!raf ein: fast jede zweite Nummer der neuen Tageszeitung wurdekonfisziert und mit Strafen belegt, bis sie schließlich bei derl3. Nummer ganz verboten wurde. Der Verantwortliche erhieltfür die 13 Nunimern im ganzen 10 Monat Gefängnis auf dem Ver-waltungswege zudiktiert; außerdem wird er sich noch vor Gerichtzu verantworten haben. An Stelle der verbotenen wurde eine neueTageszeitung—„D f i h w e s A t b a l ß"— ausgegeben, die nichtiveniger verfolgt wird. Es erscheinen augenblicklich in Riga dreilettische Arbeiterblätter:„Dsihwes Atbaltz", das Gewerkschaftsorgan„Arodneeks" und das Konsumgenossenschaftsblatt„Patehretajs".In kurzer Zeit wird auch eine theoretische Monatsschrift erscheinen,die man bisher schmerzlich vermißte. So schreitet auch hier, trotzaller Gewalttaten der zarischen Regierung, die Arbeiterpresse un-erschrocken vorwärts.polizeiliches, Gerichtliches usw.Das durchleuchtende Rot.Die Strafkamnier in B o ch u m hatte unlängst zwei Genossenaus Stockum freigesprochen, weil die rote Schleife des von ihnenanläßlich einer Beerdigung getragenen Kranzes mit einem schwarzenSchleier umhüllt war. Auf die Berufung des Staatsanwalts hobdas Oberlandesgericht Hamm das Urteil auf und wies die Sachean die Strafkammer zurück. Es sei zu prüfen, ob die Schleife durchden schwarzen Schleier durchgeleuchtet habe. Die Strafkammertrat in die Prüfung der Frage ein. Ein Gerichtsdiener mußte denKranz in einer Ecke des Saales hochhalten,— dabei stellte sichheraus, daß das Rot durchleuchtete. Die Straflammer kamnunmehr zur Verurteilung zu 1ö M. Geldstrafe und hält damit diePolizeistrafe aufrecht._Illgenöbewegung.Früchte„nationaler" Jugenderziehung.Die Jugendabteilung eines katholischen JünglingsvereinS derPfarrei Buer in Westfalen hatte an einem der letzten Sonntageunter Führung des hochwürdigen Kaplans einen Ausflug unter-nommen. Auf dem Heimwege sangen sie das schöne Lied:Hinaus in die FerneMit Butterbrol und Speck,Das mag ich so gerne,Das nimmt mir keiner weg.Und wer das tut,Den hau ich vor die Schnut,Den hau ich vor die NaseBis daß sie blut'.Als ein Gewerkschaftsbeamter einigen von den Jungen seinMißfallen über das Lied zum Ausdruck brachte, riefen sie im Chor:Hau ihm doch vor die Fresse I Der hat uns doch nichts zu sagen!In der Fortbildungsschule in Osterfeld, wo die katholischeGeistlichkeit es fertiggebracht hat. daß allwöchentlich zwei ReligionS-stunden erteilt werden, gab der katholische Kaplan den Schülernfolgende Ermahnung:»Wenn ihr mal größer seid und fitzt im Wirtshause und einein roter Sozi sitzt dort zu räsonieren, dann haut den Kerl indie Fresse."In Gladbeck erhielt ein Schulknabe von seinem Lehrerfolgenden Spruch ins Album geschrieben:Wer Gott vertraut, fest um sich haut,Wird nimmermehr zuschanden.Lasset eure Herzen zu GottUnd eure Fäuste auf den Feind schlagen.Zur ErinnerungLehrer W. D.So sieht die Kulturarbeit der nationalen und konfessionellenJugendpflege au»._Jus Industrie und Handel.Höhere Dividende bei steigender Arbeitslosigkeit.Während die Arbeiter infolge des Konjunkturrückganges unterFeierschichten und Arbeitslosigkeit leiden, fallen den Kapitalisten diefetten Dividenden des vorgehenden Jahres der Hochkonjunktur zu.So zahlt dt« Gelsenkirchener Bergwerksaktien-gefellschaft für 1S13 an Dividende 11 Proz. gegen 10 Proz.im Vorjahre. Der Rohgewinn ist von 58 auf 6ö,6 Millionen Markgestiegen. Trotz der Dividendenerhöhung können noch IV, MillionenMark mehr als 1012 zu Abschreibungen sinSgesamt 23,3 Millionen)verwandt werden. Für den Beamten« und ArbeiterunterstützungS-fondS hat die Gesellschaft ganze— 450 000 Mark übrig lJapan in Südafrika.Die Einfuhr japanischer Waren nach Britisch-Südafrika ist heutenoch verhältnismäßig germg. Ihr Gesamtwert beträgt erst wenigüber 2 Millionen Mark und fällt daher noch kaum ins Gewicht.Immerhin zeigen die Einfuhrziffern der letzten 6 Jahre eine be-merkenswerte Steigerung. Sie stiegen von 38 000 Pfd. Sterl. imJahre 1907 auf 109 900 Pfd. Sterl. im Jahre 1012.Diese Zahlen, so gering sie an sich auch sein mögen, zeigendoch ein erstaunlich rasches Anwachsen. Von allenanderen Ländern hat nur Belgien seine Ausfuhr nach Britisch-Südafrika in gleich schnellem Schritte gesteigert. In der Einfuhr-statistik der südafrikanischen Union nimmt Japan heule erst die14. Stelle ein, es wird aber wohl eine ganze Reihe seinerKonkurrenten, denen eS heute schon bedenklich nahe gerückt ist, baldüberholen.Japan hat— ähnlich wie Deutschland— keine eigentlichenHauptartikel, die es in großen Mengen auf den südafrikanischenMarkt wirft. Seine Ausfuhr umfaßt eine große Zahl der ver-schiedensten Waren aus allen Gebieten des Wirtschaftslebens.In einigen Artikeln wie Korbwaren, Glasperlen und Bürsten, indenen Japan besonders zu liefern vermag, scheint seine Ausfuhr sehrentwicklungsfähig zu sein. Hierzu gehören vermutlich auch leichtereBaumwollenwaren. Namentlich in Rhodesien scheinen japanische Er-zeugniffe dieser Branche rasch vorzudringen; japanische Exporteureverkaufen Stoffe für Eingeborene zu einem Preis, zu dem die euro-päische Industrie nicht mehr konkurrenzfähig ist.Ein Ausfuhrhandel von Britisch- Südafrika nach Japan bestehtnoch kaum. In der Statistik des letzten Jahres erscheint er mit nur65 Pfd. Sterl. Wie groß allerdings die über Europa nach Japangehende Ausfuhrmenge ist, läßt sich schwer beurteilen. Immerhinhofft man in neuester Zeit Straußenfedern und Wolle nach Japanabsetzen zu können.Eine direkte Schiffsverbindung besteht zurzeit noch nicht. Warenmüffen in Kalkutta oder Hongkong umgeladen werden, was großenZeitverlust und Beschädigung veranlaßt. Auch stehen die südafrika-nischen Banken in keiner direkten Verbindung mit Japan.Weiterer Rückgang der Eisenproduktion.Nach den Ermittelungen des Vereins Deutscher Eisen- undStahlindustrieller sank die Roheisenerzeugung in Deutschland undLuxemburg im Monat Februar 1914 auf insgesamt 1 445 510 Tonnengegen 1566 500 Tonnen im vorigen Monat und gegen 1493 830Tonnen im gleichen Monat des vorigen Jahres. Auf den Arbeitstagkamen im Berichtsmonat 51 625 Tonnen gegen 50 532 Tonnen imvorigen Monat und gegen 53 353 Tonnen im gleichen Monat desvorigen Jahres. Die Erzeugung in den Monaten bis Februar 1913stellte sich auf 3012016 Tonnen gegen 3 105 222 Tonnen im gleichenZeitabschnitt des vorigen Jahres.Kein« Kanalgebühre«. Me ein Telegramm auS Washingtonmeldet, hat sich die Handelskommisfion des Repräsentantenhausesmit 17 gegen 4 Stimmen für den Gesetzentwurf zur Aufhebungder Befreiung der amerikanischrn Küstenschiffe von den Panama-kanalgebühren ausgesprochen.Die Vorstellungen fremder Staaten, insbesondere Englands,gegen die Bevorzugung der amerikanischen Schiffahrt in der Be-Nutzung des Panamakanals müssen wohl sehr ernst gewesen sein,denn in gemeinsamer Sitzung des Kongresses richtele PräsidentW i ls o n persönlich eine Botschaft an den Kongreß, in der erihn aufforderte, die Ehre der Vereinigten Staaten durch Auf-Hebung der Klausel der Panamakanalbill, welche die amerikanischeKüstenschiffahrt von den Kanalgebühren befreit, aufrecht zu erhalten.Er erklärte, die Besieiung der amerikanischen Schiffe von den Ab-gaben sei eine mißverstandene Wirtschaftspolitik und widersprechedem englisch-amerikanischen Vertrage von 1901, dem Hay-Pauncefote-Vertrage. Obwohl dies seine bisher kürzeste Botschaft sei, so seikeine Mitteilung von schwereren und weitreichenderen Folgenfür die Interessen des Landes. Der Präsident appellierte an dieGerechtigkeit und Weisheit des Kongresses und fügte hinzu: Wirsind eine zu große, mächtige und uns selbst zu sehr achtende Nation,als daß wir mit einer zu gezwungenen und erklügelten Lesartunsere Versprechungen interpretieren könnten. Gerade weil wir genugMacht haben, uns' zu gestalten, sie auszulegen, wie wir wollen.Nachdem der Präsident um die Aufhebung der Klausel auch zurUnterstützung der auswärtigen Politik der Regierung gebetenhatte, schloß er: Ich weiß nicht, wie ich mit anderen Fragen von nochheiklerer Natur und uns näher angehenden Folgen verfahren soll,wenn Sie mir dies nicht gerne gewähren.Soziales.Der feine Ton bei Aschinger.Die Umgangsformen bei Aschinger langjährigen Angestelltengegenüber bildete die Grundlage einer Klage, über die gesternTermin vor dem Gewerbegericht anberaumt war.In der Klage wird behauptet, daß der Kontrolleur Wegenerdrei Angestellte mit ganz unqualifizierbaren Redensarten, wie„alte dreckige Weiber, verfluchte faule Mistviecher, Treckschweine undalte Kamele" belegt hat, als sie sich weigerten, eine Arbeit zuverrichten, die ihnen nicht oblag. Die Klägerinnen haben erst kürz-lich auf Veranlassung der Geschäftsleitung für treue, langjährigeDienste Ancrkennungsdiplome und Urkunden der Theodor Müller-Stiftung erhalten. Der beim Personalchef Hüttl nachgesuchte Schutzwurde ihnen mit höhnischen Worten verweigert. Deshalb legtensie die Arbeit nieder und forderten für vierzehn Tage Lohnent-schädigung. Sie waren jedoch so unvorsichtig, eine Ausgleichs-quittung zu unterschreiben und gingen deshalb leider auf denVergleichsvorschlag ein, 20 M. für jede Klägerin anzunehmen.Wiederholt haben wir dargelegt, daß eine Ausgleichsquittungnach zutreffender Ansicht nach Z 2 des Lohnbeschlagnahmegesetzesohne rechtlichen Effekt ist._Die Mildtätigkeit des BaronS.Kürzlich deckten wir und die„KönigSberger Volkszeitung" dasentsetzliche Elend einer achtköpfigen Londarbeitcrfamilie auf, die indem ostpreutzischen Kirchdorf Schaaken auf dem Vorwerk Ger-mehnen des Ritterguts Sudnicken wohnt, das einem Baronv. Haufen-Anbicr gehört. DaS Einkommen der Familie, die ineinem einfenstrigen Raum haust und unter der sich noch eineschwer lungenkranke Frau befindet, war folgendes:Die 63jährige Mutter erhält nichts. Die 27jährige lungen-kranke Frau erhält nicht«. Ihre Schwester verdient pro Woche2,40 M., eine Metze Mehl. Vom Verdienst gehen noch pro Woche15 Pf. für Invalidenversicherung ab.Ihre drei Kinder erhalten nicht?. Und auch die zwei Kinderder Lungenkranken bekommen nichts. Das älteste der Kinder istacht Jahre alt.Während diese Familie dem Verhungern nah« war, befand sichder Besitzer de? Gutes in Mrran in Tirol auf dem Schloß Laders.Man hat ihm dorthin unser Königsberger Parteiorgan geschickt,das sich der Familie angenommen hatte. Der Herr Baron hatunserem Parteiblatt in Königsberg ein längeres Schreiben ge-sandt, in dem er sein Verhalten dieser Fannlie gegenüber zurechtfertigen versucht. Er glaubt noch recht mildtätig gewesen zusein. So schreibt er unter anderem:„Frau Klein(das ist die lungenkranke Frau) hält sich zwarauf meinem Vorwerk Germehnen auf, ist aber mit ihren beidenKindern nicht bei mir, sondern in Correynen bei Powunden ortS-behörig, erhält auch von dort seit 1. Oktober 1913 eine Unterstützungvon 6 M. monatlich für ihre Kinder. Diese Summe hat sie selbstbei der Gutsverwaltung Germehnen zur vorschußweisen Zahlungbeantragt.Der Frau mehr anzubieten— auf Kosten des ArmenverbandesCorreynen, war nicht angängig— da sie selbst nicht mehr forderte.Germehnen legte auf eigene Rechnung noch einen Liter Vollmilchzu. Als die Frau nun— nachdem sie in Allenstein(Lungenheil»stätte) und Schaaken vergeblich behandelt wurde— dauernd bett-lägrig wurde, hat die Gutsverwaltung Germehnen bei Correynenbeantragt, die Unterstützung von 6 auf 12 M. monatlich zu erhöhenund zahlt diese Summe vom 1. Februar d. I. vorschußweise an dieKlein aus.Was die anderen Angehörigen dieser Familie, die sich bisherjährlich um zwei uneheliche Kinder vermehrt— und die bei mirortsbehörig sind— anbetrifft, so habe ich im Jahre 1911 aufdringendstes herzzerreißendes Bitten der Großmutter lediglich auSMitleid und Gutmütigkeit die ganze Gesellschaft aus Königsbergherausgeholt, obwohl sie ihren UnterstützungSwohnsitz in Germehnenfeit langen Jahren verloren hatte.Ich erklärte mich damals bereit, jeder in Arbeit gehenden Per-fon 40, im Sommer 59 Pf. zu geben und außerdem täglich 2 LiterVollmilch, 1 Metz Roggen, freie Kartoffeln, frei Holz und freieWohnung zu gewähren, was mit Freuden angenommen wurde.Dieses Deputat und Lohn gilt auch heute noch...Dieses Schreiben des BaronS beweist, wie gering der Sinn fürsoziale Fürsorge in den Köpfen der„Edelsten und Besten unsererNation" ausgeprägt ist. Der Herr Baron muß im wesentlichenunsere Angaben bestätigen, und dennoch glaubt er vollauf seinePflicht erfüllt zu haben, ja, darüber hinaus noch besonders mild-tätig gewesen zu sein. Unrichtig ist, daß die Frau nicht mehr ver-langt hätte. Sie hat sogar die Hilfe des Landrats in Anspruch ge-nommen, aber sie ließ sich überreden, auf eine Unterstützung fürsich zu verzichten, wenn man ihren Kindern eine Unterstützung ge-währe. Daß man diese nachträglich auf 12 M erhöht hat, scheintauf die sozialdemokratische Kritik zurückzuführen sein. Natürlichist auch diese Unterstützung noch lange nicht ausreichend. Denn die„Unterstützung" der„ganzen Gesellschaft aus Königsberg" bestehtdarin, daß die arbeitsfähigen Mitglieder für ihre schwere Arbeit40 bzw. 50 Pf. Lohn nebst etwas Deputat erhalten. Es kann abernur die Schwester der Frau Klein arbeiten, da sich ihre Kinder imAlter von 3, 7 und 8 Jahren befinden. Diese Familie muß alsotatsächlich von dem geringen Verdienst der Arbeiterin leben unddaher hungern, so daß die Armenpflege auf diesem Gute eine völligunzureichende ist.Gerichtszeitung.Wie ein Landarbeitcrmord in Ostpreußen„gesühnt" wird.Am 10. November 1918 wurde im Kreise Jnsterburg derLandarbeiter Schittrigkeit von dem Gutsbesitzer Willamowskierschossen. Der Erschossene war verheiratet und Vater vonsechs Kindern. Der Hergang spielte sich folgendermaßen ab:Anr 10. November war eine Anzahl Jnstleute bei Willa-mowski im Pferdestall beschäftigt. Sie verursachten dabeieinigen Lärm. Der Gutsbesitzer wollte„Ruhe stiften". Dabeisollen ihn die Arbeiter bedroht haben. Der Agrarierholte das geladene Gewehr, das anscheinend auf den oft-preußischen Gutshöfen zu den unentbehrlichsten Requisitengehört, ging damit den Arbeitern zu Leibe, die sich darübernoch mehr erregten, und nun ging er 80 Schritte zurück,brachte sich also in Sicherheit und schoß auf den JustmannSchittrigkeit, der auf der Stelle tot zusammenbrach. DerGutsbesitzer i st nicht vor Gericht gezogenworden. Dafür hatten sich jetzt die Mitarbeiter desErschossenen, eine Anzahl Jnstleute, vor dem JnsterburgerSchöffengericht wegen Bedrohung zu verantworten. Und siewurden auch verurteilt. Der Jnstmann A. erhielt dreiMonate Gefängnis, sein Sohn acht Wochen Hast;der Jnstmann Sch. wurde zu sechs Wochen Haft verurteilt.Ostpreußen! Der Gutsbesitzer, der einen Arbeiter aus,man kann wohl sagen, sicherer Deckung, erschießt, geht freiaus, die Kollegen des Erschossenen, die empört ob der anihrem Mitarbeiter begangenen Tat aufbrausen, wandern aufMonate ins Gefängnis!_Ans eines Mannes Mädchenjahren.In das Gebiet der sexuellen Abnormitäten führte eine Ver-Handlung hinein, welche gestern unter Vorsitz des AmtsrichtersGrolmann das Schöffengericht Berlin-Schöneberg beschäftigte. Wegengroben Unfugs war der 19jährige aus sehr guter Familie stam-mende Kaufmann Hans Lehmann angeklagt.Eines Abends beobachtete ein Kriminalschutzmann eine an derKaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche stehende sehr elegant gekleideteDame, die sich offensichtlich alle Mühe gab, Anschluß zu finden. Ersistierte schließlich die Betreffende und war sehr erstaunt, als die„Dame" auf der Polizeiwache zu weinen anfing und sich schließlichals der jetzig« Angeklagte HanS L. entpuppte. Die Polizei sahdas Tragen von Frauenkleidern als einen groben Unfug an underließ gegen L. ein Strafmandat, welches auf die Höchststrafe von6 Wochen Haft lautete. Gegen dieses erhob L. unter Beistand desRechtsanwalts Dr. Abraham Widerspruch. Letzterer hatte von Dr.Magnus Hirschfeld ein Gutachten eingefordert, in welchem sich derSachverständige dahin äußerte, daß hier ein Fall seelischen Zwitter-tums vorliege. Der Angeklagte, der in Männerkleidung' schon sehrhäufig für ein verkleidete? Mädchen gehalten worden sei, handelein einem unwiderstehlichen Zwange, so daß die Voraussetzungendes Z 61 gegeben seien. Der Amtsanwalt beantragte auf Grunddieses Gutachtens die Freisprechung. Das Gericht nahm an. daßaus dem Grunde kein grober Unfug vorliege, weil der Kriminal-beamte selbst der feste»: Ueberzeugung gewesen sei, er habe eineFrauensperson fistiert. Das Urteil lautete auf Freisprechung.Diebstahl im Konkurrenzkampf.Vor einigen Wochen wurde der Bäckermeister Walter Krüger»Grcifenhagenrr Str. 33, vom Schöffengericht wegen Diebstahl? zueinem Tage Gefängnis verurteilt. Die Straftat bestand darin,daß Krüger, als er seinen eigenen Kunden die Frühstücksbeutelzutrug, einem Kunden feines Konkurrenten den gefüllten Früh-stücksbeutel, der an der Tür hing, wegnahm.Krüger hat gegen daS Urteil Berufung eingelegt. Infolgedessenwurde die Sache am Donnerstag vor der Straftaminer verhandelt.Wie vor dem Schöffengericht, so machte er auch in der BerufungS-instanz geltend, er habe sich die Schrippen nicht aneignen, fon-dern sie nur betrachten wollen, um festzustellen, wie groß die Schrip-Pen der Konkurrenz feien. Er habe den Beutel nicht wegnehmen,sondern nur ihn öffnen und die Ware betrachten wollen. Eheer aber dazu kam, sei der Eigentümer der Schrippen, StellmacherHe»»del, auf ihn zugestürzt. Er wisse gar nicht, ob er dann denBeutel in der Hand behalten und sich damit entfernt habe. Ernröchte nicht wegen dieser vielleicht törichten Handlung als Diebbestraft werden.Der Zeuge Hendel schilderte den Hergang so: Nachdem ihmschon dreimal der Beutel mit Frühstück gestohlen war, traf erVorkehrungen zur Entdeckung des Täters. Wenn der Bäcker-böte durch Klingeln angezeigt hatte, daß er den Frühstücksbeutelan den Türknopf gehängt hatte, sprang Hendel aus dem Bett,öffnete vorsichtig und geräuschlos die zu diesem Zweck gut ge-schmierte Tür, befestigte in aller Eile das eine Ende eines aufeiner Garnrolle aufgewickelten Fadens an dem Beutel, leiteteden Faden durch die Türspalte und stellte die Rolle so auf, daßsie bei Berührung deS Beutels durch hörbares Herunterfallenda? Signal gab:«Der Dieb greift zu". Nachdem so die TiebeS-falle aufgestellt war, wartete Hendel hinter der Tür der kam-Menden Ereignisse.— Das Zeichen ertonte. Hendel riß die Türauf und sah, daß ein Mann mit dem Echrippcnbeutel in der Hand,die verräterische Garnrolle hinter sich herziehet, die Treppeeiligst hinunterlief. An der Hoftür holte Hendel den Fliehendenein und erkannte ihn als den in demselben Hause wohnendenBäckermeister Krüger, der soeben einem Flurnachbar HendelS daSFrühstück zugetragen und auf dem Rückwege die Schrippen derKonkurrenz von Hendels Tür fortgenommen hatte.DaS Gericht glaubte dem Angeklagten nicht, daß er die Back-Ware des Konkurrenten nur habe besehen wollen, denn das hätteer gefahrlos und auch grürcdlicher besorgen können, wenn er vondem Konkurrenten Ware durch Kauf erworben hätte. Das Ge-richt nahm an, Krüger habe durch Wegnahme deS Irühstücks-beutelS erreichen wollen, daß Hendel das Frühstück bei seinembisherigen Lieferanten abbestelle und eS von-Krüger nehme. Vomrechtlichen Gesichtspunkt könne diese Handlung nicht anders, dennals Diebstahl angesehen werden. Die Berufung wurde deshalbverworfen.Silvester.„lllk".Ein in der Silvesternacht verübter schlechter„Ulk", durch denmehrere Personen in Lebensgefahr geraten waren, beschäftigtegestern das Schöffengericht Berlin-Mitte unter Vorsitz des Amts-gerichtsratS Prost.Wegen fahrlässiger Körperverledung, groben Unfugs undSchietzens in der Nähe bewohnter Gebäude war der 20jährige Buch-binder Karl Schmidt angeklagt. In der letzten Silvesternacht er-litt die von dem in der Hussitenstratze wohnhaften Straßenbahn-schaffner Wagner in seiner Wohnung veranstaltete Silvesterfeiereine jähe Unterbrechung. Die Frau des W. saß gerade mit ihrem4jährigen Töchterchen auf dem Schoß am Fenster uitd betrachtete denbrennenden Weihnachtsbaum, als plötzlich das Kind furchtbar auf-schrie. Frau W. wußte erst gar nicht,>vaS die Ursache war. bissie zu ihrem Entsetzen sah, daß das Kind blutete. Eine nähereUntersuchung ergab, daß das Kind von einer Kugel, die vorherbeide Fensterscheiben durchschlagen hatte, in den Arm getroffenworden war. Eine ähnliche Ueberraschung erlebte wenigeSekunden später der in demselben Hause wohnhafte ArbeiterJenker, in dessen Wohnung plötzlich die Scheiben in tausend Stückensprangen. Als er sich von seinem Schrecken erholt hatte, sah ervor sich eine kleine Pistolenkugel liegen, die. wie sich ergab, anseiner Joppe abgeprallt war.— AIS der leichtsinnige Schütze wurdeder in dem gegenüberliegenden Hause wohnhafte Angeklagte er-mittelt, der im Uebermut mehrere Schüsse aus einer Tesching-pistole abgegeben hatte, als auf der Straße das„Prosit Neujahr-Rufen begann.Vom Verteidiger wurde darauf hingewiesen, daß der Vaterdes Angeklagten den Geschädigten gegenüber sich zun» vollen Ersatzdes Schadens verpflichtet habe.— Lediglich mit Rücksicht hieraufhabe das Gericht, wie der Vorfitzende mitteilte, von der Verhängungeiner mehrmonatigen Gefäicgnisstrafe Abstand genommen, dieeigentlich für ein derartig leichtfertiges Umgehen am Platz« gewesenwäre. DaS Urteil lautete auf 299 M. Geldstrafe.