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1880 t» Berlin 27,7, in Charlottenburg 29,1 Proz.; im Durchschnitt der Jahre 1901 bis 1908 nur noch 17,2 bzw. 13,5 Proz. Die vorwiegend ländlichen Regierungsbezirke des Ostens zeigen dagegen nur sehr geringe Fortschritte. Ja in einigen Derselben sind die Verhältnisse sogar noch schlimmer ge» Nxorden. So starben im Durchschnitt der Jahre 1875 bis 1880 in den Regierungsbezirken Gum binnen, Stralsund , Stettin von je 100 der ehelich Geborenen vor Vollendung des ersten Lbensjahres 20,3, 18, 21; im Zeitraum 1901 bis 1908 dagegen 20,6, 21,3, 22,6! Man muß sich wundern, wo die konservativ-klerikalen Beherrscher der ländlichen Verwal­tungen angesichts solcher Tatsachen den Mut hernehmen, in Sachen des Bevölkerungszuwachses mit Anklagen gegen die städtische Bevölkerung auf den öffentlichen Markt zu treten. Das dunkelste Kapitel im Schuldbuch der herrschenden Kaste ist der Massentod der unehelichenKinder. Während die Sterblichkeitsziffer für die ehelich Geborenen im Deutschen Reiche für die Jahre 1910/11 sich auf 15,2 und 18,2 stellte, betrug sie für die unglücklichen Wesen die außerhalb eines ehelichen Schutzgeheges das Licht der Welt erblickten, 25,7 und 29,9 vom Hundert. Und auch hier stehen die Gebiete, wo konservative Männer noch unbestritten im Regiment sitzen, vorne an. In Mecklenburg Strelitz starben in den genannten beiden Jahren 30,7 und 30,5 Proz. der unehelichen Säuglinge wieder dahin. Und in W e st p r e u ß e n, wo der echteste aller echten Preußen, Herr Elard v. Oldenburg , bei Tag und Nacht für Religion, Sitte und Ordnung wirkt, hauchten über ein Drittel der außerehelich Geborenen, nämlich 36,9 und 35,7, ihr junges Leben alsbald wieder aus! Die absolute Zahl der 1911 iw Deutschen Reich dahin gestorbenen außerehelich geborenen Säuglinge belief sich auf 50 757. Das ist die Bewohnerschaft einer respektablen Mittel stadt! Solange die am Regiment sitzenden Herren nichts Durchgreifendes tun, um diesem Massenverlust an jungem Leben zu begegnen, müssen wir ihmen jedes moralische Recht absprechen, sich als Prediger Stic Volksvermehrung auf zuspielen. Und was würde denn eine zwrmgsweise Vermehrung der .Geburtenzahl bewirken, wenn nicht zugleich für eine durch greifende Erhaltung des jungen Menschenmaterials gesorgt würde? Doch nur ein erhöhtes Wegsterben der erhöhten Kinderzahl. Solange nicht eine ausreichende öffentliche Für sorge Mutter und Kind vor Hunger, WohnungSelend und .Krankheit schützt, bleibt das Gesetz bestehen: je mehr Ge burten, je mehr Kindergräber! Der Berliner Arzt Dr. K a r l H a m b u r g e r hat vor einigen.Jahren eine Untersuchung veröffentlicht, die diese Tatsache in grausamster Deutlich'-eit zeigt. Er untersuchte für 1042 Proletarierehen, wieviel von den insgesamt 7621 Konzeptionen vergeblich gewesen, das heißt, nur zu Fehl- geburt oder Kindertod geführt hatten. Da ergab sich folgendes Resultat: wurden �en«mgen also im vorzeuig tot geboren AindeSalter zugrunde 1 gebürtigen Ehen 2.S Proz. 20,6 Proz. 23,5 Proz. 9~ 8,4. 24,7 83,1. 8.,.9,7 21,9. 31,6. 4. 9.7. 29.2. 38.9. . 5,. 12,3. 27,7. 40,0. 6.. 15,0. 29,6. 44,6. 7. 15,1. 81,0. 46,1, '"8.. 19,2. 82.3 51,5. 9. 15,9 36,1, 52,0. 10. 20,0 36,0. 55,0. 11. 20,3 84,7. 55,0. 12. 20,5 36,1 56,6 1315,, 22,9, 37,0, 59,9 Wer 15. 30,8 38,5. 69,3. Lon den Kindern auS Von sämil. Kindern 17,9 Proz. 32,7 Proz. 50.6 Proz. Insgesamt gingen also in diesen Proletarierehen 50,6 Proz., d. h. über die Hälfte der empfangenen Menschenkeime, wieder zugrunde. Bei den eingeburtigen Ehen waren is nur 23,5 Proz., bei den fünfgeburtigen schon 40 Proz., bei den zehngeburtigen 55 Proz. und bei denen mit mehr als 15 Niederkünften 69,3 Proz. Ueber zwei Drittel des erzeugten Nachwuchses sank in solchen Vielkinderehen vorzeitig ins Grab! Angesichts solcher Tatsachen ist es einfach Tollheit, die Bevölkerungsvermehrung auf dem Wege der Erschwerung der Konzeptionsverhütung für den ärmeren Teil der Be­völkerung erzwingen zu wollen. Und es ist ein Frevel an- gesichts der weiteren Tatsache, daßHunderte und Tausende von Arbeiterfraueil an diesemKindersegen" zugrunde gehen!"(Dr. Hamburger.) Nicht blindwütige Vermehrung der Geburten, sondern sorgsamste Erhaltung der einmal Geborenen, auch über das Säuglingsalter hinaus das muß die Losung sein. In welchem Grade die Eindämmung des Kindersterhens den Geburtenrückgang kompensieren, ja überkompensieren kann, das zeigt die im Königreich Sachsen seit 1903 geführte amtliche Statistik über das Weiterleben der Neugeborenen der einzelnen Jahrgänge. Danach ergibt sich z. B. folgender Vergleich der Jahr- gänge 1903 und 1906: ..... Davon überlebten da» Lebend- 1 2 3 4. 3. geborene Lebensjahr: 1903... 148 852 112 346 107 840 106 505 105 658 105 012 1906... 144 951 114 894 110 994 109 738 108 967 108 407 Vom Jahr­gang 1906 lebten3905-i-1048+ 3 154+ 3 233+ 3 309+ 8 395 Schon.m zweiten Jahre hatte also der Jahrgang 1906 sein Minus an Geburten von 3901 in ein Plus von 1048 verwandelt. In das 6. Lebensjahr treten von ihm 3395 Kinder mehr ein als vom Jahrgang 1903. Im Jahre 1904 kamen 149 744 Lebendgeborene zur Welt. davon überlebten das 3. Lebensjahr 107 530. 1908 betrug die Zahl der Geburten 139 872, also 9872 weniger: das 3. Lebensjahr überlebten von diesem Jahrgang aber 108 612, also 3082 mehr. Der nächste Jahrgang 1909 blieb mit 136 721 Geburten um 12131 hinter dem von 1903 zurück. Bereits nach dem zweiten Lebensjahr aber war dieses Defizit in ein Plus von 1070 verwandelt. Diese Beispiele mögen genügen. Sie zeigen die Wirkung einer verbesserten Säuglings- und Kinderfürsorge evident. Hier liegt also ein gewaltiger Hebel, den Bevölkerungs- zuwachs zu heben. Die weiteren Positionen einer solchen auf Menschenökonomie aufgebauten Bevölkerungs- Politik lauten: Schulkinderfürsorge. Jugendlichenschutz, Ar- beiterschutz, Gewerbehygiene, Wohnungshygiene, kurz Sozialpolitik auf der ganzen Linie. Und dazu: eine auf Hebung der Einkommens und Lebensverhältnisse der breiten Volks mafse gerichtete Wirtschaftspolitik! Alles Dinge, die den reaktionären Gebärzwangschreiern ein Scheue! und Greuel sind, sintemalen sie ihren Geldsack bedrohen!__ politische Uebersicht. Steuer» zahlen, Soldat spiele» und Maul halte»! Zu diesem Grundsatz der echt preußischen Leute bekannte sich in der Sonnabendsitzung deS Abgeordnetenhauses bei Beratung des Grundteilungsgesetzes der konservative Abg. Weiß ermel. Am Tage vorher hatte Braun zutreffend ausgeführt, wenn man die Sozialdemokraten vom Landerwerb ausschließe, dann solle man sie auch gleich vom Steuerzahlen und vom Militärdienst ausschließen. Nach einer schlaflosen Nacht hatte sich Herr Weißermel endlich auf eine.schlagende" Erwiderung vorbereitet. Zum Steuer> zahlen und Mtlilärdienst, meinte er, brauche man die Sozialdemo� kraten. aber vom Parlament könne man sie ja ruhig ausschließen. Die Junker lachten ob dieses.Witzes", ohne zu merken, wie sehr sie dadurch ihrer selbst spotteten. Denn daß die Sozialdemokraten heute schon vom Dreiklassenparlament so gut wie aus- geschloffen sind, da» sollten doch auch die durch die Gunst des Dreiklassenwahlunrechts zu preußischen Gesetzgebern ernannten Herren wissen. Leider wurde unserm Genoffen Hofer durch den obligaten Schlußantrag eine sachliche Erwiderung unmöglich gemacht, er mußte sich auf eine kurze Bemerkung zur Geschäftsordnung be> schränken, worin er auf die Rechtlosigkeit der großen Mehrzahl der preußischen Steuerzahler hinwies. Die Debatte selbst, die mit der Ueberweisung deS Gesetzentwurfs und aller dazu vorliegenden Anträge an eine besondere Kommission endete, bot wenig Bemerkenswertes. Die Parteien hatten ihre Stellungnahme schon am ersten Tage präzisiert und wfolgedeffen fand die zweite Garnitur von Reden kaum noch da? Ohr des Hauses. Interessant ist einzig und allein das als Antwort aus die Ausführungen des Dänen Nissen gemachle Eingeständnis des Ministers v. Dallwitz, daß das Gesetz tatsächlich ein A u S n a h m e g e s e tz ist. Wenn er auch in Aussicht stellte, daß eS in der Nordmark sehr wenig angewendet würde, so gab er doch zu, daß daS Vorkaufsrecht nötig sei zur Abwehr deS Treibens der polnischen Parzellierungsbanken und deS TerroriSmuS, der den Polen die Veräußerung ihres Besitzes an Deutsche oder an die AnsiedelungSkommisfion unmöglich mache. Die Polen werden dem Vertreter der Regierung für seine Offenheit Dank wissen. Nach Ueberweisung des Entwurfs an die Kommission begann daS Haus die Beratung des Gesetzentwurfs betr. Erweiterung deS Stadtkreises Köln, vertagte aber die Debatte, nachdem der Vertreter Kölns , Abg. Trimborn, in längerer humoristischer Rede die Notwendigkeit der Eingemeindungen betont hatte. Am Montag stehen außerdem kleinere Vorlagen und kleinere Etats auf der Tagesordnung. _ Borna -Pegau . Nach der nunmehr erfolgten amtlichen Fe st st el- l u n g wurden bei der am 17. dieses Monats im 14. sächsischen Wahlkreise vorgenommenen Reichstagsersatzwahl von 29 357 Wahlberechtigten 27 239 gültige Stimmen abgegeben. Es er- hielten Parteisekretär R y s s e l- Leipzig(Soz.) 12 677. Gene- ralleutnant z. D. v. L i e b e r t- Berlin-Wilmersdorf(Reichs- Partei) 8641, Kaufmann N i tz s ch k e- Leutsch(National. liberal) 6519 Stimmen. Zwei Stimmen waren zersplittert. Zu der zwischen dem Sozialdemokraten Ryssel und dem Reichsverbandsgeneralissimus stattfindenden Stichwahl läßt sich dasVerl . Tageblatt" aus Dresden schreiben: Aus den Kreisen der Fortschrittlichen VolkSpartci Sachsens , und darunter aus sehr angesehenen Parteilreisen, werden wir darauf aufmerksam gemacht, daß die notgedrungene Haltung der Parteileitung gegenüber der bevorstehenden Stich- Wahl in Borna -Pegau zwar dem leider bestehenden Beschluß der sächsischen Landesversammlung von 1912, nichtaberderpoli- tischenSituation entspricht. Man wolle der Parteileitung keinen Borwurf machen, wenn sie in Borna -Pegau keine Wahl- Parole gegen Herrn v. Liebert ausgebe, sie könne nicht anders. Aber es wäre eine äußerst kurzsichtige politische Taktik, heute in diesem Kreise nicht auch den letzten libe- ralen Wähler einzusetzen, um die Rückkehr eines Man- nes wie Liebert in den Reichstag unter allen Um- ständen zu verhindern. Nach uns zugehenden Miitei- jungen hofft man unbedingt, daß trotz der Nichtausgabe einer Wahlparole bei den volksparteilichen Wählern des Kreises so viel Verständnis für die politische Lage zu finden sein wird, um unbeirrt durch das Mißfallen aller Reaktionäre und trotz grundsätzlicher Bekämpfung des sozialdemokratischen Partei- Programms der Lage entsprechend für den Sozialdemo- kraten einzutreten." Die Stellung des Zentrums zum Duell. Um die jämmerliche, rechnungSträgerische Haltung des Zentrums gegenüber dem Duellunfug in ihrer ganzen Größe beurteilen zu können, muß man die drakonischen Gebote kennen, durck die die katholische Kirche seit Jahrhunderten den Zweikampf aus der Welt zu schaffen trachtet. Wir lesen darüber in dem bischöflich approbierten.Kirchlichen Handlexikon"(München 1912) unter anderm: .DaS Duell kam im 15. Jahrhundert in den romanischen Ländern auf und fand vom 16. Jahrhundert an auch in Deutsch - lond große Verbreitung. ES ist vom sittlichen Standpunkt auS durchwegs zu verwerfen, da es tn Widerspruch steht mit der Offenbarungswahrheit, daß der Mensch nicht Herr ist über sein Leben; b) die christliche Ordnung in der Wertung von Ehre und Leben umstürzt; c) zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes ganz ungeeignet ist und endlich ck> einen eigenmächtigen und un- berechtigten Eingriff in die geordnete Rechtspflege darstellt, Darum wurde eS von der Kirche stets unter den strengsten Strafen verboten; die entsprechenden Bestimmungen des Konzils von Trient wurden durch die Lull« Apostolioae Sedis dabin verschärft, daß der ipso facto(durch die Tat. also ohne weiteres I) eintretenden, dem Papste einfach reservierten Ex« kommunikation verfallen nicht nur die Duellanten, sondern auch alle, die zum Duell herauSsordern oder ein solches annehmen, alle Mitschuldigen(Selundanten). Hilfe- leistenden(dazu bestellte Aerzte) und absichtlich Zu- schauenden sowie alle jene, die ein Duell gestatten aoer es, soweit es in ihrer Macht liegt, nicht verhindern, ouiua- oumqiie dlgnitatis sint, etiam regalis et imperialis. Duellanten wie Sekundanten ziehen sich auch kirchliche Infamie und damit Irregularität zu; ersteren ist, falls sie an einer im noto - rischen Zweikampf erhaltenen Verwundung sterben, nach der Er- klärung Benedikts XIV. das kirchliche Begräbnis auch dann zu verweigern, wenn fie vor dem Tod« noch di« heiligen Sakramente empfangen haben. Was di« weltliche Gesetzgebung betrifft, fo bestehe» in England, Nor­ wegen , Frankreich keine besonderen Bestimmungen aeaeu da» Duell; Tötung oder Verwundung im Zweikampf fällt unter die allgemeinen Strafgesetze...." ES verfallen der Ausstoßung au» der Kirche also nicht nur die Duellanten selber, sondern auch diejenigen, die das Duell nicht ver« hinderten, ferner die Sekundanten, ja die Aerzte und sogar die ab« fichtlich Zuschauenden, und dem Getöteten wird das kirchliche Be« gräbnis verweigert. Das alles sind Strafen von nicht zu über« bietender Strenge. Was tut aber angesichts des in dieser Weise von der Kirche bewerteten Duellfrevels diejenige Partei, die sich immer wieder als die einzig zulässige politische Organisatton für alle gläubigen Katholiken bezeichnet? Man schaue nur nach, was in diesen Tagen die Zentrumspresse wieder schrieb: Wenn man das Duell in der Armee nicht überhaupt verbieten will, so sollte man wenigstens den Duellzwang aufheben. Würde dieser beieitigl sein, dann würde das Aergernis des Duells in militärischen wie in nichtmilitärischen Kreisen sofort verschwinden." Das schrieb die.Germania"(Nr. 115), das Fraktionsorgan deS Zentrums, am Tage vor der Beratung der Duell- interpellation. Und dieKölnische Volkszeitung" (Rr. 220) schloß zwei Tage vor der Interpellation einen Artikel mit dem Satze:»Der Duellzwang muß aus der Armee verschwinden, wenn nicht auf einmal, so schrittweise". Kann man sich eine freundlichere Ermunterung an die Regierung denken, auf die Interpellation zu pfeifen? Den Reichskanzler aber fragten die Zentrumsinterpellanten, welche Maßnahmen er zu er- greifen gedenke,um dem Zweikampf im Heere wirksam(I) entgegenzutreten". Weläen Eindruck konnten Gröbers Tiraden nach solchem Vorspiel noch auf die Regierung machen, abgesehen davon, daß auch Gröber sich von unserem Fraktionsredner sagen lassen mutzte, daß er gegen seinen früheren Duellantrag einige Pflöcke zurückgesteckt habe. Der Kampf des Zentrums gegen das Duell wird aber nicht von sittlichen, sondern von.staatsmännischen" Erwägungen bestimmt. Um es nicht mit den Konservativen zu verderben, trägt es den Instinkten der Junkerkaste Rechnung. Schon bei früheren Militär­vorlagen hätte da» Zentrum, wenn es nur ernstlich gewollt hätte. seine Zustimmung davon abhängig machen können, daß erst der Duellzwang aus der Armee ausgerottet werde. DaS hat man von ZemrumSseite der Regierung auch angedroht. Beispielsweise schrieb dieGermania " am 26. April 1912: Das Zentrum wird in der Bekämpfung deS Duellunfugs nicht erlahmen. Bei der weiteren Beratung der Wehrvorlagen, besonders in der Kommission, wird sich schon die Gelegenheit bieten, die Regierung nachdrücklichst aus die Forderungen der überwiegenden Mehrheit deS deutschen Volkes und seiner parlamentarischen Vertretung hinzuweisen." Aber bei solchen balbversteckten Drohungen ist eS geblieben. Ernst zu machen, dazu hat sich da« Zentrum nie zu entschließen ver- macht schließlich ist ihm seine Stellung als mitregierende Partei und seine Verbindung mit den Konservativen doch viel wichtiger, als alle Religionsgebote.__ Sühne für einen Duellmord. Aus Metz wird telegraphisch gemeldet: DaS Kriegsgericht hat heute nach siebenstündiger Verhandlung den Leutnant V. la Valette St. George wegen Zweikampfs mit tödlichem Ausgange zu 2 Jahren 6 Monaten Festungshaft und Dienstentlassung verurteilt. Das Gericht hat angenommen, daß der Angeklagte den Zweikampf durch fein Benehmen veranlaßt und die F a m i l i e n e h r e des von ihm getöteten Leutnant Haage aufs schwerste verletzt habe. Dreißig Monate Festungshaft für einen Offizier wiegen nach nicht so schwer wie sechs Monate Gefängnis. Die Sühne für die frivole Vernichtung eines Menschenlebens ist also überaus milde! Preußische Ausweisungspraxis. In Tilsit erhielt im vorigen Jahre der Arbeiter Anton Arendt von der Polizei die Aufforderung, Preußen zu Verlasien. Der Mann bat den preußischen Minister des Innern, den Ausweisungsbefehl zurückzuziehen. Er wies daraus hin, daß er seit 18 Jahren in Preußen wohne, hier die Schule besucht habe und zu den Militär« Musterungen herangezogen worden sei. Arendt war bis 1912 Land- arbeiter und blieb bi» zu dieser Zeit, als er den Junkern treu diente, unbehelligt. Die polizeilichen Verfolgungen traten erst ein, ol« er nach der Stadl gezogen war und hier einig« Versammlungen besucht hatte. Der Minister lehnte sein Gesuch ab. Arendt, der für ein Kind zu sorgen hat und kurz vor seiner Verheiratung stand, mußte am 8. März 1914 das gastliche Preußen verlaflen. Der Kampf um ein gleiches Wahlrecht in Württemberg . DaS württembergische LandtagSwahlrecht soll dem Buchstaben zufolge gleich sein. In Wirklichkeit differiert die Zahl der Wähler in den 6 Oberämtern sehr bedeutend. Diegute Stadt" E l l w a n g e n zählte 1912 994 Wahlberechtigte, die einen Ab- geordneten zu wählen haben; das Oberamt Göppingen mit mehr als 13 990 Wahlberechtigten konnte auch nur einen Ab» geordneten wählen. Die Stimme eines Ellwanger Wählers wiegt 14mal so schwer als die eines Wahlberechtigten in Göppingen . Die industriereichen Oberämter und Städte sind die Leid- tragenden. Die wirtschaftlich und politisch rückständigen Bezirke, die Domänen des Zentrums und des Bauernbundes, üben in der Zweiten Kammer einen weit über ihre zahlenmäßige Bedeutung im Volk hinausgehenden Einfluß auf die Gesetzgebung aus. Mit 88 Proz. der abgegebenen Stimmen verfügen sie über 59 Proz. der Mandate. Die sozialdemokratische Landtags ftaktton hatte nach der Wahl 1912 beim Zusammentritt des Landtag « sofort einen Initiativ- antrag auf Schaffung eine» wirklich gleichen Wahlrechts ein- gebracht. Das wäre verhältnismäßig leicht zu erreichen durch Ausdehnung der Verhältniswahl auf das ganze Land. Die Haupt- und Residenzstadt Stuttgart wählt jetzt schon ihre sechs Ab- geordneten auf dem Wege Proporzes. Ebenso werden zu den Ab- geordneten der Bezirke undguten Städte" noch 17 weitere Abgeordnete durch Landesproporz gewählt. Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion ging nun dahin, da» ganze Land in 8 bi» 12 Wahlkreise zu zerlegen und in jedem Wahlkreis die nach Maßgabe seiner Bevölkerungszahl auf ihn entfallenden Ab- geordneten im Wege der Verhältniswahl zu bestimmen. In der Freitagsitzung der Zweiten Kammer kam der Antrag zur Beratung. Der Fraktionsredner Genosse Keil begründete ihn mit durchschlagenden Gründen, belegt durch ein sehr reich- haltigeS Material. Die Regierung ließ aber durch den Minister- Präsidenten v. Weizsäcker und durch den Minister des Innern er- klären, daß sie an der Bezirkswahl nicht rütteln lasse. Daß Bauernbund und Zentrum, die Nutznießer de» jetzigen Wahl- Unrechts, sich mit der Regierung solidarisch erklärten, kann nicht wundernehmen, und von unseren württembergischen National- liberalen hat noch niemand so etwas wie demokratisches Gewissen erwartet. Starkes Aufsehen erregte aber die Rede deS volkspartei­lichen Führers Konrad Haußmann. Wohl war man darauf gefaßt, daß auch diese Partei sich gegen ein wirklich gleiche« Wahl­recht erklären würde, aber so etliche JBem" undAber"»ich