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Die Unternehmer werden sich weiter bemühen, Srbeitswtlliye an« zuwerben, waS ihnen aber nicht so leicht gelingen dürfte. Dre Be- arbeitung des recht harten Granits erfordert eine langjährige Be- rufSlätigkeit. Die Aussperrung in der Solinger Waffcninduprie wird sich allem Anschein nach noch auf die übrigen Branchen erstrecken. Einige der Firmen, mit denen die Differenzen bestehen, beschäftigen neben den Waffeaarbeitern auch noch Arbeiter, die Schneidewaren herstellen, Messer, Haarschneidemaschinen. Diese Arbeiter sind bisher von der Aussperrung nicht berührt, sie find auch nicht gekündigt. Die Fabrikanten verlangen jetzt von ihnen, dasz sie an der Her- stelluirg von Waffen mithelsen sollen. Die Arbeiter weigern fich natürlich, die von den Waffenarbeitern liegen gelassene Arbeit zu verrichten. Die Kabrikaulen gehen aber rücksichtslos vor und kün- digen jeden, der fich weigert, au den Waffen zu arbeiten. Danach wird fich die Aussperrung auch auf die Branchen aus- dehnen, die bisher mit der Fabrikation von Waffen nichts zu Mn hatten. �uslanö. Des Königs Lohn". In den englischen Grafschaften Norfolk   und Essex   ist vor einigen Tagen ein Kampf zwischen den organisierten Landarbeitern und den organisierten Pächtern um Anerkennung der Arbeitergewerk- schast, bessere Löhne und kürzere Arbeitszeit ausgebrochen, der allem Anschein nach eine allgemeine Landarbeiterbewegung in Großbritannien   einleiten wird. In Essex   haben einige Farmer ihre Arbeiter ausgesperrt, da diese der Landarbeitergewerkschaft angehören, die in dem Landesteil schon 7S Proz. der Landarbeiter organisiert hat. In dem nordwestlichen Teil Norfolks   haben die streikenden Landarbeiter den Schlachtruf erhoben:.Her mit des Königs Lohnt" In dieser Gegend liegt ein Gut deS Königs von England, Sandringham genannt. Dort hat der König vor kurzem die Löhne seiner Landarbeiter auf IS Schilling die Woche erhöht. Er hat ihnen zudem jeden Sonnabend einen halben freien Tag gegeben und verfügt, daß kein Arbeiter ohne sechsmonatige Kündi- gung aus seinem Hause gejagt werden darf. Diese kleine Reform, zu deren Verwirklichung die öffentliche Besprechung der jämmer- lichen Lage der Landarbeiter und daS Erstarken der Landarbeiter­organisation nicht wenig beigetragen haben werden, hat bei den Pächtern der angrenzenden königlichen Güter bittere Vorwürfe gegen den König ausgelöst. Die Landarbeiter aber hat sie an- gespornt, die gleichen Vorteile zu verlangen. Ter unmittelbare Anlaß zu dem Kampf gab eine Streitigkeit über die Arbeitszeit. Die Pächter wollten an dem Zweifchichteuwefen festhalten, bei dem die Arbeitszeit durch eine zweistündige Mittagspause unterbrochen wird, in der die Pferde gefüttert werben. Die Arbeiter wollten jedoch ohne Mittagspause arbeiten, um früh Feierabend machen zu können und Zeit zu gewinnen, ihr Gärtchen zu bestellen oder nach der Stadt zu gehen. Angespornt durch die Handlungsweise des Königs, fordern nun die Landarbeiter, daß ihr Lohn ebenfalls von 14 auf IS Schilling die Woche erhöht werde, und daß man ihnen auch die anderen Vorteile gewähre, die die Arbeiter auf dem von dem König selbst bewirtschafteten Gut genießen. Der Kampf hat in anderen Teilen Englands ein lautes Echo gefunden. Der Sekretär des Landarbeiterverbandes erklärt, daß er aus allen Teilen England; mit Briefen überschüttet würbe, in denen die Mitglieder der Organisation um Erlaubnis bäten, sofort in den Kampf zu treten; eS fei äußerst schwer, sie von unüberlegten Aktionen zurückzuhalten Der Vorstand deS Verbandes hat be» schlössen, von Norfolk auS einen das ganze Land umfassenden plan» mäßigen Kamps zur wirtschaftlichen Hebung der Landarbeiter einzuleiten. Wie notwendig dieser Kampf ist, beweist schlagend der jüngst erschienene Bericht der liberalen Agrarkommission. Nach diesem Bericht haben über 60 Proz. aller englischen Landarbeiter ein« wöchentliche Einnahme aus allen Quellen von weniger als 18 Schil­ling. Ta in diesen Einnahmen die dem Arbeiter gelieferten Naturalien eine bedeutende Rolle spielen und da der Wert dieser Naturalien von dem Arbeitgeber berechnet ist, kann man sicher sein, baß die Wirklichkeit noch trauriger ist, als die Zahlen angeben. Der Verband der Landarbeiter, der den Zorn deS Pächterver­bandes auf sich gezogen hat und jetzt sich anschickt, auf der ganzen Linie zum Augrisf überzugchen, hat in den letzten zwei Jahren schnelle Fortschritte gemacht. Vor zwei Jahren bestanden erst M Ortsgruppen, heute gibt eS deren mehr als 200; monatlich nimmt die Zahl seiner Mitglieder um 1000 zu. Seit den 70« Jahren, als der große Landarbeiterverband unter den Keulen- hieben der Pächter und des Klerus zusammenbrach, ist eS schier unmöglich gewesen, die Landarbeiter zu organisieren. Jetzt regt es sich wieder überall und in Essex   hat man es erlebt, daß aus- gesperrte Landarbeiter mit ihrer Fahne durch die Dörfer zogen und sozialistische Lieder, wie dieRote Flagge" undEngland, steh a»f, die Nacht ist nun gewichen", sangen. Der Arbeitsnachweis unö Sie StaSt öerlin. In Berlin   besteht feit dem Jahre 1883 einZenlralverein für Arbeitsnachweis". Vorsitzender des Vereins ist Dr. Freund, oer erste Vorsitzende der LcmdeSverficherungsanstalt Berlin  . Die ersten Einrichtungen waren in fünf Stadtbahnbögen, dem Polizeipräsidium am Alexanicrplatz gegenüber, untergebracht. Die Räume zur Ar- bejtsvermitteluna erwiesen fich mit der Zeit als unzulänglich. Ein Neubau in der Gormanstraße wurde am 27. Juni 1S01 begonnen; am 13. Juli 1902 konnte das Hau? für Facharbeit«, mn 10. No- vember desselben Jahres das für ungelernte Arbeit« in Benutzung genommen werden. Inzwischen sind auch diese Räume zu klein geworden, ein großer Neubau ist kürzlich hinzugekommen. Ter Verein besitzt seit dem 16. Dezember 1905 die Rechte einer juristischen Person. Die Teiluahme an dem Unternehmen und damit die Entwickelung der Llrbeitsvermittelung ist besonder» in den letzten Jahren«heblich gestiegen. So betrug die Zahl der Arbeitnehmer, die im Jahre 1905 die Nachweise in Anspruch nahmen 182 950, im Jahre 1912 245 086; offen« Stelle« wurden 1905 gemeldet 125 200, im Jahr« 1912 201 937 und besetzt wurden davon 1912 ISS 069 gegen 90 058 im Jahre 1905. Mit dem Wachsen des B«eins stiegen naturgemäß auch die Ausgaben und Einnahmen des Unternehmens, insbesondere baben aber die Einnahmen mit der Entwickelung nicht gleichen Schritt gehalten. Ter Verein, der von Anfang seine» Bestehens an auf Zuschüsse von dritter Seite angewiesen war, hat im' Laufe der Jahre die Mittel der Stadt Berlin   in immer höherem Maße in Anspruch genommen. Der Verein unterhielt am Jahresschluß 1912 eine allgemeine Abteilung und 20 Fachabteilungen. Der Zuschuß der Stadt B«lin. der am Anfang 20 000 M. betrug, stieg im Jahre 1912 auf 35 000 M. In den Kreisen der Städtischen Verwaltung, Magistrat wie Stadtvcrordnctenversammluiig, war man daher seit langem der Meimmg. daß mit der Zunahme der städtischen Zuschüsse die Stadt Berlin   einen größeren Einfluß auf die Verwaltung im Zentral- verein für Arvcitsuachlveis haben müsse. Im kommenden Etals- jähr beträgt der Zuschuß der Stadt itzOOtv M. Da der Gesamt­etat de? Vereins für Arbeftsnachweis für 1914/15 in Einnahme und Ausgabe mit 229800 Vk. balanciert, s»«gibt fich, daß der Anteil der Stadt an diesem Etat zirka 65 Proz. beträgt. Durch Verhandlungen mit dem Vorstand des Zentralvereins für Arbeits- Nachweis hat dieser seine Bereitwilligkeit erklärt, der Stadt einen maßgebenden Einfluß auf die Verwaltung, und zwar mit 51 Proz. des Stimmenverhältnisses bei Abstimmungen enizuräumen. Durch Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 16. Ok- tober 1913 stimmte diese dem Vorschlage zu und beschloß gleich- zeitig die Einsetzung einer Abteilung der Gew«bedeputation für den Arbeitsnachweis. Diese Abteilung besteht aus zwei der Ge- Werbedeputation angehörenden Mitgliedern des Magistrats, vier Stadtverordneten mit gleicher Zugehörigkeit und vier Bürger- deputierten, und zwar zwei gewerblichen Unternehmern und Arbeit- nehmern. Fern« wählt die Stadtverordnetenversammlung auf die Dauer von drei Jahren drei ihrer Vertreter der Deputations- abteilung in den Vorstand des Zentralvereins für Arbeitsnachweis und ferner drei Ersatzmänner aus ihrer Mitte. Diese Abteilung der Gcwerbedeputation hat nun letzthin mehrere Sitzungen abgehalten, um zum Etat und anderen der- schiedenen Fragen Stellung zu nehmen. Soweit diese von allge- meinem Interesse sind, seien sie hier wiedergegeben. Zunächst ist zu bemerken, daß Dr. Freund die steigende Teilnahme der städtischen Verwaltung wohl mit einem trockenen und einem nassen Äuge betrachtet hat, und daß seine Bereitwilligkeit, die Stadt Berlin  an der Verwaltung teilnehmen zu lassen, mit den Worten treffend ausgedrückt wird:Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe." In der erwähnten Abteilung für Arbeitsnachweis der Ge- Werbedeputation sitzen vom Magistrat die Stadträte Fischbeck und Maas, als Vertreter der Stadtverordneten Brunzlow, Goldschmidt, Ritter und Thieme, älS Bürger deputierte Hutfabrikant Lucht» Schloffermeister Winter, Tischler Maah und Holzarbeiter Schu­macher. In der ersten Sitzung der Abteilung wurde der Etat des Zentralarbeitsnachweises zur Kenntnis genommen und gutgeheißen. Die Höhe desselben ist bereits angegeben. Es erfolgte sodann eine Besprechung üb« die Einrichtung des neu zu gründenden Fach- arbeitsnachweises für das GastwirtSgewerbe. Unter dieser zu- nächst unscheinbaren Bezeichnung kam indes eine Frage von grund- sätzlicher Bedeutung zur Erörterung, die für die beteiligten Kreise, insbesondere für die am Arbeitsnachweis beteiligten Gewerkschaften von großer Wichtigkeit ist. Es handelt sich um die Frag«, von wem werden in Zukunft die Arbeitsvermittler für die einzelnen Facharbeitsnachweise gewählt? Bisher wurde die Sache so gehandhabt, daß die einzelnen Kuratorien, die zur Hälfte aus Arbeitnehmern und Unt«nehm«n und einem unparteiischen Vorsitzenden besteben, die Wahl dieser Arbeitsvermittler vornahmen, und daß die Gewählten vom Vor- stand des Zentralvereins bestätigt wurden. Dabei sollen sich an- geblich, so behaupten Dr. Freund und auch die bürgerlichen Ver- tret« mit Einschluß eines Arbeitnehmers aus dem Lager der Hirsch-Dunckerschcn, Mißstände herausgebildet haben. Hierfür den stritten Beweis anzutreten, hielt man nicht für nötig, über allgemeine Redewendungen kam man nicht hinaus. Die Situation wird verständlich, wenn man weiß, daß die Haupt- träger des ganzen Arbeitsnachweises die Mitglieder der freien Gewerkschaften sind, die, soweit die beteiligten Gewerkschaften in Betracht kommen, einen Interessentenkreis von 200 000 Personen zählen, während bei den Hirsch-Dunckerschen und christlichen Or- ganisationen nur wenige tausende Mitglieder vorhanden sind. Diese Herrschaften sind bekanntlich in der Regel nur da für die weitgehendste Parität, wo fie in der Mind«heit sind. Jetzt, wo die Stadt Berlin   das Uebergcwicht in der Verwaltung des Arbeits- Nachweises hat,«achten sie die Zeit für gekommen, die günstige Situation für sich auszunutzen und dieParität" einzuführen, die wir bei den bürgerlichen Parteien gegenüber den Sozialdemo. traten im Rathause des öfteren«lebt haben. Es dürft« kaum einem Zweifel unterliegen, daß der»piritu, rector der Sache der Vorsitzende des Borstandes des Zentralvereins Dr. Freund selbst ist. Der Gedanke, daß er in diesem Unternehmen, soweit Arbeiter in Betracht kommen, zu Neunzehnteln mit Mitgliedern der freien Gewerkschaften zu tun hat, schmerzt ihn von jeher. Unt« Hinweis darauf, daß eS fich im vorliegenden Fall nicht nur um das GastwirtSgewerbe. sondern um eine Frage von grund- sätzlicher Bedeutung für die Gew«kschaften handele, wurde die Entscheidung zunächst vertagt. In einer zweiten Sitzung wurde mit allen gegen zwei Stimmen angenommen, daß die Wahl oer Arbeits- vermittler in Zukunft durch den Vorstand des Vereins«folge und den betreffenden Kuratorien nur das LorschlagSrecht zustehe. Da- mit sind unsere» ErachtenS künstliche KonfliktSstoffe geschaffen. die fich zur höchsten Blüte entfalten können, mit dem Resultat, allgemein« Unzufriedenheit zu erzeugen. In einer weiteren Sitzung wurde zur Tagesordnung etner Borstandssitzung deS Zentralarbeitsnachweises Stellung genommen. Seit dem 1. Januar d. I. besteh» für Berlin   ein Facharbeit»- Nachweis für das Schneidergewerbe. In einer früheren Sitzung war beschlossen worden, etwaige Mehrkosten, die infolg« de» Fort- falle? der Einschreibegebühren entstehen, für diesen Nachweis im nächstjährigen Etat anzufordern, da der städtische Zuschuß bereits festgesetzt ist. Die für diesen Nachweis entstehenden Kosten sollten auS dem Etatsentwurf ausgeschieden und der Fehlbetrag auS den Ueberfchüssen d« diesjährigen Beihilfe gezahlt werden. Dieser Posten erfährt insofern eine Aenderung, daß durch den Fortfall der Einschreibegebühren, den daS betreffende Kuratorium be- schloffen hat, die Interessentenkreise selbst 5000 M. aufbringen und 3000 M. von d« früher gewährten Beihilfe der Stadt Berlin   ge- währt wird. Die Deputation beschloß serner, vom Vorstand deS Verein» für Arbeitsnachweis für die Zukunft den Nachweis zu fordern» wieviel Arbeitnehmer und Unternehm« aus den Vororten die Arbeitsnachweise benutzen. Es soll damit eine genaue Uebersicht geschaffen werden, in welchem Verhältnis die Beiträge der Vor« orte, die bis jetzt gering find, zur Arbeitsvermittelung, die nach den Vororten erfolgt, stehen. Vom Ausschuß deS Verbandes deutscher Arbeitsnachweise, der im Februar d. I. in zwei Sitzungen getagt hat, lagenGrundsätze über die Errichtung und Verwaltung von Facharbeilsnachweisen" undGrundsätze über da» Verkalten der Arbeitsnachweiser bei Streiks und Aussperrungen" vor. Hierzu waren Abänderungsanträge von einer vom Vorstand de» Berliner Verein» eingesetzten Kommission gestellt worden. Beschlossen wurde. diese Grundsätze nebst Abänderungen, üb« deren Bedeutung noch später zu berickten sein wird, in der nächsten Vorstandssitzung de» ZeniralvereinS für Arbeitsnachweis nicht zu Wthandeln. sondern die Entwickelung der Arbeitsnachweisfrage abzuwarten da. wie der Magistratsvertreter erklärte, versucht werden soll, üb« Groß-Berlin, eventuell durch Bildung«ine» Zweckverdandes, elne allgemeine Regelung vorzunehmen. Tie beteiligten Gewerkschaften ersehen hieraus, daß auf dem Gebiete der Arbeitsvermittelung iu Zukunft wichtige und ein­schneidende Neuerungen bevorstehen. Staötverorönetenvsrsammlung. 9. Sitzung vom Donnerstag, den 12. März 1914, nachmittag» 5 Uhr. Vorsteher M i ch e l e t eröffnet die Sitzung nach ölst Uhr. In den Ausschuß für die Lorlage betr. die Vermehrung der etatsmäßigen Beamtenstellen sind auch die sozialdemokratischen Mit- glieder Brückner. Mann. Dr. Wehl. Wurm. Zucht» in den Ausschuß für den Umbau deS Krauteuhause» M«chil auch Glocke. Schneider, TolkSdork. Dr 28 e hl. W ol. d e r» k v deputiert worden: in letzterem Ausschüsse führt Dr. Wehl den Vorsitz. D« Emp'angSkommiss on für den ,m Vkai diese» Jahres vorgesehenen Besuch von 30 Vertretern der Stadt Wien   in Berlin   gehören auch Bruns Heimanu, Ritter» Dr. Rosen feld, Dr. Wehl an. Tie Versammlung beginnt mit der Spezialberatung de« StadthanShaltSrtatS für 1914 auf Grund der Berichte des Etat Sausschusses. Stadtv. L iiser(A. L.) berichtet üb« die Abteilungen: Grund» stückc, Kalksteinbruch Rüdersdorf  , Dotationen, Renten, Abgaben, Polizeikosten, Feuerlöschivesen. Gewerbe- und Kaufmannsgericht, Standesämter. Oeffeutliche Beleuchtung. Straßenreinigung, Ab- ladewesen, Bedürfnisanstalten, Gemeindcfriedhöfe, Krematorium. Zu denP o l i z e i k o st e n" bemerkt Stadtv. Tr. Rosenfeld(Soz.): Die Kosten für die B«liner Polizeiverwaltung wachsen von Jahr zu Jahr; fie sind gegen das Vorjahr allein um 300 000 M. gestiegen. Trotz der wachsenden Ausgaben scheintteurer und schlechter" die Devise des Herrn v. Jagow zu sein. Anerkennen will ich dabei aber gern, daß in den Reihen der Polizeibeamten das moderne Bestreben, sich zu ver- einigen, sich zu koalieren, sich geregt hat. Die Schutzleute haben offenbar von den Arbeitern viel gelernt; sie haben es sogar zu einem Demonstrationszuge gebrocht, als ein gemaßregelter Kollege. Berlin   verlassen mußte. Wir haben den Wunsch, daß die Berliner  Schutzleute sich von ihren Vorgesetzten nicht unterkriegen lassen; wir werden fie in dem Bestreben, das.Koalitionsrecht sich zu er- ringen, unterstützen. Weniger erfreulich find die Erscheinungen, welche auf dem Gebiete der Schikanierung der Arbeiterschaft, der Jugendbewegung usw. durch die Polizei auch im vergangenen Jahre gezeigt haben. Herr v. Jagow hat durch seine Maßnahmen und Manifestationen ich erinnere nur an seinenKreuzzeitungs"- Artikel in der Zabernaffäre   offenbar die Qualifikation zum Reichskanzler nachgewiesen. Ich iocise hin auf die Schikanierung derFreien Volksbühne  ", auf die fortdauernde Spitzelwirtschaft in der Polizeipraxis; ich«innere an den Polizeiagenten Keiling, einen vielfach bestraften Verbrecher. Ganz besonders schikanös ist die Polizei gegen die Frauenbewegung vorgegangen. An dem Plakat Heraus mit dem Frauenwahlrecht" nahm die Polizei Anstoß; sie gestattete aber, daß die WorteHeraus mit dem" überklebt wurden undDas" dafür gesetzt wurde.(Redner breitet die beiden Plakate auf dem Tisch des HauseS aus.) Selbstverständlich stehen wir diesem Polizeisystem absolut ablehnend gegenüber. Vorsteher Michclet: Die Rednerliste ist erschöpft, die Debatte üb« das Kapitel geschlossen.(Rufe aus der Versammlung: Die Plakate wegnehmen! Rufe bei den Sozialdemokraten: Warum denn? ES kann sie ja noch einer sehen wollen! Stadtverord- neter Oberrealschuldirektor Dr. Xropfke wirft die Plakate vom Tisch. Stadtv. Hoffmann(Soz.) langt sie auf und breitet sie wieder auf dem Tisch des HaufeS aus, meldet sich gleichzeitig zum Wort.) Stadtv. Hoffmaun(zur Geschäftsordnung): In de» Parla- mentcn ist es üblich, wenn man etwas auf den Tisch de» HauseS legt, daß eS bis zum Schluß der Sitzung liegen bleibt, und ich bitte, auch hier so zu verfahren, selbst wenn hiu ein« an Rotscheu leidet. Vorsteher Michclet: Ich Hab« eben«klärt: die Debatte ist ge« schlössen; also sind die Plakate wegzunehmen.(Ein Saaldien« nimmt oie Plakate fort; die Unruhe dauert an.) Bei dem Etat für da» Gewerbe- und KanfmaonSgericht führt Stadw. May(N. L.) Klag« über die jetzige Art. wie die 28ahlen zu diesen Gerichlen vollzogen werden. Die Beteiligung lasse sehr zu wünschen übrig, die 2Lahlzeit liege sehr ungünstig. Die vom Magistrat angestellten Erhebungen sollten beschleunigt werden. Stadw. Hinve(Soz.): Den Wunsch einer anderweiten Auf- stellung der Wählerlisten haben auch wir. Aber worauf ist die Taffache zurückzuführen, daß so wenig Wähler eingetragen werden? Die Aufftellung der Listen geschieht durch die Polizeibureaus; Wünsche auf Aenderung find hier Verlautbart, auch wohl ent­sprechende Anträge angenommen worden; herausgekommen ist da- bei aber nichts. Rcmedur würde nur«folgen können, wenn bet Magistrat die Wählerliste selbst aufstellt. Das ließe sich leicht durch. führen, wen» die über 2000 Stadtsergeanien damit beauftragt würden; die wissen iu ihren Revieren viel besser Bescheid al» die Schutzleute. Wenn aber Herr May die schriftliche Stimmenabgabe empfiehlt, so ist da» einer solchen Wahl nicht würdig ODHol):... nein, selbst wenn eS anderswo Mode ist; ich stelle diese Laken- gerichte dafür viel zu hoch. Wer einiges Interesse dafür hat, muß auch so viel Zeit haben, seine Stimme persönlich abzugeben. Gewiß ist eS sehr bedauerlich, daß bei der letzten Wahl nur 15 Proz. ihre Stimmen abgegeben haben. Stadw. Gronewaldt(A L.) hält die Hilfe des Magistrat» bei der Aufstellung der Wählerlisten für«wünscht, befürwortet aber gleichzeitig schriftliche Stimmenabgabe. Die Arbeitgeber müßten ihren Angestellten Zeit geben, ihr Wahlrecht auszuüben; von den Arbeitgebern könnten aber etwa 40 Proz. nicht zur Wahl gehen, weil sie ihr Geschäft nicht verlassen können und die Entfernungen zu groß sind.(Rufe: Mögen fie doch Automobile nehmen!) Unter diesem Uebelstand litten sehr viele Kleingewerbetreibende. Auch die Stimmenzahl der sozialdemokratisch gesinnten Arbeitgeber würde sich bei solchem Abstimmungsmodus»«größern. Dann be- käme man auch ein klare» Bill» über die Stimmenzahl derjenigen, die wirklich wählen wollen. Gewerbe- und KauftnannSgertcht sollten endlich bessere Räume erhalten. Herr Hintze al» KaunnannSrickN« sollte diesen Wunsch unterstützen. Stadw. Ritter(Soz.): Liegt nacb dem Gewerbegerichtsgesetz überhaupt die Möglichkeit der schriftlichen Abstimmung vor? Ich muß das bezweifeln. Da» Berliner   Gewerbegericht ist nach meiner Meinung ein Glied der Berliner   Verwaltung(Zustimmung); die Einrichtungen diese» Gerichtes enffprechen aber modernen An» forderungen überhaupt nicht mehr. Noch heute ist das Gewerbe- geruht nicht im Besitz einer Schreibmaschine. Die Regelung der Geschäfte in den einzelnen Bureau» und Zimmern ist durchaus unzulänglich; es findet ein fast ununterbrochene» Herumziehen au» einem Zimmer in» andere statt. E» braucht gar nicht besonders laut gesprochen zu werden, so hört man trotzdem die Verhandlungen durch mehrere Zimmer hindurch. D« Magistrat sollt« dies» Be- schwerden auf ihre Berechtigung prüfen. Die Srxirsamkeit ist beim Gewerbes« icht übergroß; manchmal steht für Mitglieder des Eini- gung samt«» nicht einmal ein Bogen Papier   zu Gebote.(Wid«- spruch; Rufe: Taffache!) DaS Gewerbegericht ist tatsächlich daS Stiefkind der Berliner   Verwaltung. Stadtrat Loehning: Es ist eine ernsthafte Sorg« all« Sozial» Politiker, wie der Wahlmodus zu gestalten ist usw. ES ist eine Konimission in Tätigkeit; da» Ergebnis ihrer Beratungen hat für die letzten Wahlen noch nicht nutzbar gemacht werden können. Die Reformvorschläge gipfeln in der schriftlichen Wahl und in dem ver- such, an Stelle der jetzigen unvollkommenen Wählerlisten bessere zu schaften; man denkt dabei daran, die Polizeikommiffar« durch die Krankenkassen zu ersetzen. Der Magistrat wird mit Eifer diese Vorschläge weiter prüfen und noch im Laufe dieses Jahre» eine Vorlage auf Abänderung de» Statuts sowohl für die G«w«be- wie für die Kaufmannsgerichte einbringen. Die Beschwerden über die räumlichen Mißstände werden ebenfalls gründlich untersucht werden. Standesämter. Stadv. Schul,«(A.L.): Die Standesämter find laut Magistrats- Verfügung von 9 bis 2 Uhr wochentäglich geöffnet; an den Sonn- tagen bleiben sie hermetisch für das Publikum verschlossen. Wahr­scheinlich will der Magistrat den Standesbeamten die Sonntags- ruhe nicht verkümmern. DaS kann aber zu großen Unzuträglich- leiten führen. Wenn eiu Sterbesall Sonnabendmittag eintritt, dann sind die notwendigen Geschäfte unmöglich noch am Sonn- abend zu«ledigen; die Leiche muß von Sonnabendmittag bis Montagmittag in d« Wohnung verbleiben. Was da» heiße« will bei den hygienisch ungesunden Zuständen in den Kleinwohnungen, brauche ich nicht auszumalen. Es sollten lme früher für Sterbe- fälle auch Sonntags die Standesämter geöffnet werden. Allerdings wohnen von 16 Standesbeamten nur 5 in Berlin.  (Beifall.) Stadtsyndikus Hirsekorn: Gesetzlich mutz jeder St«befall spätestens am nächsten Wochentage mitgeteilt werden; Totgeborene am nächsten Tage. AuS diesem letzteren Grund« waren_ die Standesämter früh« Sonntags für Todesfälle überhaupt offen. Bor acht Jahren ab« ist eine Aend«ung des Personenstandsgesetzes zustande gekommen, welche letzter« Bestimmung aufhob. Die Ge-