationalliberale Koalition focht die Wahl an. Der Kreisausschuß wies am 30. Januar den Einspruch zurück und erklärte die Wahl für gültig. Die Abgewiesenen legten Berufung beim Provinzialausschuß ein und auch der Vor- sitzende des Kreisausschusses schloß sich der Berufung gegen sein eigenes Urteil an. Diese Berufung hat zunächst die Wirkung, daß die aus der Stadt- verordnetenversammlung hinauSgetvählten schwarzblauen Stadtverordneten noch einige Monate über ihre gesetzliche Zeit amtieren. Ferner aber werden infolge der Wahlanfechtung des Kreisrats auch ein Teil der nicht unerheblichen Gerichtskosten der Wahl- anfechtung auf den Staat übernommen werden.— So sorgt der Staat für die Wahlkasse der„staatSerhaltenden Parteien" Slus dem elsast-lothringische» Landtag. Im elsaß -lothringischen Landtag stand am DienStag bei der Beratung des Etats als erster Punkt auf der Tagesordnung die Streichung von 25 Proz. des Unterstützungsfonds. Hierbei führte der Zentrumsabgeordnete H a u ß aus, daß vielfach Mißbrauch mit dem Unterstützungssonds getrieben worden sei. So sei ihm bekannt, daß ein Beamter, der 0000 M. Gehalt habe, allein 1300 M. Zu- schuß im Jahre erhalte. Ein anderer Beamter habe das Unter- stützungsgeld für eine Badereise verwenden können, während andererseits Gelder aus dem Unterstützungsfonds dazu benutzt worden seien, um bei Wahlen unbequeme Kandidaten zu be» kämpfen. Die Liberalen und die Lothringer waren für Beibehaltung des alten Fonds, während die sozialdemokratffche und die Zentrums- ffaktion für Streichung der 25 Proz. eintrat, die dem Fonds der ehemaligen Beamten und ihrer Hinterbliebenen zugeschrieben wer- den sollen. Dieser Antrag auf Streichung der 25 Proz. wurde ln der Abstimmung angenommen. Es folgte dann die Beratung des Etats des Stattbalters, wobei der Genosse E m m e l an die Regierung verschiedene Fragen stellte, vor allem die, ob es wahr sei, daß der Reichskanzler im preußischen Abgeordnetenhause erklärt habe, daß der Kaiser, nicht der Statt- Halter, wie die Verfassung es vorschreibe, die Bundesratsstimmen und die elsaß -lothringischen Bundcsratsbevollmächtigten instruiere. Er fragte hierbei die Regierung, waS der Statthalter getan habe, um diese dem verfassüngsrechtlichen Verhalten entgegenstehende Er- klärung des Reichskanzlers zu korrigieren. Der neue Staatssekretär v. Roedern erwiderte sofort dem Abg. E m m e l und erklärte, daß der Statthalter die Vertreter im Bundesrat instruiere. Die betreffende Rede des Reichskanzlers im preußischen Abgeordnetenhause liege ihm nicht vor. Eine Uebersicht über die Instruktion der Bevollmächtigten für den Bundesrat, die vom Statthalter vorgenommen werde, sei praktisch nicht möglich und könne deshalb dem Hause auch nicht unterbreitet werden. Weisung Bebels aus seinem Wohnort entsandten ihn die östlich von Leipzig im Belayerungsgebiet wohnenden Arbeiter in den sächsischen Landtag, wo er bald den so kleinlichen wie tückischen Machthabern vom Schlage eines N o st i z- W a l l w i tz die Hölle ordentlich heiß machte. Bei der RcichstagSwahl des gleichen Jahres unterlag er dagegen in Dresden und auch im 4. Berliner Kreise, Weil er sich die Stichwablhilfe der Siöckerianer nicht durch Zuge- ständnisse an ihr„christlichsoziales Reformprogramm" erkaufen wollte.—„Lieber 3000 ehrlich gewonnene als 30 000 erkaufte Stimmen?" Die Dresdener Wahl aber trug ihm nicht nur eine Anklage wegen angeblicher Beleidigung des Bundesrats zu, die ihm nachher zwei Monate Gefängnis einbrachte, sondern gab den sächsi- scheu Polizeibütteln auch Gelegenheit zu einem niederträchtigen Streich. Als Bebel sich nämlich während des Verfahrens auf eine Geschäftsreise begeben mußte, teilte er dem Gericht diese Abficht samt der Bemerkung mit, in der Pfingstwoche werde er bestimmt in Dresden sein. Als er nun am Pfingstmontag mit seiner Tochter auf der Brühlschen Terrasse lustwandelte, wurde er verhaftet und zwar auf Antrag der Straffammer mit Berufung darauf, daß„der Angeklagte seiner eigenen Angabe nach einen festen Wohnsitz im Lande nicht habe." In Wirklichkeit kam es den sauberen Dienern der sächsischen Gerechtigkeit nur darauf an, dem verhaßten Gegner und seiner Familie das Psingstfest zu verderben, denn am Dienstag wurde der Inhaftierte prompt entlassen. DaS Jahr 1882 brachte wieder eine Reihe von Unstimmigkeiten, in deren Entwirrung Bebel kräftig eingriff. Bei der sogenannten Begründung der Verlängerung des Ausnahmegesetzes hatte die Re- gieruna sich auch auf Zitate aus dem„Sozialdemokrat" gestützt und die Redner der Fraktion, der Bebel jetzt nicht mehr angehörte, hatten das Züricher Blatt abgeschüttelt. Der„Sozialdemokrat" wehrte sich gegen dieses Borgehen und es gab böses Blut hüben und drüben, �.azu hatte V o l l in a r im„Sozialdemokrat" Artikel ver- öffentlicht, in denen er die Partei aufforderte, sich offen als Feind des bürgerlichen Eigentum?, der bürgerlichen Ehe, der christlichen Religion und der ganzen bestehenden Ordnung zu erklären. Die einen billigten, die anderen tadelten diese Artikel. Bebel, so sehr er ihre prinzipielle Korrektheit anerkannte, bekämpfte sie doch, weil er sie für taktisch falsch hielt. All diese Meinungsverschiedenheiten lieferten reichlich Stoff für eine Konserenz, die vom 10. bis 21. August 1882 in Zürich tagte und die durch rückhaltlos« Aussprache wie ein reinigendes Gewitter wirkte. Dann kamen wieder„Ruhe- tage" für Bebel, im Leipziger Gefängnis nämlich, das er Anfang November 1882 aufsuchte, und mit der Beschreibung dieser„Ruhe- tage" bricht auch das Buch ab: der große Ruhetag war gekommen und hinderte ihn an der Fortsetzung. Daß diese rastlose Hand die Feder nicht weiter führen konnte. rückt uns den Verlust unseres großen Führers heute noch einmal besonders schmerzlich nahe, aber zugleich erfüllt es uns mit Tank- barkeit, daß sie wenigstens über die Hälfte den Entwicklungsgang eine« reichen und seltenen Lebens niederzeichneu durfte, das in jedem seiner Abschnitte so groß wie rein war und so rein wie groß.
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