Einzelbild herunterladen
 

Ur. 74.

9

5 Pfennig

Abonnements- Bedingungen: Abonnements Preis pranumerando: Bierteljährl. 3,30 Mt., monatl. 1,10 m., wöchentlich 28 Pfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Bfg. Sonntags. nummer mit illustrierter Sonntags. Beilage Die Neue Welt" 10 Pfg. Post­Abonnement: 1,10 Mark pro Monat Eingetragen in die Post- Zeitungs­Breisliste. Unter Kreuzband für Deutschland und Desterreich Ungar 2,50 Mart, für das übrige Ausland 4 Mark pro Monat. Postabonnements nehmen ant: Belgien , Dänemart, Holland , Italien , Luxemburg , Portugal Rumänien , Schweden und die Schweis

Ericheint täglich.

Montagsausgabe

5 Pfennig

Vorwärts

31. Jahrg.

Die Infertions- Gebühr Beträgt für die sechsgespaltene Kolonel geile oder deren Raum 60 Pfg., für politische und gewerkschaftliche Vereins. und Versammĭnungs- Anzeigen 30 Pig. ,, Kleine Anzeigen", das fettgedruckte Bort 20 Pfg.( zulässig 2 fettgedruckte Worte), jedes writere Wort 10 Pfg. Stellengesuche und Schlafstellenan zeigen das erste Wort 10 Pfg.. jedes weitere Wort 5 Bfg. Worte über 15 Buch­staben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.

Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenftraße 69. Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 1983.

Der Mbret.

-

Montag, den 16. März 1914.

ziere steht. Von dieser Gendarmerie erzählt man sich heute schon muntere Stückchen. Der Sicherheitstruppe in Alessio Die

Expedition: S. 68, Lindenstraße 69.

Fernsvrecher: Amt Morisvlas, Nr. 1984.

Die kommende neue Heeres­

vorlage.

war zu Ohren gekommen, daß sie als zu kostspielig und als überflüssig aufgelöst werden sollte. In der nächsten Nacht Salutschüsse, Nationalhymme, rotschwarze Wimpel und schon tat sie ihre Unentbehrlichkeit glänzend dar. Es drangen mangelhaft präsentierte Gewehre so kam der Mbret von nämlich Malissoren in die Stadt, um den Bazar zu plündern, Das Kanzlerblatt, die Nordd. Allg. 3tg.", hat die Nach­Albanien vor acht Tagen in Durazzo an. Inzwischen wird er wurden aber in einem glorreichen Feuergefecht von der Truppe richt, daß eine Vermehrung der Kavallerie und Neu­sich häuslich eingerichtet und manche Erkenntnis gewonnen zurückgeschlagen. Erheblicher Patronenverbrauch auf vierzig bewaffnung der Artillerie geplant sei, deren Kosten sich haben, von der er sich in Potsdam und Neuwied nichts träu- Schritt Entfernung das ließ in argwöhnischen Gemütern schäzungsweise auf eine halbe Milliarde Mark belaufen, nach men ließ, wie etwa die, daß hierzulande ein Kammerjäger den Verdacht aufsteigen, daß die Stäuber" vielleicht nicht ganz dem üblichen offiziösen Dementierschema bestritten, das heißt, nötiger ist als ein Leibjäger. Auch sonst dürfte ihm eine zufällig den Weg zur Stadt gefunden hatten, aber so wenig sie hat nicht geleugnet, daß in militärischen Kreisen eine solche Ahnung davon aufgedämmert sein, daß der cäsarisch stolze Grundsak, lieber in Durazzo der erste zu sein als in Potsdam der soundsovielte, doch seine Mucken hat. Denn wer sich nicht durch den Brimborium täuschen ließ, mit dem die Hurra­patriotenpresse in Deutschland die Fahrt Wilhelms I. nach seinem neuen Lande begleitete, weiß, daß die Lage des Mbret wie die Lage des Landes unglücklicher ist denn je.

wie bei der Rockspitelei einer westeuropäischen Polizei war etwas Sicheres nachweisbar.

Mit jenem Gesindel und dieser Gendarmerie ein Land zu erobern, das in seinem Süden heute schon in hellem Auf­stand steht, müßte dem Mbret selbst mißlingen, wenn er ein Stratege von napoleonischem Scharfblick wäre. So wird bald schon von wüsten Verwickelungen in Albanien die Rede Während die fingerfertigen Federfuchser solch hurra- sein und wenn nicht wieder internationale Verwickelungen patriotischer Blätter seit Wochen des Längeren und Breiteren daraus erwachsen, kann sich Europa Glück wünschen. Die von der einhelligen Begeisterung zu berichten wußten, mit der Sozialdemokratie aber darf der Entwickelung der Dinge mit das albanische Volf dem Prinzen zu Wied entgegenharre, Ruhe zusehen. Es ist wahrhaftig nicht der Neid von Republi­haben wir stets darauf hingewiesen daß die Masse des albani- fanern auf eine neu entstandene Monarchie, der sie den Taten patriotisch- bürgerlichen Journalistenkreisen spöttelt man offen schen Volkes von dem Mbret aus Neuwied entweder nichts des Mbret mit äußerster Stepsis entgegenschauen läßt, denn weiß oder nichts wissen will. Diese unsere Auffassung be-| wenn alle Kronen so locker auf den zugehörigen Köpfen stätigt ein Artikel der Frankfurter Zeitung " aus Durazzo , fäßen wie die albanische, könnten sich die Republikaner ruhig in dem es heißt: Geradezu erstaunlich ist der Gleichmut, schlafen legen. Der nächste Windstoß schon würde das mit dem die ungebildete Menge, d. h. die große Mehrheit der Seine tun. Bevölkerung, dem Einzuge zusah." Erstaunlich? Nein, aber selbstverständlich! Und das ist die Hafenstadt Durazzo , die

Reſidenzſtadt, in der doch auch der zerlumpteste Sammel etwas Der serbisch - türkische Friedens- fie anderswo ausgebrütet worden sind, lediglich dem Kanzler

notwendig betrachtet und für sie mit allen Kräften gearbeitet " Bervollständigung unserer Rüstung" als wird, sondern nur, daß dem Reichstage schon demnächst" eine neue Wehrvorlage in der Höhe dieses Kostenbetrages zu­gehen werde. Dieses kuriose Dementi hat denn auch selbst auf mattliberale Blätter wenig Eindrud gemacht; das Ge­rücht, daß baldigst der lezten großen Heeresvorlage eine kleinere Ergänzungs- oder Nachtragsforderung im bescheide­nen Betrage von ungefähr einer halben Mil­liarde folgen wird, will nicht verstummen. Wer nimmt auch heute, nach dem bunten Verier- und Dementierspiel des mentis der Nordd. Allg. 3tg." noch ernst? Selbst in Kanzlerblattes bei der letzten Wehrvorlage, die offiziösen De­über die chronische Dementier- Diarrhöe des ehrsamen Kanzlerblattes und glaubt auf Grund alter Erfahrungen, daß die Bestreitung einer politischen Meldung durch dieses Blatt weit mehr für deren Richtigkeit als unrichtigkeit zeugt. Zudem weiß nachgerade selbst ein politisches Baby, daß neue Heeresvorlagen weder im Reichskanzleramt, noch im Kriegsministerium ihren Ursprung haben, sondern nachdem und Kriegsminister zur legislativen zurechtstugung und zur bon dem neuen Fürsten gehört hat und wo der Stammes. Verteidigung vor dem Reichstag überlassen werden. partikularismus so ziemlich erloschen ist. Wie aber erst, wenn Weit schwerer als alle albernen Dementis des Reichs. man zwei Stunden ins Innere wandert und auf die Stämme Nach langen Verhandlungen ist am Sonnabendnachmittag der fanzlerblattes wiegt deshalb die Tatsache, daß die Militär­stößt, die noch in holder Waldursprünglichkeit wie vor zwei- türkisch- serbische Friedensvertrag von den beiderseitigen Delegierten verwaltung vorläufig noch mit der Durchführung der letzten tausend Jahren dahinduseln und die weit eher den pytha- unterzeichnet worden. Zugleich wurden die diplomatischen Be- Wehrvorlage zu tun hat und eine Aufstellung neuer Truppen­goräischen Zehrsaz erfassen würden als den Begriff eines ziehungen zwischen der Türkei und Serbien wieder aufgenommen teile deshalb hier und dort den fertiggestellten Organi­,, albanischen Volkes" und einer nationalen Zusammenge- und von der legtgenannten Macht der Generalsekretär des serbischen fationsplan durchbrechen würde. Aber auch dieser Grund gehörigkeit". Ihnen ist der Mbret Wilhelm I. in Durazzo so Ministeriums des Aeußern Stefanowitsch, der mit Reschid wie die offenkundige Abneigung der süddeutschen Regie­gleichgültig wie Herr Erzberger in Berlin und so lange er Beh den Vertrag unterzeichnete, der Pforte als serbischer Gesandter rungen gegen die fortwährende Beunruhigung der Bevölke­sie in Frieden läßt, werden sie auch ihn nicht behelligen. Denkt in Konstantinopel vorgeschlagen. aber dieser neue Schüßling von Gottes Gnade in frebelhaftem Leichtsinn daran, Steuern einzutreiben und schon der Ver­brauch des Hofes an Insektenpulver wird erkleckliche Sum­men verschlingen, dann gehen die Flinten in allen Berg­nestern von selber los und über den Gleichmut seines" Volkes wird sich der Mbret dann nicht mehr beklagen können.

Allerdings sitt Wilhelm I. heute noch auf einem großen Sad voll Dukaten, der den Vorschuß der Großmächte ent­hält, und in diesem Sack mit Dukaten wurzelt das mon­archische Gefühl und die Anhänglichkeit an den Mbret, die in einzelnen albanischen Kreisen plöglich so stürmisch aufge­wallt sind. Das ist die sogenannte Intelligenz", die von einer guten Rennerin Albaniens , der Freiin von Godin, charakterisiert wird als eine Gruppe von Leuten, die mit feinem Worte verächtlich genug gekennzeichnet werden kann und die ebenso hassenswert und verderblich als unverbesserlich und unrettbar ist, weil sie die alten und in ihrer Weise so strengen Rechts- und Ehrbegriffe des albanesischen Volkes ver­loren hat, ohne daß sie dafür die Rechtsbegriffe Euro­ pas annahm, so daß sie vollig ohne Charakter und Ueberzeugung, seinen anderen Gedanken, kein anderes Motiv mehr fennt als den eigenen Vorteil. Diesen Leuten, die auf die Gunst der von ihnen umschmeichelten Regierung und der Mächtigen bauend, ihre Untergebenen ausnügen, so weit es denkbar möglich, ist nichts heilig, weder der Freund noch ihr Wort noch der eigene Bruder, nur der Gewinn. Sie sind im­stande, sich und ihre Ehre für einen Acker zu verkaufen und wiederholen den Handel, so oft es geht, und wenn es nicht täglich geschieht, so liegt es gewiß nicht an ihnen oder irgend welchen Gewissensskrupeln, sondern einzig daran, daß sich nicht täglich eine Gelegenheit findet."

-

Dieses Gesindelman fann es nicht oft genug wieder­holen! bildet den einzigen Anhang des Mbret, denn auf die albanischen Feudalherren wie Essad Pascha ist natürlich erst recht kein Verlaß, dieses Gesindel brüllt sich mit Huldi­gungsrufen die Kehle heiser, um sie dann mit gespendetem Raffi ordentlich auszuspülen, dieses Gesindel wird mit ,, alt­albanischer Treue" bei Wilhelm I. ausharren, bis der letzte Dukaten des Vorschusses zwischen seinen schmutzigen Fingern verschwunden ist. Dann schlägt es sich auch seitwärts in die Büsche.

Neben diesem Gesindel verfügt der Mbret noch über die Gendarmerie, die von der internationalen Kontrollfommission eingerichtet wurde und unter dem Befehl holländischer Offi­

vertrag.

Ueber den Wortlaut des Friedensvertrages wird telegraphisch aus Konstantinopel gemeldet:

Konstantinopel , 15. März. Das Prefsebureau veröffent­licht den Text des serbisch - türkischen Friedensvertrages. Artitel 1 bestimmt: Die beiden Teile betrachten den Zon­doner Friedensvertrag als ratifiziert. Die früheren Verträge werden wieder in Kraft gesetzt, die diplomatischen und Konsular beziehungen werden unverzüglich wiederhergestellt werden.

Artitel 2 betrifft den Austausch der Kriegsgefangenen und lautet analog den Bestimmungen des türkisch - bulgarischen und türkisch - griechischen Friedensvertrages.

-

rung durch neue Militärforderungen spielt für die sogen. maßgebenden preußisch- militärischen Kreise und die ihre Be­strebungen unterstüßenden Rüstungsprofitler feine Rolle- denn die wichtigste Vorbedingung für die Durchführung ihrer neuen Rüstungspläne ist ja nach ihrer Meinung vorhanden: das Geld. Die Wehrsteuer wird, das steht heute schon fest, einen beträchtlichen Ueberschuß ergeben mindestens einige Hundert Millionen Mark mehr, als der Voranschlag beträgt, pielleicht sogar eine halbe Milliarde mehr. Und dieses Geld muß nach militärischer Logik unbedingt verpulvert werden. Zwar die Reichsfinanzlage ist miserabel; die Verwendung Artikel 3 enthält die Bestimmungen über die Amnestie. des Wehrsteuer- Ueberschusses zur Schuldentilgung oder für Artikel 4 regelt die Frage der Staatsangehörigkeit und Kulturaufgaben wäre entschieden vernünftiger; doch die For­bestimmt: Die in den an Serbien abgetretenen Gebieten wohn- derungen der militärischen Kreise und der Rüstungsinter­haften Personen werden das Recht haben, innerhalb dreier Jahre essenten haben nichts. mit der Vernunft zu tun, weder mit der für die türkische Nationalität zu optieren. Die von dort gebürtigen reinen noch mit der praktischen. Sie werden in der Haupt­und im Auslande wohnhaften Personen werden das Recht haben, fache durch Avancements-, Gehalts- und Profitrücksichten be­für die serbische Nationalität zu optieren, in welchem Falle sie stimmt; und so schließen denn die Generalstäbler kurzweg, der nicht mehr nach der Türkei zurückkehren können. Die Musel- Wehrsteuerertrag ist für Rüstungszwecke bestimmt, folg. manen werden während der Optionsfrist nicht zum Militärdienstlich muß er auch völlig für Rüstungszwede herangezogen werden und keine Militärtare zahlen. Artitel 5: Die Grundeigentumsrechte von Privatpersonen, aufgebraucht werden.

werden.

werden.

Artikel 7: Die Wakufs werden respektiert, und nach dem Scheriatgeseze von den betreffenden muselmanischen Religions­gemeinden verwaltet werden. Die Wakufzehnten werden aufge= hoben. Die ferbische Regierung wird denjenigen Institutionen, bie infolgedeffen teine genügenden Einkünfte haben werden, Eub­ventionen gewähren.

-

die vor der Offupation erworben wurden, werden respektiert Und um Gründe für neue Rüstungen ist man nicht ver­legen; man holt einfach die alten abgenutten Argumente Artikel 6: Die Privatgüter des Sultans und der Mit- wieder hervor und bügelt sie neu auf: Deutschland sieht sich glieder der ottomanischen Dynastie werden respektiert. We von neidischen Feinden umgeben, die seinen weltpolitischen Streitfragen werden dem Haager Schiedsgerichte unterbreitet Interessen hindernd in den Weg treten, deshalb muß es für aber eine technisch auf der Höhe stehende Artillerie, also mehr alle Fälle gerüstet sein; das Wichtigste ist im Zukunftskrieg Steilfeuergeschüße, Schrapnell- Granaten usw.; auch die Verstärkung der Kavallerie um einige Regimenter ist redyt nüßlich und sollten dann noch einige Milliönchen übrig bleiben, so könnte deren Verwendung für Luftschiffahrts­zwecke ebenfalls nichts schaden, damit wir den Vorsprung Frankreichs oder Englands einholen usw. ad libitum. Bereits wird denn auch von gewissen konservativen und rechtsnationalliberalen Blättern offen in dieser verlogenen Weise argumentiert, indem man zugleich der Regierung zu verstehen gibt, daß, wenn der Reichstag die neue Heeresvor­lage ablehnen sollte, sich ja die schönste Gelegenheit bieten würde, den jetzigen Reichstag aufzulösen und ihn ver­Artitel 9: Die muselmanischen Privatschulen werden an- mittels eines recht kräftigen Appells an das erkannt. vaterländische Herz nach altem Rezept durch Artikel 10: Das Grabmal Murads auf dem Amjelfelde einen reaktionären Reichstag zu ersetzen, wird erhalten und respektiert werden. der auch für alle schönen Zollerhöhungsforderungen der Artikel 11: Da die Königlich serbische Regierung bezüglich agrarisch- großindustriellen Koalition zu haben wäre. der Gesellschaft der Orientbahnen und der Bahn Saloniki­CD Monaftir für die Teile, die in dem an Serbien abgetretenen Geschreibt z. B. der ehemalige Bismard- Moniteur, die rechts­biete gelegen find, in die Rechte, Lasten und Verpflichtungen der nationalliberalen Hamburger Nachrichten": ottomanischen Regierung tritt, werden alle betreffenden Fragen der Pariser Finanzkommission übertragen werden.

Artikel 8: Die serbische Regierung erkennt den serbischen Untertanen muselmanischer Religion in den abgetretenen Ge­bieten die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte zu, wie sie den übrigen anderen Konfessionen angehörenden Serben zuer­fannt sind. Sie werden die Freiheiten der Kultusübung genießen. Die Ernennung des Obermuftis findet nach den Bestimmungen des griechisch- türkischen Vertrages statt. Die von den Muftis gefällten Urteile werden durch die kompetenten serbischen Behörden in Vollzug gesetzt werden.

Artikel 12: Die Ratifitationen werden innerhalb eines Monats in Ronstantinopel ausgetauscht werden.

Sollte sich die Regierung nach pflichtmäßigem Ermessen wirklich gedrungen fühlen, in näherer 8ukunft mit neuen militärischen Forderungen an den Reichstag heranzutreten, so würden diese unter feinen Umständen eine neue Belastung des