verbotene Plakate. Ohne Hören, ohne Sehen Äteht der Gute sinnend da; Und er fragt, wie das geschehen Und warum ihm das geschah. Wilhelm Busch . Die Zeitschrift„DaS Purkat"(Mitteilungen des Vereins der Plakatfreunde, Verlag Schildberger, Berlin ) brachte kürzlich einen Aufsatz über verbotene Plakate, dessen höchst lehr- bafte Illustrationen jeden angehen, der sich für deutsche Un- kulturgeschichte interessiert. Einen so ausgezeichneten Beweis für die Polizeiwirtschaft hatten wir eigentlich bis zu den letzten Verboten des Herrn Dr. jur. v. Jagow noch nie vor Augen gesehen— dieses Bildmaterial, das aus der Samm- lung des Vereinsvorsitzenden Dr. Hans Sachs stammt, sagt mehr als alle Worte. Und es gibt nur noch einen Text, der die Abbildungen überbietet: das ist der Begleittext. Und nun haben wir alles in Reinkultur hübsch beisammen: den Büttel und den guten deutschen Untertan. Die Bildbeigaben schreien— 34 Stück hoch— zuni Himmel. Sie zerfallen in zwei verabscheuungswürdige Gruppen: in die politisch nicht einwandfreien und in die schamlosen Blätter. Politisch nicht einwandfrei ist ein Blatt dann, wenn es die Veranstaltung einer nicht beliebten Partei anzeigt, also haben die Verbote meist sozialdemokratische Plakate betroffen, die aber nicht einmal— und was wäre leichter?— mit knappen Strichen höhnen oder spotten, son- dcrn die artig uiü> bescheiden eine Maifeier anzeigen oder sonst eine ruchlose Festlichkeit Hier versagen nun alle Vor- wände des Verbietens, die nach Roda Roda statt der Begrün- düngen gegeben zu werden pflegen, hier versagt der Z 9 des alten preußischen Preßgesetzes, und auch der jo abgegriffene § 19 II 17 des Allgemcinen Landrechts will nicht mehr her- halten: hier wird einfach, brutal und täppisch verboten: eine lodernde Flamme— denn Flammen haben nur zu Kaisers Geburtstag zu lodern—, sauber gekleidete Arbeiter, die am 1. Mai in den Wald spazieren— was haben Arbeiter im Wald zu spazieren, arbeiten sollen sie...! Da wird verboten ein Blatt mit einer alten pergamentnen Urkunde und der Aufschrift:„Der Polizeipräsident hat nichts einzuwenden gegen gute Plakate." Das Wort„Polizei" mußte fallen, und mit Recht— denn er hat doch etwas gegen gute Plakate ein- zuwenden; allerdings erwies sich die Befürch.ung, man könne das Plakat mit einer amtlichen Bekanntmachung verwechseln, insofern als unbegründet, als man es geschmackvoll nennen kann. Weitaus größer ist die Unsittlichkeit der Plakate. Das ist ja nun ein weites Feld, und seit einiger Zeit tobt ein heißer(Wort)kampf zwischen Polizei und geschädigten Künstlern. Bevor wir uns die Läppereien näher ansehen, die man da als unsittlich verboten hat, wollen wir eins voraus- schicken. Es ist natürlich nicht gleichgültig, wo ein Blatt hängt: im Museum oder in einem schmutzigen Ansichtskarten- geichäft, im Salon oder an der Litfaßsäule. Wenn eine schlechte Postkarte mit einer Leda in der Berliner Friedrich- straße verkauft wird, dann sind sich Hersteller, Verkäufer und Käufer einig, alles andere als ein Kunstwerk unter den Händen zu haben. Es handelt sich um eine nackte Frau. Paul Wrstheim hat im Verein der Plakatfreunde einen Vortrag ge- halten und hat versucht, das Gegenteil nachzuweisen. Es gelang daneben: denn wenn er bei seinen Lichtbildern nicht immer vorher gesagt hätte, um was es sich drehte,— man hätte nichts erkannt, weil die Reproduktionen es nicht zeigten. Und für den, dem der Künstler nichts ist, war's also gleich. Aber: man vergißt ganz, daß es überhaupt nicht ewche der Polizei ist, derartige Tinge zu verbieten. Seid ihr nicht wt genug, um selbst Kontrolle zu üben? Als Westheim er- wähnte, ein besonders krasses Blatt des jungen Malers Appenheim sei verboten worden, erscholl ein dickes„Bravo I" aus dem Dunkel der Versammlung. Er replizierte ziemlich schlagfertig, dann müßten die geschmackvollen Menschen den Kitsch konfiszieren lassen. Aber das sehen die guten Deutschen nicht— wenn nur der Sezession eins ausgewischt wird, sind sie selig... Und der borror vncui, die Angst vor dem un- daß sie nicht genug Achtung für Menschen mit höherer sozialer Stellung habe. In dem Mädchen dämmerten andere Heber- zcugungen und Anschauungen. „Wenn ich Geld hätte, wäre ich ebenso gut wie alle anderen," dachte sie oft bei sich,„oder vielleicht besser, denn ich würde einer armen Näherin nicht die Hälfte von ihrem Tageslohn abziehen." Leonie erinnerte sich, daß sie noch frisches Gebäck holen wollte und lief hinunter. Unterdessen öffnete sich die angelehnte Tür mit großem Lärm. Auf der Schwelle erschien die Frau Rätin. Bestürzt und verlegen bot die alte Frau ihr an, Platz zu nehmen, aber sie fuhr sie mit scharfer Stimme an: „Ich kam nicht her, Ihnen einen Besuch zu machen. Ich will meine Boa wiederhaben I Sonst fahre ich auf die Polizei!" Tie Füße der Großmutter zitterten so, daß sie in den Sessel niedersank. Sie verstand nichts, nur ahnte sie ein großes Unglück und bat die Rätin, zu warten, bis Leonie wiederkommen würde. Aver die Fremde öffnete brutal den Ahornschrank und durchsuchte die darin angebrachten, bescheidenen Kleider. Die Boa fand sie nicht. Mit hastigen Bewegungen leerte sie die Schubladen der Kommode— ebenfalls ohne Erfolg. Sie sah in alle Ecken, unter den Tisch, drehte alles im Zimmer um— die Boa war nirgends. „Ich werde es Euch zeigen! Sie hat es irgendwo versteckt! Wer vor der Polizei bleibt es nicht verborgen! Ich bringe Euch iuS Gefängnis!" Zu Tode erschrocken, ließ die Greisin alles geschehen. Endlich kam Leonie. Mit bleichen Lippen fragte sie: „Um was handelt es sich?" „DaS werden Sie auf der Polizei erfahren!" sagte die Rätin und verließ nun eilig das Haus. Mit verworrenen Worten erzählte die Großmutter den ganzen Hergang. Stille Tränen flössen ans Leo nies Augen. „Großmama! Sic glaubt, ich hätte gestohlen!" „Es gibt eine Gerechtigkeit, mein Kind," sticht« die Greisin das sunge Mädchen zu beruhigen. Noch lange saßen sie beieinander, bis der Abend hereingebrochen war. Tie Familie des Rats saß zum Abendbrot am Tisch ver- sammelt. Tie Sache mit der Boa hatte sich aufgeklärt. In dem hellerleuchteten Zimmer war es warm und gemütlich. Die Strenge der Frau Rätin war gewichen. Sie erwähnte nicht? von ihrem Besuch bei der Näherin und beschloß bei sich, ihr den ganzen Tag anzurechnen. Ter Rat erklärte: Ende gut, alles gut! und ließ Kuchen holen. Er wartete ungeduldig auf da? Ende des verspäteten Abendessens, um rechtzeitig zu seiner Whistpartie zu kommen. Im Hause herrschte jene traute Stimmung, die gewöhnlich einem kleinen Gewitter zu folgen pflegt. Da ließ sich die Klingel vernehmen. Da? Mädchen meldete: bekleideten Körper, läßt man sich besser nicht durch diese Cr- gane bestätigen, die hier nur wieder eine Gelegenheit haben, ihre Nasen in Dinge hereinzustecken, die sie nichts angehen. Im Ernst: es ist nicht einzusehen, warum nicht auch die Reklame mit einer angemessenen Portion gefunder Sinnlich- keit arbeiten soll, die die eifrigen Bürger der Polizei zu Liebe überhaupt zu leugnen anfangen. Aber da kennt man unsere Verwaltung schlecht: sie verbietet. Sie verbietet alles und jedes; sie wartet gar nicht erst ab, bis dumme Jungen ein Plakat iit ihrem Sinne durch Beschmieren und Ergänzen aus- deuten, sie verbietet schon gleich vorneweg mit der Motivie- rung, die Herren Knaben könnten durch Nachziehen von Linien eine Ferkelei aus dem Blatt destillieren. Sie ver- bietet: der Tod da unten in der Ecke neben der unbekleideten Frauensperson kann als ein lüsterner Greis aufgefaßt werden. ein Busen muß durch ein schwarzes Tuch erst verdeutlicht werden: was unterhalb der Tischplatte sitzt, gehört schon gar nicht mehr zur Kunst; und nicht alle haben soviel Witz wie die Franzosen , das konfiszierte Plakat einer Grisette noch einmal lädiert zu bringen mit der Inschrift:„Latte xarüs du dessiu est interdite."—„Dieser Teil des Blattes ist verboten." Hierzulande reagiert man anders. Unsere Intellektuellen „billigen den Standpunkt der Polizei prinzipiell". Wenn auch jede Konsequenz bei seiner Durchführung fehlt,— sie billigen ihn. Wenn auch kleinen Putten Hosen angezogen werden müssen, wenn auch harmlose Familienbadszenen ver- schwinden, wenn auch das gute Blatt der Kollwitz mit dem Berliner Wohnungselend und den zwei ausgemergelten Kindern in der Versenkung unterging... sie billigen. Und sehen heute noch nicht, daß man dem Ding durchaus nicht mit ernsten und schwierigen Debatten näher kommt, sondern mit der simplen Konstatierung, daß es ja den konfiszierenden Or- ganen— denen übrigens jede Vorbildung mangelt— gar nicht auf das Einzelne Blatt, sondern auf die-fff Autorität ankommt. Erst fragen, dann wagen! Es ist sa eigentlich nicht der Busen und Unterleib und all das. Es ist das preu- ßische Prinzip, das heute noch Erwachsene wie Kinder be- handelt, das überall den dicken Finger herauslegt und koin- mandiert: Das Ganze halt!— Sie billigen. So kraß, so simpel, so kräftig wie ihre überlegene Obrigkeit sind sie denn doch nicht. Oho! man ist doch ein komplizierter Mensch, immerbin. Und so einer stellt langwierige Untersuchungen an, geht den verschlungenen Pfaden des Polizeidieners nach, meditiert und sinniert und merkt nicht, wie ihn alte Korpsstudenten und vertrocknete Pedanten einwickeln. Die Faust auf den Tisch! Nein: feine) sehr feine Ironie, juristische Deduktionen, philosophische Abhandlungen und am Schluß die famose Feststellung, daß doch die Zensur im Grunde gar nicht etwas so Schlimmes sein kann, denn:„So manches schlechte Buch oder Theaterstück ver- dankt seinen Publikumserfolg der unfreiwilligen Reklame, die ihm die Zensur verschaffte; ein geschickter Unternehmer wird daher auch die Zensur seinen Zwecken nutzbar zu machen wissen." Na also!„Wenn ihr man Geschäfte macht!"-- Und dieser berlinische, ganz mit Unrecht als scharf der- schriene Normalbürger ist wie der Betrunkene bei Busch: man haut ihm den Hut ein; jeder andere würde sich frei machen, sich wehren, tätig werden... er aber überlegt, mit dem Zeige- finger an der Nase, grübelt und sinnt und er fragt, wie das geschehen, und warum ihm das geschab. Jgnaz Wrobel. Das Interview. „Sie müssen", sagte der Ehef de» ZeitungShause« zum Feuilleton- redakteur,„Prickelnderes bringen; die Leute sollen tagelang davon sprechen, sonst hat's keinen Zweck. Sehen Sie mal zu!"— Der Redakteur ging. „Sie müssen", sagte er zum Reporter,.etwa» ganz Sensa- tionelles machen. Berlin muß lodern, was sage ich Berlin ... Deutschland ... die Welt... Sehen Sie mal zu!"— Der Reporter ging. „Die Schneiderin ist mit einer älteren Frau gekommen und möchte die gnädige Frau sprechen." Frau Rätin beschlich eine unangenehme Empfindung. Sie hätte sich am liebsten verleugnen lassen, aber e? war zu spät. „Wa? wünschen Sie zu so vorgerückter Zeit, mein Fräulein?" fragte sie hochmütig.„Was soll diese Zudringlichkeit?" „Wir haben bi? jetzt auf Ihre Ankunft mit der Polizei gewartet und möchten nun erfahren, wa? weiter sein wird?" „Wie meinen Sie das?" entgegnete die Rätin und sah dabei ihren Mann und die Kinder an, als riefe sie Gott zum Zeugen an. Leonie fuhr lebhafter fort: „Die Sache ist noch nicht beendet. Mich hat noch nie jemand des Diebstahls verdächtigt. Die Polizei soll sich nur überzeugen! Mir ist es sogar lieber! Es muß eine Gerechtigkeit geben!" „Fräulein Leonie," sagte die Rätin mit einem Anflug von Nachsicht,„eS hat sich alles aufgeklärt. Die Boa hat sich gefunden. Es wird nicht weiter darüber gesprochen." Die Großmutter sagte mit sichtbarer Erleichterung: „Siehst Du, Leonie, ich habe es mir gleich so gedacht." Ein dunkle? Feuer blitzte in den Augen deS Mädchens auf. „O, verzeihen Sie! Daß Sie mich falsch verdächtigt haben, das wußte ich. Aber mit welchem Recht sind Sie in eine fremde Wohnung eingedrungen und haben uns so großes Unrecht angetan? Weil wir arm und ohne Schutz sind, ist es erlaubt, uns geringzu- schätzen?" „Ich bitte Sie vor allem, in meinem Hause leiser zu sprechen. ... Und worum geht es Ihnen jetzt? Glauben Sie, ich lasse zu, daß Sie hier Skandal machen?" Die Großmutter erschrak bei diesen strengen Worten und faßte die Enkelin beim Arm. „Die Frau Rätin hat recht. Da sich alles aufgeklärt hat, so küß' der gnädig'» Frau die Hand und laß uns gehen." Die Demut der alten Frau entwaffnete die Rätin: „Mit Rücksicht auf Sie will ich nicht länger unhöflich sein," sagte sie sanfter. Eine hectze Blutwelle schoß Leonie in die Schläfen. Sie fühlte das Unrecht und begehrte Genugtuung. Wer war für eine? Sie wußte es nicht. Der Großmutter grollte sie wegen ihrer Demut vor diesen Menschen, die iie pon ganzer Seele Hatzte. Ihr Haß galt nicht nur ihnen, sondern allen Einflußreichen und Bemittelten. Wie gern hätte sie ihnen diesen Haß ins Gesicht geschrien! Sie ballte die Fäuste, daß sich die Nägel inö Fleisch krallten, schließ- lich sagte sie, jede? Wort einzeln hervorstoßend: „So wird es nicht immer bleiben. Die Zeit wird noch kommen..." .Was haben Sie gesagt, Fräuleiu?" Er zerbrach sich den Kopf. Sein Name war Pucknat, Zacharias Pucknat, und die Erde war nichl gerade erfüll! von seinem Ruhm. Hier war eine Gelegenheit: Ansehen, Popularität, Zeilenhonorar ... das konnte hier gewonnen werden. Aber wie? Und als nun Pucknat, brennender Zweifel voll, so an der Iannowitzbrücke unter dem Stadtbahnbogen einhergtng, fing er ein Stückchen Gespräch der beiden dort postierten Schutzleute auf- „Jestern, wie wa am Schleschschen Bahnhoff den Kollcjen Fuhrmann noch'n Ständchen jebracht Hain.. Das war's. Die Unterdrückung des Vereins der Schutzleute war aktuell. Es hatte auch etwas Erhebendes gehabt, wie die beiden Uniformierten auf dem Bahnhof die anderen Ordnungshüter in Zivil in Schach halten mußren, damit die Begeisterung nicht über- schäume. Hier mußte eingesetzt werden! Ueberschrift:„Das Interview in der Polizeiwache" oder:„Ter unzufriedene Schutz- mann" oder... aber das würde schon werden. Tie Hauptsache: er hatte ein Thema. Ein sensationelles Thema. Und so machte sich denn der Reporter Pucknat aus, den Berliner Schutzmann zu befragen, ob und inwieweit er mit seiner vorgesetzten Behörde zufrieden sei. Da ist der Schutzmann Schiltzke, und da ist der Reporter Pucknat, und nun wird der Reporter Pucknat an den Schutzmann Schiltzke herantreten und ihn sehr höflich fragen:„Ach, verzeihen Sie, wie kommt man hier wohl am besten nach dem Tegeler Weg?" Ob, der Reporter Pucknat ist das, was man einen gerissenen Jungen nennt; er weiß z. B., daß der Tegeler Weg von hier, von der Köpenicker Straße , sehr weil entfernt ist, und daß eS nicht ganz einfach sein wird, ihn dahin zu weisen. Richtig: der Schutzmann Schiltzke zieht denn auch sein großes Buch aus der Tasche, feuchtet den dicken Zeigesinger an und blättert.„Da müssen Sie.... dann gehen Sie am besten.... wollen Sie nicht lieber fahren. mein Herr?"—„Ja," sagt Herr Pucknat,„wenn es sehr weit ist.... ich weiß ja auch nicht..."—„Gott, " sagt wieder Schutz- mann Schiltzke,„fahren Sie doch, das kostet nur zehn Pfennig, und Sie brauchen dann weniger Zeit!"—„Gewiß," erwidert Pucknat, „das Fahren ist schon billig in Berlin ."— Und so kommen sie ins Gespräch. Sie unterhalten sich über die Verbindungen in dieser großen Siadt und über die Schnelligkeit der Bahnen, und sie ver- gleichen die Omnibusse mit den Droschken und diese wieder mit den Automobilen. Herr Pucknat behauptet, keine Eile zu haben, und als er hört, daß der Schutzmann Schiltzke gleich abgelöst werde, macht es sich fast von selbst, daß der Reporter ihn ein bißchen einläd. Ein Gläschen Bier, nicht wahr... Und schließlich sind das Ge- schäftsspesen. Gut. Alan sitzt in der kleinen Restauration und plaudert. Was sich eben ernste Männer so zu erzählen haben. Der Reporter ist ungeheuer höflich zu dem Schutzmann, weil der einen Säbel hat, und der Schutzmann ist ungeheuer höflich zu dem Reporter, weil der ihm das Bier zahlt. Sie sagen immer gegenseitig:„Aber bitte, mein Herr!" und:„Wie eS Ihnen beliebt!" Und ganz leise, ganz vorsichtig, pürscht Reporter Pucknat ins Gebiet der Sub- ordinatton, kommt allmählich auf die Abschiedsfeier am Schlesischen Bahnhof zu sprechen, wie sie da alle den strafversetzten Kollegen begleitet hätten, und das sei doch ein schöner Zug— und sie sind auf einmal mitten drin. Der Reporter ist ungeheuer stolz: er hat von je immer ein bißchen Angst vor den Schutzleuten gehabt, und je näher man einer solchen gigantischen Macht ist, desto weniger. meint er, kann sie einem tun. Er möchte Schiltzke» am liebsten ans Herz drücken. Und weil er doch eben so viel Bier trinken muß wie der Sckiutzmann— und das will etwas heißen—, begeht er eine kleine Unvorsichtigkeit, daS heißt, er kam sich sehr schlau vor, als er in die kleine Gaststube brüllte:„Zusammenhalten müssen Sie? Einigkeit macht stark! Sie müssen Ihren Vorgesetzten zeigen, was eine Harke ist!" Und sein kleiner Kovf ist ganz rot, und seine Stimme kräht heiser. Ter Schutzmann Schiltzke sieht den Kleinen so von der Seite an. Und ist auf einmal verschwunden, nicht ohne vorher„Pardon!" geflüstert zu haben. Herr Pucknat duselt sanft über seinem Pilsner ein. Und wacht erst auf, als zwei Uniformierte vor ihm stehen und zu ihm sprechen:„Sie da! Kommen Se mah mit!" Er will sich wehren, will Erklärungen abgeben, mit den Händen fuchteln, wie das so seine Art ist... vergebens: man zerrt ihn zur Revier» wache. Vor dem Wachthabenden hat er nicht viel Glück.„Ich wollte ... ich dachte... ich hatte die Absicht... ich bin nur beruflich hier..." „Das ist nur au? Unbesonnenheit, Frau Rätini" unterbrach die Großmutter eilig.„Leonie, wenn Du mich lieb hast, dann gehen wir. Ich küsse den Herrschaften die Hand..." In dem hell erleuchteten Speisezimmer herrschte eine un- angenehme Stille, die nur durch den keuchenden Atem der Rätin unterbrochen wurde. „Ein Skandal!" erklärte der Rai. „Bei niir darf sie nicht mehr arbeiten!" rief die Rärin mit aufrichtiger Entrüstung.„Noch bei meinen Bekannten! Ueberall werde ich erzählen, was das für eine Person ist!... Morgen lasse ich ihr von dem Mädchen das Geld geben, das ihr noch zukommt, damit sie nicht wieder die Wohnung betritt." Gleichzeitig beschloß die Rätin im stillen, der frechen Näherin nur einen halben Tag anzurechnen. „Sagt selbst." meinte die Rätin nach einer Weile, als sie sich pon der Aufregung erholt hatte,.lohnt es, gegen diese Leute gut zu sein?.._ Abwehr. Mit dieser schwarzweißroten Fratze der Sozialistenfresserei erschreckt ihr heute keine Katze! Die Zeiten sind für euch vorbei. Denn, rühren wir an der Nekrose, daß euch vor Schreck der Hintern hüpft, dann rutscht die Patriotenhose, der ihr so nett und nackt entschlüpft. Ja, stolpert nur mit neuer Beute, ihr Allesschlinger, Fälscher und Betrüger, ehrenwerte Leute; wir kitzeln euch die Sohlen wund. Erfahrung lehrt, daß eure Sünder ihr hinter Wut und Haß verstaut. Wir wissen, manchen Wahrheitskünder hat preußische Justiz verdaut. Wir wissen aber, daß, je schlimmer sich euer Zorn auf uns entleert, auch euer Schuldmaß immer, immer, wie euer Schuldgewicht sich mehrt. Verhüllt die widerlichen Fratzen der Sozialistenfresserei. Uns ekelt— wenn wir einmal kratzen—- vor eurem„Polizei!"- Geschrei.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten