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Jr. 70.

31. Jahrgang.

2. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt ROTE WOCHE

NACH WALTER CRANE ☆☆☆☆

Trotz alledem!

Die Polizei hat schwere Tage: Die Rote Woche" hat

Aber wie der Hydra für jeden abgeschlagenen Kopf es ihr angetan. Erst war es die Fassung des Plakats, zwei neue nachwuchsen, so ging es auch hier. In der Nacht welches die Frauenversammlungen am Sonntag ankündigen zum Mittwoch kamen uns die Heinzelmännchen zu Hilfe. follte. Die Tagesordnung: Heraus mit dem Gespenstisch huschten sie hin und her und bald prangten an Frauenwahlrecht! klang gar zu alarmierend. Häusern, Straßenecken, an Zäunen und an Bäumen Zettel Schließlich wurde auf Beschwerde hin gestattet zu sagen: mit der Aufschrift: ,, Das Frauenwahlrecht " oder Besprechung über das Frauenwahlrecht". Nicht gehindert werden konnte, daß in den Sonntagsversammlungen laut und vernehmlich die Forderung erklang: Heraus mit dem Frauenwahlrecht"! Es konnte auch nicht verhindert werden, daß dort, wo Naud u. Hartmann kein Monopol hatte, die Plakate mit der Herrn Jagot ärgernden Aufschrift angeklebt wurden.

Mit den anderen Plakaten, welche die Aufforderung zum Eintritt in die Wahlvereine und zum Abonnement auf

Das Anschlagen des Plakats für die

Rote

Woche

wurde

den Vorwärts" enthielten, ging es nicht viel besser. polizeilich verboten!

Durften sie nach dem Machtwort Jagows nicht in den Schau­fenstern ausgehängt werden und wurden sie selbst nicht ein­mal an den Wänden der Lokale geduldet und von Polizei­

Es enthielt die Aufforderung:

beamten eingeſammelt, ſo dauerte es nicht lange, prangte Tretet den Wahlvereinen

der Inhalt dieser Plakate am Sonntag früh bereits auf der ersten Seite des Vorwärts". Der Vorwärts" ist aber eine Zeitung und kann beim besten Willen nicht unter das

etwas am Zeuge flicken, der das Sonntagsblatt im Zu­

bei, werdet

alte Blakatgeſetz gebracht werden; man kann niemandem Abonnenten des Vorwärts sammenhang öffentlich aushängt. Nun richtet sich wieder An einem Hause am Kottbuser Ufer, in dem sich der Polizeieifer gegen diese Sonntagsnummer mit der dem ein Polizeirevier befindet, klebte dieser Anschlag ganz ein­Plakat nachgedruckten Inschrift. Anscheinend erinnert trächtig neben der polizeilichen Ankündigung: Ausgabestelle

der Lapidarstil zu sehr an Jagows berühmten Anschlag: für Quittungskarten! " Ich warne Neugierige!"

Donnerstag. 12. März 1914.

Parteiangelegenheiten.

Jugendsektion des 5. Kreises.

Genoffinnen und Genossen! Benügt die Rote Woche zur Agitation für unsere Versammlung am Sonntag, den 15. März, abends 6 Uhr, in Schulz' Festsälen, Königsgraben 2. Vortrag des Genossen Pied:" Der 18. März 1848". Nachdem geselliges Beisammensein. Niemand fehle! Gäste mit­bringen!

Reinickendorf - West. Der auf heute, Donnerstag, angesezte Vortragsabend fällt wegen der Roten Woche" aus. Der nächste Vortrag findet am Donnerstag, den 19. März, bei Hallmann, Scharnweberstr. 54, statt.

Staaten. Sonnabend, den 14. März, 8 Uhr, bei Gnädig: Generalversammlung. Tagesordnung: U. a. Neuwahl des Vor standes. Die Gemeindevertreterwahl findet am Donnerstag, den 19. März, statt und zwar wählt die III. Abteilung von 2-15 Uhr, die II. Abteilung von 5-6 Uhr und die I. Abteilung von 27 bis 7 Uhr. Trotz der ungünstigen Wahlzeit müssen wir alles daran sezen, unseren Kandidaten, den Genossen Karl Schäfer, als den ersten Vertreter unserer Sache in dieses schwarze Dorfparlament zu fchiden.

Berliner Nachrichten.

Märzſtimmung.

Auf den strauchbepflanzten Pläßen und den baumbestan­denen Straßen der Großstadt ist nun der Frühling einge­zogen. Zaghaft und schüchtern sind vorerst noch seine Schritte. Und doch schwellen die Knospen mit jedem werdenden Tage. Hier und da hat sich bereits ein lichtgrünes, gefälteltes Blätt­chen aus seiner braunen Umhüllung herausgeschält. Ein paar zarte Halme leuchten in der Mittagssonne am Erdboden. Die Schneeglöckchen sind erwacht, Tausendschön blickt weiß im fümmerlichen Rasengrün, Zwiebelgewächse strecken ihre Triebe und Kinderaugen bestaunen das erwachende Leben in der Natur.

Nun macht der Tag wieder der Nacht die Herrschaft streitig. Und wenn auch in fröstelnden Regenschauern grau­schmelzende Schneeflocken sich vom Märzsturin erdwärts peit­schen lassen, es drängt doch alles zum Lichte empor. Ohne Gewölf ist der Himmel fast nie, bald verhängen ihn graue Schleier, bald haben weiße Wolkenbäusche sein verwaschenes Blau getupft. Und Büsche und Baumkronen heben sich in nur mäßig scharfen Konturen von diesen mehr oder weniger grauen Schleiern ab. Aber die Linien ihrer Ruten haben sich gegen den Winter merklich verändert: sie haben durch die dick geschwollenen Knospen etwas Gezacktes, Anotiges bekommen. Eine feuchte Fruchtbarkeit läßt diese Knospenknoten glänzen und schillern. Und aus dem Erdboden, von dem ihnen Säfte und Kräfte emporsteigen, atmet ein herber und starker Schollenhauch.

Die grauen Steinkästen der Mietsfasernen, welche die in ersten Frühlingsschauern sich entwickelnden Bäume und Büsche der Großstadtpläge und straßen rahmen, stehen starr wie immer. Ihre stumpfen Dächer bleiben farblos selbst int Glanze der Mittagsmärzensonne. Ihre schnurgerade ge­zogenen Fensterreihen haben zu allen Jahreszeiten das gleiche Gesicht. Nur das Leben der Straße ist ein anderes geworden. Ein Kinderlärmen durchjauchzt wie Vagelsang den Straßen­pfad durch die städtische Steinwüste. Sie spielen die uralten Frühlingsspiele, tollen und jagen, fingen und springen. Eine Taubenschar probt hoch über den unschönen Dächern kreisende Flüge. Auf einem Schornsteinrand fißt ein kleiner Vogel und schmettert in den sinkenden Tag hinaus sein jubelndes Ried. Der Lärm der Straße läßt nicht allzu viel davon ver­nehmen. Automobile sausen, die Wagen der Elektrischen rasseln und rattern. Ein halbes Dugend blondköpfiger Kin­der aber hat sich zum Ringelreigen die Hand gereicht, und eine helle Mädchenstimme singt: Macht auf das Tor, macht auf das Tor, es kommt ein goldner Wagen!.

Stimmungsmache gegen die Rote Woche.

Die Rote Woche hat es manchem angetan. Gilfertige Federn find bemüht, in der gegnerischen Presie die Werbeaktion unserer Partei zu verunglimpfen. Der Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie wirft Flugschriften mit den schlimmsten Schmähungen gegen uns in die Massen; andere Gegner haben an Häuser Bettel angeklebt, auf denen zu lesen steht: Die Rote Woche findet nicht statt." Und zahlreiche Schmähfarten und Zuschriften aus dem gegne­rischen Lager flattern auf unsern Redaktionstisch.

"

Jetzt wird ein Vorfall gegen uns auszunuzzen gesucht, der sich in Charlottenburg ereignet hat. Es wird berichtet, daß in der letzten Nacht vom Dienstag zum Mittwoch das Kaifer. Friedrich Denkmal auf dem Luisenplatz vor dem Schloß mit der Aufschrift: Rote Woche", bersehen worden sei. Diefe Aufschrift soll etwa 2 8oll groß und mit rotem Anilinfarbstoff auf­getragen worden sein. sein. In der gestrigen Stadtverordneten­versammlung nahm der Oberbürgermeister das Wort und berurteilte in scharfen Worten diese Besudelung des Denkmals. Und der Polizeipräsident von Charlottenburg sah sich veranlaßt, einen öffentlichen Anschlag anzubringen, in welchem er zur Ermitte­lung des oder der Täter 1000 M. Belohnung aussetzt.

stehen unter dem Schutz der Deffentlichkeit und sollen vor jebent

Auch wir bedauern den Vorfall lebhaft. Deffentliche Kunstwerke Angriff bewahrt bleiben. Auffallen aber muß immerhin der Eifer, mit dem der Vorfall auszunuzen versucht wird. Die Belohnung An verschiedenen Stellen lauerte die Gefahr diesen für die Ermittelung des Täters erfolgt in solcher Höhe sonst nur flinken, fleißigen Menschen, die sogar über Kleiſtertopf und bei Kapitalverbrechen. Jedenfalls hat der Urheber den Gegnern Pinsel verfügten, auf. Zu Fuß und auf Stahlroffen hatten der Roten Woche einen großen Gefallen getan. Ob das gar be ab. sich die Abgesandten Jagows eingefunden und bracjten ihre zahlreichen Opfer nach den Polizeiwachen. Mes umsonst! An die Stelle des einen traten andere. Und am gestrigen Morgen lachte Berlin ; lachte über die neueste Phase der Roten Woche, die einzig und allein auf Jagows Konto zu setzen ist.

Wie uns berichtet wird, waren Polizeibeamte wieder auf den Beinen, um den vermaledeiten Vorwärts" vom Sonntag in eine dunkle Ecke zu balancieren. In einem Falle wurde einem Zeitungsspediteur gesagt, er möge den ,, Vorwärts" vom Sonntag aus dem Ladenfenster nehmen; eine vom Präsidium eingetroffene Depesche verbiete das Much bei Restaurateuren erschienen Polizeibeamte mit der Aufforderung, ihnen den Vorwärts" vom Sonntag aus­zuliefern, er dürfe nicht ausgehängt werden. Das ist falsch. Die Polizei hat kein Recht, den Vorwärts" zu beschlag- Heute geht die Arbeit weiter! Heute muß nachgeholt nahmen, denn einer Beschlagnahme kommt die Maßnahme werden, was bisher noch versäumt wurde. der Polizei gleich. Ihr Verhalten ist ungesetzlich! Ganz muß die Arbeit vollendet werden!

Trotzdem und trotz alledem!

fichtigt war?

Vom Berliner Milchkrieg.

In dem Streit zwischen den Milchproduzenten der Mark Branden. burg und den Milchpächtern aus Berlin und Umgegend spielen die fleinen Milchhändler eine besondere Rolle. Sie find Ab nehmer der Milchpächter und befinden gegenüber ihnen fich ungefähr in derselben Lage, wie die Milchpächter gegenüber den Milch­produzenten. Die Milchpächter fürchten, daß die Interessengemein­fchaft märkischer Milchproduzenten sich eine Monopolstellung schaffen will, um dann die Milch nach Herzenslust verteuern zu können. Mehnliches erwarten viele der kleinen Milchhändler von den Milchpächtern, falls es diefen gelingt, die Macht der märkischen Milchproduzenten zu schwächen. In dem Milchkrieg marschiert mit den Milchpächtern ein Teil der fleinen Milchhändler, ein anderer Teil dagegen hält es mit ben Milchproduzenten. Die vereinigten Milchhändler des Ditens bos